Mitte des Monats erreicht unser unmittelbarer Nachbarplanet Venus seinen größten östlichen Abstand zur Sonne und ist für mehr als drei Stunden in südwestlicher Richtung als hellstes Objekt am abendlichen Himmel sichtbar. Die durch die hohe Reflektion des Sonnenlichts hervorgerufene Leuchtkraft der Venus hat in der Vergangenheit zu den am häufigsten vermeldeten Anrufen bei astronomischen Einrichtungen geführt, wenn aufgeregte Bürger meinen, ein UFO gesichtet zu haben.
Diese Aufmerksamkeit wird der Planet Saturn nicht erreichen, denn unterhalb neben der Venus stehend, erscheint er eher wie ein blasser Stern. Im Verlaufe der Nacht sind Mars und Jupiter gemeinsam mit dem Wintersechseck zu sehen. Diese riesige Formation - bestehend aus den Sternbildern Fuhrmann, Stier, Orion, Zwillinge, Großer und Kleiner Hund - kann nun bereits bequem ab 19 Uhr betrachtet werden. Jupiter steht dabei unmittelbar in der Nähe des Stiers, währenddessen der rötliche Mars die Zwillingssterne Kastor und Pollux flankiert.
Um das neue Jahr zu feiern, denken sich die Erdbewohner die verschiedenartigsten Dinge aus: Von kulturell geprägten Abenden über ein gemeinsames gemütliches Zusammensein bis hin zu lautstarken und leider nicht mehr ungefährlichen Böllertreffen. Auf dem Mars, einem unserer beiden Nachbarplaneten, geschah der Jahreswechsel allerdings wesentlich ruhiger und auch früher, denn der 12. November 2024 markierte das neue Jahr für den Mars. Wären zu jener Zeit Astronauten auf dem Mars gelandet, dann hätten sie entsprechend dem Mars-Kalender den Wechsel vom Jahr 37 zum Jahr 38 erlebt.
Doch warum sollte man den 12. November als Neujahrstag für den Mars wählen? Und warum befindet sich der uralte Rote Planet nach unserer offiziellen Zeitrechnung erst im Jahr 38? Die Antwort liegt in dem Bedürfnis des Menschen, Ordnung in die Zeitmessung zu bringen, auch wenn dabei neben natürlichen Zyklen ein wenig Willkür die Grundlage ist. Hier auf unserem Heimatplaneten wird größtenteils der Gregorianische Kalender verwendet, um das Jahr zu bestimmen. Mit seiner Einführung durch Papst Gregor XIII erfolgte eine unbedingt notwendige Korrektur, denn auf Donnerstag, den 4.Oktober 1582, folgte sofort Freitag, der 15.10., denn zum Zeitpunkt der Kalenderreform war der zuvor verwendete Julianische Kalender des Römischen Reiches inzwischen so unpräzise geworden, dass er um genau diese 10 Tage korrigiert werden musste.
Es blieben zwar die 365 Tage pro Jahr, doch mit einem zusätzlichen Tag in jedem durch die Zahl 4 teilbaren Jahr wurde das „Schaltjahr“ eingefügt. Im neuen Gregorianischen Kalender finden sich jedoch einige unveränderte Altdaten. So beginnt das Jahr am 1. Januar mit der Huldigung des Gottes Janus.
Auch die Kaiser Julius Cäsar (Monat Juli) und Augustus (Monat August) verewigten sich einst im Kalendarium. Da letzterer einst nicht hinter seinem Vorgänger Cäsar zurückstehen wollte, hatte er „seinen“ Monat August von 30 Tagen ebenfalls auf 31 Tage hochgesetzt. Der daraufhin auf 28 Tage geschrumpfte Februar wurde 1582 als „Schaltmonat“ ausgewählt und wird alle vier Jahre mit dem 29.Februar um den „Schalttag“ verlängert.
Naheliegend wäre eigentlich, dass die Astronomen als ersten Tag des Jahres ein Datum mit großer astronomischer Bedeutung wählen. Der Tag, an dem unser Planet der Sonne am nächsten kommt (Perihel) wäre prädestiniert. Noch heute ziehen es die Astronomen vor, alles am Himmel in Bezug auf die Tagundnachtgleiche im März zu messen und auch das in Greenwich verankerte Überbleibsel der auf die Nordhalbkugel fokussierten Zeitmessung ist scheinbar unumstößlich. Was hat das alles nun mit dem Mars zu tun?
Mit den ersten Sonden, die zum Roten Planeten flogen, wurde schnell klar, dass wir eine Art Marskalender brauchen. Doch ein solcher Kalender müsste sich stark von unserem unterscheiden. Die offensichtlichen Gründe dafür sind zum einen, dass der Mars weiter von der Sonne entfernt ist und wesentlich länger braucht, um einen einzigen Umlauf um unseren Stern zu vollenden und dass zum anderen der Tag auf dem Mars ebenfalls länger dauert als auf unserer Erde. Genauer gesagt: Das Marsjahr hat 687 Erdtage und der Marstag - von den Astronomen Sol genannt, um ihn von einem Erdentag zu unterscheiden - ist mit 24 Stunden, 39 Minuten und 35 Sekunden ein wenig länger als unser irdischer Tag. Damit hat ein Marsjahr etwa 668Sols.
Für die Planetenforscher war es naheliegend, das Jahr auf dem Mars ebenfalls zum Zeitpunkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche des Planeten zu beginnen. Wie die Erde ist auch die Drehachse des Mars relativ zu seiner Umlaufbahn gekippt. Mit einer Achsneigung von 25,19 Grad hat der Mars eine relativ ähnliche Neigung wie die 23,44 Grad auf der Erde. Das bedeutet, dass auf dem Mars ebenso Jahreszeiten herrschen wie auf der Erde, nur dass diese auch fast doppelt so lang sein müssten. Außerdem hat der Mars eine ausgeprägte Ellipse, die ihn in seinem sonnennahen Punkt auf 206,7 Mill. km Entfernung zur Sonne bringt, währenddessen er sich im sonnenfernsten Punkt auf 249,1 Mill. km entfernt. Dies hat wiederum aufgrund der Kepler-Gesetze weitere Auswirkungen: Wenn der Planet Mars der Sonne am nächsten ist (im Winter auf der nördlichen Hemisphäre), ist seine Umlaufgeschwindigkeit höher als wenn er am weitesten entfernt ist (im nördlichen Sommer). In Verbindung mit dieser ovalen Form der Umlaufbahn bedeutet das, dass die Jahreszeiten eine unterschiedliche Länge haben. Der nördliche Frühling ist 194 Sols lang, während der Sommer 178, der Herbst 142 und der Winter 154 Sols aufweisen.
Das führt übrigens auch zu starken Veränderungen auf seiner Oberfläche: So zum Beispiel die ausgeprägten Staubstürme, die Astronomen bereits seit der ersten Benutzung der Teleskope beobachten konnten. Wenn die Temperaturen im Marsfrühling steigen, entstehen zum Teil riesige Stürme, die mit ihrem rötlichen Staub große Teile des Planeten bedecken können und für die Solarzellen der verschiedenen Marsrover schon immer die größte Gefahr darstellten.
Aber auch andere Unbilden würden das Leben auf dem Mars schwierig machen: Die erdrückend dünne und hochgiftige Kohlendioxid-Atmosphäre, die hohe Strahlungsintensität aufgrund des fehlenden Magnetfeldes, der aufwendige Zugang zu Vorräten von der Erde und die im Durchschnitt bei Minus 65 Grad liegenden Außentemperaturen. Was die Zeitrechnung betrifft, wäre es aber recht einfach, denn der Marskalender ist bisher nur bis zum Jahr 38 fortgeschritten. Dies liegt in einer recht bizarren Tatsache begründet: Wissenschaftler beschlossen, das Jahr 1 als den Zeitpunkt zu markieren, an dem 1956 ein riesiger Staubsturm über die Oberfläche des Planeten tobte – eines der bemerkenswertesten Ereignisse auf einem anderen Planeten während der frühen Erforschungsphase des Weltraumzeitalters.
Die Frühlings-Tagundnachtgleiche fand am 11. April 1955 statt, sodass dieser Tag heute als das erste Neujahr auf dem Planeten gilt. Die in ferner Zukunft trotz aller äußeren Unbilden auf dem Mars lebenden Menschen könnten vielleicht durch diesen Kalender eine gewisse Entschleunigung erfahren: Zum einen könnten die ausgedehnten Jahreszeiten dazu beitragen und zum anderen bietet der Marstag Sol täglich eine fast 40 minütige Verlängerung der Tageslänge gegenüber unseren Erdgewohnheiten. Menschen, denen die 24 Stunden auf unserem Heimatplaneten oft nicht ausreichen, käme dies entgegen und wie oft haben wir uns vielleicht auch selbst schon gewünscht, dass ein besonders schöner Tag ein klein wenig länger andauern könnte.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt