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31. Hania Rani „Ghosts“
32. Tom Gaebel „A Christmas To Remember“
33. The Gurdjieff Ensemble / Levon Eskanian „Zartir“
34. Jeremias Keller „Alloy“
35. Nicole Johänntgen „Labyrinth“
36. Sylvie Courvoisier „Chimaera“
Freitag 15.12.2023
Hania Rani „Ghosts“
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Ihre Songs scheinen aus fernen Welten zu uns herüberzuwehen. Es sind luftige, melancholische Lieder, die in einer Zeit verzaubern, in der sich die Poesie innerhalb der Musik immer schwerer durchsetzt - weil sie gnadenlos dem Kommerz zum Opfer fällt. Hania Ranis Werke hingegen sind zauberhafte Hymnen, unberechenbare Metaphern aus dem Jenseits. Die Songs besitzen Brückenfunktion. Rani tastet sich mit ihnen langsam und behutsam in wenig erforschtes, der electronic zugehörendes Niemandsland vor. Hier setzt die in Danzig geborene und heute in Berlin lebende Komponistin, Sängerin, Instrumentalistin und Produzentin auf der Grundlage ihrer Sensibilität und Neugierde individuelle Marksteine. Alben wie „Esja“, „Home“ oder zuletzt ihre Reminessenz an den schweizer Bildhauer und Grafiker Alberto Giacometti, für dessen Dokumentarfilm „I Giacometti“ (Regie: Susanna Fanzun) sie den Soundtrack komponiert und eingespielt hat, sind ein Beispiel für Suche nach den Sounds, die ihr Innenleben bestimmen und ausfüllen.
Nun „Ghosts“, ein Album, das ähnlich seinen Vorgängern, mit einem Minimum an instrumentaler Begleitung auskommt. Hania Rani reduziert alle zusätzlichen Stimmungen, um keine überwältigenden Atmosphären zu schaffen. Ihr sind die kleinen musikalischen Dinge, Wendungen und Konturen von großer Wichtigkeit. Ihre Songs sollen atmen, sollen mit der Umgebung in Wechselwirkung stehen. Ihr elfenähnlicher Gesang gibt den Songs noch ein zusätzliches Geheimnis, das für verwunschene Landschaften, zeitlose Abläufe steht.
Welche musikalischen Einflüsse haben Hania Rani aber selbst sozialisiert? „Nun, ich habe natürlich klassische Musik studiert, aber ich habe viele verschiedene Arten von Musik gehört“, erzählte sie in einem Interview. „Ich habe einfach versucht, neue Dinge zu entdecken, wie jeder Teenager oder jedes Kind. Natürlich gab es Bands wie Radiohead, die für mich sehr wichtig waren, Pink Floyd und sogar noch vor den Beatles, dann war es vielleicht eher elektronische Musik. Ich habe mich für alle Arten von Musik interessiert und nie nur für eine Art von Musik.“ Das wird auch an der Wahl ihrer Gastmusiker für „Ghost“ deutlich. Mit dabei sind Ólafur Arnalds, Duncon Bellamy (Portico Quartet) und Patrick Watson.
Hania Rani macht somit auch deutlich, wie wichtig ihr Einflüsse von außen sind – ohne dass das eigene musikalische Ergebnis dabei nach diesen Favoriten klingt. Aber sie helfen ganz gewiss, die eigene Stimme zu finden und den Mut zu haben, den eigenen künstlerischen Weg zu gehen.
Eine Jahreshitparade gibt es bei KultKomplott nicht. Sollte es diese hingegen doch geben, läge „Ghost“ mit Sicherheit ganz weit vorn.
Jörg Konrad

Hania Rani
„Ghosts“
Gondwana
Download / CD / Vinyl
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Dienstag 12.12.2023
Tom Gaebel „A Christmas To Remember“
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Er war einzigartig, hat das Amerika der Reichen wie kaum ein anderer (musikalisch) verkörpert; er konnte swingen wie der Teufel, hat schlichte Schlager gesungen und sie mit seinen Interpretationen veredelt; um ihn zu begleiten haben sich Orchesterchefs wie Count Basie oder Nelson Riddle bis aufs Messer bekämpft; und Miles Davis sagte einmal über ihn, er habe, was die Phrasierung und das Zeitgefühl betrifft, von niemanden soviel gelernt wie von Ol’ Blue Eyes. Frank Sinatra, „The Voice“, war schon zu Lebzeiten eine Legende. Seit zweieinhalb Jahrzehnten nicht mehr unter den Lebenden, haben sich nur ganz wenige an ihn und seine Kunst herangewagt.
Einer von diesen wenigen ist Tom Gaebel, der im Grunde seine ganze Kariere auf Sinatra aufgebaut hat. Und wer eines von Gaebels Konzerten besucht hat weiß, mit welchem Geschick und welcher Hingabe sich der Gelsenkirchener dieser Aufgabe stellt.
Trotzdem, Gaebel klingt zwar wie Sinatra, aber er weiß auch, das er nicht Sinatra ist. Er führt einfach weiter, was der aus Hoboken, New Jersey stammende Sänger, Schauspieler und Entertainer einst verkörperte. Und da Sinatra auch bekannt für seine swingenden Alben zum Weihnachtsfest war, häufig zusammen mit Sammy Davis jr. und Dean Martin, wundert es nicht, dass auch Tom Gaebel ähnlich produziert. Vor einigen Wochen erschien mit „A Christmas To Remember“, eine Sammlung von Weihnachtssongs, die dieses typische Sinatra-Feeling ausstrahlt. Und wie sein Favorit nimmt auch Gaebel den langen Noten das Gewicht, intoniert wie ein Jazzsänger, verschiebt die Nuancen minimal und wirkt dadurch sehr persönlich. Hinzu kommen orchestrale Arrangements für Big Band und mit Streichern, die der Musik eine gewisse Sentimentalität geben, aber doch alles federleicht erscheinen lassen. Diese Form der zeitlosen Musik, scheint heute hingegen der Vergangenheit anzugehören. Dieses kokette, charmante, raffinierte Songwriting - wie beiläufig, aber perfekt. Auch wenn das Cover manchen Wunsch offen lässt - ideale Musik zum Jahresausklang.
Jörg Konrad

Tom Gaebel
„A Christmas To Remember“
Warner
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Dienstag 05.12.2023
The Gurdjieff Ensemble / Levon Eskanian „Zartir“
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Das Gurdjieff Ensemble unter der Leitung des im Libanon geborenen Musikethnologen Levon Eskenian beschäftigt sich seit Jahren mit traditioneller armenischer Musik, die historisch bis in die Antike zurückreicht. Eskenian übertrug für das Album „Zartir“ originale Vorgaben von Sayat-Nova (1712-1795), Asgugh Jivani (1846-1909) und speziell Georges I. Gurdjieff (1877-1949) auf volkstümliche Instrumente und arrangiert damit ein besonderes akustisches Erlebnis. Denn einerseits bewahrt Eskanian das musikalische Kulturerbe Armeniens und schafft zugleich eine völlig neue, beinahe moderne Offenheit für dieses historische Liedgut. Durch das Zusammenbringen von typisch östlichen Instrumenten wie der Oud, der Kamancha (Stechgeige), der Zurna (einem Doppelrohrblattinstrument mit trichterförmigem Schallbecher), der Pogh (Flöte), der Santur (einer Art Hackbrett) und verschiedene Hand- und Schlegeltrommeln entsteht ein ganz besonderes gemeinschaftliches Klangbild, das neue Hör-Dimensionen erschließt. Es sind akustische Botschaften ferner Regionen und Religionen. Als eine Verbindung zwischen geistlicher und weltlicher Musik vermitteln diese Aufnahmen zugleich unterschiedliche Stimmungen, die von zart lyrisch, über meditativ, überwältigend, bis mahnend intensiv gefangen nehmen. Das Gurdjieff Ensemble unter der Leitung von Levon Eskanian unternimmt auf „Zartir“ versöhnliche Wanderungen durch Zeiten und Gezeiten, durch Territorien und Befindlichkeiten, durch Hoffnungen und Überzeugungen, durch Originäres und Adaptives. Es ist der Klang der Seele einer für uns fernen und doch ungemein faszinierenden Welt.
Jörg Konrad

The Gurdjieff Ensemble
Levon Eskanian
„Zartir“
ECM
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Dienstag 28.11.2023
Jeremias Keller „Alloy“
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Ronin Rhythm Records ist ein in Zürich ansässiges Label, welches 2006 von Nik Bärtsch gegründet wurde. Nachdem er auf dieser Plattform in den ersten Jahren seine eigenen Alben veröffentlichte, steht es jetzt kreativen Geistern offen, die ihre musikalische Erfüllung im Grenzgebiet von New Minimal, Funk und Ritual Groove Music finden.
Jeremias Keller ist Multi-Instrumentalist, Komponist, Songwriter und Produzent. Neben seiner Mitgliedschaft in Nik Bärtschs Formation Ronin war und ist er unter anderem Teil des Gewandhaus Orchester Leipzig, hat mit den Steamboat Switzerland Extended gespielt, mit Django Bates und Collin Valon. „Alloy“ ist Kellers neustes Projekt auf dem er sich zwischen hartem Funk, Minimal Music und weitflächigen Klanglandschaften bewegt. Es sind zum Großteil elektronische Bausteine, die er hier in einem Soloritt zusammensetzt, diese mit ungeraden Metren unterlegt und so etwas wie eine Dub-Ambient-Sinfonie entwickelt. Der polyrhythmische Groove kommt pulsierenden Beschwörungsformeln gleich; harmonische Schlaufen, die ineinandergreifen, setzen in ihrer kontrollierten Freiheit unglaubliche Energien frei. Diese Musik ist sehr konkret und ermöglicht einen glühendheißen Blick in die Ferne. Sie beruhigt in ihrer Minimalkunst und regt mit ihrer grollenden Statik zugleich an und auf. Körpermusik – nicht unbedingt für das Tanzparkett, aber für die Dancehall allemal.
Jörg Konrad

Jeremias Keller
„Alloy“
Ronin Rhythm Records
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Freitag 24.11.2023
Nicole Johänntgen „Labyrinth“
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Das Album „Labyrinth“ ist so traditionell und zugleich dermaßen modern, wie nur wenig andere Musik dieser Tage. Nicole Johänntgen, die in Zürich lebende Saarländerin, schafft diesen Spagat mühelos. Da wäre zum einen die Besetzung. Mit Saxophon, Perkussion und Tuba (in zwei Nummern kommt noch das monströse Sousaphon dazu) rückt das Trio resp. Quartett den zehn Johänntgen-Kompositionen zu Leibe. Das ist schon rein optisch eine Art Reminiszenz an die Vergangenheit des Jazz. Und zum anderen klingt diese Musik auch inhaltlich, als wäre sie von einer groovigen New Orleans Brass Band gespielt. Sie erinnert in ihrer rhythmischen Transparenz, in ihrer harmonischen Schlichtheit und ihrem melodiösen Einfallsreichtum an jene Zeit, als man in der Stadt am Mississippi sich halb lachend, halb weinend von den Beerdigungen tanzend nach Hause bewegte. Das war reinste melancholische Lebensfreude - zu Grabe tragen und wiederauferstehen.
Und auch „Labyrinth“ besitzt diese melancholische Vitalität, diesen spirituellen Charakter in einer Art weltlichen Auslegung. Der hat etwas freudetrunkenes, besinnliches und wildes und manchmal auch noch bluesiges in sich. Eine wunderbare, eine berührende Musik, die die Saxophonistin Nicole Johänntgen am Alt- und Sopransaxophon auch in begeisternder Wucht hier kreiert. Und sie steigert diese Wirkung noch, in dem sie ihrer Stimme rudimentär einbringt. Keine Songs im klassischen Sinn, das wäre zu viel. Nur knapp angerissene und begleitende Melodien, die sie mitsingt und die der ganzen Musik einen humanen Flow gibt. So geraten die musikalischen Kurzgeschichten „Labyrinth“ mal spannend, mal tiefgründig, immer kurzweilig und eindrücklich. Musik, die für jeden kleinen wie großen Konzertsaal geeignet scheint.
Jörg Konrad

Nicole Johänntgen
„Labyrinth“
Selmabird
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Mittwoch 22.11.2023
Sylvie Courvoisier „Chimaera“
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Sylvie Courvoisier gehört zu jenen Musikerinnen und Musikern, für die das Adjektiv ganzheitlich persönlich geschaffen scheint. Die Schweizerin denkt, empfindet und spielt ganzheitlich. Sie komponiert und sie improvisiert ganzheitlich. Sie lässt sich weder von Stilen, erst recht nicht von Moden leiten. Was sie musikalisch unternimmt, das ist zu aller erst individuell. Sie spielt ihre eigene Sprache.
Auch wenn sie für ihr neues Projekt „Chimaera“ einige bedeutende Instrumentalisten der New Yorker Szene mit ins Studio genommen hat – das Ergebnis bleibt letztendlich Sylvies Musik.
Eigentlich ist es nur schwerlich möglich, dass, was hier auf 2 CDs nachzuhören ist, auch angemessen zu beschrieben. Es bleibt immer etwas Ungefähres im Raum, etwas nur halb Ausgedrücktes.
Denn „Chimaera“ ist eine Art flüchtige Kammermusik, die der Moderne ebenso verbunden ist, wie der Tradition; die das Ensemblespiel pflegt und doch als das subtile Ergebnis von Einzelstimmen gehört werden muss. Vielleicht kann man sich dem Album auch von einer anderen Seite nähern: Was Wadada Leo Smith (Trompete), Nate Wooley (trompete), Christian Fennsz (Gitarre, Electronics), Drew Grass (Bass), Kenny Wollesen (Schlagzeug) und die Pianistin Courvoisier gemeinsam unternehmen, könnte auch als eine Sammlung von Geschichten und Bildern in Tönen empfunden werden. Mal voller Energie, mal feinsinnig, mal sind es ganz bewusst gesetzte Noten, mal freischwebende Sounds. Es gibt reibungs- und wechselvolle Spielverläufe und ganz harmonische Wegstrecken. Das Sextett schöpft seine Energien aus bewussten Gegensätzen, geht mit ihnen souverän um und schafft neue Einheiten. Spielprozesse, die sich in ständiger Abwägung, in Bewegung befinden. Traditionsbewusstsein und Innovationsstreben in einem. Aus flüchtigen Berührungspunkten werden langanhaltende musikalische Beziehungen. Kommunikation immer als oberstes Gebot. Am Ende ist es der Triumph der Leidenschaft.
Jörg Konrad

Sylvie Courvoisier
„Chimaera“
Intakt
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Autor: Siehe Artikel
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