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7. München: Meredith Monk – Das Durchstoßen von Oberflächen
8. Landsberg: Marc Ribot’s Ceramic Dog – Vielleicht im nächsten Jahr
9. Fürstenfeld: Big Creek Slim, Roger C. Wade & Christian Rannenberg – Blue...
10. Fürstenfeld: Macbeth – Konventionen gesprengt
11. Olching: Michael Leslies - Winterwärme
12. Gilching: Ricardo Volkert & Ensemble – Leidenschaft und Intensität
Freitag 16.02.2024
München: Meredith Monk – Das Durchstoßen von Oberflächen
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Fotos: TJ Krebs
München. Sie selbst sieht sich als Komponistin - bekannte Meredith Monk schon vor vielen Jahren. Alles in ihrer Kunst dreht sich um Töne, um Klang, um rhythmischen Ausdruck. Auch dann, wenn sie als Tänzerin, Regisseurin, Dramaturgin, Choreografin, Gestalterin auf der Bühne steht oder in Ausstellungen ortbar ist. Doch im Grunde lassen sich bei ihren Auftritten einzelne Sparten nicht so einfach voneinander trennen. Denn in ihrer Kunst regiert die Ganzheitlichkeit der Kommunikation. All ihre Schaffensprozesse sind, zusammengenommen, eine Art multisensorisches Werk.
Im Rahmen der Ausstellung CALLING im Münchner Haus der Kunst, präsentierte die 1942 in Queens, New York City geborene Monk am Donnerstag gemeinsam mit Katie Geissinger (Stimme) und Allison Sniffin (Stimme, Geige und Keyboards) eines ihrer heute absolut seltenen, wie ungemein berührenden Konzerte.
Aber was heißt Konzert. Monks Auftritt darf, trotz des inflationären Gebrauchs dieser Umschreibung, tatsächlich als eine Performance beschrieben werden. Mehr Aktion als Vollendung, mehr Spiritualität als Perfektion, mehr Überzeugung als Verwundbarkeit.
Sie füllt den Raum mit ihrer Choreographie von Stimmen, von weltlichen Lauten, begegnet dem Unbewussten tänzerisch, durchstößt die Oberfläche und findet Zugang zu dem Darunter. Sie lässt sich leiten von transzendenter Sensibilität und vereinnehmender Empathie und ist dabei doch unerbittlich zu sich selbst, dabei auch aufrüttelnd und insistierend.
An ihrer Seite Katie Geissinger und Allison Sniffin, zwei Künstlerinnen, die schon seit den 1990er Jahren zum Meredith Monk Vocal Ensemble gehören. Sie wirken auf der Bühne befreit von allen Konventionen, scheinen nur der Kreativität und Sinnlichkeit ihrer Kunst verpflichtet. Sie kommunizieren in statischer Geschlossenheit, im Kanon, mit minimalistischen Gesten verziert. Alles atmet die Liebe und die Sehnsucht des freien Geistes. In kindhaft verspielte Melodien verpackt, oder von komplexer Realität gerahmt.
Jörg Konrad

Am Samstag, 17. Februar um 19.00 Uhr treten Meredith Monk, Katie Geissinger und Allison Sniffin noch einmal im Haus der Kunst auf. Wer diesen Auftritt verpasst – die Ausstellung CALLING würdigt in einer beeindruckenden Werkschau die Einzigartigkeit der Künstlerin Meredith Monk noch bis zum 03. März 2024.
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Montag 05.02.2024
Landsberg: Marc Ribot’s Ceramic Dog – Vielleicht im nächsten Jahr
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Foto: EbruYildiz
Landsberg. Alle drei sind mit eigenen Projekten weltweit unterwegs. Und so kann es passieren, dass einer von Ihnen ausfällt. Nicht, weil er einen Flieger von Bombay nach Rio verpasst hat. Sondern, wie im Fall von Bassist Shahzad Ismaily, weil dieser am Wochenende in Los Angeles weilte - zur Grammy Gala. Er ist nominiert für Best Global Music Performance (Feist) und Best Alternative Jazz Album (Arooj Aftab Trio).
So saßen am Sonntag im Landsberger Stadttheater bei den Ceramic Dog nur zwei Drittel der regulären Band auf der Bühne. Am Bass hingegen ein Ersatzmann: Der Punk und Jazz erfahrene Reza Askari. Und gleich vorweg – dieser erfüllte seine Aufgabe großartig, musizierte verlässlich im Sinne des eindrucksvollen Alternative-Blues-Free-Projects und gab tatsächlich manch exzellenten Impuls.
Im Grunde aber keine leichte Herausforderung. Denn in einem derartigen Trio steht weniger der Einzelspieler im Zentrum des Geschehens. Meist werden entsprechend alle beteiligten Instrumentalisten gleichermaßen gefordert, sind jeweils Solist als auch Teamplayer. Alles andere wäre fatal.
Gegründet hat dieses Kraftpaket Marc Ribot übrigens im Jahr 2008. Ribot, ein Gitarrist, der eigentlich so gar nicht ins Bild dieses präzise agierenden, perfekt virtuosen Saitenzauberers passen will. Dafür ist er zu sperrig, sind seine musikalischen Meriten zu unkonventionell, um nicht zu sagen zu überspannt. Ein Desperado am Instrument. Unregelmäßige Veröffentlichungen heizen die Spannung bei den Auftritten seiner Ceramic Dog bei ihrer Fangemeinde noch zusätzlich an. Und die ist groß - auch in Landsberg.
Volles Haus am Lech. Und von Anfang an war akustisch klar, worum es Ribot und seinen Mannen geht: Freiheit, Abenteuer, Intensität. Und dieses erreichen sie durch maximale Reduktion bei optimaler Wirkung. In „Connection“, aus dem gleichnamigen Album, genügen als Beispiel zwei Riffs, und der Theatersaal beginnt zu brodeln, wie ein Vulkan, kurz vor dessen Ausbruch. Und dann entlädt sie sich tatsächlich, die Energie, die leidenschaftliche Bestimmtheit und hält das Publikum knappe einhundert Minuten in Schach.
Natürlich fallen einem bei Ribots Gitarrenarbeit sofort die Altvorderen des Blues ein, aber auch ein Albert Ayler oder ein Arto Lindsay - zumindest was Momente des Gesangs betrifft. Aber Ribot demontiert und editiert all die Verbindungen mit respektvoller Gnadenlosigkeit und so wird das, was er spielt, letztendlich wieder zu einem reinen Ribot. Und mit diesem Ton, diesem schneidenden Sound, diesem radikalen Schwung unterfüttert er entschieden seine bisher längste musikalische Beziehung, die zu den Ceramic Dogs.
Dieses Trio ist sein Rock'n Roll Sprachrohr, ebenso knarzig wie politisch, provokant wie geistreich. Auch dank eines explodierenden Schlagzeugers Ches Smith, der ebenso unerbittlich hart auf die Eins schlägt, wie er polyrhythmisch zu jonglieren versteht. Und der sich prächtig mit Bassist Reza Askari ergänzt, der wiederum als eine Art Mittler zwischen den beiden Außen Ribot und Smith fungiert.
Am Ende hinterließ dieses Trio auf seinem wilden wie schweißtreibenden Ritt durch die Musikgeschichte eine breite Schneise, eine fruchtbare Furche, die aufgrund ihrer konsequenten Originalität noch eine gehörige Weile nachwirken wird.
Übrigens ist Shahzad Ismaily bei der Grammy-Verleihung in der Nacht zum Montag leer ausgegangen. Vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr – mit Ceramic Dog!
Jörg Konrad
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Foto Big Creek Slim: Agentur
Samstag 20.01.2024
Fürstenfeld: Big Creek Slim, Roger C. Wade & Christian Rannenberg – Blues der die Seele wärmt
Fürstenfeld. „Wer über den Blues schreibt, begibt sich auf gefährliches, unsicheres Terrain“, schrieb Siegfried Schmidt-Joos anlässlich der „American Folk Blues Festivals“ - Tournee 1963. „Er betritt eine Welt ohne Geburtenregister und ohne Tagebuch-Notizen, ein eigentümliches Halbdunkel mehr oder weniger zutreffender Erinnerungen.“
Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte größtenteils geändert. Das Originäre, das Archaische existiert zwar noch immer, bezieht sich heute jedoch mehr auf die Musik, als auf die Interpreten und ihre Lebensumstände. Blueser aus den Elendsvierteln, dass ist oft nur noch Geschichte. Doch deren Geist, ihre Unerbittlichkeit, Hingabe und Melancholie beeindrucken hingegen noch heute manchen jungen Musiker hörbar in seiner Kunst.
Gitarrist und Sänger Big Creek Slim ist so ein Besessener, der das ganze Erbe der Blueslegenden wie ein Schwamm in sich aufgesogen zu haben scheint. Er bewegt sich auf diesem schmalen rudimentären Pfad, wie einst Howlin’ Wolf oder gar Charley Patton, mit dieser urwüchsigen, authentischen Sparsamkeit im Spiel und dieser unglaublichen Aussagekraft.
Am Freitag war der Däne(!) zusammen mit dem energiegeladenen Mundharmonikaspieler Roger Wade und dem virtuosen Pianisten Christian Dannenberg in Fürstenfeld. Blues First rief und trotz tiefster Minustemperaturen war der Saal vollbesetzt - das Publikum in bester Stimmung.
Es gab wohl kaum jemanden an diesem Abend, der den Gang in die Kälte bereute. Dafür sorgten die Drei auf der Bühne. Obwohl kein reguläres Trio, sondern spontan für diesen Abend zusammengekommen, ließen sie die Seele des Blues von der Leine. Und vielleicht auch gerade weil musikalisch nicht alles so zielgenau passte, es hin und wieder Improvisationsstrecken gab, sprang der Funke vehement über. Fehlender Perfektionismus ist in unserer heute so durchgestylten und durchorganisierten Welt ein Novum. Zumal es im Blues eben auch immer weitaus stärker um ein Lebensgefühl geht, das einst als Worksong auf den Baulwollfeldern des Mississippi zum Ausdruck gebracht wurde, später als Grundlage den Jazz erweiterte und wie kaum eine andere Musik Emotionen ganz direkt vermittelt.
Doch entsprechend dem Fürstenfelder Trio, das im Grunde aus sehr eigenen Charakteren besteht, gab es auch furiose Boogie Woogie Passagen, in denen Christian Rannenberg seine ganz Erfahrung und sein Können zum Ausdruck brachte. Die schwungvoll sich wiederholenden Bassfiguren mit der rechten Hand spielend und die perlenden Akkordläufe mit den kurzen melodischen Figuren dagegengesetzt, ließ jedes Mal sofort eine rhythmische Stimmung aufkochen.
Roger C. Wade war das improvisierende Verbindungsglied zwischen Big Creek Slims trocknen Gitarrenlicks und seinem unverhohlen rauen Gesang und den mehr filigranen Fingerspielen des Pianisten. Wade brachte diese unterschiedlichen Persönlichkeiten mit seiner Harmonika zusammen, schuf diesen gemeinschaftlichen Sound, der das Publikum tief in seiner Seele berührte und es so ordentlich wärmte.
Jörg Konrad
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Fotos: Armin Smailovic
Freitag 12.01.2024
Fürstenfeld: Macbeth – Konventionen gesprengt
Fürstenfeld. Heiner Müller, einer der vielleicht spektakulärsten deutschsprachigen Theatermacher, war selbst Shakespeare verfallen, den er immer wieder neu übersetzte, bearbeitete und inszenierte, weil, wie Müller meinte, in den Stücken des Engländers alles menschliche und nichtmenschliche drastisch zum Ausdruck gebracht wurde. Eine ideale Projektionsfläche für diktatorische Gesellschaften, weil in den Dramen alles politisch Maßlose ausgedrückt werden konnte, was vor allem aufgrund von Zensur und staatlicher Willkür verboten war. Shakespeare passt immer.
Johan Simon vom Schauspielhaus Bochum hat "Macbeth" von Shakespeare neu inszeniert und das Stück am Mittwochabend in Fürstenfeld als Gastspiel präsentiert.
Macbeth wird nach dem Sieg über die Norweger von drei Hexen geweissagt, dass er zum König aufsteigt. Eingeladen zur Siegesfeier beim amtierenden König Duncan und auf Initiative von Lady Macbeth ersticht Macbeth Duncan und wird so zum König ausgerufen. Doch damit beginnt erst das eigentliche Spiel um Macht und Herrschaft, um Terror und Revolte.
Johan Simon und sein Ensemble, zu dem nur drei(!!) Schauspieler gehören, machten aus dem blutrünstigsten Shakespeare-Stück, der Greuel-Ballade vom Königsmord und seinen Folgen, eine Chimäre aus Tragödie und Boulevard. Mordgier kontra Witzeleien, Irrsinn kontra Konvergenz, manirierte Tanzeinlagen kontra sinnloser Gewalt.
Doch besonders in der Gegenüberstellung und dem Herausarbeiten dieser Gegensätze wird die uneinschätzbare Grausamkeit der Figuren deutlich, wird das Stück, trotz mancher Längen, zu einer Art klassischer Horrorkomödie, in der das Lachen stets im Halse stecken bleibt.
„Macbeth“ ist besetzt mit drei (fest eingeschworenen) Schauspielern, die die Rollen unter sich aufteilen: Stefan Hunstein (Hexe 1), Jens Harzer (Hexe 2, Duncan, Macbeth, Malcolm, Mörder) und Marina Galic (Hexe 3, Lady Macbeth, Banquo, Macduff, Lady MacDuff, Sohn). Ein überschaubares Ensembles, das sich voller Lust und Leidenschaft in die Inszenierung wirft. Besonders Iffland-Ring-Träger Harzer hat mit seinen Rollen eine beinahe Mamutaufgabe zu bewältigen. Drei Stunden als Schwadroneur, Conférencier mit Slapstickeinlagen, gewaltbereiter Delinquent, winselnder Idiot, Grimassen schneidender Narr - Krone auf, Krone ab, Krone auf - und Lebensweisheiten von sich gebender Teilzeitphilosoph („Wir fischen nur im Trüben, wenn wir hoffen. Denn die Entscheidung wird vom Schwert getroffen, im Krieg“) ist schon eine gewaltige Herausforderung.
Marina Galic verführt und stiftet an, stirbt und tötet, radikalisiert und bittet um Verzeihung.
Und selbst Hunstein, obwohl offiziell nur Hexe 1 verkörpernd, hat ordentlich zu tun: Als Giftmischer und Pferdeersatz, als Spielmaterialien überreichender Requisiteur, als Eintänzer und DJ.
Diese Inszenierung sprengt manche Konventionen, amüsiert ebenso, wie sie Fragen offen lässt, beeindruckt in ihrer federleicht gespielten Abgründigkeit und trifft den Zuschauer mit ihrer Kompromisslosigkeit im Tagesgeschäft der Macht.
Jörg Konrad
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Sonntag 07.01.2024
Olching: Michael Leslies - Winterwärme
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Olching. Es ist fast neunzehn Jahre her, dass Michael Leslie die erste Matinee der von Michael Schopper ins Leben gerufenen Reihe Eleven-Eleven in Olching eröffnete. Der australische Pianist Leslie spielte im Februar 2005 Beethovens Klaviersonaten op. 109 und 110 und gleich dieses erste Konzert war ein voller Erfolg.
Am letzten Sonntag fand die mittlerweile 215. Matinee in der Kulturwerkstatt am Olchinger Mühlbach (KOM) statt und am Flügel saß wiederum Michael Leslie. Sein Repertoire bestand diesmal aus Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart, Frédéric Chopin und, im Zentrum an diesem Vormittag, Modest Mussorgsky „Bilder einer Austellung“.
Mit Mozarts „Rondo a-moll KV 511“ entschied sich der in Australien geborene Pianist Leslie zu Beginn der Matinee für ein Stück, welches als ein Auftragswerk Mozarts für seinen Verlegerfreund Franz Anton Hoffmeister gilt. Ein technisch wohl nicht sehr herausforderndes Stück, dessen Tücken in der musikalischen Umsetzung liegen. Hier herrscht ein sanft melancholischer Charakter vor, der in seinem Ansprach zwischen Zartheit und Dramatik schwankt - oft zugunsten einer gewissen herausfordernden Ausdruckskunst. Leslie widmete sich dieser Komposition mit Hingabe, spielte sie mit Energie und Empfindsamkeit und erhält damit der Komposition ihre strahlende Zeitlosigkeit.
Von Frédéric Chopin (1810-1849) stand mit „Barcarolle in Fis Dur op. 60“ eine der schönsten, vielleicht vollendetsten Kompositionen des polnischen Pianisten und Klavierpädagogen auf dem Programm. Entstanden ist dieses „Gondellied“ womöglich auf Grundlage einer 1885 geplanten Venedig-Reise, die Chopin dann jedoch nicht angetreten hat. Trotzdem bringt dieser schaukelnde Grundrhythmus und die darübergesetzte gesangliche Melodie eine deutliche Verbindung zum Gondoliere, denn eine Barkarole (von italienisch barca „Barke, Boot“) war ursprünglich ein venezianisches Gondel- bzw. Schifferlied. Insgesamt eine Meisterkomposition, deren kühne Harmonien, dem dynamisch fließenden Charakter und leidenschaftlichen Ausdruck Schönheit vermitteln. Erst recht in der Interpretation von Michael Leslie, dem es gelingt, sowohl die sanften Übergänge als auch die unvermittelten Wechsel hervorragend miteinander zu kombinieren.
Modest Mussorgsky (1839-1881) gehörte zu einer kleinen Gruppe von Pianisten und Komponisten, die in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Musikszene in Russland ungemein bereicherten und versuchten, diese von einer „westlichen Fremdherrschaft“ zu befreien. Das besondere an diesem „Mächtigen Häuflein“, wie sie sich nannten und zu denen unter anderem César A. Cui und auch Alexander Borodin gehörten, war der Umstand, dass sie als Musiker und Komponisten Autodidakten waren und bewusst bürgerliche Berufe ausübten.
Vielleicht war dies der Grund, dass sie überaus unvoreingenommen und mit nur wenig „inspirierendem Ballast“ ihre eigene Musik schaffen wollten und letztendlich, in einem gewissen Bereich, auch schaffen konnten.
Zu den bekanntesten Werken dieser Gruppe gehört Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, ein Zyklus für Solo-Klavier, der in den folgenden einhundert Jahren in immer wieder neuen Orchesterfassungen und populären Arrangements aufgeführt und eingespielt wurde.
Entstanden waren die insgesamt zehn Kompositionen des Zyklus aufgrund des plötzlichen Ablebens des Malers Victor Alexandrowitsch Hartmann, einem engen Freund Mussorgskys und einer retrospektiven Ausstellung des Künstlers.
Mussorgsky fasste diese ihn stark beeindruckende Ausstellung in zehn, zum Teil hochvirtuosen Bildbeschreibungen zusammen. Verbunden wurden diese einzelnen Kompositionen mit verschiedenen Variationen des Stückes „Promenade“, die als Überleitungen fungierten.
Leslie begeistert in diesem heute leider zu wenig aufgeführten Zyklus. Seine Interpretation wirkt wie eine Art Prozession durch einen Bilder- und Themenpark, dem sich nicht zuletzt durch die emotionale Vielfalt der Stücke kaum jemand entziehen konnte. Klangmächtig kann man diesen Original-Mussorgski bezeichnen und atmosphärisch mitreißend. Musikalisch anregender konnte das Jahr 2024 kaum beginnen.
Jörg Konrad
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Freitag 22.12.2023
Gilching: Ricardo Volkert & Ensemble – Leidenschaft und Intensität
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Gilching. Vielleicht kann man zur Abwechslung mal diese ewige Diskussionen zur Leitkultur ausblenden. Erst recht, ob denn der Kauf eines Weihnachtsbaumes in diese farblose Rubrik gehört - oder eben nicht. Man muss das Weihnachtsfest musikalisch nicht unbedingt mit „Stille Nacht“ oder „Vom Himmel hoch“ einläuten. Es geht auch anders. In Spanien zum Beispiel, speziell in Andalusien, denn da ist der Flamenco zu Hause. Und Flamenco ist eine ganzjährige Passion - auch Ricardo Volkerts Passion, obwohl dieser gar nicht aus Andalusien stammt. Aber er hat sich schon vor Jahren dieser Leidenschaft verschrieben und tourt in diesen Tagen mit einem speziellen Weihnachtsprogramm durch die Republik. „Feliz Navidad“ - Frohe Weihnachten - hieß es auch am gestrigen Donnerstag im Rahmen der Rathauskonzerte in Gilching.
Volkert präsentierte mit seinem sechsköpfigen Ensemble ein Art vergnügliches Betlehem. Temperamentvoller und feuriger Flamenco mit augenzwinkernden Texten über den Heiligen Abend - in Andalusein „Villancicos“ genannt.
Der Flamenco ist ein von starker Leidenschaft gekennzeichnetes Ereignis, das ohne emotionales Fundament nur schwer umzusetzen wäre. Egal, ob es sich um die Musik oder den Tanz handelt. Volkert präsentiert beide Facetten in klassischer Manier. Er selbst als Saitenmagier und Sänger gibt dabei die Richtung vor. Als Gitarrist macht er die verschiedenen Schattierungen und Stimmungen des iberischen Blues erlebbar. Egal, ob er raumfüllende Akkorde oder schwindelerregende Läufe spielt, man spürt in jedem Moment die kulturelle Vielgestaltigkeit und die Integrität des Flamenco, der sich aus indischen, marokkanischen, ägyptischen, und selbst jüdischen Anteilen zusammensetzt. Oft melancholisch klagend, immer voller Intensität. An seiner Seite Simón „El Quintero“, ebenfalls an der Gitarre, und Cellist Jost-H. Hecker.
Mit den drei Tänzerinnen kommt das Ensemble sehr stark in die Nähe des folkloristischen Originals. Ihre markanten Bewegungen, die spannungsvollen Körperhaltungen, die wellenförmigen arabesken Gesten, bis hin zum festen, selbstbewussten Aufschlagen der Füße - alles würdevolle Sinnlichkeit. Eine Art inszenierter Ausdruckstanz, dessen Wechselspiel von pulsierendem Fluss und plötzlichem Innehalten der Bewegungen geprägt wird. Zudem ein verführerisches Spektakel, das immer ein Gefühl des Trostspendens, aber auch der Rivalität vermittelt. So werden auch alte Lieder visuell zu neuem Lodern gebracht und die eigene Zerissenheit bekommt ein Ventil. Es ist ein Weihnachten der anderen Art, spürbar ausgelassen und doch freud- wie leidvoll. Es ist Leben in seiner vitalsten Form - das vom Publikum begeistert aufgenommen und mitgefeiert wurde.
Jörg Konrad
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Autor: Siehe Artikel
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