Wem das 13-bändige Standard-Mammut-Werk „Brehms Tierleben“ mit seinen fast achttausend(!) Seiten zu umfangreich erscheint, und wer sich auch mit den gekürzten Volks- und Schulausgaben dieser Abhandlung aufgrund ihrer Ausführlichkeit nicht so recht anfreunden mag, der muss auf unterhaltsame Einblicke in die Welt tierischer Kreaturen nicht unbedingt verzichten. Denn der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke hat sich aufgemacht, die Fauna, so wie sie ihm im täglichen Berufsleben begegnet, knapp und anregend literarisch darzulegen. Dabei immer mit leichten Vorteilen für die Insekten, die den Forensikern verständlicherweise besonders am Herzen liegen. Denn das, was ihm Rotbeinige Schinkenkäfer, Silberfischchen, nekrophile Enten oder Vampirfledermäuse während seiner täglichen Arbeit offenbaren, können ihm weder Elefanten noch Krokodile bieten. Dass er bei all dem überschaubaren Umfang seiner Erörterungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit irgendeiner Tierform erhebt, versteht sich von selbst. ?
Benecke ist jedoch nicht nur aufgrund seines naturkundliches Fachwissen für eine derart kurzweilige Auseinandersetzung prädestiniert. Der Doktor schreibt auch unterhaltsam und humorvoll, ist in der Lage, manch pikante oder obskure Zusammenhänge in flotter Sprache schwungvoll zu vermitteln. Vielleicht liegt es ja daran, dass Benecke nicht allein Spezialist für forensische Entomologie, sondern zugleich auch Mitglied des Ig-Nobelpreis-Komitees für kuriose Wissenschaften und Vorsitzender der Transsilvanischen Dracula-Gesellschaft ist. Das ermöglicht ihm einen völlig anderen, distanzierten Blickwinkel nicht nur auf die animalischen Seiten des Lebens. Derartig bizarre Unterhaltung sucht man bei Alfred Brehm jedenfalls vergebens.
Und noch etwas zeichnet dieses anregenden Büchleins aus: Es sind die grellbunten, liebevoll gestalteten Illustrationen von Kat Menschik. Sie gibt dem Text eine fantasiereiche Form, stellt Tierarten und Gattungen nebeneinander und gegenüber, so dass man glaubt, sich in einem paradiesischen Tier-Zwischenreich zu bewegen. Ihre knalligen Farben sind es, die als ertes ins Auge fallen, die neugierig machen und erst zu dem Buch greifen lassen. Sie fördert jede bibliophile Entdeckerfreude, macht deutlich, wie einmalig die Kunst der Buchgestaltung ausgefüllt werden kann. Nicht umsonst hat ihr der Berliner Galiani Verlag eine eigene Reihe ermöglicht, in der sie seit 2016 Krimis und Klassiker der Weltliteratur präsentiert. Auf die Frage, wie sie selbst ihren Stil zu zeichnen beschreiben würde, sagte sie in einem Interview: „Mein Zeichenstil besteht aus klaren, starken Linien, flächigen, popartigen Kolorationen und einem Hang zum Jugendstil und Retrodesign im Allgemeinen.“ Etliche ihrer illustrierten Bücher wurden ausgezeichnet und es würde mit Sicherheit nicht verwundern, wenn auch „Kat Menschiks und des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes illustriertes Thierleben“ als Anwärter auf einen der Preise als „Schönstes Buch“ gehandelt wird.
Jörg Konrad
Mark Benecke
„Kat Menschiks und des Diplombiologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes illustriertes Thierleben“
Illustriert von Kat Menschik
Verlag Galiana