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7. Aki Takase & Daniel Erdmann „Ellington“
8. Azimuth „Azimuth“
9. Taj Mahal „Swingin' Live At The Church In Tulsa"
10. Michael Rieber & Norbert Goerlich „Nuits Blanches“
11. Patrick Manzecchi feat. Scott Hamilton „Tenderly“
12. Benja Schlez „Grenzhof“
Freitag 05.04.2024
Aki Takase & Daniel Erdmann „Ellington“
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Sie ist unermüdlich. Seit über vier Jahrzehnten durchpflügt die Pianistin Aki Takase die Welt des Jazz. Immer auf der Suche nach neuen, auch demonstrativen Ausdrucksmöglichkeiten. Oft bezieht sie sich, ohne selbst Traditionalistin zu sein, dabei auf die Geschichte des Jazz, in Person von Fats Waller, von Ornette Coleman oder von Eric Dolphy. Oft entwickelt sie eigene Ideen, die sie spontan und blitzgescheit umsetzt. Oft spielt sie im Duo, weil sie den sehr persönlichen Dialog – in dem nichts und niemand verloren geht – einfach liebt. Immer ist ihre Musik inspirierend, erfüllt höchste Ansprüche und verliert dabei doch nie ihre Bodenständigkeit.
Vor gut zehn Jahren widmete sich die in der Präfektur Osaka geborene und seit 1987 in Berlin lebende Takase schon einmal dem großen Duke Ellington. Ein ganzes Album Solo. Diesmal widmet sie ihm gut fünfzig Minuten im Duo, gemeinsam mit dem Saxophonisten Daniel Erdmann. Nicht alles auf "Ellington" stammt dabei auch aus seiner Feder. Doch Kompositionen wie „Pardido“ oder „Caravan“, beide Nummern sind von Juan Tizol geschrieben, wäre ohne Ellingtons Interpretationen nicht vorstellbar.
Takase und Erdmann gelingt das Kunststück, manchen dieser Ohrwürmer mit derart persönlichen Attributen und Finten anzureichern, dass der Spagat zwischen populärem Evergreen und individueller Differenziertheit vollends begeistert. Beide atmen Ellington, sie haben ihn sich regelrecht einverleibt, um dann mit ihm, seine Melodien, Konventionen und Fantasien zeitgemäß zum Klingen zu bringen. So lernt man Historie, so wird man neugierig auf das Original, beschäftigt sich nicht nur mit der Gegenwart, sondern mal wieder mit „altem Stoff“. Manchmal herzerwärmend, manchmal erstaunt, immer überraschend und Begeisterung auslösend. Auf „Ellington“ treffen nicht nur zwei große (auch singende!) Instrumentalisten aufeinander, sondern auch Bekanntes und Visionäres – auf höchstem Niveau.
Jörg Konrad

Aki Takase & Daniel Erdmann
„Ellington“
Enja
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Mittwoch 03.04.2024
Azimuth „Azimuth“
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Alle drei kannten sich gut, musizierten in verschiedenen Formationen in und um London, bevor sie 1977 das Trio Azimuth gründeten. Die Sängerin Norma Winstone, ihr Ehemann und Pianist John Taylor und der aus Kanada stammende Trompeter und Flügelhornspieler Kenny Wheeler. Gleich ihr erstes gemeinsames Album, schlicht „Azimuth“ genannt, beeindruckte durch humane Klangwelten, die auf der Grundlage seelenverwandter Kommunikation, dem gleichberechtigten Austausch von instrumentalen Strukturen und persönlichen Befindlichkeiten magische Wirkung entfalteten. Tiefgreifende, melancholisch verhangene Improvisationen, ein differenzierter harmonischer Rahmen, sowie ein stilles Pulsieren subtiler Intensität gaben dem Album schon beim Erscheinen eine hörbare Brillanz unter den Jazz-Neuerscheinungen.
Und diese instrumentale Anomalie damals verzaubert auch heute noch, über viereinhalb Jahrzehnte später. ECM hat dieses Azimuth-Juwel in seiner Vinyl-Reihe „Luminessence“ noch einmal veröffentlicht und nun dürfen auch alle Spätgeborenen und die, die diese Musik lange nicht gehört haben, dieses Kleinod an Eleganz und Behutsamkeit neu entdecken. Sich erfreuen an dem stillen Zauber, der sich hier entfaltet, überdauernd mit seinen ihrer Zeit vorauseilenden elektronischen Schleifen von John Taylor, einem Solitär an der schwarz-weißen Tastatur, der pathosfrei jeden Flügel zum Schwingen brachte.
Die Titel, allesamt vom Gespann Winstone/Taylor geschrieben, klingen oft wie Codes aus anderen Welten, wie die Musik zu zeitlosen Reisen eines Raumschiffes in ferne Regionen.
Norma Winston hat als Jazzsängerin immer ihre eigene Kunst entwickelt, nie hat sie amerikanische Jazzeusen kopiert und schon gar keine artistischen Überspitzungen bemüht. Sie brachte ihre tief im Menschlichen verwurzelte Stimme ein, nicht unbedingt Worte oder Inhalte. Es sind eher weiche, sanfte Laute, mit der sie jeden Song vocal gestaltete, ihm einen besonderen Wiedererkennungswert gab. Oft der klassischen Moderne näher, als den Traditionalisten der Szene. Und dann wäre noch Kenny Wheeler, gestählt in den Avantgarde-Bezirken der 1970er Jahre um Alexander von Schlippenbach oder davor durch Schlagzeuger John Stevens und seinem Spontaneous Music Ensemble. Doch im Grunde seines Herzens war er immer ein Poet am Instrument, ein Lyriker am Flügelhorn, der eben auch mit der Trompete zu attackieren verstand.
Mit weitem Atem machte Azimuth hörbar, wozu auch ungewöhnlichere Besetzungen musikalisch in der Lage sind. Dass es noch Folgealben dieses Jahrhundert-Trios geben sollte, war damals mehr ein frommer Wunsch – der in München, wie es schien, nur wenig später erhört wurde. Doch die erste Aufnahme diente im wahrsten Sinne des Wortes (und des Covers) der Verortung und Orientierung. Eine Traumplatte.
Jörg Konrad

Azimuth
„Azimuth“
ECM
Vinyl
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Dienstag 26.03.2024
Taj Mahal „Swingin' Live At The Church In Tulsa"
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Er ist eindeutig ein Überlebender. Und noch dazu als Bluesmusiker. 1942 geboren gründete Henry St. Clair Fredericks 1964, nach einem Studium in Ackerbau und Viehwirtschaft an der Universität von Massachusetts, mit dem legendären Ry Cooder seine erste Band. In Anlehnung an einen persönlichen Traum nannte er sich schon damals Taj Mahal. Im Folgenden zog die Karriere des New Yorker Pianisten, Gitarristen, Bluesharp-Virtuosen und Sängers an, er spielte mit Jimi Hendrix, den Rolling Stones, Miles Davis, John Lennon, B.B. King und vielen anderen. Er verwies in seinen eigenen Songs darauf, dass Blues, Country und Folk ähnliche Wurzeln haben und erreichte nicht zuletzt dadurch ein immens breiteres Publikum.
Dieser Tage, mittlerweile 81jährig, ist ein neues Album, „Swingin' Live At The Church In Tulsa", von Taj Mahal erschienen, auf dem der mehrfache Grammy-Gewinner vital und leidenschaftlich seiner größten Obsession nachgeht: Dem Blues. Aufgenommen sozusagen auf heiligem Boden, dem „the Church“ genannten Studio von Leon Russle in Tulsa, Oklahoma, bringt er hier Live vor Publikum die Blues-Seele zum schmelzen. Mit seinen Musikern zelebriert Mahal eine beeindruckende Messe, die fast alle Formen und Einflüsse der populären Musik beinhaltet: Soul, Reggea, Latin, Cajun, Gospel, Westafrika-Sounds, Jazz, Calypso und manches mehr. Und die Musik trifft mitten ins Herz. Dieser arachaische, temperamentvolle Spagat zwischen Retro- bzw. Old-School-Sounds und modernen Arrangements, diese geballte Lebenserfahrung, diese spürbare Freude, mit der sich Mahal seinen Meriten hingibt und die ihn zugleich jung erhalten – sind ein akustisches Erlebnis, weil einfach die Seele des Blues spürbar wird.
Und wenn Mahal und seine Mannen zum Schluss zu einer fast 10minütigen Jam-Session über das T-Bone Walker Stück „Mean Old World“ ansetzen, dann verflüchtigen sich Zeit und Raum, dann wird die Story des Blues lebendig und selbst eine kaputte Welt strahlt in neuem Glanz.
Jörg Konrad

Taj Mahal
„Swingin' Live At The Church In Tulsa“
Lightnin Rod
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Autor: Siehe Artikel
Montag 25.03.2024
Michael Rieber & Norbert Goerlich „Nuits Blanches“
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Beide Musiker, sowohl Kontrabassist Michael Rieber, als auch Pianist Norbert Goerlich, besitzen die seltene Gabe des empathischen Erspürens des jeweiligen instrumentalen Partners. Nun möchte man meinen, dies sei sehr wohl die Grundlage jedweder Form des miteinander Musizierens. Aber perfekt vom Blatt spielen und zugleich auf den Nebenmann zu reagieren bedarf schon eines besonderen Könnens. Beide, Rieber und Goerlich, haben sich mit dieser außergewöhnlichen Fähigkeit aufgemacht, um einige Jahrzehnte französische Kammermusik-Literatur zu erforschen.
Herausgekommen ist „Nuits Blanches“, ein Album voller Grazie und Eleganz, voll schwungvoller Melodik und dramaturgischer Herausforderungen. Das Programm reicht von dem (leider) etwas unbekannteren Alfred Desenclos (1912-1971), über Gabriel Fauré, César Franck bis hin zu Maurice Ravel. Anhand dieser Auswahl wird schon deutlich, wie vielschichtig und abwechslungsreich die musikalische Stimmung dieser einen Stunde höchst konzentrierter Präsentation ausfällt.
Desenclos „Aria mit Rondo für Kontrabass und Klavier“ ist ein Stück voller Vitalität und Weltzugewandheit. Rieber schwärmt: „Desenclos steht in direkter Tradition unter anderem der französischen Komponisten, die wir für unsere CD ausgewählt haben. Er lotet das gesamte Klangspektrum des Kontrabasses aus, von höchsten Flageolette-Tönen bis zum Walking-Bass.“ Das klingt ein klein wenig nach Jazz, verlangt eine enorme Virtuosität im Spiel und schöpferische Kreativität.
César Francks „Sonate A-Dur“ ist im Original für Violine und Klavier geschrieben. Ein Sehnsuchtsstück, voller Melancholie, Schmerz, aber auch überschwenglicher Gefühle. Die instrumentalen Stimmen beider Solisten greifen ineinander und formen voller Respekt und mit Würde einen bezaubernden Klangkosmos.
Zum Schluss dann noch Maurice Ravel mit zwei kürzeren Kompositionen („Pièce en forme d'Habanera“ und „Pavane pour une Infante défunte“). Ein würdiger, dabei jedoch nicht pathetischer Abschluss für eine Aufnahme, die in ihrer bemerkenswerten Geschlossenheit und anrührenden Ausstrahlung an dieser Stelle nur empfohlen werden kann.
Jörg Konrad
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Freitag 22.03.2024
Patrick Manzecchi feat. Scott Hamilton „Tenderly“
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Als Scott Hamilton Ende der 1970er Jahre seine Karriere begann, wurde er schnell als „junger Senkrechtstarter“ der Szene gehandelt. Er gehörte weniger zu den Avantgardisten auf dem Tenorsaxophon, als zu den Traditionalisten jener Zeit. Bei ihnen und ihrem Publikum stand die unbeschwerte Dreifaltigkeit des Jazz hoch im Kurs: Harmonik, Rhythmik und Melodik mussten stimmen, die Musik musste ordentlich swingen und natürlich sollte der Solist als Improvisator ein absoluter Individualist sein!
Mit zwanzig spielte Hamilton bei Benny Goodman und schon damals waren seine großen Vorbilder Coleman Hawkins, Ben Webster und vor allem Illinois Jacquet. Das hört man dem mittlerweile 69jährigen noch heute an, wenn er mit seinem unwiderstehlichen Tenor-Sound Standards des Jazz wie „All The Things You Are“, „I Got Rhythm“ oder den einstigen Hit-Erfolg, die Ballade „Tenderly“ spielt. Zu hören ist dies alles auf der gleichnamigen Aufnahme des deutschen Schlagzeugers Patrick Manzecchi, der dieses Album mit seinem Quartett, zu dem vor einiger Zeit eben auch jener Scott Hamilton gehörte, im Mai 2018 einspielte. Es ist Mainstream, so kann man es guten Gewissens sagen, der edlen Art. Mit Pianist André Weiss, Bassist Joel Locher und Manzecchi hat Hamilton ein selbstlos agierendes Trio als Background hinter sich, das sowohl für Sicherheit als auch für Inspiration sorgt. Geschmeidig umspielt der Tenorist die Themen, besonnen und fantasievoll improvisiert er, immer mit einer eleganten wie abgeklärten Coolness unterlegt. Eine wunderbare Einspielung – weit mehr als eine Reise in die Vergangenheit. Obwohl es hin und wieder bereichernd ist, in dieser zu verweilen.
Jörg Konrad

Patrick Manzecchi feat. Scott Hamilton
„Tenderly“
Tonsee Records
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Autor: Siehe Artikel
Dienstag 19.03.2024
Benja Schlez „Grenzhof“
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Authentische Musik ist die Summe gelebter Erfahrungen. Schmerz und Analgesie, Erfolg und Frustration, Entwicklung und Stillstand, Liebe und Verlust – ein weites Feld an emotionalen Befindlichkeiten, als sinnliche Gefolgschaft von Lebensumständen, die wiederum das Jetzt und das Zukünftige gestalten.
Benja Schlez hat einen Großteil dieser Gemütszustände erfahren, die dann letztendlich in sein Album „Grenzhof“ eingeflossen sind. „Grenzhof“ - ein Ort vor den Toren von Heidelberg, der ganz eng mit der Biographie des Gitarristen verbunden ist. Von dort einst unfreiwillig aufgebrochen, ist er nun symbolisch an diesen Ort wieder zurückgekehrt. Gereift, erfahren, orientiert und qualifiziert. Insofern ist „Grenzhof“ auch der Ausdruck einer Art Therapie, die überdeutlich aufzeigt, wie man selbst, bei dementsprechender Auseinandersetzung, wieder in Balance gerät. Denn „Grenzhof“ klingt nach Ausgeglichenheit, nach friedfertiger Identität und Konsens.
Musikalisch bewegt sich Schlez in einem ästhetischen Bereich nahe der Stille. Spartanische Monologe, voller Anmut und Hingabe, wie sie nur große Erzähler zu vermitteln verstehen. Der Gitarrist bewegt sich in einer breiten Enklave von Kammermusik und Improvisation, von Minimal und Landscapes. Hier hat eine Persönlichkeit in der Zurückhaltung seine (zumindest musikalische) Mitte gefunden. Und trotz dieser manchmal süffisanten Harmonien verströmt das Album insgesamt etwas Radikales, in seiner Geschlossenheit und Komplexität etwas Extremes. Vielleicht ist es die Leidenschaft, die Unbedingtheit, mit der hier jemand eine Lebensformel sucht, sie tatsächlich findet und mit spürbarer Empathie vermittelt.
Jörg Konrad

Benja Schlez
„Grenzhof“
Poly Unique
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Autor: Siehe Artikel
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