Ein sicherlich in jeder Hinsicht ereignisreiches Jahr 2020 liegt nun hinter uns und in jeder journalistischen Retrospektive spielt die Corona-Pandemie die tragende Rolle. Ein guter Grund, um auch einen astronomischen Rückblick auf die vergangenen 12 Monate zu werfen.
Beginnen wir damit, dass selbst Fachredakteure einer angesehenen Fachzeitschrift wie „Sterne und Weltraum“, die immerhin auf eine mehr als 50jährige Geschichte zurückblicken kann, sich von Zeit zu Zeit nicht zurückhalten können. So bejubelten sie denn auch die Verleihung der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung an den deutschen Astrophysiker Norbert Genzel in ihrer Dezember-Ausgabe mit den Worten „Nobelpreis für Schwarze Löcher“.
Doch schaut man genauer hin, ist dies irgendwie auch nachvollziehbar, denn mit dieser Auszeichnung wird die jahrelange und intensive Forschung der Astronomen gewürdigt. Wichtig ist auch, dass mit Andrea M. Ghez einer Frau diese Ehrung zuteil wurde. Das ist eine großartige Meldung, denn der Weg der Frauen in der Astronomie war in den vergangenen Jahrhunderten oft eher steinig (vgl. Kosmos 82).
Die endgültige Bestätigung der Expansion des Universums ist tatsächlich ein gewaltiger Meilenstein in der Geschichte der Astronomie. Er hat den Blick auf die Ausdehnung des Kosmos in hohem Maße geschärft und ist von seiner Dimension durchaus mit der bahnbrechenden Entdeckung Edwin Powell Hubbles zu vergleichen, der einer ebenso staunenden wie irritierten Fachwelt vor rund 100 Jahren als erster die gigantische Ausdehnung des Kosmos weit über unsere Milchstraße hinaus erstmalig vor Augen hielt.
Ebenso lohnt sich eine Betrachtung der von der Rubrik Kosmos schon mehrfach vorgestellten Erfassung der Gravitationswellen-Ereignisse durch die LIGO- und Virgo-Detektoren. Waren die ersten Nachweise der von Albert Einstein postulierten Erschütterungen der Raumzeit durch die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher (vgl. Kosmos 67) oder der Zusammensturz zweier Neutronensternen zu einer erstmals beobachteten Kilonova (vgl. Kosmos 73) noch absolut bahnbrechende Entdeckungen, so ist nun auch im Bereich dieser Feldforschung so etwas wie der Alltag angebrochen. Bereits mehr als 50 Ereignisse mit unvorstellbaren Energiefreisetzungen konnten durch das länderübergreifende Forschungsteam veröffentlicht werden. Dabei ist Versuchsaufbau des LIGO-Experiments noch in der Aufbauphase und soll zukünftig noch erheblich verbessert werden.
Ebenso sensationell ist auch die Veröffentlichung des dritten Datensatzes EDR3 der Mission GAIA. Unvorstellbare ein Petabyte (1.000.000.000.000.000 Byte) hat das im Langrange-Punkt 2 stationierte Weltraumteleskop dabei gespeichert. Dahinter verbergen sich mehr als 1,8 Milliarden Positionen und Entfernungen von Sternen unserer Heimatgalaxis. Auch hier hat das Instrument erst einen Teil seiner Gesamtarbeit bewältigt, denn trotz der enormen Datenmenge sind mit den vorhandenen Katalogen noch nicht einmal 4 Prozent aller Sterne unserer Milchstraße erfasst.
Neben der Konjunktion der beiden Planeten Jupiter und Saturn im Dezember und der damit verbundenen engen Passage ist die unvorhersehbare Entwicklung des Kometen Neowise im Juli des Jahres natürlich das große Ereignis in der beobachtenden Astronomie gewesen. Letztlich war natürlich auch für jeden, der diesen Kometen zumindest einmal am gestirnten Himmel aufgesucht hat, das Auffinden mit dem Fernrohr oder dem Feldstecher ein unvergessliches „Selbstentdecken“.
Im Jahr 2020 kam es auch zu einem schleichenden Abschiednehmen von dem bekanntesten Radioteleskop der Welt. Die über 300m große Arecibo-Schüssel, die im SciFi-Klassiker „Contact“ sogar Hollywood-Berühmtheit erlangte, hatte bereits im Frühjahr einen schweren Hurrican-Schaden erlitten. Das in die Jahre gekommene Instrument sollte daraufhin aufwendig saniert werden, doch der Riss eines tragenden Stahlseiles verhinderte dies. Am 1. Dezember rissen nun auch noch die restlichen vier Tragseile, sodass die 900 Tonnen schwere Sekundäreinheit mit ohrenbetäubendem Lärm in die Hauptschüssel stürzte. Die von den Überwachungskameras gemachten Aufnahmen lassen selbst dem hartgesottensten Astronomen das Herz bluten, denn es ist nicht nur das Ende einer 57 Jahre währenden Ära höchst erfolgreicher Radioastronomie, es hat auch etlichen Fachkollegen den Job gekostet.
Ganz anders könnte es um das neue Zauberwort der Radioastronomie bestellt sein: BLC1 (Breakthrough Listen Candidate 1).
Was könnte sich alles hinter dieser Meldung verbergen? Zunächst scheint es aber eine Bestätigung dafür zu sein, dass man mit dem Projekt SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) nichts unversucht gelassen hat, nach Spuren außerirdischen Lebens zu suchen.
Nun aber liegen mehrere Dinge auf der Hand, die Raum für viele Spekulationen geben. Immerhin kommt das Signal BLC1 aus der direkten Umgebung unseres unmittelbaren Nachbarsterns Proxima Centauri. Erstaunlich ist hierbei die Tatsache, dass das ankommende Signal auf der extrem präzisen Frequenz von 982,002 Megahertz empfangen wurde. Merkwürdig ist dabei, dass dieser Frequenzbereich nicht für die Kommunikation mit irdischen Satelliten benutzt wird. Es ist übrigens nach dem sogenannten „Wow“-Signal aus dem Jahr 1977 die erst zweite Entdeckung einer nichtirdischen Signatur.
Es bleibt allerdings zu hoffen, dass es sich nicht wie bei den letztlich bekannt gewordenen haarsträubenden Fehlern bei der Offenbarung der möglichen Existenz von Lebensformen in der Atmosphäre des Planeten Venus um eine übereilte und nicht genügend verifizierte Meldung handelt (vgl. Kosmos 86). Sollte das so überaus interessante Signal BLC1 nur der Störfaktor einer eingeschalteten Mikrowelle aus der Mitarbeiter-Kantine sein, wäre der Spott vorprogrammiert. Das Beste wäre also, man findet das Signal ein zweites Mal.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt