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94. Blick in die Kinderstube des Weltalls
93. Weißt Du wieviel Sternlein stehen? - Vom Zensus des Kosmos
92. Reisezeiten von mehreren 100.000 Jahren
91. Nur ein einziger Versuch
90. „Die Weinleserin“ im Frühjahr
89. Familienporträt unseres Sonnensystems
Sonntag 01.08.2021
94. Blick in die Kinderstube des Weltalls
Bilder
EsWa, Galaxien 8, Digital, 280 x 380, 2021
Die Tageslänge nimmt vom Monatsanfang bis zum Monatsende um mehr als eine Stunde ab. Gleichzeitig setzt die astronomische Dämmerung entsprechend viel früher ein und Venus wird zum beherrschenden Objekt des westlichen Abendhimmels. Sie kann ihren strahlenden Glanz nun schon gegen 21 Uhr verbreiten.
Jupiter und Saturn sind dagegen erst um Mitternacht in südlicher Himmelsrichtung, aber ohne große Schwierigkeiten, aufzufinden. Sie werden nur durch recht schwach leuchtende Sterne aus den Konstellationen Wassermann und Steinbock flankiert.
Merkur und Mars sind hingegen kaum sichtbar, da sie unmittelbar nach Sonnenuntergang unserem Zentralgestirn folgen und im Schein der Dämmerung verschwinden.
Im Jahre 1963 berichtete der amerikanische Astronom Maarten Schmidt erstmalig von einer sternähnlichen Radioquelle, die er in seiner ersten wissenschaftlichen Beschreibung „quasi-stellar radio source“ nannte. Seither hat das daraus entstandene Akronym „Quasar“ die astronomische Fachwelt immer stärker in ihren Bann gezogen, denn schon bald nach ihrer Entdeckung wurde klar, dass es sich bei den Quasaren um die wohl exotischsten Objekte im Universum handelt. Heute definiert man diese Quasare als die Kerne extrem weit entfernter Galaxien, die sich durch die Abstrahlung enormer Energiewerte vor allem im Radiobereich auszeichnen. Diese entstehen, wenn einfallendes Material auf die sogenannte Akkretionsscheibe trifft, die einem riesigen Materiestrudel gleichzusetzen ist. Die Scheibe selbst umkreist dabei ein supermassereiches Schwarzes Loch wie ein gigantischer Hula-Hoop-Reifen. Die abgestrahlten Energien im gesamten Bereich der elektromagnetischen Strahlung sind dabei unfassbar hoch: so hoch, dass sie auch noch in unglaublichen Entfernungen messbar sind.
Forscher haben nun den bisher ältesten und damit auch am weitesten entfernten Quasar gesichtet. Das Team um Feige Wang von der University of Arizona stellte die Entdeckung mit der Fachbezeichnung J0313-1806 kürzlich der staunenden Fachwelt vor. Sie haben damit erstmalig ein Objekt mit einer Entfernung von 13,03 Milliarden Lichtjahren von der Erde beschrieben. Da man das heutige Alter des Universums auf 13,8 Milliarden Jahre schätzt, heißt dies, dass dieser Quasar entstand, als gerade einmal fünf Prozent des heutigen Weltalters erreicht war. Wir schauen somit zurück in die Kinderstube des Weltalls.
Doch neue Entdeckungen bringen oftmals auch viele neue Fragen mit sich: Wie konnten Galaxien überhaupt so früh entstehen und wieso konnten sie sich so schnell entwickeln? Fragen, die sicher erst durch weitere genaue Beobachtungen solch ferner und gleichzeitig extrem junger Quasare beantwortet werden können.
Die Beobachtung gelang dem Team um Feige Wang mit zwei weltweit einzigartig platzierten Großteleskopen, dem Gemini North auf Hawaii und dem Gemini South in Chile. Nur durch die gezielte Beobachtung mit zwei gleichartigen Teleskopen an zwei hemisphärisch gegensätzlichen Positionen auf der Erdkugel konnte die sogenannte kosmologische Rotverschiebung, die gleichzeitig ein Maß für die Entfernung ist, äußerst genau bestimmt werden. Natürlich wurde mit z = 7,642 ebenfalls einer neuer Rekordwert ermittelt. Nur mit Hilfe der Rotverschiebung können Astronomen die Entfernung von der Erde ermitteln und bestimmen, so auch das Alter eines kosmischen Objekts. Dabei gilt: Je höher die Rotverschiebung, desto entfernter und desto älter ist ein Himmelsobjekt.
Aber auch in einem anderen Bereich scheint der Quasar J0313-1806 rekordverdächtig zu sein, denn sein extrem massereiches Schwarzes Loch repräsentiert 1,6 Milliarden Sonnenmassen. Das ist kaum nachvollziehbar, denn damit strahlt der Quasar zirka 1000-Mal so hell wie unser gesamtes Milchstraßensystem.
Gleichzeitig ist diese Entdeckung nicht nur der weiteste Blick in die Vergangenheit überhaupt, sie zeigt auch, dass wir natürlich nicht wissen können, was aus dem Quasar in der fernsten Galaxie des beobachtbaren Universums inzwischen geworden ist. Dies könnten wir nur erfahren, wenn es Kultkomplott auch in 13,03 Milliarden Jahren noch geben würde, was wiederum nicht sehr wahrscheinlich ist.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Donnerstag 01.07.2021
93. Weißt Du wieviel Sternlein stehen? - Vom Zensus des Kosmos
Bilder
EsWa, Galaxien 7, Digital, 300 x 380, 2021
Im Sommermonat Juli verabschiedet sich zunächst unser Nachbarplanet Mars vom abendlichen Himmel. Dafür wird Venus zum strahlend leuchtenden Abendstern. Tief über dem Westhorizont wird sie nach der Sonne und dem Mond zum dritthellsten Objekt am Himmel. Auch der innerste Planet Merkur taucht kurz vor Sonnenaufgang für wenige Minuten sehr flach am Osthimmel auf, ist aber nur sehr schwer zu entdecken. Saturn ist die ganze Nacht auffindbar, während Jupiter zum Planeten der zweiten Nachthälfte wird.
Die Sommersternbilder Schwan, Leier und Adler sind bereits in der Dämmerung sichtbar. Ihre Hauptsterne Deneb (Schwan), Wega (Leier) und Atair (Adler) bilden das sogenannte Sommerdreieck.
Schon immer wollte der Mensch die Rätsel des Kosmos lösen, doch musste er immer wieder feststellen, dass er vor unglaublichen Herausforderungen steht, wie es einst Carl Sagan schon formulierte.
Dabei ist der Begriff der Durchmusterung in der Astronomie untrennbar mit einem möglichen Zensus der Sterne und Galaxien verbunden. Darunter versteht man die systematische Erfassung aller am Himmel vorhandenen Sterne.
Schon zu Zeiten des großen deutschen Astronomen Cuno Hoffmeister (1892-1968) versuchte man durch regelmäßige Aufnahmen einer Himmelsregion nach der anderen eine Bestandsaufnahme der Sternenwelt zu bewerkstelligen. Bestes Beispiel hierfür sind die unter seiner Leitung seit 1925 initiierten Himmelsdurchmusterungen, die in der thüringischen Sternwarte in Sonneberg durchgeführt wurden. Die noch heute weltgrößte Plattensammlung stellt eine analoge Datenbank des Kosmos dar, die in ihrer Art einmalig ist. Mit Hilfe dieser und auch anderer Versuche der Zählung hatten sich in der Fachwelt zwei Daten manifestiert: Zum einen wurde die Zahl der Sterne, die zu unserer eigenen Milchstraße gehören, auf rund 200 Milliarden beziffert. Zum anderen aber galt es auch die Anzahl aller Welteninseln, die wie unsere Heimatgalaxis unfassbare Massen von Sternen beherbergen, zu definieren. Auch hier hatte sich unter den Astronomen die Anzahl von 200 Milliarden Galaxien im Kosmos durchgesetzt.
Was die Anzahl der Sterne in den Spiralarmen unserer galaktischen Heimat betrifft, hat die Mission GAIA nun den entscheidenden Durchbruch geliefert, denn hier widmet sich ein satellitengestütztes Forschungsprogramm ausschließlich der Zählung der Sterne in unseren heimatlichen Gefilden. Schon der dritte veröffentlichte Katalog aller dreidimensional erfassbaren Sterne unserer Milchstraße zeigte, dass die angenommenen Zahlen nicht stimmen können. Wenn im Frühjahr des kommenden Jahres der vierte GAIA-Katalog vorgestellt wird, gehen Experten davon aus, dass die Anzahl der Sterne unserer Galaxis auf bis zu 330 Milliarden nach oben korrigiert werden muss. Damit stellt sich schon unsere unmittelbare Nachbarschaft als wesentlich größer heraus als jemals voraussehbar. Man muss dabei bedenken, dass noch vor gut 100 Jahren Edwin Paul Hubble, der Wegbereiter der modernen Astronomie, von seinen ungläubigen Zeitgenossen für seine erste Hochrechnung von 100 Milliarden Sternen verhöhnt und verspottet wurde.
Der Zensus unseres eigenen kosmischen Heimathafens scheint damit abgeschlossen zu sein und das altbekannte Liedchen „Weißt du, wie viel Sternlein stehen?“ hat seine astronomische Antwort erhalten.
Wesentlich schwerer ist allerdings die Erfassung und Vermessung aller kosmischen Häfen, sprich Galaxien, die in ihren vielfältigen Formen in bis zu 13,6 Mrd. Lichtjahren Entfernung existieren.
Mit Hilfe des Hubble-Space Teleskops ging man zunächst daran, einen bestimmten Himmelsabschnitt über eine extrem lange Zeit zu fotografieren. Diese aus hunderten Einzelbildern bestehenden Aufnahmen brachten viele bis dahin völlig unbekannte und teilweise auch extrem ferne Milchstraßen zum Vorschein. So wurde schnell klar, dass ihre Gesamtzahl weit größer sein müsste. Doch das Weltraumteleskop ist in seine Jahre gekommen, was weiterführende Forschungen auf dem Gebiet des Himmels-Zensus nahezu unmöglich machte.
Seit 2012 hat ein anderes Projekt den Versuch unternommen, die noch offene Frage zu klären, wie hoch die Gesamtzahl der Galaxien des Universums ist. Übersteigt sie die lange Zeit geltende Vorstellung von 200 Milliarden Welteninseln? Mit dem DES (Dark Energy Survey) geht man völlig neue Wege, um herauszufinden, ob sich die Prognosen bestätigen lassen. Nach sechs Jahren intensiver Beobachtung mit einer 570-Megapixel-Kamera am Víctor-M.-Blanco-Teleskop am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile hat man tatsächlich nachweisen können, dass auch hier die Zahl der im Kosmos existierenden Galaxien erheblich nach oben korrigiert werden muss. Noch ist allerdings erst ein Achtel des Himmels erfasst und die Forscher haben noch einige Beobachtungsjahre vor sich. Doch schon jetzt kann man von einem sehr erfolgreichen Programm sprechen, denn es liegt die Vermutung nahe, dass es bis zu 2 Billionen Galaxien geben könnte, also rund das Zehnfache dessen, was bisher angenommen war. Wie unfassbar dieser Wert ist, zeigt sich, wenn man nun annimmt, dass in jeder einzelnen dieser Welteninseln ähnlich wie unserer Milchstraße sich wiederum 200 Milliarden Sterne befinden: Die gigantische Zahl von 4 Trilliarden Sterne (ausgeschrieben 2.000.000.000.000.000.000.000) könnte möglich sein.
Wenn man dann noch voraussetzen würde, dass jeder dieser Sterne rund 5 Planeten besitzt, dann sollten ungefähr 10 Trilliarden Planeten existieren! Ein Wert, der den Urvätern der Astronomie sicherlich den Atem nehmen würde.
Wer aber hält nun diese ungeheure Zahl an kosmischen Spiralnebeln und ihre darin befindlichen Sterne an ihrem Platz? Ist es, wie die moderne Astronomie voraussagt, die Dunkle Energie, die den Kosmos wie in einer gigantischen Netzstruktur zusammenhält?
Fragen, die vielleicht noch in diesem Jahrzehnt genauer beantwortet werden können, wenn das James-Webb-Space-Telescope der NASA, das Euclid-Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumorganisation und das Extremly Large Telescope der ESO (Europäisches Südobservatorium) ihren Dienst aufnehmen. Sie werden entscheidend helfen, weitere Rätsel des Universums zu lösen.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Dienstag 01.06.2021
92. Reisezeiten von mehreren 100.000 Jahren
Bilder
EsWa, Galaxien 7, Digital, 300 x 300, 2021
Nach wie vor beherrschen die Frühlingssternbilder den abendlichen Himmel. Neben dem Löwen zählt man den Bärenhüter Bootes und die Jungfrau zu den Frühlingsboten. Aus den Hauptsternen dieser Konstellationen könnte man ein Frühlingsdreieck bilden. Aufgrund seiner enormen Ausdehnung wird es jedoch nur mit Hilfe einer Sternkarte nachvollziehbar. Das nachfolgende und wesentlich leichter zu erfassende Sommerdreieck tritt momentan erst nach Mitternacht in Erscheinung.
Über einen recht langen Zeitraum haben sich die Planeten rar gemacht. Doch nun beginnen sie langsam wieder in das Blickfeld des abendlichen Beobachters zu geraten. Dabei nimmt vor allem die Helligkeit der Venus zu, doch sollte man auf jeden Fall einen freien Blick in westliche Richtung haben, denn unser Abendstern geht noch immer recht bald nach der Sonne unter.
Die Riesenplaneten des Sonnensystems sind hingegen erst gegen Morgen gut sichtbar, wobei der auffällig helle Jupiter am 19. Juni ganz in der Nähe des abnehmenden Mondes in der Konstellation Steinbock zu sehen ist. Saturn ist zwar deutlich blasser, dafür aber die ganze Nacht über sichtbar. Der Mars hingegen zieht sich mehr und mehr vom Abendhimmel zurück.
In Kosmos 91. (Nur ein einziger Versuch) konnte man erfahren, dass nur der rote Wüstenplanet Mars in der Nähe der habitablen Zone um unsere Sonne kreist und so ausschließlich unsere Erde die Vorteile dieses Sektors des Lebens genießt.
Wie sieht es nun hinsichtlich der habitablen Zone bei unserem nächsten Nachbarstern Proxoma Centauri aus? Mit der heutigen Technik würden wir zu diesem Sternensystem zwar Reisezeiten von mehreren 100.000 Jahren einplanen müssen, doch geht man davon aus, dass Konstrukteure späterer Jahrhunderte in der Lage sind, Raumschiffe mit Antrieben zu konstruieren, die die Distanzen zu den uns am nächsten gelegenen Nachbarplaneten in überschaubaren Zeiten überwinden können, wäre ein Abstecher zu unserem nächsten gelegenen Nachbarplaneten durchaus möglich.
Unsere nächstgelegene Nachbarsonne gehört einer Klasse von Sternen an, die im Universum recht häufig anzutreffen sind. Proxima Centauri – dieser Sternname ist übrigens nur einmal vergeben, denn er soll den Umstand des nächstgelegenen Sterns näher umschreiben – ist ein Roter Zwergstern. Diese zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass die Temperatur in der äußeren Hülle gerade einmal knapp 3000° C beträgt, was wiederum rund die Hälfte des Wertes der Photosphäre der Sonne darstellt. Mithin also ein Stern „kälteren“ Typs, dessen habitable Zone somit auch viel näher am Stern selbst liegt. Jüngsten Forschungsergebnissen zufolge befindet sich nur der zweite Planet des Systems mit dem Namen Proxima Centauri b genau in diesem Bereich relativ überschaubarer Schwankungen der Temperatur.
Der von dem finnischen Astronomen Mikko Tuomi 2016 entdeckte Exoplanet befindet sich in rund vier Lichtjahren Entfernung von der Erde. Der schon bald „Super Earth“ genannte Himmelskörper ist mit 1,1 Erdradien und der 1,27 fachen Erdmasse unserem blauen Planeten in Bezug auf seine wichtigsten physikalischen Eigenschaften tatsächlich sehr ähnlich. Allerdings braucht er nur 11 Tage, um den erdnächsten Exoplaneten zu umrunden, was wiederum nahelegt, dass er sich in sehr enger Distanz um die Proxima-Sonne bewegt. Wie lebensfreundlich wäre nun diese unmittelbare Nähe zum Zentralgestirn ? Diese Frage konnte unlängst durch ein Forscherteam um Meredith MacGregor von der University of Colorado in Boulder präziser beschrieben werden. Schon ohne große Veränderungen der Aktivität des Hauptsterns ist die Lage in nur 7 Millionen Kilometern Abstand recht gefährlich. Da Proxima Centauri b somit 20 mal näher um seine Sonne kreist als unsere Erde, ist die Strahlungsintensität in diesem Bereich bereits außerordentlich hoch. Doch am 1.Mai 2019 stieg diese durch einen gewaltigen Strahlungsausbruch des Sterns auf das teilweise 1000fache an. Schon seit längerem war bekannt, dass Rote Zwergsterne nicht solch ruhige Vertreter wie die gelblichen Hauptreihensterne sind, zu denen auch unsere Sonne zählt. Doch dieser sogenannte Superflare, das sind enorm starke Strahlungsemissionen eines Sterns in nur sieben Sekunden, übertraf alle bisher gemessenen Erscheinungen dieser Art um ein Vielfaches. Obwohl es im sichtbaren Bereich der elektromagnetischen Strahlung nur eine schwache Helligkeitserhöhung gab, konnten gleich neun verschiedene Instrumente nachweisen, dass der Impuls besonders im Bereich der Radiostrahlung so extrem war, dass sich für den nahegelegenen Exoplaneten ein wahres Horrorszenario ergibt. Die Schockwelle war so stark, dass eine eventuell existierende Atmosphäre des Exoplaneten in wenigen Sekunden weggeblasen und damit größtenteils zerstört worden wäre. Hätte sich dort jemals eine Form von Leben entwickelt, so hätte diese in jenem Moment keine Chance mehr auf die weitere Existenz gehabt. Würden also in ferner Zukunft irdische Raumfahrer das Wagnis einer interstellaren Reise zur Destination Proxima Centauri b antreten, so hätten sie auf unserem „Zwillingsplaneten“ letztlich auch nur die Möglichkeit, nach fossilen Lebensformen Ausschau zu halten – eine wenig aussichtsreiche Perspektive, vom Aufwand und Nutzen für diese Fernerkundung ganz zu schweigen.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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EsWa, Galaxien 4, Digital, 180 x 360, 2021 (Vergeben!)
Samstag 01.05.2021
91. Nur ein einziger Versuch
Die Wintersternbilder verabschieden sich im Monat Mai. Da es nun täglich später dunkel wird, verschwinden ihre Sterne mehr und mehr in der Dämmerung. Nur noch der obere Teil des Wintersechsecks bleibt dann in der einsetzenden Dunkelheit sichtbar, wobei hier mit Kastor und Pollux die beiden Hauptsterne der Zwillinge und die noch hellere Kapella aus dem Sternbild Fuhrmann am deutlichsten zu erkennen sind.
Eine sehr schöne Beobachtungsmöglichkeit in südlicher Richtung ergibt sich am 19. Mai gegen 21 Uhr, wenn Regulus - der Hauptstern in der Konstellation Löwe - eine sehr enge Begegnung mit dem zunehmenden Halbmond hat.
Mit etwas Glück und freier Sicht nach Südwesten kann man noch Mars in den Zwillingen sehen, bevor auch er dem Untergang entgegenstrebt. Auch der scheue Planet Merkur zeigt sich im Nordwesten für gut eine halbe Stunde nach dem Sonnenuntergang. Die Abendsichtbarkeit der Venus beginnt im Mai, allerdings kann man erst Ende des Monats in westlicher Richtung einen Blick auf den Abendstern erhaschen. Die Planetenriesen Jupiter und Saturn werden zu Planeten der zweiten Nachthälfte.
Innerhalb der in Kosmos 90 beschriebenen habitablen Zone liegt keiner der genannten Planeten. Lediglich der Mars bewegt sich knapp außerhalb dieses Bereichs des möglichen Lebens. Mit 225 Mill. Kilometer Entfernung ist er rund eineinhalb Mal weiter entfernt von der Sonne als die Erde und umläuft in 687 Tagen unseren Zentralstern.
Wie hoch sind nun eigentlich die Chancen für das Auffinden von Leben auf dem Wüstenplaneten? Man muss sagen, dass die Chancen hierfür relativ gering sind, denn das Wasser des Planeten, welches einstmals in recht großen Mengen durch die heute ausgetrockneten Flussbetten geströmt sein muss, hat sich im Permafrostboden in rund einem Meter Tiefe festgesetzt. Sicherlich sind damit die Möglichkeiten für das Aufspüren fossiler Lebensformen gegeben, doch ob es überhaupt jemals selbst nur einfache Bioformen gegeben hat, ist höchst ungewiss. Daher ist es eine der vordringlichsten Aufgaben des am 18. Februar in der Region Syrtis Major gelandeten NASA-Rovers „Perseverance“ danach Ausschau zu halten. Die Forscher im Jet Propulsion Laboratory in Pasadena träumen sogar davon, die durch den Robotergreifarm gewonnenen Bodenproben nicht nur vor Ort in der Laboreinheit der automatischen Station zu untersuchen. Eines fernen Tages in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts sollen die insgesamt 36 kleinen Probenkolben mittels einer kleinen Rakete zunächst in die Umlaufbahn des Mars katapultiert werden. Dann soll ein noch zu konstruierendes Transportraumschiff die wertvolle Fracht übernehmen und sicher zur Erde bringen. Dieses ambitionierte europäisch-amerikanische „Sample Return Programm“ wird schon jetzt mit mehreren Milliarden Dollar veranschlagt.
Hinterfragt man nun die hochgesteckten Ziele hinsichtlich eines persönlichen Besuches des Wüstenplaneten durch „Marsionauten“ oder die Vision einer zukünftigen Besiedlung, so ist festzustellen, dass unsere menschliche Spezies hier in der Fantasie der Wirklichkeit um Längen voraus ist. Was gibt es da nicht für farbenprächtige SciFi-Filmchen, die mit großem Aufwand in Hollywood produziert wurden und dem verwunderten Betrachter vorgaukeln, wie einfach doch dieser Sprung zum Nachbarplaneten sei. In Wahrheit existiert noch nicht einmal ein entsprechendes Raumschiff, dass die knapp zweijährige Mission mit ca. 10 Expeditionsteilnehmern zu unserem kleinen Planetenbruder durchführen könnte. Außerdem wurde bisher nur der Hinflug von der schnelleren Erde zum langsameren Mars und die äußerst anspruchsvolle Landung durch unbemannte Raumsonden realisiert.
Der Rückflug ist dagegen noch komplizierter, denn für die Impulsbeschleunigung des Erdtransfers ist ein Geschwindigkeitszuwachs von fast 10 Kilometern pro Sekunde notwendig. 90 mal schneller als eine Gewehrkugel würde sich dann das Raumschiff mit rund 40.000 Stundenkilometern der Erde nähern. Dabei ist noch zu beachten, dass sich genau im diesem Moment des Kontakts mit der Atmosphäre, die Erde selbst mit knapp 30 Kilometern pro Sekunde um die Sonne bewegt. Letztendlich gibt es für den Austritt aus der Marsumlaufbahn ebenso wie für den Eintritt in die Erdumlaufbahn nur einen einzigen Versuch: Ein höchst gefährliches Unternehmen für die Raumfahrer der Zukunft.
Bei der Suche nach Leben auf anderen Himmelskörpern unseres Sonnensystems ist eher Ernüchterung eingetreten. Steht der sonnennahe Merkur unter ständigem Beschuss mit tödlicher Strahlung, so ist es bei der Venus der gigantische Treibhauseffekt, der Leben praktisch unmöglich macht. Die recht warmen Temperaturen auf Io, dem innersten der vier gallileischen Jupitermonde, werden durch hochgiftige Schwefelvulkane produziert. Dies ist ebenso lebensfeindlich wie die -180°C kalte Methanatmosphäre des größten Saturnmondes Titan. Lediglich unter einer kilometerdicken Eisdecke des Jupitermondes Europa wird ein riesiger Ozean vermutet, der vielleicht einfache Lebensformen beherbergen könnte.
Die Hoffnung, Leben auf nahen Himmelskörpern zu finden, ist also mehr als gering. Ein weiterer Grund dafür, dass die Menschheit einsehen muss, dass ihr nur die Erde als Lebensraum gegeben ist. Doch leider gibt es auch für den Erhalt des Lebens auf unserem blauen Planeten nur einen Versuch.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Donnerstag 01.04.2021
90. „Die Weinleserin“ im Frühjahr
Bilder
EsWa, Galaxien 3, Digital, 200 x 260cm, 2021 (Vergeben!)
Im Frühlingsmonat April werden die Tage wieder merklich länger. Die Sonne hat am 20.März den Frühlingspunkt durchlaufen und der Winter ist, zumindest aus astronomischer Sicht, vorüber. Die Beobachtungszeiten für den gestirnten Himmel verändern sich wieder dramatisch, denn innerhalb des Monats nimmt die Tageslänge um eineinhalb Stunden zu. Rechnet man nun auch noch die von der großen Mehrheit der europäischen Bürger ungewollte Sommerzeit hinzu, verschiebt sich die Möglichkeit für den Blick auf das Wintersechseck mehr und mehr in die späteren Abendstunden. Das riesige Gebilde der Wintersternbilder bleibt so nur noch in südwestlicher Richtung sichtbar. Zwischen den Sternbildern Stier und Zwillinge kann man den roten Planeten Mars finden. Da er schon kurz nach Mitternacht untergeht, haben wir dann eine nahezu planetenfreie Nacht, denn alle anderen Begleiter der Sonne bleiben für uns unauffindbar.
Die Frühlingssternbilder sind nun in südlicher Richtung erkennbar, allen voran der Löwe mit seinem Hauptstern Regulus. Aber auch das Sternbild der Jungfrau tritt noch vor Mitternacht in Erscheinung. Zwischen den Sternbildern Löwe und Bärenhüter befindet sich mit Epsilon Virginis ein Objekt aus dem Sternbild der Jungfrau, das in jeder Hinsicht interessant ist, denn sein Sternname Vindemiatrix ist der wohl klangvollste unter den historischen Bezeichnungen. Die lateinische Übersetzung „Die Weinleserin“ wird so gedeutet, dass mit dem Beginn der Sichtbarkeit von Vindemiatrix das Sprießen der ersten Triebe der Weinstöcke einhergeht und sein letztes Erscheinen im Herbst mit der Traubenernte zusammenfällt.
Das in Kosmos 87 (Störfaktoren aus der Mikrowelle?) erwähnte Ende des Arcebo-Radioteleskops zeigte deutlich die Verletzlichkeit der in die Jahre gekommenen Observatorien. Schon seit längerem erwartet die Fachwelt aufgrund der Tatsache fehlender Reparaturmöglichkeiten, dass das berühmte Hubble Space Telescope seine letzten Signale zur Erde sendet. Doch nun sind die verheerenden Ereignisse in Puerto Rico in aller Munde. Die 1963 dort stationierte „Satellitenschüssel“ war mit 304 Meter im Durchmesser ja bekanntlich bis 2019 das größte Radioteleskop der Welt und wurde zum Schutz vor den Unbilden der Natur innerhalb der Caldera eines erloschenen Vulkanes errichtet. Dieses Versteck nutze allerdings recht wenig gegen den Wirbelsturm, der im August 2020 das Observatorium heimsuchte und eine langsame Kettenreaktion von Tragekabelrissen auslöste. Letztendlich führte die aus dem Ruder gelaufene Statik am 1.Dezember 2020 zum endgültigen Zusammensturz.
Zu den größten wissenschaftlichen Leistungen der Arecibo-Wissenschaftler gehörte sicherlich die Entdeckung des ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Schon vor mittlerweile fast 30 Jahren wurde der erste Exoplanet detektiert. Heute sind fast 4700 solcher Objekte bekannt. Sie umrunden auf mehr oder weniger recht unterschiedlichen Bahnen ihren Zentralstern. Allerdings sind kaum eine Handvoll Kandidaten darunter, die alle Kriterien für das Vorhandsein von Leben auf einem solchen Exoplaneten erfüllen. Eine Vielzahl von Gegebenheiten wie zum Beispiel stabile Atmosphärentemperaturen, geringe Strahlungsintensität und das Vorhandsein von flüssigem Wasser müssen dabei erfüllt sein, wenn in der sogenannten habitablen Zone ein erdähnlicher Planet X seine Bahn um einen fernen Stern ziehen soll.
Eines der ambitionierten Nachfolger des Arecibo -Teleskops ist das Projekt TESS. Hierbei handelt es sich um ein Weltraumteleskop, das erst vor knapp zwei Jahren von einer Falcon 9 Rakete in einen speziellen Orbit gebracht wurde. Auf seiner hochelliptischen Bahn können die Instrumente von TESS nun relativ ungestört von irdischen Einflüssen bei rund 200.000 Sternen nach fernen Planeten Ausschau halten. Schon die ersten Ergebnisse ließen aufhorchen, denn mehrere sogenannte Hot-Jupiter-Exoplaneten wurden beschrieben. Hierbei handelt es sich um riesige jupiterähnliche Planeten, die so nah an ihrem Stern vorbeiziehen, dass lebensfeindliche Temperaturen von mehr als 1000 Grad in der Hochatmosphäre erreicht werden. Im Sommer 2019 gab es eine historische Schlagzeile, denn der erst 17 jährige Schülerpraktikant Wolf Cukier von der New Yorker Scarsdale Highschool entdeckte mit TOI 1338b den ersten Exoplaneten, der gleich zwei Sonnen umrundet. Der zirkumbinäre Planet braucht dabei nur gut zwei Wochen für einen Umlauf um die eng beieinanderstehenden Doppelsterne und hat ungefähr die sechsfache Masse der Erde. Leben dürfte es auf diesem Himmelskörper aufgrund der extremen Strahlung von gleich zwei Sonnen allerdings nicht geben.
Noch exotischer ist nun die neueste Entdeckung mit dem TESS-Teleskop. Ein Team von Wissenschaftlern um David Armstrong von der University of Warwick (England) konnte mit TOI 849b den bisher schwersten Exoplanet-Giganten ausfindig machen, der die unglaubliche Masse von 39 Erden besitzt. Er umkreist dabei in nur 19 Stunden gleich drei Sonnen.
Ein weiterer Beweis dafür, dass ebenso ausdauernde wie exakte astronomische Forschungen auch immer wieder ungeahnte und zugleich höchst exotische Entdeckungen an den Tag bringen können.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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EsWa, Galaxien 2, Digital, 250 x 180cm, 2021 (Vergeben!)
Montag 01.03.2021
89. Familienporträt unseres Sonnensystems
Bevor sich der Winter mit seinen besonderen Beobachtungsmöglichkeiten vom Abendhimmel verabschiedet, wird uns das Wintersechseck mit der Pracht seiner hell leuchtenden Sterne noch einmal verwöhnen. Mitten in dieser Formation strahlt Beteigeuze als zweithellster Stern des Orions direkt über den drei leicht zu erkennenden Gürtelsternen. Noch vor einem Jahr sorgte dieser rote Gigant für großes Aufsehen, als er für Monate seinen Glanz verlor (siehe Kosmos 77). Inzwischen kennt man den Hintergrund: Eine starke Veränderung in seiner äußeren Hülle führte dazu, dass sich eine Gas- und Staubwolke bildete, die den Stern teilweise umnebelte und zufällig in unserer Sichtachse zum Abdunkeln führte. Heute ist diese Wolke längst diffundiert und er strahlt wieder als neunthellster Stern des Nachthimmels.
Die Planeten machen sich dagegen am abendlichen Himmel rar. Einzig der rote Planet Mars, der im Februar gleich von drei Raumsonden angesteuert wurde, ist im Sternbild Stier in der Nähe der Plejaden sichtbar.
Als am 20.August 1977 mit Voyager 2 die zweite der Zwillingssonden gut vierzehn Tage vor Voyager 1 startete, gab es bei den Journalisten viele offene Fragen, denn normalerweise sollte die Sonde Nr.2 der ersten Variante in gebührendem Abstand folgen. Was hatten die Forscher vom JPL im kalifornischen Pasadena dabei im Sinn? Plausible Antworten wurden dahingehend erst viele Jahre später gegeben. Zu diesem Zeitpunkt hatten beide Raumsonden schon die Welt des Gasriesen Jupiter und seiner riesigen Gefolgschaft von Monden ausgiebig untersucht. Großartige Bilder hatten die Menschen auf der Erde in ihren Bann gezogen, denn so scharf und genau waren die Wolkenbänder des Gasriesen noch nie fotografiert worden. Der Große Rote Fleck, 1609 von Galileo Galilei entdeckt, entpuppte sich als gigantischer Wirbelsturm mit zweifacher Erdgröße und einer kontinuierlichen Stabilität von Jahrhunderten. Als dann noch die Entdeckung von mehreren neuen Monden bekannt gemacht wurde, waren auch die letzten Zweifler verstummt, denn damit waren schon die ersten beiden Passagen ein großartiger Erfolg.
Ein Vergleich soll an dieser Stelle verdeutlichen, wie schwer es ist, Bilder bei solchen Vorbeiflügen zu gewinnen. Man stelle sich vor, man sitzt in einem ICE und soll einen Bahnhof aus dem fahrenden Zug heraus fotografieren. Das allein kann schon überfordern. Für die Techniker im Mission Control Center war die Aufgabe jedoch wesentlich schwieriger, denn ihre Sonde bewegt sich mit mehr als 60.000 Stundenkilometern rund 200mal schneller als ein ICE und dreht sich zur Lagestabilität dabei auch noch um die eigene Achse.
So war die Spannung groß, als das Tandem den Ringplaneten Saturn in den Jahren 1980 und 1981 anflog. Inzwischen hatte Voyager 1 trotz des späteren Starts die Schwestersonde schon längst überholt und funkte so die ersten Bilder von einem traumhaft schönen Ringsystem, das wie eine kosmische Schallplatte den Gasplaneten umsäumt. Es ist mit 134.000 km das größte Gebilde des Sonnensystems. Erneut konnten die Kameras der Doppelsonden neue Monde entdecken und die Fotos vom größten Mond Titan, ungefähr eineinhalb Mal größer als unser Erdmond, zeigten eindeutig eine dichte Atmosphäre und deuteten somit auf eine mögliche zweite Erde hin.
Nach der Passage von Voyager 1 hatte die Leitzentrale in Pasadena aufgrund der soeben gewonnenen Daten die zweite und nun nachfolgende Sonde so programmiert, dass sie nach einem sehr nahen und somit gefährlichen Vorbeiflug Schaden nehmen konnte. Doch das sogenannte Swing-by-Manöver, bei dem die enorme Schwerkraft des Saturn für die Bahnumlenkung genutzt wurde, gelang so präzise, dass das Raumfahrzeug genau in Richtung Uranus katapultiert werden konnte. Nun zog das Team im kalifornischen Jet Propulsion Laboratory sein Ass aus dem Ärmel: Von Beginn an hatte man die Idee, dass Voyager 2 auch noch die beiden anderen Gasplaneten Uranus und Neptun anfliegen könnte. Genau dafür waren aber der verfrühte Start, die langsamere Geschwindigkeit gegenüber Voyager 1 und die nun spätere Passage mit der entsprechenden Bahnumlenkung notwendig gewesen. Als man im zuständigen Senatsausschuss darauf hinwies, dass Voyager 1 nun in Richtung Heliopause hinausfliegt und mit Voyager 2 nur noch eine Sonde „zum halben Preis“ zu betreuen sei, wurden die notwendigen Gelder umgehend genehmigt. Auf der so um ein Jahrzehnt verlängerten Mission gelangen in den Jahren 1985 (Uranus) und 1989 (Neptun) die bisher einzigen Bilder der fernen Gasplaneten, die beide rund vierfache Erdgröße aufweisen.
Nach dem Vorbeiflug bei Neptun wäre es normalerweise sehr ruhig um die nun in den interstellaren Raum hinausjagenden Sonden geworden, doch der weltweit bekannte Wissenschaftler und Sachbuchautor Carl Sagan hatte wieder eine geniale Idee. Schon zu Beginn der Doppelmission hatte er mit der „Golden Record“, die an die Außenhaut der Voyager-Sonden montiert wurden, einen PR-Volltreffer gelandet. Auf dieser Laser Disc, einer Art überdimensionaler DVD, waren neben den verschiedenartigsten Musikstücken auch viele Informationen über die Menschheit gespeichert, die, sollten sie jemals von einer anderen intelligenten Lebensform gefunden werden, in vielfältiger Weise Kunde von unserem Dasein geben sollten (Golden Record).
Jetzt fragte er sich, warum die Voyager-Sonden für die Öffentlichkeit weiter „nutzlos“ durch das All fliegen sollten ? Da vor allem Voyager 1 noch völlig intakt war, konnte man doch noch ein letztes Foto wagen.
Sagan gelang es, seine Idee dem Team näher zu bringen: Die letzten verbliebenen Hydrazin-Reserven der Steuerdüsen wurden verwendet, um die Sonde in Richtung unserer Sonne zu drehen. Diese wurde dann, um eine Überblendung zu vermeiden, abgedeckt und das Farewell-Foto des Sonnensystems konnte entstehen.
Nun kam für Carl Sagan der große Augenblick: Er konnte das „Familien- Porträt“ unseres Sonnensystems auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorstellen (https://www.starobserver.org/image/1902/ssportrait_vg1_big.jpg).
Ein einzelnes Bild des Fotomosaiks vergrößerte er dann abermals, um den sichtlich überraschten Pressevertretern einen kleinen, nahezu unscheinbaren Punkt in weiter Ferne zu offenbaren: Unsere Erde (https://www.starobserver.org/image/2002/PIA23645PaleBlueDot.jpg).
„Pale Blue Dot“, so wurde dieses Foto fortan genannt, mehr als dieses verschwindend kleine, blaßblaue Pünktchen in den unvorstellbaren Weiten des Universums sind wir nicht und doch ist es unser einzigartiger und schützenswerter Heimatplanet.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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