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19. Fürstenfeld: VoicesInTime - Groovin‘ high & gute Laune
20. Landsberg: Silje Nergaard & Espen Berg – In weihnachtlichem Glanz
21. Fürstenfeld: Masako Ohta & Matthias Lindermayr - Ein Traumduo
22. Fürstenfeld: Martin Kälberer – Eindringliche Stille
23. Landsberg: Bezahlt wird nicht – Zwischen zivilem Ungehorsam und Hysterie
24. Fürstenfeld: Hans Theessink & Big Daddy Wilson – Musik für die Seele
Freitag 15.12.2023
Fürstenfeld: VoicesInTime - Groovin‘ high & gute Laune
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Fürstenfeld. Das diesjährige Abschlusskonzert der JazzFirst Reihe im Veranstaltungsforum Fürstenfeldbruck bestritt der Münchner Rock- und Jazzchor VoicesInTime. Damit alle Fans der Jazzreihe und des Chores in den Saal passten wurden noch ein paar Extrareihen mit Stühlen aufgestellt – ausverkauftes Haus! Der Chor kam auf die Bühne und eröffnete den Abend mit zwei Songs, die mitreißend vorgetragen wurden und gleichzeitig zum Nachdenken anregten: „Stefania“ vom ukrainischen Kalush Orchestra und dem Anti-Kriegssong „Brothers In Arms“ von Mark Knopfler. Als Opener des Abends zwei gelungene Statements angesichts der aktuellen politischen Lage in der Ukraine und im Nahen Osten.

VoicesInTime wurde im Jahr 1996 von Stefan Kalmer als musikalischer Leiter gegründet und hat sich über die Jahre zu einem sensationellen und überaus erfolgreichen Chor-Ensemble entwickelt. Mit neuer CD am Start durfte an dem Abend natürlich auch der titelgebende Song „Lauf Davon“, von Daniel Pongratz aka Danger Dan, mit Benjamin Bauer als Solist, nicht fehlen. Weitere Ohrwürmer wie Adele‘s „Set Fire To The Rain“, „The Show Must Go On“ von Freddie Mercury, sowie Klassiker wie „Son Of A Preacher Man“ oder Leonhard Cohen’s „Hallelujah“ wurden geschickt zwischen Weihnachtsliedern platziert. Dadurch hatte der Abend einen durchaus weihnachtlichen Touch, der, aufheiternd mit Oliver Gies „Adventskalender im September“, dem berührenden „That’s Christmas To Me“ von Pentatonix oder bei Mariah Carey’s „All I Want For Christmas Is You“, bei der Sopranistin Alessia Tavian mit ihrer Performance das Publikum restlos begeisterte, zu keinem Zeitpunkt kitschig daherkam oder ins Zuckergussbeliebige abdriftete.
Am Puls der Zeit mit der Songauswahl, mit beseeltem Groove, klang- und gesanglich auf dem Punkt, gemixt mit einer Portion guter Laune, genoss das Publikum VoicesInTime in vollen Zügen. Bei „Herzekrank“, einem Kanon-Arrangement von Stefan Kalmer zu einem Text von Heinrich Heine konnte schließlich auch das Publikum unter Beweis stellen, dass es gemeinsam mit dem Chor musizieren kann wobei man dabei schon merkte, dass eine perfekte Performance gar nicht so einfach ist.
Alles in allem ein wunderbar enstspannter, kurzweiliger Konzertabend, der perfekt zur Vorweihnachtszeit passte. Nach drei Zugaben: „Bella Ciao“, „Mary, Did You Know“ sowie Billie Eilish‘s Bond Song „No Time To Die“ wurde das beglückte Publikum in den winterlichen Abend entlassen.

Weiter geht es im neuen Jahr im Rahmen der JazzFirst Reihe dann am 28.02. mit dem Jakob Manz Projekt, am 10.04. dem Helge Lien Trio und am 15.05. mit dem Ensemble Raab - van Endert - Tortiller.
Text & Fotos Thomas J. Krebs
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Foto: Agnete Brun
Freitag 08.12.2023
Landsberg: Silje Nergaard & Espen Berg – In weihnachtlichem Glanz
Landsberg. Jazz ist heute weitaus toleranter. Er duldet mehr stilfremdes, als noch vor Jahrzehnten. Das hat den eindeutigen Vorteil, dass sich das Spektrum seiner Interpreten enorm erweitert. Der Nachteil: Das Verhältnis zwischen Kunst und Kommerz verschiebt sich hin zu letzterem.
Silje Nergaard war am Donnerstag im Rahmen ihrer kleinen Deutschlandtour zu Gast im Landsberger Stadttheater. An ihrer Seite: Pianist Espen Berg. Ein Duo, das das Publikum der Jahreszeit entsprechend mit Weihnachtsliedern in Stimmung brachte. Nicht swingend, wie einst Ella Fitzgerald oder Bing Crosby, auch nicht lasziv mondän, wie es die Art der Kanadierin Diana Krall ist und auch nicht mit dieser kammermusikalischer Intensität eines Till Brönner. Silje Nergaard und Espen Berg stellten deutlicher die Balladenkunst im winterlichen Festtagsgewandt ins Zentrum ihres Vortrags. Und die hatte mit jazzigen Blue Note's nur am Rande zu tun.
Nergaards Gesang und ihre Art der Interpretation ging mehr in den Bereich einer Popikone. Nicht das schleppende Knowhow des Blues und auch nicht die beiläufigen Intervallwechsel des Bop standen im Mittelpunkt ihres Auftritts. Der Gesang der Norwegerin ist sanft und gefühlvoll, besitzt kaum Vibrato, lebt von einer stark emotionsgeladenen Ästhetik. Die Minimalisierung ihrer stimmlichen Mittel ist dem Programm geschuldet. Sie steht mit ihrer Regelmäßigkeit der Tonhöhen, den Längen ihres Tonfalls und ihrem Timbre hörbar in einer europäischen Song-Tradition. Da passt es, dass sie in jungen Jahren beim Vorentscheid des Grand Prix Eurovision de la Chanson ihr Heimatland vertreten hat.
Espen Berg an ihrer Seite ist ein Pianist mit Feingefühl, ein begleitender Gestalter par excellence. Er „eskortierte“ die Sängerin im besten, im klassischen Sinn. Ein Vertrauter, der verlässlich ist und Sicherheit gibt. Die Momente die ihm in den Songs solistisch zur Verfügung stehen, nutzt er mit kleinen pianistischen Kabinettstücken, driftet mutig in einen Boogie Woogie und zitiert in diesem Kontext Figuren aus dem Zeitalter des Ragtime. Für ein eigenes Stück greift er tief in die Schublade der Improvisation, begeistert mit einem entgrenzten Soloausflug, der zugleich Brad Mehldau, Keith Jarrett und Esbjörn Svensson streift. Nicht kopiert wohlgemerkt. Aber seine impressionistische Architektur ist im Hier und Heute angelegt und da kommt man an diesen Monumenten nun einmal nicht vorbei.
Silje Nergaard und Espen Berg kennen sich seit Jahren, haben miteinander aufgenommen und sind gemeinsam getourt. Das ist spürbar. Zwischen ihnen scheint die Chemie zu stimmen. Sie wissen vom jeweils anderen in welche Richtung es geht, welche musikalischen Haken er schlägt und welche eben nicht. Berg hält sich zu achtzig Prozent an Nergaards Vorgaben und die Sängerin weiß, was sie an ihrem Pianisten hat. Wie mögen sie klingen, wenn mehr musikalisches Risiko im Spiel ist? Wenn das Repertoire nicht nur aus gefühligen Weihnachtssongs besteht? Nun, dann wäre mit Sicherheit auch kein begeistertes Publikum zu erleben, das unbegleitet „Stille Nacht, Heilige Nacht“ sang und dem Abend dadurch eine ganz besondere Note gab.
Jörg Konrad
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Donnerstag 30.11.2023
Fürstenfeld: Masako Ohta & Matthias Lindermayr - Ein Traumduo
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Fotos: TJ Krebs
Fürstenfeld. Es gibt ganze Kompendien, die das Thema Kommunikation füllen. Hier lassen sich Definitionen finden, werden Arten und Modelle beschrieben, findet eine Differenzierung statt. Letztendlich dreht sich aber alles um den Austausch von Informationen und Gefühlen mit Hilfe von Sprache, Zeichen und, was leicht vergessen wird: mit und auf der Grundlage von Tönen! Dies alles wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, eingeordnet, analysiert.
Masako Ohta, die aus Japan stammende und heute in München lebende Pianistin und das Münchner Kindl, der Trompeter Matthias Lindermayr, nutzen seit einigen Jahren im musikalischen Miteinander ihre Instrumente. Dieser findet auf der Grundlage von Kompositionen und mit den Möglichkeiten der freien Assoziation, sprich der Improvisation statt. Der unmittelbare Austausch beider geriet am Mittwochabend in Fürstenfeld bei Jazz First beeindruckend. Weniger nach dem Prinzip des Unterteilens in Sender und Empfänger. Eher in Form eines gleichberechtigten, öffentlichen Gedankenaustauschs zweier hochsensibler Musiker.
Vielleicht könnte man den Duo-Auftritt beider auch als einen feinsinnigen Austausch von (musikalischen) Argumenten bezeichnen, wobei man vorausschicken sollte, dass während des gesamten Konzerts so etwas wie eine Art Seelenverwandtschaft die Grundlage bildete und für die Zuhörer spürbar war.
Dieser Dialog war trotz manchem klanglichen Kontrapunkt selten ein Kampf. Und wenn doch, dann weniger gegen- als miteinander. Vielleicht kann man auch von einem Pas de Deux, einem tänzerischen Paarlauf auf den Schwingen der Musik sprechen. Berührend das vorsichtige Herantasten beider an das Zentrum eines jeden Stückes. Man spürt, dass sich Masako Ohta intensiv mit Poesie beschäftigt. Sie schafft mit ihrem ruhigen Spiel weite Räume, lässt sich beim Entwickeln der schwebenden Töne Zeit und bringt in ihren Vortrag stärker Kammermusik und die Moderne mit ein, als dass sie sich in einen bluesorientierten Jazz stürzt. Matthias Lindermayr ist der klare Geschichtenerzähler. Sensibel, aber nicht sentimental; bestimmt, aber mit einem Hang zum Melancholischen. Fast ohne Vibrato auskommend erinnert manches in seinem Spiel an Trompetenlyriker von Kenny Wheeler bis Avishai Cohen.
Zusammnen bilden Masako Ohta und Matthias Lindermayr auf der Bühne eine Einheit, eine Einheit, in der sich niemand zugunsten des anderen aufgibt, sondern in der sich das Kreative auf dem Rücken von Spannung und (verhaltener) Intensität potenziert. Letztendlich ein musikalisches Ereignis - dieses Traumduo.
Jörg Konrad
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Sonntag 26.11.2023
Fürstenfeld: Martin Kälberer – Eindringliche Stille
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Fotos: TJ Krebs
Fürstenfeld. Karl Lippegaus, Musikjournalist aus Profession und einer der besten auf seinem Gebiet, hat vor Jahren ein bemerkenswertes Buch mit dem Titel „Die Stille im Kopf“ geschrieben. Im Grunde drängt sich der Gedanke auf, beide Dinge würden sich ausschließen, seien ein Paradox an sich: Musik und Stille. Aber auf 250 Seiten beschäftigt sich Lippegaus mit Musik und Musikern, denen die Stille in ihrem Tun mindestens ebenso wichtig ist, wie die Töne, die sie entwickeln. Allein weil der Kontrast zur Stille ihren Kompositionen und Improvisationen eine völlig neue Dimension gibt.
Martin Kälberers Musik der letzten Jahre ist ebenfalls getragen von einer (inneren) Ruhe, von tonarmen Sequenzen, von sparsamen Noten, von Melodienskeletten, die letztendlich neue Klangwelten erschließen.
Am Samstag hat Kälberer im (ausverkauften) Kleinen Saal des Veranstaltungsforums Fürstenfeld eine dieser reduzierten musikalischen Reise unternommen. Kaum etwas geriet an diesem Abend virtuos, oder lebte von exzeptionellen Interpretationen. Die Stimmung im Saal, die musikalische Stimmung, war gedämpft bis tröstend, vermittelte inhaltlich etwas von kontemplativer Entspannungsmusik, die auf der Bühne an Klavier, Electronics, Stimme und verschiedenen Perkussionsinstrumenten, allen voran dem Hang, Live entwickelt wurde.
Kälberer variierte die knappen melodischen Skizzen, durchsetzte sie mit Ambient-Sounds und schuf damit Emotionen von besonderer Eindringlichkeit. Mit diesen Tonfragmenten und Stimmungsfeldern mäanderte er so in den Außenbereichen und Randbezirken dessen, was man gemeinhin als populäre Musik bezeichnet. Man könnte dies Art des Musizierens auch als den Soundtrack zu den Melancholien des Alltags bezeichnen. Brian Eno formulierte dies in einem Interview mit Karl Lippegaus, das in jenem „Die Stille im Kopf“ nachzulesen ist, folgendermaßen: „Die Dinge, die, glaube ich, eine Veränderung in den Menschen bewirken können, sind die leiseren: die sich ganz allmählich ins Bewusstsein einschleichen und unsere gesamte Sicht der Dinge verändern.“
Jörg Konrad
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Samstag 25.11.2023
Landsberg: Bezahlt wird nicht – Zwischen zivilem Ungehorsam und Hysterie
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Foto: Forster
Landsberg. Als das Stück „Bezahlt wird nicht“ von Dario Fo Anfang der 1980er Jahre im Berliner Ensemble in Ostberlin aufgeführt wurde, meinte es eine Gruppe von jungen Besuchern mit dem Titel allzu wörtlich. Sie stürmten den Zuschauerraum - ohne Eintrittskarte und waren anschließend nicht zu bewegen, das Parkett wieder zu verlassen. Die Theaterleitung zeigte sich großzügig. Zu den folgenden Veranstaltungen war dann die doppelte Anzahl von Platzanweisern und Ordnern vor Ort.
Nun, mit derartigen vorrevolutionären Situationen hatte wohl am Freitag in Landsberg kaum jemand zu rechnen, als dieser mittlerweile Klassiker der Theaterliteratur auf dem Spielplan stand. Das Landestheater Schwaben brachte „Bezahlt wird nicht“ in einer Inszenierung von Tobias Sosinka auf die Bühne.
Ein Proteststück, politisches Theater, eine Boulevardkomödie der folgende Handlung zugrunde liegt: Nachdem in einem Einkaufzentrum die Preise drastisch erhöht wurden, haben sich etliche Frauen aus dem Wohnkomplex entschlossen, Waren aus den Regalen zu stehlen. Das Stück setzt ein, als Antonia und Margherita die entwendeten Lebensmittel in der Wohnung ersterer zwischenlagern. Aber wie sollen sie dies dem rechtschaffenden und gesetzestreuen Ehemann Antonias erklären? Sie lassen sich die groteskesten Ideen einfallen und entscheiden sich letztendlich für die Exzentrischste von allen: Sie stopfen Reis und Nudeln unter Margheritas Kleid und behaupten sie sei schwanger. Doch weder Antonias noch Margheritas Ehemann, die beide miteinander befreundet sich, wissen natürlich davon. Und so überschlagen sich die bizarrsten Verwicklungen: Es gibt durch die Polizei verschärfte Hausdurchsuchungen im Wohnblock, es tritt ein Carabinieri auf, ein Bestatter, der Vater von Antonias Ehemann – ein diffuses und völlig turbulentes Chaos entsteht, das allein durch eine gewisse Art von Hysterie und sich steigerndem Klamauk zusammengehalten wird.
Das Theater-Universalgenie Dario Fo („Ich spiele lieber den Clown als den Hamlet“) hat dieses Stück 1974 geschrieben - dreiundzwanzig Jahre bevor er den Nobelpreis erhielt. In einer Zeit, als seine Inszenierungen am Piccolo Teatro in Mailand in schöner Regelmäßigkeit für Skandale sorgten und er mit seiner Partnerin, der Schauspielerin Franca Rahme, in Italien als eine Art Staatsfeind behandelt wurde. Fast alles änderte sich mit der Verleihung des Nobelpreises, der ihm die Tore zu den internationalen Theatern öffnete.
Plötzlich erkannte man den politisch-sozialen Anspruch seiner Stücke, bzw. stellte diesen deutlicher heraus. Auch „Bezahlt wird nicht“ lebt letztendlich von sozialkritischen Anspielungen, zivilem Ungehorsam und Solidarität. Hinzu kommt Fo's Bezug zur italienischen Theaterhistorie, indem er sein Stück in der Tradition der Commedia dell'arte anlegt. Volkstümlich aber völlig überdreht wirkt nicht nur der Handlungsstrang, sondern auch das Spiel der Schauspieler. Mirjam Smejkal (Antonia) und Flurina Carla Schlegel (Margherita) überziehen ihre Rollen dramatisch fieberhaft, Thorsten Hamers Giovanni wechselt zwischen schwerfällig und kämpferisch, ein Typ der Frauen versteht und das Gute im Menschen zu sehen bereit ist. Tom Christopher Büning verkörpert in Luigi den Naiven ein wenig engstirnigen Mitläufer. Und André Stuchlik füllt die Rollen des Wachtmeisters, Caribinieris, Bestatters und Vaters Giovannis in aller notwendigen Skurrilität und klischeetreu aus.
Manchmal möchte man meinen, weniger wäre mehr. Doch letztendlich war die Aufführung ein großer wie nachdenklich machender Spaß, ein brisantes Feuerwerk an politisch inkorrekten Dialogen, mit dem das Ensemble mit seiner puren Lust am Spiel das Publikum begeisterte.
Jörg Konrad
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Freitag 17.11.2023
Fürstenfeld: Hans Theessink & Big Daddy Wilson – Musik für die Seele
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Fürstenfeld. Als hätten sich zwei gesucht – und letztendlich auch gefunden: Hans Theessink und Big Daddy Wilson. Sie touren und spielen gemeinsam, als wäre der eine nie ohne den anderen unterwegs gewesen. Und was sie als Duo präsentieren, ist, wie am Donnerstag im ausverkauften Kleinen Saal in Fürstenfeld, das schlagende Herz, der zentrale Ausgangspunkt all dessen, was sich Jazz, Rock und Pop nennt und Anspruch auf Qualität erhebt. Ohne Blues, ohne Folk, ohne Boogie Woogie und ohne Spirituals – nicht auszudenken, wie die Musikszene heute klingen würde. Wahrscheinlich so mut- und seelenlos wie einer dieser grotesken Schlagerabende Samstags im öffentlichen Fernsehen.
Aber es gibt sie zum Glück immer noch, die Leidenschaftlichen, die Unverbesserlichen, die Überzeugungstäter, die sich mit Haut und Haar ihrer Musik verschreiben. Und wenn auch der Blues in der Vergangenheit hin und wieder totgesagt wurde, wir alle wissen: Totgesagte leben länger und momentan ist er wieder präsent!
Theessink ist im Grunde seines Herzens bühnenerprobter Einzelkämpfer. Doch hin und wieder sucht er sich Seelenverwandte, mit denen er gemeinsam probte, spielte, auftrat, sich inspirieren liess. Das waren in der Vergangenheit Bo Didley und Rufus Thomas, in den letzten Jahren Terry Evans und der österreichische Schriftsteller(!) Michael Köhlmeier. Er stand mit Chuck Berry auf der Bühne und neben Johnny Cash und dessen Frau June Carter in der Garderobe einer großen Wiener Musikhalle. Dort haben sie gemeinsam gesungen – das formt.
Nun war der gebürtige Niederländer und heute in Wien lebende Theessink mit Big Daddy Wilson in der Stadt, diesem Schlagzeug spielenden Sänger. Im Gegensatz zu Theessink und seiner knarzig rauen Stimme, singt Wilson mit Esprit und Eleganz und berührt manchmal tatsächlich wie einst die Soullegende Isaak Hayes.
Zum Glück trommelt er aber nicht wie diese Alleskönner, diese ständig Triolen und Breaks abfeuernden Artisten an der Schießbude. Hier im Duo spielt Wilson zurückhaltend, sparsam, fast asketisch und lässt der Musik ihre ganze Melancholie. Egal ob in eigenen Kompositionen aus der Feder des Duos, oder in Coverversionen von Memphis Slim („Mother Earth“) oder Mississippi John Hurt („Pay Day“).
Theessink hingegen nutzt ein Arsenal an Gitarren, beherrscht überzeugend die Bootleneck-Technik, bläst die Blues-Harp und zelebriert nebenher förmlich seine blueslastige Balladenkunst, die er aufgrund der stilistischen Vielfalt auch gern Roots-Music nennt. Letztendlich erzählen die beiden in ihren Songs ununterbrochen Geschichten. Von Verlierern und Gewinnern, von Hoffenden und Enttäuschten, von Trauernden und natürlich von der Liebe. Mal bestimmen die eigenen Erlebnisse („Virus Blues“) die Songs, mal werden die Vorlagen von Washington Philips oder Blind Willie Johnson zu den ganz persönlichen Erzählungen.
So vergehen zwei Stunden wie im Fluge und das Publikum will am Ende Hans Theessink und Big Daddy Wilson nicht von der Bühne lassen. Warum? Einer der Besucher brachte es gegenüber seinem Nachbarn auf den Punkt: Das ist Musik für die Seele. Haben wir alle bitter nötig!
Jörg Konrad
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Autor: Siehe Artikel
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