Die Sonne kreuzt auf ihrer scheinbaren Bahn am 22. September um 14.44 Uhr die Ekliptik - wir haben damit die zweite Tagundnachtgleiche des Jahres und der Herbst beginnt.
Die Tage werden deutlich kürzer und so kann man bereits in den Abendstunden interessante Beobachtungen tätigen. Noch immer dominiert das Sommerdreieck den Nachthimmel. Deneb, als dritter Eckpunkt dieser Formation, ist der lichtschwächste der drei Hauptsterne. Der arabische Ursprung des Namens verweist auf das Hinterteil des Schwanes, womit deutlich wird, dass die frühe Astronomie in allen drei Sternbildern Vögel sah (Wega - „herabstoßender (Adler)“; Atair - „fliegender (Adler)“).
Deneb selbst ist ein blauer Überriesenstern mit fast 200fachem Sonnendurchmesser. Seine jetzige Position am Abendhimmel zeigt in die Richtung des Herbstvierecks, das entsprechend der jahreszeitlichen Veränderung des Firmaments, nun zur bestimmenden Nachtkonstellation wird.
Die Planeten haben sich komplett von ihrer monatelangen Nichtsichtbarkeit verabschiedet. Saturn strahlt die ganze Nacht über. Die Venus als Abendstern kann nur unter den günstigen Bedingungen völlig freier Sicht im Westen erspäht werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Morgenstern Merkur im Südosten. Allerdings wird er schon bald von der aufgehenden Sonne überstrahlt. Mars ist in den frühen Morgenstunden als rötliches Objekt gut auszumachen und der Planetenriese Jupiter ist in der zweiten Nachthälfte dominierend. Zwischen den Sternen Beta und Zeta Tauri, die auch als „Hörner“ des Stiers bezeichnet werden, ist er deutlich zu erkennen.
Inwiefern haben Ereignisse, die über 400 Jahre zurückliegen und unmittelbar mit dem Planeten Jupiter zu tun haben, das Leben auf der Erde entscheidend verändert? Kann eine solche Frage so im Raum stehen bleiben? Man muss dies klar und deutlich bejahen, denn was sich in den ersten Januartagen des Jahres 1610 ereignete, war eine astronomische Revolution, die im Nachhinein die Sichtweise auf unsere Welt völlig verändern sollte: Über Jahrtausende beobachtete der Mensch den gestirnten Himmel lediglich mit dem bloßen Auge, doch nun konnte ein Astronom zum ersten Mal überhaupt mit einem Instrument das Firmament betrachten. Es war der berühmte italienische Gelehrte Galileo Galilei, der sich von holländischen Linsenschleifern beraten ließ und sein eigenes „Telescopio“ konstruierte. Natürlich war es nur ein in seiner Vergrößerung noch recht eingeschränktes Linsenfernrohr. Doch als er am 10. Januar in der Nähe von Padua bei gutem Wetter den Jupiter beobachtete, stellte er fest, dass hier etwas passiert, was nicht in das Weltbild der damaligen Zeit passte. Galilei stellte während der ausgiebigen Exkurse in den Nächten fest, dass um den Jupiter vier weitere Himmelskörper aufgereiht waren – die ihre Position Nacht für Nacht veränderten. Schnell folgerte er daraus, dass diese sich einzig und allein um ihren Mutterplaneten Jupiter als Monde bewegen würden. Damit war die über Jahrtausende geltende Theorie, dass die Erde Zentrum aller Bewegungen im Universum sei, im wahrsten Sinne des Wortes von heute auf morgen widerlegt.
Übrigens sieht man die Situation um die Entdeckung der Jupitermonde im fränkischen Ansbach ganz anders. Der zur selben Zeit dort tätige Hofastronom Simon Mayr (latinisiert Simon Marius) beobachtete in den gleichen Nächten ebenfalls mit einem aus Holland stammenden Linsenfernrohr den Himmel über dem Frankenland und soll in seinen Schriften ebenfalls verzeichnet haben, dass sich Objekte um den Jupiter bewegen. Möglicherweise beobachtete Marius zur genau gleichen Zeit die fernen Planeten. Galilei hat sich sehr offensiv gegen die vermeintlichen Entdeckungen des fränkischen Astronomen geäußert und ihn sogar der Lüge bezichtigt. Der Streit eskalierte, doch letztendlich gaben die „Professori“ an der berühmten Universität zu Padua ihrem italienischen Gelehrtenkollegen Recht (siehe Kosmos 99).
Doch einen wahren Sieger gab es bei diesem Streit letztendlich nicht: Galilei hatte schon bald vor der Inquisition zu erscheinen, um dort über seine Beobachtungen zu berichten. Da sich seine Entdeckungen mit den Dogmen der damaligen Zeit nicht in Einklang bringen ließen, blieben die Erde und somit auch Gott im Zentrum allen Seins. Am Ende der Befragungen soll sich Galilei nach und nach von seinen Aussagen distanziert haben, um sich als hochbetagter Mann einer möglichen drakonischen Strafe zu entziehen. Man bedenke, dass nur zehn Jahre vor seinen Entdeckungen der Mönch Giordano Bruno, dessen Behauptungen, dass es mehrere Welten im Kosmos geben könnte, als Gotteslästerung ausgelegt wurden, als Ketzer öffentlich hingerichtet wurde (siehe Rubrik LITERATUR Volker Reinhardt „Der nach den Sternen griff. Giordano Bruno - Ein ketzerisches Leben“)
Galilei wurde, nachdem er seine Lehren verworfen hatte, zu einem lebenslangen Hausarrest verurteilt. In seinen letzten, sehr einsamen acht Lebensjahren soll der inzwischen fast blinde Gelehrte regelrechte Gedächtnisprotokolle diktiert haben. Vielleicht ist es nur seinem genialen Kopf zu verdanken, dass wir heute überhaupt noch etwas von seinen Entdeckungen wissen, denn die Inquisition hatte ihm alle Schriften entrissen.
Über die Jahrhunderte wurde Jupiter natürlich immer genauer beobachtet. Zunächst konnten zwar keine weiteren Monde entdeckt werden, doch schon bald erkannte man mit Spiegelteleskopen, dass die – wie wir heute wissen – gasförmige Oberfläche des Planeten von einer sehr interessanten, von Streifen und Bändern geprägten Struktur umgeben ist. Und schon Galilei hatte gesehen, dass sich ein riesiger Wirbelsturm, den er als großen roten Fleck beschrieb, periodisch um den Planeten bewegt. Noch heute ist er aktiv, trägt als Namen noch immer Galileis Umschreibung und ist zwei Mal so groß wie die Erde.
Mit dem Start der beiden Voyager Sonden vor genau 47 Jahren wurde ein völlig neues Kapitel in der Erforschung des fernen Gasriesen eingeläutet. Die ersten direkten Aufnahmen des Planetengiganten wurden 1979 zur Erde gefunkt und erregten sofort das Interesse der Astronomen in aller Welt.
Seither haben weitere Raumsonden die Fernerkundung übernommen. So lieferten das zu Ehren Galileis benannte Raumschiff Galileo und die noch heute aktive Mission Juno in den darauffolgenden Jahrzehnten immer neue und zum Teil einzigartige Aufnahmen (https://science.nasa.gov/gallery/junocam-images/).
Am 19. und 20.August passierte die Raumsonde JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer; deutsch Jupiter-Eismond-Erkunder) auf ihrem Weg zum Jupiter sowohl unsere Erde als auch den Erdmond in nur einigen hundert Kilometern Abstand. Es handelt sich hierbei um ein europäisches Gemeinschaftsprojekt mit dem ambitionierten Ziel, nach dem Erreichen des Gasplaneten im Jahre 2031 dort für mindestens fünf Jahre tätig zu sein. Besonders spannend wird es dann, wenn JUICE die „Galileischen Monde“ aus aller Nähe betrachten wird. Unter den günstigen Umständen eines Überflugs in geringer Höhe sollte es möglich sein, die Geheimnisse von Io, Europa, Ganymed und Kallisto (so die Namensgebung durch Galilei) zu entlüften. Möglicherweise könnten die vermuteten Wasserreserven der Eismonde aufgespürt werden. Die Beantwortung der Frage, ob es unter den Eispanzern von Europa, Ganymed und Kallisto sogar unterirdische Ozeane mit möglichen außerirdischen Lebensformen gibt, bleibt bis dahin unbeantwortet und ist somit das größte Rätsel in der Fernerkundung unseres Planetensystems.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt