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25. Anke Helfrich „We'll Rise“
26. Pure Desmond „100“
27. Tobias Hoffmann „Italy“
28. Michel Reis „For A Better Tomorrow“
29. Nick Cave & Warren Ellis „Australian Carnage – Live At The Sydney Opera...
30. Arvo Pärt „Tractus“
Freitag 05.01.2024
Anke Helfrich „We'll Rise“
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Anke Helfrich erzählt auf „We'll Rise“ Geschichten. Musikalische Geschichten, mit personifizierten gesellschaftlichen Bezügen. „Bei meiner Recherche für eine Radiosendung über Jazzpianistinnen des frühen 20. Jahrhunderts fiel mir auf“, schreibt sie im Booklet, „wie viele talentierte Frauen von der Geschichte übersehen worden waren.“ Und hier sprengt Anke Helfrich den musikalischen Rahmen des Albums, denn sie erinnert und bezieht sich in den zehn Songs auf Künstlerinnen und Aktivistinnen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen. Wie zum Beispiel auf die mexikanische Malerin Frida Karlo, die australische Leichtathletin Cathy Freeman, die italienische Schauspielerin Giulietta Masina oder die britische Biochemikerin Rosalind Elsie Franklin. Natürlich kommen auch Musikerinnen zu Wort, wie die einzigartige und schon so früh verstorbene Pianistin Geri Allen, oder die Ehefrau des alles überragenden Thelonious Monk, der eindeutig zu Anke Helfrichs Favoriten zählt.
Musikalisch bewegt sich die Pianistin mit ihrer Band, zu der Bassist Dietmar Fuhr, Schlagzeuger Jens Düppe und als Gast Adrian Mears an Posaune und Didgeridoo gehören, in einem weiten Feld swingender Jazzharmonik. Die Inspirationen reichen hörbar von Thelonious Monk und seiner sperrigen Musikalität bis hin zu einer europäischen Improvisationskunst mit Tempomodifikationen und herbstlichen Stimmungen des späten Brahms. Die kollektive Verinnerlichung der Formation lässt die anmutigsten Balladen entstehen, die Neugierde und Experimentierfreude sabotiert dabei jede Routine. Und das titelgebende Stück „We'll Rise“ wird getragen von dem Gedicht „Still I Rise“, das die Dichterin und Bürgerrechtsaktivistin Dr. Maya Angelou geschrieben hat und das Anke Helfrich mit leichtem Gospel-Touch singt. Zum Abschluss gibt es dann noch Duke Ellingtons wunderbares „Sophisticated Lady“, von Anke Helfrich Solo gespielt, behutsam wie bestimmt interpretiert.
Jörg Konrad

Anke Helfrich
„We'll Rise“
Enja
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Mittwoch 03.01.2024
Pure Desmond „100“
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Dass sich eine Band seit mittlerweile 20 Jahren Ihrem Idol verpflichtet fühlt, mag nichts außergewöhnliches sein. Doch wenn Lorenz Hargassner und sein Quartett Pure Desmond das Bekenntnis zu ihrem Favoriten auch nach zwei Jahrzehnten über den Bandnamen zum Ausdruck bringen, kann man schon von einer besonders leidenschaftlichen Beziehung ausgehen. Denn Namen verpflichten, wobei gerade im Jazz Ideen flüchtig und Zwischentöne überschaubar sind.
Die Person, um die es sich handelt, heißt Paul Emil Breitenfeld, besser bekannt unter Paul Desmond. Den Namen entdeckte der Sohn eines deutschstämmigen jüdischen Stummfilm-Organisten und einer irischen Mutter angeblich beim Durchblättern des Telefonbuches. In diesem Jahr wäre Paul Desmond einhundert Jahre alt.
Einst gehörte der in San Francisco geborene Altsaxophonist zum legendären Quartett des Pianisten Dave Brubeck. Und in dieser überaus erfolgreichen Formation war Desmond jener Musiker, der das Publikum polarisierte. Die einen mochten seinen Sound, sein unglaublich weiches, ästhetisch ausgefeiltes Spiel. Ein Magier, der mit seiner Eleganz am Instrument (besonders Frauen) verzauberte.
Den anderen war Desmond nicht radikal genug, sie wollten einen brodelnden Vulkan à la Charlie Parker. Doch Desmond selbst, humorvoll wie er war, sprach einmal davon, er wolle klingen „wie ein trockener Martini“.
Desmond schaffte mit Hilfe des Quartetts und hier vor allem dank der überaus guten Beziehung zwischen ihm und Brubeck das Kunststück, auch seine Gegner mit ausgereiften, komplizierten Kompositionen zu überzeugen. Sein Meisterstück: „Take Five“, eine swingende Nummer im 5/4 Takt und bis heute vielleicht einer der bekanntesten Jazzhits überhaupt.
Der heute in Hamburg lebende Lorenz Hargassner hat diesen Sound des Westcoast Jazz mit seinem Quartett verinnerlicht. Sein neues Album „100“ ist inhaltlich weit mehr als eine Reminessenz an den Großmeister Desmond. Hargassners Quartett covert nicht nur ein Großteil Brubecks Repertoire, er taucht auch ein in eine Zeit, als die Grenzen zwischen melodisch coolem Jazz und Pop und Chanson noch fließend waren. Viele der Stücke auf „100“ atmen diese unvergleich melancholische Kühle. Das gilt für „Moon River“ ebenso, wie für die durch Simon & Garfunkle bekannt gewordenen Hits „Scarborough Fair“, als Solostück, und „Mrs. Robinson“ und erst recht natürlich für das legendäre „Take Five“ und Brubecks „Blue Rondo À La Turk“.
Mit „100“ ist Lorenz Hargassner das Kunststück gelungen, ein Album für jede Lebenslage einzuspielen und damit einen der fasznierendsten Altsaxophonisten mit Respekt und Charme zu ehren.
Jörg Konrad

Pure Desmond
„100“
Major
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Dienstag 02.01.2024
Tobias Hoffmann „Italy“
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Italy“ - ein Album wie aus einem Guss, das mit seiner Archaik und seinem Freimut direkt unter die Haut zielt; mit seinen Blues- und Folkrudimenten, seinem Soul, seinen übersprungenen Hindernissen, seinen Effekten und ätzendem Sound. Gitarrist Tobias Hoffmann hat in Zusammenarbeit mit Schlagzeuger Jan Philipp eine Art musikalisches Kaleidoskop entworfen. Elf Titel, die wie eine Reise durch Zeit und Raum anmuten, die mindestens aus einem Viertel Blues, einem Viertel Jazz und zwei Siebtel Pop bestehen. Der Rest ist pure Individualität. Und vieles von dieser Individualität erinnert entfernt an Marc Ribot, an Bill Frisell, in manchen Teilstrecken auch an einen intrumentalen Captain Beefhaert. Sie alle könnten Inspirationsquelle sein.
Hoffmann und Philipp haben über Monate hinweg in Studios geprobt, experimentiert, haben am Eingespielten gefeilt, Ideen verworfen und Neues entwickelt, haben Erkenntnisse gesammelt und Formate entwickelt – vor allem Klischees und überbordene Virtuosität ausgespart. Konsequente musikalische Abenteuer sind so entstanden, weitab von Szenestammtischen und berechnenden Zeitgeistverweigerern.
So klingt „Italy“ ebenso sperrig, wie eingängig, tonnenschwer und auch wieder federleicht, kein Perfektionismus und ohne Pathos, von der Vergangenheit inspiriert und in die Zukunft gerichtet und vor allem mit diesem schrägen wie gefühlvollen Gänsehaut-Groove. Bitte mehr davon!
Jörg Konrad

Tobias Hoffmann
„Italy“
Klaeng
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Freitag 29.12.2023
Michel Reis „For A Better Tomorrow“
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Zwar handelt es sich bei „For A Better Tomorrow“ von Michel Reis um eine reine Klavier-Aufnahme - immerhin schon das zweite Solo-Album des Luxemburger Pianisten. Doch es kommt bei diesen elf Kompositionen nur selten das Gefühl radikaler Solo-Improvisationen auf. Reis versteht es auf eine wunderbare Art, Töne zu einer kolorierten Textilie aus Melodien, Harmonien und Rhythmen in Jazzfarben zu verweben. Diese romantischen Songstrukturen, mit den leicht eingängigen, virtuosen Verspieltheiten, bewegen sich in den Randbereichen der Jazzimprovisationen, von denen es nicht weit bis in die Welt der Klassik ist und die in der anderen Richtung schon bald in Popstrukturen übergehen. Reis schafft mit dieser Musik sensible Übergänge - zwischen Musikströmungen und Geisteshaltungen, zwischen Abrechenbarem und Selbstvergessenem, zwischen Unterhaltung und Anspruch.
Eine Kunst, die mit zu den schwierigsten Herausforderungen zählt. Denn stilistisch sich derart zwischen den Stühlen zu platzieren, kommt einem ständigen Tanz auf dem Drahtseil gleich. Ohne Netz und doppelten Boden nicht abzurutschen, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Wenn die Balance stimmt, durchgängig stimmt, und der Solist besonnen und erfahren genug ist, klingt die Musik letztendlich allein nach Erfüllung. Kaum zuzuordnen, einfach nur grandios.
Jörg Konrad

Michel Reis
„For A Better Tomorrow“
Cam Jazz
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Mittwoch 27.12.2023
Nick Cave & Warren Ellis „Australian Carnage – Live At The Sydney Opera House“
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Nick Cave fährt schon seit geraumer Zeit die Ernte ein, deren Grundstock er vor vier Jahrzehnten gesät hat. Damals noch ein Außenseiter, ein Rebell, ein Egozentriker, der jede Form von musikalischem Mainstream verdammte, gehört sein Schaffen heute zum Kanon ambitionierter Popmusik. Seine Balladen müssen mittlerweile in einem Atemzug mit denen von Leonard Cohen genannt werden – was aber nicht heißt, Cave wäre nicht mehr in der Lage, musikalisch zu provozieren, oder ein Rock'n Roll-Feuerwerk in Punk-Manier abzubrennen.
Doch spätestens seitdem sich der Australier Cave mit dem Australier Warren Ellis zusammengetan hat, veränderte sich sein musikalischer Schaffensprozess hörbar. Knapp zwanzig Alben mit Filmmusik haben die beiden zusammen veröffentlicht und waren, im Zenit ihres Schaffens und Erfolges, im letzten Jahr erstmals zusammen in Australien auf Tour. Sie wurden im ganzen Land gefeiert wie zwei erfolgreiche Heimkehrer und traten die letzten drei Tage in Sydney auf. Das Ereignis wurde jetzt auf „Australian Carnage – Live At The Sydney Opera House“ veröffentlicht. Beseelte Songs, die mehr nach Gospel als nach Alternative klingen, die ebenso erbaulich wirken, wie sie düster klingen und Trauer wie auch Schmerz zum Ausdruck bringen. Zeitlose Song-Obsessionen aus dem Grenzbereich zwischen Unerbittlichkeit, Würde und Harmonie. Kurz: Mehr Kunst als Punk.
Jörg Konrad

Nick Cave & Warren Ellis
„Australian Carnage – Live At The Sydney Opera House“
Goliath Records
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Dienstag 19.12.2023
Arvo Pärt „Tractus“
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Die Musik Arvo Pärts hat bei ECM schon seit fast vierzig Jahren eine legitime Heimat gefunden. In dieser Zeit ist ein Großteil der Werke des estnischen Komponisten meisterhaft auf dem Münchner Label editiert worden. Vom ersten Album „Tabula Rasa“, das 1984 erschien und zugleich die Reihe ECM New Series eröffnete, spricht man heute vals einem „Monument der modernen Musik“.
Das jetzt erschienene „Tractus“ von Arvo Pärt vereinigt Kompositionen, die zwischen 1988 und 2014 entstanden sind und die in ihrem klanglichen Kern das Verhältnis zwischen Streichorchester und menschlicher Stimme noch einmal neu ausloten. Denn Pärt hat die Stücke überarbeitet, sie mit seinen heutigen Erfahrungen und seinem jetzigen Wissen abgeglichen und sie somit, wie in einem Begleittext zu lesen ist, mit der Vergangenheit versöhnt.
Eingespielt wurden die Aufnahmen, die, wie man es von dem Esten gewohnt ist, den Dialog zwischen Klang und Stille, Musik und Wort, Instrumentalem und Vokalem und zwischen Weltlichem und Kirchlichem (Wolfgang Sandner) aufrecht erhalten, im September 2022 in der Methodist Church in Tallin. Es spielt das Tallin Chamber Orchestra und der Estonian Philharmonic Chamber Choir unter der Leitung von Tonu Kaljuste.
Die textliche Grundlage eines Großteil der hier versammelten Werke sind Gebete, die der Musik einen hohen Grad an Spiritualität verleihen. Diese vermittelt inhaltlich, auch was ihr Klangspektrum betrifft, Demut und Respekt vor dem Leben. Um dies zu spüren, bedarf es im Grunde keiner namentlichen zugeordneten Religiosität. Jedoch einer sensiblen Sinneswahrnehmung, oder, ganz profan ausgedrückt: Offener Ohren. Dann wird dieses nachdenklich machende und dabei trostspendende Album in dieser gebrochenen Zeit zu einem Fest der Hoffnung. Die Suche nach dem vollendeten Ausdruck hat den 89jährigen Pärt bis heute nicht verlassen. Und, wie „Tractus“ so beeindruckend hörbar macht, wird er immer wieder fündig.
Jörg Konrad

Arvo Pärt
„Tractus“
ECM
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Autor: Siehe Artikel
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