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13. Kjetil Mulelid „Agoja“
14. Liv Andrea Hauge Trio „Ville Blomster“
15. John Surman „Words Unspoken“
16. Henning Fuchs „Cocoon“
17. Squarepusher „Dostrotime“
18. Jasper Somsen / Enrico Pieranunzi / Gabriele Mirabassi „Traveller's Ways...
Mittwoch 13.03.2024
Kjetil Mulelid „Agoja“
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Es gab Zweiten, da sprach man von der Schweiz als jenem Land, das Prozentual zur Bevölkerung die meisten Jazzmusiker weltweit auf Tourneen hatte. Mittlerweile scheint diese Trophäe, wenn sie denn eine ist, in Norwegen zu stehen. Denn von diesem Königreich mit gerade einmal 5,5 Millionen Einwohnern erreichen uns Monat für Monat entweder gänzlich unbekannte Musikernamen, oder eine außerordentliche Anzahl von neuen Alben flutet den Markt.
Pianist Kjetil Mulelid gehört eindeutig zu letzteren. Bekannt geworden ist er durch sein Trio, mit dem er seit Jahren aufnimmt und über die Grenzen Europas hinaus unterwegs ist. Es gibt Solo-Aufnahmen des 33jährigen und Duo-Einspielungen mit der Sängerin Siril Malmedal Hauge. Gerade erschienen ist jetzt das Album „Agoja“, auf dem Mulelid erstmals für ein größeres Ensemble komponiert und arrangiert hat. Mit dabei sind unter anderen der Saxophonist Trygve Seim und die beiden Trompeter Mathias Eick und Arve Henriksen. Mulelid gelingt es, sein eher eingängiges Trio-Konzept auf diese Besetzung zu übertragen. Was den melodischen Einfallsreichtum betrifft, kann man in diesem Fall getrost von einem expressiven Minimalismus sprechen. Beinahe sakrale Themen, die sich im Kontinuum von Stille und Kontemplation entwickeln, ja hier regelrecht aufblühen. Das erinnert manchmal an den schon seit zweieinhalb Jahrzehnten nicht mehr unter uns weilenden Finnen Edvard Vesala. Und Helsinki, wo Vesala einst lebte, liegt, so könnte man auch sagen, gleich um die Ecke von Norwegen.
Auch Kjetil Mulelid kleines Orchester klingt raffiniert und trivial, es beschwört einen emotionalen Charakter und geriert sich dann wieder abstrakt. Mulelid verlässt dabei nur selten die Ebene der Balance, spielt neben dem guten und eleganten Börsendorfer das Wurlitzer Piano, das verlässliche Fender Rhodes Piano und den für jede musikalische Besonderheit zu habenden Synthesizer.
Alles in allem entsteht so ein weites Feld an Klangfarben und -möglichkeiten, wodurch „Agoja“ (zu deutsch: Qual) sehr abwechslungsreich und stimulierend gerät.
Jörg Konrad

Kjetil Mulelid
„Agoja“
Odin
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Dienstag 12.03.2024
Liv Andrea Hauge Trio „Ville Blomster“
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„Ville Blomster“ - Wilde Blumen. Ein wunderbarer Titel für dieses Album. Denn Liv Andrea Hauge schätzt Schönheit und Würde in der Natur, wie sie Spontanität und Einfallsreichtum in der Kunst liebt. Oder, in Bezug auf ihre Musik: Die in Oslo beheimatete Pianistin arbeitet ebenso überzeugend mit melodischen Elementen, wie sie mit Freuden und hingebungsvoll improvisiert. Beide Facetten sind Bestandteil ihrer Musik, die sie mit Georgia Wartel Collins am Bass und Schlagzeuger August Glännestrand umsetzt.
Inspiriert fühlt sich die 28jährige von Keith Jarrett and Brad Mehldau, was jedoch nicht heißt, dass ihre Kompositionen durchgehend nach den beiden Amerikanern klingen. Liv Andrea Hauge besticht mit einer ganz persönlichen Art des Musizierens, etwas weniger virtuos und thematisch verschlungen, als vielmehr offenbar und von einer geradezu magischen Intimität getragen. In ihrer hinreißenden Musik paaren sich unverkennbar romantische Klaviertraditionen und kühne Schärfe. Ihre hellen Melodien gehen ins Ohr, von da direkt ins Herz und die dunkleren Texturen ihrer Balladen sind ausreichend Nahrung für die melancholischen Momente – egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.
Jörg Konrad

Liv Andrea Hauge Trio
„Ville Blomster“
Hubro
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Freitag 08.03.2024
John Surman „Words Unspoken“
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Mit dem Saxophonisten John Surman hat ECM wohl einen der facettenreichsten Erzähler in seinen Reihen. Schon auf „Upon Reflection“, einem Soloalbum aus dem Jahr 1979, bestimmen seine weitgespannten, übergreifenden und kurzweiligen Erzählstränge das Geschehen. Nun, fünfunddreißig Jahre und knapp zwei Dutzend Alben später erscheint mit „Words Unspoken“ ein Quartett-Album des britischen Holzbläsers. Mittlerweile fast achtzig Jahre alt hat er für die zehn Kompositionen Instrumentalisten um sich versammelt, die seine Ideen und Anregungen mit Leben füllen. Da wären der wie Surman ebenfalls in Oslo lebende Vibraphonist Rob Waring, ein Wanderer zwischen der Welt der Klassik und der des Jazz, der fantasievoll und subtil trommelnde norwegische Schlagzeuger Thomas Strønen und der junge Engländer Rob Luft an der Gitarre. An allen schätzt Surman sowohl deren Teamgeist, als auch ihre Kreativität und Individualität. Denn genau in diesem Grenzbereich, zwischen kompositorischer Vorgabe und freien Räumen zur improvisatorischen Entfaltung, hat er die Musik angelegt. „Ich habe ihnen einfach ein paar Ideen unterbreitet,“ beschreibt Surman den Aufnahmeprozess, „und dann versuchten wir, ohne vorher zu besprechen, wer welches Element spielen würde und welche Gestalt die Stücke annehmen sollten, die Elemente zusammenzufügen, in dem wir uns einfach nur gegenseitig zuhörten und entsprechend reagierten.”
Es sind wunderbar verspielte Themen, voller Poesie, die von den einzelnen Musikern vorgetragen, ausgeschmückt, variiert, untereinander „weitergereicht“ werden. So entsteht ein angeregtes Gespräch auf Augenhöhe, dem man als Hörer fasziniert folgt und das in seiner Emotionalität nachdenklich berührt. Es gibt herausfordernd intensive, wie unbeschwert heitere Momente auf diesem Album. Angeführt von John Surman, der hier in vocaler Manier auf Sopran Saxophon, Bariton Saxophon und Bass Klarinette brilliert, streift die Musik ethnische Kulturen und europäische Moderne. Insgesamt eine gute Stunde Musik, die das Leben in Balance bringt und die Bewusstseinsebene um ein Quantum Poesie bereichert.
Jörg Konrad

John Surman
„Words Unspoken“
ECM
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Mittwoch 06.03.2024
Henning Fuchs „Cocoon“
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Die Menschheit scheint im Wandel, scheint sich in ständiger Bewegung, sich auf ununterbrochener Suche zu befinden. Anfänglich dreht sich alles um den Werdegang der eigenen Individualität. Später dann um den äußeren Rahmen, in dem diese Individualität Platz und Möglichkeiten findet, persönliche Vorstellungen umzusetzen – oder ganz einfach in Frieden zu Leben. Henning Fuchs nennt diesen Raum, in dem er die Umsetzung seiner Kreativität angeht, „Cocoon“. Ein wenig distanziert vom „Draußen“ versucht er hier all die Gedanken, Erfahrungen, Visionen die ihn die letzten Jahrzehnte formten, zu ordnen und musikalisch umzusetzen. Dazu gehören für den Vater von vier Kindern familiäre Konstellationen und gesellschaftliche Strömungen, konkret seine beruflich lange Zugehörigkeit zum Umfeld des Komponisten Max Richter, seine Arbeit am Sir Paul McCartneys Liverpool Institute For Performing Arts in London und an der Berliner Filmuniversität „Konrad Wolf“, bis hin zu seiner Übersiedlung nach Irland im Herbst 2021 samt Familie. „Große Veränderungen sind ein Prozess des Leidens und der Freude“, erläutert der Komponist seine Arbeit. „Eine Phase des Schmerzes und der Heilung, des Scheiterns und des Lernens, Vertrautes loszulassen, neue Perspektiven und Hoffnung zu finden.“
Natürlich spiegeln sich diese Neuorientierungen, Veränderungen und Auseinandersetzungen in seinem Schaffen als Komponist wieder. So ist das Album „Cocoon“ eine Kombination aus klassischen und folkloristischen Themen, aus Weltmusik und popmusikalischen Einflüssen.
Umgesetzt haben diese Kompositionen und Arrangements eine internationale Crew an Musikanten, wie das Castle String Quartet aus Dublin, der Schweizer Perkussionst Martin Schärer, die Harfenistin Aisling Ennis und die Sänger Uzo Ubaka und Lisa Lambe. Sie alle sind beteiligt an einer Musik, die Grenzen meidet und sich außerhalb von stilistischen Enklaven bewegt.
Jörg Konrad

Henning Fuchs
„Cocoon“
Neue Meister
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Dienstag 05.03.2024
Squarepusher „Dostrotime“
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Bassist Tom Jenkins hat, bevor er unter dem Pseudonym Squarepusher begann futuristische Drum’N’Bass Beats, Ambient-Soundscapes und Jazz zu kreuzen, Kunst am College of Art and Design in Chelsea studiert. Vielleicht war dies der Grund für seinen Mut, über alle stilistischen Grenzen hinweg Musik aufzusaugen und sie in einem völlig neuen Kontext zu gestalten und in Clubs zu präsentieren.
Mit Sicherheit spielt auch die Schnelllebigkeit der sich stetig verändernden Welt Mitte der 1990er Jahre eine entscheidende Rolle. Denn der Squarepusher-Sound war (und ist) geprägt von hochenergetischer Spannung, ständigen Harmoniewechseln, sich überschlagenden Rhythmuspattern, stolpernden Beats, dröhnenden Synthesizer-Flächen und Bass-Improvisationen. Es klingt häufig wie das manuelle Durchpflügen von Kurzwellenbändern im Radio, mit all den an- und abschwellenden Störgeräuschen und dem Einfluss nehmenden Funkwettern („Das erste wirkliche Interesse, das ich entwickelte, war die Musik. Ich stellte mal diesen Radiosender ein und mal jenen, immer war ich auf der Suche nach Musik, die mir gefiel“, Interview Squarepusher 2021, Zeitschrift GROOVE).
Sein neustes Album „Dostrotime“, wie ein Großteil der Vorgänger beim unabhängigen englischen Label WARP erschienen, geht diesen experimentellen Weg konsequent weiter. Squarepusher spielt mit unterschiedlichsten, gesampelten Versatzstücken, dreht die Geschwindigkeit der Beats gnadenlos in die Höhe und schafft damit eine fiebrige Unruhe im Avantgarde- und Progressive-Jazz-Style. Diese Art Musik ist ein eklektischer Gegenentwurf zum hochdotierten, letztendlich aber manipulierten Mainstreampop heutiger Prägung. Squarepusher integriert, zertrümmert, individualisiert und evolviert die Musikszene als Ganzes und aktualisiert damit den einstigen Revolutionsgedanken zeitgenössischer Popmusik.
Jörg Konrad

Squarepusher
„Dostrotime“
WARP
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Dienstag 27.02.2024
Jasper Somsen / Enrico Pieranunzi / Gabriele Mirabassi „Traveller's Ways“
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Musiker sind ein Großteil ihres Lebens „On The Raod“. Fahrende Gesellen könnte man sagen, die von Ort zu Ort reisen, um Konzerte zu geben, neue Musik aufzunehmen oder einfach nur um Kontakte zu knüpfen. Da liegt es eigentlich auf der Hand Stücke zu komponieren, die sich genau mit diesem Durchqueren von Ländern und Kontinenten beschäftigen und ihre Eindrücke wiedergeben. Genau diese Idee setzt der holländische Bassist Jasper Somsen mit seinem Album „Traveller's Ways“ um. Er komponierte ein knappes Dutzend Songs, reiste anschließend von seinem Heimatort Wageningen über Perugia nach Rom, um hier mit seinen beiden Wunschkandidaten, dem Klarinettisten Gabriele Mirabassi und dem Pianisten Enrico Pieranunzi, dieses Projekt zu besprechen. Aufgenommen wurde „Traveller's Ways“ wiederum im niederländischen Hilversum.
„Traveller's Ways“ ist eine Sammlung von Songs die, kurzweiligen Impressionen nicht ganz unähnlich, Landschaften und Menschen umschreiben. Es sind zum Teil wunderbar eingehende, vitale Melodien, flüchtige Stimmungsbilder, Improvisationen, die illustrierend Atmosphären beschreiben.
Die ineinander fließenden Linien, die jubilierende Klarinette Mirabassis, Pieranunzis beflügelndes Klavierspiel hinterlassen Eindrücke, die Landschaftsbildern recht nahe kommen. Sie bilden zugleich einen Dialog der Verbundenheit, des Erkundens und des sich ergänzens.
Somsen ist ein Bassist, dessen kompositorische Fähigkeiten und reicher Erfahrungsschatz schon immer Grundlagen seiner Aufnahmen waren. Auch hier hat er seinen Mitmusikern die Arrangements auf den Leib geschrieben - wobei deutlich wird, wie nah Reisen, Bewusstsein und letztendlich die Erweiterung des geistig-kreativen Horizonts beieinanderliegen. Ein Album für jeden territorialen Charakter.
Jörg Konrad

Jasper Somsen / Enrico Pieranunzi / Gabriele Mirabassi
„Traveller's Ways“
Challenge
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Autor: Siehe Artikel
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