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134. Auf dem Mars ticken die Uhren anders
133. Vom Funkeln der Glühwürmchen
132. Riskante Manöver am Jupiter
131. Das Wunder der Polarlichter in unseren Breiten
130. Jupiter gestern und heute
129. Der galaktische Tanz
Samstag 01.02.2025
134. Auf dem Mars ticken die Uhren anders
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Mitte des Monats erreicht unser unmittelbarer Nachbarplanet Venus seinen größten östlichen Abstand zur Sonne und ist für mehr als drei Stunden in südwestlicher Richtung als hellstes Objekt am abendlichen Himmel sichtbar. Die durch die hohe Reflektion des Sonnenlichts hervorgerufene Leuchtkraft der Venus hat in der Vergangenheit zu den am häufigsten vermeldeten Anrufen bei astronomischen Einrichtungen geführt, wenn aufgeregte Bürger meinen, ein UFO gesichtet zu haben.
Diese Aufmerksamkeit wird der Planet Saturn nicht erreichen, denn unterhalb neben der Venus stehend, erscheint er eher wie ein blasser Stern. Im Verlaufe der Nacht sind Mars und Jupiter gemeinsam mit dem Wintersechseck zu sehen. Diese riesige Formation - bestehend aus den Sternbildern Fuhrmann, Stier, Orion, Zwillinge, Großer und Kleiner Hund - kann nun bereits bequem ab 19 Uhr betrachtet werden. Jupiter steht dabei unmittelbar in der Nähe des Stiers, währenddessen der rötliche Mars die Zwillingssterne Kastor und Pollux flankiert.

Um das neue Jahr zu feiern, denken sich die Erdbewohner die verschiedenartigsten Dinge aus: Von kulturell geprägten Abenden über ein gemeinsames gemütliches Zusammensein bis hin zu lautstarken und leider nicht mehr ungefährlichen Böllertreffen. Auf dem Mars, einem unserer beiden Nachbarplaneten, geschah der Jahreswechsel allerdings wesentlich ruhiger und auch früher, denn der 12. November 2024 markierte das neue Jahr für den Mars. Wären zu jener Zeit Astronauten auf dem Mars gelandet, dann hätten sie entsprechend dem Mars-Kalender den Wechsel vom Jahr 37 zum Jahr 38 erlebt.
Doch warum sollte man den 12. November als Neujahrstag für den Mars wählen? Und warum befindet sich der uralte Rote Planet nach unserer offiziellen Zeitrechnung erst im Jahr 38? Die Antwort liegt in dem Bedürfnis des Menschen, Ordnung in die Zeitmessung zu bringen, auch wenn dabei neben natürlichen Zyklen ein wenig Willkür die Grundlage ist. Hier auf unserem Heimatplaneten wird größtenteils der Gregorianische Kalender verwendet, um das Jahr zu bestimmen. Mit seiner Einführung durch Papst Gregor XIII erfolgte eine unbedingt notwendige Korrektur, denn auf Donnerstag, den 4.Oktober 1582, folgte sofort Freitag, der 15.10., denn zum Zeitpunkt der Kalenderreform war der zuvor verwendete Julianische Kalender des Römischen Reiches inzwischen so unpräzise geworden, dass er um genau diese 10 Tage korrigiert werden musste.
Es blieben zwar die 365 Tage pro Jahr, doch mit einem zusätzlichen Tag in jedem durch die Zahl 4 teilbaren Jahr wurde das „Schaltjahr“ eingefügt. Im neuen Gregorianischen Kalender finden sich jedoch einige unveränderte Altdaten. So beginnt das Jahr am 1. Januar mit der Huldigung des Gottes Janus.
Auch die Kaiser Julius Cäsar (Monat Juli) und Augustus (Monat August) verewigten sich einst im Kalendarium. Da letzterer einst nicht hinter seinem Vorgänger Cäsar zurückstehen wollte, hatte er „seinen“ Monat August von 30 Tagen ebenfalls auf 31 Tage hochgesetzt. Der daraufhin auf 28 Tage geschrumpfte Februar wurde 1582 als „Schaltmonat“ ausgewählt und wird alle vier Jahre mit dem 29.Februar um den „Schalttag“ verlängert.
Naheliegend wäre eigentlich, dass die Astronomen als ersten Tag des Jahres ein Datum mit großer astronomischer Bedeutung wählen. Der Tag, an dem unser Planet der Sonne am nächsten kommt (Perihel) wäre prädestiniert. Noch heute ziehen es die Astronomen vor, alles am Himmel in Bezug auf die Tagundnachtgleiche im März zu messen und auch das in Greenwich verankerte Überbleibsel der auf die Nordhalbkugel fokussierten Zeitmessung ist scheinbar unumstößlich. Was hat das alles nun mit dem Mars zu tun?
Mit den ersten Sonden, die zum Roten Planeten flogen, wurde schnell klar, dass wir eine Art Marskalender brauchen. Doch ein solcher Kalender müsste sich stark von unserem unterscheiden. Die offensichtlichen Gründe dafür sind zum einen, dass der Mars weiter von der Sonne entfernt ist und wesentlich länger braucht, um einen einzigen Umlauf um unseren Stern zu vollenden und dass zum anderen der Tag auf dem Mars ebenfalls länger dauert als auf unserer Erde. Genauer gesagt: Das Marsjahr hat 687 Erdtage und der Marstag - von den Astronomen Sol genannt, um ihn von einem Erdentag zu unterscheiden - ist mit 24 Stunden, 39 Minuten und 35 Sekunden ein wenig länger als unser irdischer Tag. Damit hat ein Marsjahr etwa 668Sols.
Für die Planetenforscher war es naheliegend, das Jahr auf dem Mars ebenfalls zum Zeitpunkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche des Planeten zu beginnen. Wie die Erde ist auch die Drehachse des Mars relativ zu seiner Umlaufbahn gekippt. Mit einer Achsneigung von 25,19 Grad hat der Mars eine relativ ähnliche Neigung wie die 23,44 Grad auf der Erde. Das bedeutet, dass auf dem Mars ebenso Jahreszeiten herrschen wie auf der Erde, nur dass diese auch fast doppelt so lang sein müssten. Außerdem hat der Mars eine ausgeprägte Ellipse, die ihn in seinem sonnennahen Punkt auf 206,7 Mill. km Entfernung zur Sonne bringt, währenddessen er sich im sonnenfernsten Punkt auf 249,1 Mill. km entfernt. Dies hat wiederum aufgrund der Kepler-Gesetze weitere Auswirkungen: Wenn der Planet Mars der Sonne am nächsten ist (im Winter auf der nördlichen Hemisphäre), ist seine Umlaufgeschwindigkeit höher als wenn er am weitesten entfernt ist (im nördlichen Sommer). In Verbindung mit dieser ovalen Form der Umlaufbahn bedeutet das, dass die Jahreszeiten eine unterschiedliche Länge haben. Der nördliche Frühling ist 194 Sols lang, während der Sommer 178, der Herbst 142 und der Winter 154 Sols aufweisen.
Das führt übrigens auch zu starken Veränderungen auf seiner Oberfläche: So zum Beispiel die ausgeprägten Staubstürme, die Astronomen bereits seit der ersten Benutzung der Teleskope beobachten konnten. Wenn die Temperaturen im Marsfrühling steigen, entstehen zum Teil riesige Stürme, die mit ihrem rötlichen Staub große Teile des Planeten bedecken können und für die Solarzellen der verschiedenen Marsrover schon immer die größte Gefahr darstellten.
Aber auch andere Unbilden würden das Leben auf dem Mars schwierig machen: Die erdrückend dünne und hochgiftige Kohlendioxid-Atmosphäre, die hohe Strahlungsintensität aufgrund des fehlenden Magnetfeldes, der aufwendige Zugang zu Vorräten von der Erde und die im Durchschnitt bei Minus 65 Grad liegenden Außentemperaturen. Was die Zeitrechnung betrifft, wäre es aber recht einfach, denn der Marskalender ist bisher nur bis zum Jahr 38 fortgeschritten. Dies liegt in einer recht bizarren Tatsache begründet: Wissenschaftler beschlossen, das Jahr 1 als den Zeitpunkt zu markieren, an dem 1956 ein riesiger Staubsturm über die Oberfläche des Planeten tobte – eines der bemerkenswertesten Ereignisse auf einem anderen Planeten während der frühen Erforschungsphase des Weltraumzeitalters.
Die Frühlings-Tagundnachtgleiche fand am 11. April 1955 statt, sodass dieser Tag heute als das erste Neujahr auf dem Planeten gilt. Die in ferner Zukunft trotz aller äußeren Unbilden auf dem Mars lebenden Menschen könnten vielleicht durch diesen Kalender eine gewisse Entschleunigung erfahren: Zum einen könnten die ausgedehnten Jahreszeiten dazu beitragen und zum anderen bietet der Marstag Sol täglich eine fast 40 minütige Verlängerung der Tageslänge gegenüber unseren Erdgewohnheiten. Menschen, denen die 24 Stunden auf unserem Heimatplaneten oft nicht ausreichen, käme dies entgegen und wie oft haben wir uns vielleicht auch selbst schon gewünscht, dass ein besonders schöner Tag ein klein wenig länger andauern könnte.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Mittwoch 01.01.2025
133. Vom Funkeln der Glühwürmchen
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EsWa, Galaxien 304, Digital, 162 x 185, 2024
Im Januar dominieren sowohl die hellen Sterne des Wintersechsecks (siehe Kosmos 131) als auch die zum Teil noch helleren Planeten. Dabei stehen die strahlende Venus und der gelbliche Saturn als abendliche Himmelskörper relativ hoch im Südwesten. Vier Stunden nach Sonnenuntergang gehen beide Planeten unter. Dafür sind der rötliche Mars, der die Zwillingssterne Castor und Polux flankiert und Riesenplanet Jupiter, der seinerseits nahe des Siebengestirns der Plejaden steht, fast die gesamte Nacht sichtbar.

Vor mehr als drei Jahren startete am ersten Weihnachtsfeiertag 2021 das James Webb Weltraumteleskops auf seine Reise zu seinem Stationierungspunkt in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung zur Erde. Unmittelbar vor dem Jubiläum wurden die neuesten Aufnahmen veröffentlicht und es scheint fast so, als wollten die Wissenschaftler der am Projekt beteiligten Forschungszentren, dass man jetzt in der kalten Jahreszeit durch das Funkeln der unfassbar weit entfernten kosmischen Glühwürmchen an warme Sommernächte erinnert wird.
In der Realität ist es allerdings so, dass wir die als „Firefly Sparkle Galaxy“ bezeichnete Welteninsel direkt gar nicht sehen können. Wie konnte man sie trotzdem entdecken? Die Lösung des Rätsels ist der Gravitationslinseneffekt, den Albert Einstein bereits 1936 im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seiner allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt hatte. Dabei ist es so, dass extrem weit entfernte Objekte trotz der Tatsache, dass sie nicht direkt sichtbar sind, durch gravitative Umlenkung ihres Lichts für uns in einer ganz besonderen Form in Erscheinung treten. Grund dafür sind oftmals die Cluster von Galaxien, die in der direkten Blickrichtung auf das ferne Objekt stehen. Eigentlich versperren sie den Blick auf die dahinter liegenden Objekte, doch ihre unglaublich hohe Anziehungskraft schafft es tatsächlich, das Licht der in der Ferne verborgenen Galaxie quasi um die Kurve zu leiten.
Der Effekt der Umlenkung des Lichts geschieht in diesem Fall durch den Galaxienhaufen mit der Bezeichnung MACS J1423. Dieser erzeugt mit seiner gigantischen Masse eine so ungeheure Gravitation, dass das eigentlich in weiter Ferne verborgene Glühwürmchen für uns sichtbar wird.
Für die Wissenschaftler sind solche Aufnahmen von ganz besonderer Bedeutung, da sie uns praktisch in die frühste Phase der Galaxien-Bildung zurückführen, die 600 Millionen Jahren nach der kosmischen Singularität, dem so genannten Urknall, geschah. In dieser frühen Zeit des Universums bildete sich die jetzt entdeckte Firefly Sparkle Galaxy.
Ein Forscherteam um Lamiya Mowla vom US amerikanischen Wesley College veröffentlichte hierzu eine Analyse der eher massearmen Galaxie, die in der jungen Epoche des Universums entstanden ist. Da das Alter des heutigen Universums auf 13,8 Milliarden Jahre geschätzt wird, bedeutet dies, dass die Firefly Sparkle Galaxy mit 13,2 Milliarden Jahre die jüngste ihrer Art ist. Somit stellt sie gewissermaßen das Licht aus der Morgendämmerung des Universums dar. Gerade solch junge Galaxien zu beobachten ist für die Darstellung der ersten Strukturen unseres Universums ungeheuer wichtig.
Das galaktische Glühwürmchen hat auch noch einen anderen Rekord zu bieten. Es ist die so genannte Rotverschiebung. Dies ist ein Maß dafür, wie weit ein Objekt von der Erde entfernt ist, denn je weiter sich ein Objekt von uns entfernt befindet, desto mehr verschiebt sich sein Spektrum in den Bereich des roten Lichts. Man spricht auch von der Rotverschiebung, die auf den vom österreichischen Physiker Johann Christian Doppler entdeckten Dopplereffekt zurückgeht. Der „Redshift“-Wert für das Objekt Firefly Sparkle Galaxy beträgt z = 8,3, was wiederum bedeutet, dass die Galaxie zu einem Zeitpunkt entstand, als das Universum gerade einmal 4 Prozent seines heutigen Alters erreicht hatte. Damit gehört sie zu den weit entfernten Objekten, die sich mit enorm hoher Geschwindigkeit von uns wegbewegen.
Die Galaxie hat sogar noch zwei Begleiter. Das ist nicht ungewöhnlich, denn unsere heimatliche Galaxis wird ebenfalls von zwei Begleitern, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, umsäumt. Es sind die beiden diffusen Zwerggalaxien am Südhimmel, die vom portugiesischen Seefahrer Magellan entdeckt wurden.
Die beiden Objekte, die unsere Milchstraße im galaktischen Halo begleiten, umfassen jeweils ca. 100.000-150.000 Sterne. Ähnliches Begleitpersonal scheint es bei der Fireflye Sparkle Galaxy zu geben, die man deutlich jeweils seitlich der Hauptgalaxie erkennt.
Die zunächst nur Companion 1 und 2 benannten Minigalaxien haben inzwischen liebevolle Spitznamen bekommen, indem sie „Fireflye Best Friend“ und „Fireflye Next Best Friend“ getauft wurden. Vielleicht ist die Benennung mit diesen auffälligen „Nicknames“ auch eine kleine Referenz an das junge Publikum, das sich vor allen Dingen in amerikanischen Schulen mit aktuellen astronomischen Aufnahmen der beiden Weltraumteleskope beschäftigt. Auf speziell für „Astro-Kids“ gestalteten Websites werden dort schon seit mehr als 30 Jahren astronomische Wissensinhalte in einfacher, aber gut verständlicher Weise vermittelt. Dieser populärwissenschaftliche Ansatz zieht sich bis in die heutige Zeit und hat sich seit der Inbetriebnahme des Webb Space Telescopes noch vergrößert.
Hierzulande diskutiert man derweil aufgrund des Lehrermangels darüber, die Fachkräfte in ihren angestammten und permanent unterbesetzten Fächern Mathematik und Physik unterrichten zu lassen, bevor sie sich dem „Luxus“ astronomischer Inhalte widmen.
Es gibt sogar Forderungen, Astronomie als Unterrichtfach selbst aus dem Schulkanon zu verbannen. Dies ist eine kurzsichtige Variante, denn Bildungspolitik kann nicht den Anspruch haben, den Mangel an Lehrkräften nur zu verwalten. Sie sollte vielmehr darauf gerichtet sein, der ältesten Wissenschaft der Menschheit endlich einen breiteren Raum in der Wissensvermittlung zu geben.
Doch zurück zur eigentlichen Aufnahme des Webteleskops. Die Dimensionen dieser tief ins All reichenden Aufnahme sind nur schwer nachvollziehbar, denn mit 2,3 x 2,3 Bogenminuten, was umgerechnet weniger als 0,05 x 0,05 Grad entspricht, ist hier nur ein winziger Ausschnitt des Kosmos zu sehen. Wir erkennen eine ungeheure Vielfalt an Galaxien aller Art im Hintergrund, währenddessen Sterne unserer eigenen Milchstraße gerade einmal an einer Hand abzuzählen sind. Es scheint sich damit immer mehr zu bestätigen, dass die Gesamtzahl der Galaxien im Universum die Zahl von 2 Billion erreichen könnte, wie der weltbekannte englische Astronom Prof. Brian Cox unlängst bestätigte. Wenn sich dann noch in jeder dieser 2.000.000.000.000 Spiralnebel durchschnittlich 2.000.000.000 Sterne befinden, kommt man auf die unfassbare astronomische Zahl von 4.000.000.000.000.000.000.000 Sonnen im Universum. Legt man dann noch die durchschnittliche Anzahl der Planeten bei diesen fernen Sonnen auf 2,5 pro Stern fest, wäre die Gesamtzahl aller Planeten im Weltall eine 1 mit 22 Nullen!
Wie formulierte Carl Sagan einst in seinem Buch „Unser Kosmos“ so passend: „Das Alter und die Ausdehnung des Kosmos überschreiten die gewohnten menschlichen Begriffe. Wir spüren, dass wir vor dem größten aller Geheimnisse stehen.“
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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EsWa, Galaxien 310, Digital, 120 x 190, 2024
Sonntag 01.12.2024
132. Riskante Manöver am Jupiter
Die Weihnachtssterne geben sich nun in den Winternächten die Ehre: Unser Wintersechseck als größte Konstellation des nächtlichen Himmels, ist um Heiligabend schon vor Mitternacht in südlicher Richtung zu erkennen. Es besteht aus folgenden Fixsternen (im Uhrzeigersinn): Kapella im Fuhrmann, Aldebaran im Stier, Rigel im Orion, Sirius im Großen Hund, Prokyon im Kleinen Hund und Pollux in den Zwillingen. Der rote Planet Mars steht dabei ganz in der Nähe der Zwillingssterne Kastor und Pollux ein wenig außerhalb des riesigen Hexagonals. Venus zeigt sich als weihnachtlicher Planet, denn unser Abendstern ist bereits in der Dämmerung aufgrund seiner strahlendem Helligkeit im Südwesten schon auf den ersten Blick deutlich sichtbar. Jupiter hingegen steht sehr nah bei Aldebaran und fällt aufgrund seiner überstrahlenden Helligkeit sofort ins Auge.
Der größte Planet unseres Sonnensystems ist nach wie vor auch der Hauptdarsteller bei den Vorbeiflügen der NASA-Raumsonde Juno. Mittlerweile hat das im Jahre 2011 gestartete Raumschiff die 64. Passage beim Gasriesen hinter sich. Im Gegensatz zu den Langzeitsonden Voyager 1 und 2, für die lediglich ein kurzer Vorbeiflug geplant war, näherte sich Juno von Anfang an aufgrund einer ausgeklügelte Bahn dem Planeten Schritt für Schritt, so dass ein Einschwenken in einen permanenten Orbit um Jupiter möglich gemacht werden konnte. Dafür drehte sich Juno nach fünfjähriger Reisezeit am 4.Juli 2016 mit rund 20.000 km/h in eine Pol-zu-Pol-Bahn um den Planeten ein. Nach dem Start hatte die Sonne mit der so genannten Swing-by-Technik weit ausgeholt, um überhaupt in die Situation zu kommen, in eine Langzeitbahn um den Riesenplaneten einzuschwenken.
Übrigens ist Juno die erste Sonde in einer Entfernung von mehr als 750 Millionen Kilometern zu unserem Zentralgestirn (das ist die fünffache Entfernung Erde-Sonne), die ihre Energie nur aus Solarzellen bezieht. Daher wurde ein sehr komplexes Szenario für die Umkreisung des Gasriesen ausgewählt. Es mussten unter anderem zwei Hauptbedingungen erfüllt werden: Zunächst die Vermeidung des Eintritts in den Schatten Jupiters, damit die Solarzellen ununterbrochen Energie liefern können und darüber hinaus eine geringe Distanz zum Jupiter bei größter Annäherung. Diese kann nur durch eine hochelliptische Umlaufbahn erreicht werden, die sich über die Pole des Planeten erstreckt. Daher wird die Raumsonde auch als Jupiter Near Pole Orbiter bezeichnet.
Auch in diesem Jahr standen mit den Orbits Nr. 58-64 recht nahe Vorbeiflüge an. Bei diesen äußerst riskanten Manövern kommt Juno mit weniger als 20.000 km Abstand dem größten Planeten unseres Sonnensystems so nah, wie noch nie eine Raumsonde zuvor.
Dabei konnten Bild-Aufnahmen in einer bisher nicht erreichten Qualität getätigt werden. Auf diesen kann man deutlich erkennen, dass in der Hochatmosphäre des Planeten ein äußerst dynamisches Wettergeschehen herrscht. Wir schauen dabei auf verschiedenste Zyklone und Anti-Zyklone, welche die Schichten der Atmosphäre gewaltig durcheinanderwirbeln.
Auf einem gut vierminütigen Video sind - nach einem Vorbeiflug an Ganymed, dem größten Mond des Sonnensystems - zunächst im Terminator (Gebiet zwischen Licht und Schatten) deutlich elektrische Entladungen zu erkennen. Auch im weiteren Verlauf erkennt man, dass die gewaltigen Blitze in der oberen Atmosphäre des Jupiters eine ganz normale Anomalien zu sein scheinen. Hinsichtlich der Dynamik des Wettergeschehens fällt zu Beginn der dritten Minute eines der größten Wunder unseres Sonnensystems deutlich ins Auge: Fünf fast gleich aussehende weiße Wirbelstürme von jeweils halber Erdgröße reihen sich wie eine Perlenkette innerhalb eines atmosphärischen Bandes auf. Natürlich ist auch zu erkennen, dass sich die Geschwindigkeit mit über 200.000 km/h auf die Qualität der Aufnahmen auswirkt. Bei der größten Annäherung sind diese doch recht verschwommen und müssen der gewaltigen Geschwindigkeit Tribut zollen.
Eine weitere, in diesem Jahr veröffentliche Simulation erlaubt es nun sogar in das bekannteste Objekt des Jupiters, dem nach Galilei benannten Großen Roten Fleck (GRF), regelrecht einzutauchen. Der Blick beginnt etwa 3000 Kilometer über Jupiters Wolkendecke im Süden. Die eigene Position kann man mit dem Display links verfolgen. Während die Höhe abnimmt und die Temperatur gleichzeitig zunimmt, rast man mit hoher Geschwindigkeit in über 220 km Tiefe, um danach wieder in die obere Atmosphäre von Jupiter zu gelangen (https://apod.nasa.gov/apod/ap240519.html). Tatsächlich zeigen die Juno-Daten, dass der Große Rote Fleck bis zu 300 Kilometer tief in die Atmosphäre des Riesenplaneten eindringt. Es handelt sich dabei um den größten Wirbelsturm im Sonnensystem.
Beim bisher letzten Vorbeiflug am 23.Oktober dieses Jahres konnte die JunoCam des Orbiters ein ganz besonderes Bild schießen: Neben dem größten Planeten unseres Sonnensystems ist mit dem kartoffelähnlichen Jupitermond Amalthea eines der kleinsten Objekte des Jupitersystems gerade noch eben zu erkennen. Nur knapp 84 km beträgt die längste Ausdehnung des unregelmäßig geformten Mini-Mondes.
Alles in allem betrachtet, ist die Mission nach mehr als acht Jahren im permanenten Jupiterorbit ein riesiger Erfolg. Doch ein Wermutstropfen gibt es bereits jetzt für die Wissenschaftler: Die im Jahr 2021 genehmigte Weiterführung aller Experimente während der Vorbeiflüge an Jupiter läuft im September 2025 aus. Ob es die Sonde tatsächlich bis zu ihrem 10jährigen Orbit-Jubiläum schafft oder bereits zuvor der Treibstoff für Kurskorrekturen ausgeht, ist höchst fraglich. Möglicherweise wird sie - ähnlich wie im September 2017 die Saturnraumsonde Cassini - in einem finalen Bogen kontrolliert in die Jupiteratmosphäre eintauchen und verglühen. Dann heißt es: Farewell Juno.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Fotos: Planetarium Halberstadt (Julia Rummert und Klaus Huch)
Freitag 01.11.2024
131. Das Wunder der Polarlichter in unseren Breiten
Im Monat November prägen zwar oftmals ungünstige Wetterlagen die Wahrscheinlichkeit für eine genaue Beobachtung des gestirnten Himmels, doch sollte es ab und an auch Möglichkeiten für einen Blick zu den Sternen geben. Bis zum Monatsende sind erste Erkundungen der nördlichen Himmelshalbkugel auch schon vor 18 Uhr gegeben. Dabei sind die im Westen untergehenden Sommersternbilder Leier, Adler und Schwan ebenso zu bewundern, wie das Herbstviereck, gebildet aus den Sternbildern Andromeda und Pegasus. Bereits in den frühen Abendstunden gegen 19 Uhr kommen dann mit den Sternbildern Fuhrmann und Stier die ersten Wintersternbilder hinzu. Sie werden begleitet durch den gleißend hellen Planeten Jupiter, dem derzeit hellsten Planeten am Nachthimmel. Dagegen ist Saturn, der zu diesem Zeitpunkt genau im Süden steht, eher blass.

Die Geschichte der Beobachtung der Sonne verbunden mit dem Aufspüren, Skizzieren und Klassifizieren der Sonnenflecken, war in der Rubrik Kosmos schon mehrfach Thema. Dabei wurde vor allen hervorgehoben, dass der Dessauer Apotheker Samuel Heinrich Schwabe großen Anteil daran hatte, den Zyklus der Sonnenaktivitäten erstmalig genau zu beschreiben (siehe Kosmos 123. „Wandernde Sonnenflecken“). Natürlich sind die 11,2 Jahre Abstand zwischen den einzelnen Maxima immer ein Mittelwert. Es können in manchen Zeiträumen nur neun oder zehn Jahre sein. Anderseits scheint die Sonne aber auch trägere Phasen zu haben und es vergehen zwölf oder gar 13 Jahre zwischen den Spitzen der Aktivität.
Schon im Frühjahr dieses Jahres nahm das Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA eine Sonnenfleckengruppe ins Visier, die zu den größten jemals beobachteten ihrer Art zählt. AR 3664 ist 14mal so groß wie die Erde. Einigen Beobachtern gelang es dabei, diese Fleckengruppe bei Frühnebel mit bloßem Auge zu erkennen. Sonnenflecken bilden sich durch intensive magnetische Kräfte, die einen Teil der im Inneren der Sonnen produzierten Energie daran hindern, die Oberfläche zu erreichen. Dadurch sind Sonnenflecken mit 4300-4800 Kelvin deutlich kälter als die ungestörte, die Sonnenflecken umgebende Sonnenoberfläche mit 5800 Kelvin. Die Flecken sind bestimmt durch ihren zentralen dunklen Bereich, der sogenannten Umbra, die wiederum von einem transparenten Umfeld, der sogenannten Penumbra, umgeben ist.
Die unterdrückte Energie äußert sich dabei in Hunderten von sogenannten Flares. Diese auch Spiculen genannten Energieausstöße sind hochenergetisch, aber zeitlich nur sehr kurz.
Ganz anders verhält es sich hingegen bei den solaren Superstürmen, die als CME (Coronal Mass Ejection, deutsch Koronale Massenauswürfe) bezeichnet werden. Sie stellen die energiereichsten Ereignisse der Sonnenaktivität dar und können – sollte ihre Ausbruchswolke genau in Richtung Erde stehen – auch auf unserem Planeten verschiedene Konsequenzen mit sich bringen. In den vergangenen fünfzehntausend Jahren sind genau drei CMEs aufgetreten, die verheerende Auswirkungen auf die irdische Flora und Fauna gehabt haben müssen. Bei den rochronologischen Untersuchungen konnten die Ereignisse anhand der Jahresringe uralter Baumstümpfe genau nachgewiesen werden. Allerdings liegen diese Ereignisse so weit zurück, dass man nicht auf weitere Hinweise zu eventuellen Zerstörungen in alten Schriftrollen oder Keilschriften hoffen kann.
Aus neuerer Zeit sind Störungen im Bereich des Funkverkehrs oder der Stromversorgung bekannt geworden. So waren zum Beispiel Teile Kanadas Ende der 1980er Jahre durch einen CME weitestgehend ohne Elektrizität. Dieses geschah genau am 13. März 1989: Ein Sonnensturm legte in der kanadischen Provinz Quebec das komplette Stromnetz lahm. Sechs Millionen Menschen saßen im Dunkeln. Neun Stunden lang tauten Kühlschränke auf, Krankenhäuser und Betriebe konnten nur noch mit Notstromversorgung weiterarbeiten und das normale Leben kam zum Erliegen.
Momentan kann man sich allerdings an den weniger gefährlichen Auswirkungen der CMEs erfreuen. Wenn die mit ungefähr 1000 Kilometern pro Sekunde extrem schnellen Sonnenpartikel auf das Magnetfeld der Erde treffen, verbiegen und verzerren sie dieses erheblich.
Normalerweise sind dann nur in der Nähe der Polarkreise Reaktionen dieser hochenergetischen Teilchen mit den in der Hochatmosphäre befindlichen Atomen möglich. Dieser atomare „Crash“ kann dann die wunderbaren Farben der sogenannten Polarlichter erzeugen.
Durch die erhöhte Sonnenaktivität sind in den letzten zwei Jahren vermehrt auch Polarlichter in südlicheren Breiten sichtbar gewesen. Bis hin nach Sizilien konnten dieses Naturphänomen beobachtet werden.
Am 10.Oktober gelangen es dem Autor und seiner Kollegin selbst einige Fotos der Aurora borealis (Nordlicht) in Halberstadt, östlich des Harzes zu machen. Wenige Tage zuvor hatte die Fleckenguppe AR 3664 erneut ein CME-Ereignis ausgelöst und einen breiten Teilchenstrom in Richtung Erde befördert. In großer Höhe reagierten daraufhin die geladenen Sonnenteilchen mit den Sauerstoff- und Stickstoffatomen. Das Nachglühen dieses geomagnetischen Sturmes erzeugte dann die gut sichtbaren grünlichen und rötlichen Farbanteile.
Das grüne Licht entsteht dabei in einer Höhe von 120 Kilometern, währenddessen das rote Licht in 250 Kilometer über der Erdoberfläche strahlt, was man auf einer Aufnahme, die von den Astronauten der Internationalen Raumstation ISS getätigt wurde, sehr gut erkennen kann.
Erlebt man dieses Ereignis jedoch selbst auf Erden, fühlt man sich von diesem Spektakel regelrecht überwältigt. Man kann wieder einmal spüren, direkt erleben, wie klein wir Menschen gegenüber himmlischen Erscheinungen sind, selbst denen gegenüber, die in unserer unmittelbaren „Nachbarschaft“ ausgelöst werden.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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EsWa, Galaxien 303, Digital, 140 x 190, 2024
Sonntag 01.09.2024
130. Jupiter gestern und heute
Die Sonne kreuzt auf ihrer scheinbaren Bahn am 22. September um 14.44 Uhr die Ekliptik - wir haben damit die zweite Tagundnachtgleiche des Jahres und der Herbst beginnt.
Die Tage werden deutlich kürzer und so kann man bereits in den Abendstunden interessante Beobachtungen tätigen. Noch immer dominiert das Sommerdreieck den Nachthimmel. Deneb, als dritter Eckpunkt dieser Formation, ist der lichtschwächste der drei Hauptsterne. Der arabische Ursprung des Namens verweist auf das Hinterteil des Schwanes, womit deutlich wird, dass die frühe Astronomie in allen drei Sternbildern Vögel sah (Wega - „herabstoßender (Adler)“; Atair - „fliegender (Adler)“).
Deneb selbst ist ein blauer Überriesenstern mit fast 200fachem Sonnendurchmesser. Seine jetzige Position am Abendhimmel zeigt in die Richtung des Herbstvierecks, das entsprechend der jahreszeitlichen Veränderung des Firmaments, nun zur bestimmenden Nachtkonstellation wird.
Die Planeten haben sich komplett von ihrer monatelangen Nichtsichtbarkeit verabschiedet. Saturn strahlt die ganze Nacht über. Die Venus als Abendstern kann nur unter den günstigen Bedingungen völlig freier Sicht im Westen erspäht werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Morgenstern Merkur im Südosten. Allerdings wird er schon bald von der aufgehenden Sonne überstrahlt. Mars ist in den frühen Morgenstunden als rötliches Objekt gut auszumachen und der Planetenriese Jupiter ist in der zweiten Nachthälfte dominierend. Zwischen den Sternen Beta und Zeta Tauri, die auch als „Hörner“ des Stiers bezeichnet werden, ist er deutlich zu erkennen.

Inwiefern haben Ereignisse, die über 400 Jahre zurückliegen und unmittelbar mit dem Planeten Jupiter zu tun haben, das Leben auf der Erde entscheidend verändert? Kann eine solche Frage so im Raum stehen bleiben? Man muss dies klar und deutlich bejahen, denn was sich in den ersten Januartagen des Jahres 1610 ereignete, war eine astronomische Revolution, die im Nachhinein die Sichtweise auf unsere Welt völlig verändern sollte: Über Jahrtausende beobachtete der Mensch den gestirnten Himmel lediglich mit dem bloßen Auge, doch nun konnte ein Astronom zum ersten Mal überhaupt mit einem Instrument das Firmament betrachten. Es war der berühmte italienische Gelehrte Galileo Galilei, der sich von holländischen Linsenschleifern beraten ließ und sein eigenes „Telescopio“ konstruierte. Natürlich war es nur ein in seiner Vergrößerung noch recht eingeschränktes Linsenfernrohr. Doch als er am 10. Januar in der Nähe von Padua bei gutem Wetter den Jupiter beobachtete, stellte er fest, dass hier etwas passiert, was nicht in das Weltbild der damaligen Zeit passte. Galilei stellte während der ausgiebigen Exkurse in den Nächten fest, dass um den Jupiter vier weitere Himmelskörper aufgereiht waren – die ihre Position Nacht für Nacht veränderten. Schnell folgerte er daraus, dass diese sich einzig und allein um ihren Mutterplaneten Jupiter als Monde bewegen würden. Damit war die über Jahrtausende geltende Theorie, dass die Erde Zentrum aller Bewegungen im Universum sei, im wahrsten Sinne des Wortes von heute auf morgen widerlegt.
Übrigens sieht man die Situation um die Entdeckung der Jupitermonde im fränkischen Ansbach ganz anders. Der zur selben Zeit dort tätige Hofastronom Simon Mayr (latinisiert Simon Marius) beobachtete in den gleichen Nächten ebenfalls mit einem aus Holland stammenden Linsenfernrohr den Himmel über dem Frankenland und soll in seinen Schriften ebenfalls verzeichnet haben, dass sich Objekte um den Jupiter bewegen. Möglicherweise beobachtete Marius zur genau gleichen Zeit die fernen Planeten. Galilei hat sich sehr offensiv gegen die vermeintlichen Entdeckungen des fränkischen Astronomen geäußert und ihn sogar der Lüge bezichtigt. Der Streit eskalierte, doch letztendlich gaben die „Professori“ an der berühmten Universität zu Padua ihrem italienischen Gelehrtenkollegen Recht (siehe Kosmos 99).
Doch einen wahren Sieger gab es bei diesem Streit letztendlich nicht: Galilei hatte schon bald vor der Inquisition zu erscheinen, um dort über seine Beobachtungen zu berichten. Da sich seine Entdeckungen mit den Dogmen der damaligen Zeit nicht in Einklang bringen ließen, blieben die Erde und somit auch Gott im Zentrum allen Seins. Am Ende der Befragungen soll sich Galilei nach und nach von seinen Aussagen distanziert haben, um sich als hochbetagter Mann einer möglichen drakonischen Strafe zu entziehen. Man bedenke, dass nur zehn Jahre vor seinen Entdeckungen der Mönch Giordano Bruno, dessen Behauptungen, dass es mehrere Welten im Kosmos geben könnte, als Gotteslästerung ausgelegt wurden, als Ketzer öffentlich hingerichtet wurde (siehe Rubrik LITERATUR Volker Reinhardt „Der nach den Sternen griff. Giordano Bruno - Ein ketzerisches Leben“)
Galilei wurde, nachdem er seine Lehren verworfen hatte, zu einem lebenslangen Hausarrest verurteilt. In seinen letzten, sehr einsamen acht Lebensjahren soll der inzwischen fast blinde Gelehrte regelrechte Gedächtnisprotokolle diktiert haben. Vielleicht ist es nur seinem genialen Kopf zu verdanken, dass wir heute überhaupt noch etwas von seinen Entdeckungen wissen, denn die Inquisition hatte ihm alle Schriften entrissen.
Über die Jahrhunderte wurde Jupiter natürlich immer genauer beobachtet. Zunächst konnten zwar keine weiteren Monde entdeckt werden, doch schon bald erkannte man mit Spiegelteleskopen, dass die – wie wir heute wissen – gasförmige Oberfläche des Planeten von einer sehr interessanten, von Streifen und Bändern geprägten Struktur umgeben ist. Und schon Galilei hatte gesehen, dass sich ein riesiger Wirbelsturm, den er als großen roten Fleck beschrieb, periodisch um den Planeten bewegt. Noch heute ist er aktiv, trägt als Namen noch immer Galileis Umschreibung und ist zwei Mal so groß wie die Erde.
Mit dem Start der beiden Voyager Sonden vor genau 47 Jahren wurde ein völlig neues Kapitel in der Erforschung des fernen Gasriesen eingeläutet. Die ersten direkten Aufnahmen des Planetengiganten wurden 1979 zur Erde gefunkt und erregten sofort das Interesse der Astronomen in aller Welt.
Seither haben weitere Raumsonden die Fernerkundung übernommen. So lieferten das zu Ehren Galileis benannte Raumschiff Galileo und die noch heute aktive Mission Juno in den darauffolgenden Jahrzehnten immer neue und zum Teil einzigartige Aufnahmen (https://science.nasa.gov/gallery/junocam-images/).
Am 19. und 20.August passierte die Raumsonde JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer; deutsch Jupiter-Eismond-Erkunder) auf ihrem Weg zum Jupiter sowohl unsere Erde als auch den Erdmond in nur einigen hundert Kilometern Abstand. Es handelt sich hierbei um ein europäisches Gemeinschaftsprojekt mit dem ambitionierten Ziel, nach dem Erreichen des Gasplaneten im Jahre 2031 dort für mindestens fünf Jahre tätig zu sein. Besonders spannend wird es dann, wenn JUICE die „Galileischen Monde“ aus aller Nähe betrachten wird. Unter den günstigen Umständen eines Überflugs in geringer Höhe sollte es möglich sein, die Geheimnisse von Io, Europa, Ganymed und Kallisto (so die Namensgebung durch Galilei) zu entlüften. Möglicherweise könnten die vermuteten Wasserreserven der Eismonde aufgespürt werden. Die Beantwortung der Frage, ob es unter den Eispanzern von Europa, Ganymed und Kallisto sogar unterirdische Ozeane mit möglichen außerirdischen Lebensformen gibt, bleibt bis dahin unbeantwortet und ist somit das größte Rätsel in der Fernerkundung unseres Planetensystems.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Donnerstag 01.08.2024
129. Der galaktische Tanz
Bilder
EsWa, Galaxien 299, Digital, 156 x 178, 2024
In den Augusttagen ist ein Stern besonders deutlich sichtbar: Es ist die Wega im Sternbild Leier. Sie zählt zu den hellsten Objekten am nächtlichen Firmament und ist bereits mit Einbruch der Dämmerung fast im Zenit stehend gut auszumachen. Sie ist einer von drei Sternen, die das sogenannte Sommerdreieck bilden. Die beiden anderen Sterne sind Deneb aus dem Sternbild Schwan und Atair, der Hauptstern des Adlers, die sich ebenfalls in der Abenddämmerung vom immer dunkler werdenden Himmelshintergrund abheben. Der arabische Name Atair bedeutet soviel wie „der Fliegende“ oder auch „der Flüchtende“. Ein Hinweis auf den Mythos um ein Adlerpaar, das ebenfalls in arabischen Schriften Erwähnung findet. Im Gegensatz zum fallenden Adler (Wega), der vom tödlichen Pfeil des Schützen (Sagittarius) hinweggerafft wird, verfehlt der für das männliche Tier vorgesehene Pfeil sein Ziel und so steigt der Atair zum Himmel empor. Jener fehl geschossene Pfeil ist übrigens als Sternbild Pfeil (Sagitta) direkt oberhalb von Atair sichtbar.
Die Planeten spielen im Monat August nach wie vor nur eine Nebenrolle, einzig Saturn steht um Mitternacht tief in südöstlicher Richtung im Sternbild Wassermann (Aquarius). Dafür kann man in der Nacht vom 12.8. zum 13.8. in der Zeit zwischen 23 und 4 Uhr innerhalb einer Stunde bis zu 100 Sternschnuppen des Perseidenstromes beobachten.

Was war zuerst: Das Ei oder die Henne ? Diese nicht ganz einfach zu beantwortende Frage kann im übertragenen Sinne einer Aufnahme des James-Webb-Space-Telescopes zugeordnet werden, denn schaut man auf das Bild, welches anlässlich des zweiten Geburtstages des leistungsstärksten Weltraumteleskops veröffentlicht wurde, stellt sich unwillkürlich die Frage, welches der beiden im Vordergrund stehenden Objekte als erstes am Himmel sichtbar wurde. In diesem Fall heißt es dann Ei oder Pinguin, denn gemäß einer alten Tradition bekommen solche Himmelskörper von ihren Entdeckern einen nicht allzu Ernst zu nehmenden Spitznamen. In diesem „astronomischen“ Fall ist die Antwort ganz einfach: Beide - Ei und Pinguin - sind interagierende Milchstraßen gleichen Alters. Das im Sternbild Hydra (Wasserschlange) befindliche Galaxienpaar wird astronomisch als Arp 142 bezeichnet. Die beiden Galaxien mit den Katalognamen NGC 2936 und NGC 2937 sind rund 326 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, was ungefähr der 130fachen Distanz zu unserer Nachbargalaxis Andromeda entspricht.
Natürlich haben sich die Forscher im JPL (Jet Propulsion Laboratory) im kalifornischen Pasadena anlässlich des Jubiläums etwas Besonderes einfallen lassen. Dabei haben sie versucht Ei und Pinguin in einer dreidimensionalen Simulation vor unseren Augen tanzen zu lassen.
Sehr deutlich sieht man dabei, dass es zwischen den beiden verzerrten und somit in die Klasse der unregelmäßigen Galaxien eingestuften Objekte Materiebrücken gegeben haben muss. Der Austausch von Materie ist bei der Gruppe von kollidierenden Welteninseln üblich, denn am Ende dieses Prozesses hat das Paar ihr Aussehen komplett geändert und ist zu einer einzelnen und somit eigenständigen Galaxie verschmolzen. Wie übrigens eine normale Galaxis aufgebaut ist, hat das Team vom Webb-Teleskop erst vor kurzem der Öffentlichkeit mit der hochauflösenden Darstellung der Galaxie M74 präsentiert.
Natürlich fällt bei der Betrachtung des Bildes von Arp 124 auf, dass der kosmische Tanz vor dem Hintergrund vieler weiter entfernter Milchstraßen geschieht. Man stelle sich das bildlich vor: Beim Fürstenfeldbrucker Festival Dance First geben zwei im Vordergrund agierende Tänzer ein aufsehenerregendes Pas de deux. Nicht nur wir als Zuschauer staunen, auch die im Hintergrund einen Halbkreis bildenden Tänzer der Compagnie sind begeistert. Der Unterschied zwischen dem tänzerischen Duo auf der Bühne in Fürstenfeldbruck und dem kosmischen Tanz bei der Webb-Simulation liegt allerdings darin verborgen, dass die Hintergrundtänzer nicht auf der Bühne zu finden wären, sondern sich irgendwo im weitläufigen Hinterland zwischen München und Nürnberg befinden. Ungefähr so kann man sich die großräumige Verteilung dieser fernen Welten vorstellen, jede einzelne von ihnen eine ferne Milchstraße mit mehreren hundert Millionen Sternen.
Das Webb-Teleskop ist nun auf Dauer unser größtes Fernrohr im Weltall, doch das größte erdgebundene Teleskop lässt in seiner Fertigstellung auf dem 3046 Meter hohen Cerro Armazones in der chilenischen Atacama-Wüste vor allem coronabedingt noch etwas auf sich warten: Es ist das Extremly Large Teleskop (ELT) der europäische Südsternwarte (ESO). Allerdings sind auch hier bereits einige außerordentliche Erfolge zu verkünden. Zunächst gab es die ESO-Pressemitteilung, dass bei der Firma Schott in Mainz der letzte der 969 einzelnen Spiegelrohlinge zur weiteren Bearbeitung ausgeliefert wurde.
Nach dem Feinschliff und der Verspiegelung jedes dieser einzelnen aus Zerodur bestehenden Rohlinge sollen sie dann so zugeschnitten werden, dass sie - im Bienenwabenmuster angeordnet - die gigantische Spiegel-Grundfläche des 39,3 Metern großen Hauptspiegels M1 ergeben.
Zum Vergleich sei hier angefügt, dass die größten derzeit im Dienst befindlichen Spiegel knapp über 10 Meter Durchmesser aufweisen. Diese bisher noch nie bewältigten Dimensionen müssen natürlich auch in einer entsprechenden Sternwartenkuppel untergebracht werden. Hierzu kann man sich bei der ESO ein Bild vom Baufortschritt machen.
Um später die starken Temperaturschwankungen des Wüstenklimas ausgleichen zu können, wurde mit Zerodur ein glaskeramischer Werkstoff von der Firma Schott und dem Max-Planck-Institut für Astronomie entwickelt, der sich selbst so gut wie nicht verformt und somit als „thermisch stabil" anzusehen ist. Dies ist letztlich die Grundvoraussetzung dafür, dass das riesige Teleskop im späteren Dauerbetrieb auch in der kompletten Beobachtungsnacht einsatzbereit bleibt.
Kaum auszudenken, welch großartiges neues Fenster sich öffnen wird, wenn das Großteleskop ELT, das mehr als 10 Millionen Mal empfindlicher als das menschliche Auge sein wird, erstmals nach seiner Fertigstellung im Jahr 2028 in die Fernen des Universums blickt. Dieser große Moment - im Fachjargon nüchtern „First light“ genannt - wird von den Astronomen in der ganzen Welt mit großer Spannung erwartet.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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