Fürstenfeld. „Wer über den Blues schreibt, begibt sich auf gefährliches, unsicheres Terrain“, schrieb Siegfried Schmidt-Joos anlässlich der „American Folk Blues Festivals“ - Tournee 1963. „Er betritt eine Welt ohne Geburtenregister und ohne Tagebuch-Notizen, ein eigentümliches Halbdunkel mehr oder weniger zutreffender Erinnerungen.“
Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte größtenteils geändert. Das Originäre, das Archaische existiert zwar noch immer, bezieht sich heute jedoch mehr auf die Musik, als auf die Interpreten und ihre Lebensumstände. Blueser aus den Elendsvierteln, dass ist oft nur noch Geschichte. Doch deren Geist, ihre Unerbittlichkeit, Hingabe und Melancholie beeindrucken hingegen noch heute manchen jungen Musiker hörbar in seiner Kunst.
Gitarrist und Sänger Big Creek Slim ist so ein Besessener, der das ganze Erbe der Blueslegenden wie ein Schwamm in sich aufgesogen zu haben scheint. Er bewegt sich auf diesem schmalen rudimentären Pfad, wie einst Howlin’ Wolf oder gar Charley Patton, mit dieser urwüchsigen, authentischen Sparsamkeit im Spiel und dieser unglaublichen Aussagekraft.
Am Freitag war der Däne(!) zusammen mit dem energiegeladenen Mundharmonikaspieler Roger Wade und dem virtuosen Pianisten Christian Dannenberg in Fürstenfeld. Blues First rief und trotz tiefster Minustemperaturen war der Saal vollbesetzt - das Publikum in bester Stimmung.
Es gab wohl kaum jemanden an diesem Abend, der den Gang in die Kälte bereute. Dafür sorgten die Drei auf der Bühne. Obwohl kein reguläres Trio, sondern spontan für diesen Abend zusammengekommen, ließen sie die Seele des Blues von der Leine. Und vielleicht auch gerade weil musikalisch nicht alles so zielgenau passte, es hin und wieder Improvisationsstrecken gab, sprang der Funke vehement über. Fehlender Perfektionismus ist in unserer heute so durchgestylten und durchorganisierten Welt ein Novum. Zumal es im Blues eben auch immer weitaus stärker um ein Lebensgefühl geht, das einst als Worksong auf den Baulwollfeldern des Mississippi zum Ausdruck gebracht wurde, später als Grundlage den Jazz erweiterte und wie kaum eine andere Musik Emotionen ganz direkt vermittelt.
Doch entsprechend dem Fürstenfelder Trio, das im Grunde aus sehr eigenen Charakteren besteht, gab es auch furiose Boogie Woogie Passagen, in denen Christian Rannenberg seine ganz Erfahrung und sein Können zum Ausdruck brachte. Die schwungvoll sich wiederholenden Bassfiguren mit der rechten Hand spielend und die perlenden Akkordläufe mit den kurzen melodischen Figuren dagegengesetzt, ließ jedes Mal sofort eine rhythmische Stimmung aufkochen.
Roger C. Wade war das improvisierende Verbindungsglied zwischen Big Creek Slims trocknen Gitarrenlicks und seinem unverhohlen rauen Gesang und den mehr filigranen Fingerspielen des Pianisten. Wade brachte diese unterschiedlichen Persönlichkeiten mit seiner Harmonika zusammen, schuf diesen gemeinschaftlichen Sound, der das Publikum tief in seiner Seele berührte und es so ordentlich wärmte.
Jörg Konrad