Mirko Bonné knüpft in seinem neuen Roman „Seeland Schneeland“ an dieses Ereignis an. Seine Hauptfigur, der junge Merce Blackboro, war Mitglied dieser spektakulären Expedition. Er ist, von diesen Erlebnissen noch traumatisiert, auf der Suche nach einem neuen Lebens-Ziel. Er verspürt eine anhaltend starke innere Unruhe. Hinzu kommt die plötzliche Abreise seiner großen aber unerwiderten Liebe Ennid, die, nach einer flüchtigen Beziehung zu Merce, von Wales aufbrechend ihr Glück in Amerika plant.
Ennid befindet sich mit 2000 anderen Passagieren auf dem riesigen englischen Ozeandampfer „Orion“, der einst zur kaiserlichen deutschen Flotte gehörte. Das Schiff gerät während der Überfahrt in einen gewaltigen Schneesturm, der im Mittelpunkt dieses Romans steht und die einzelnen Handlungsstränge vorantreibt.
Mikro Bonné beschreibt in einem packenden, dynamischen wie auch empathischen Stil die Geschehnisse an Bord der „Orion“. Das wirkt zu Beginn ein wenig unübersichtlich, hin und wieder auch konstruiert. Im zweiten Teil nimmt der Roman dann an Fahrt auf. Hier bekommen die Figuren deutlichere Zuordnungen und Bezüge zueinander. Bonné veranschaulicht eindrucksvoll das Szenario an Bord, wie das Schiff aufgrund des starken Schneefalls und letztendlich des damit verbundenen Gesamtgewichts manövrierunfähig wird. Zugleich versucht Merce Blackboro von Wales aus den Kontakt zu Ennid herzustellen.
Neben Ernest Shackleton tauchen in „Seeland Schneeland“ noch weitere reale Personen auf. Da wäre der legendäre Thomas Crear, einer der verwegensten irischen Polarforscher, Charlie Chaplin und der Autor Francis Scott Fitzgerald. Sie streifen die Handlung und geben ihr insgesamt ein wenig Würze, oder auch Zeitkolorit. Zudem gibt es immer wieder Bezüge zu und Zitate aus Lew Tolstois wohl bekanntestem Roman „Anna Karenina“, den Ennid während der Überfahrt in ihrer winzigen Koje liest.
Meisterhaft gelingen Mirko Bonné die Natur- und Wetterschilderungen. Hier erinnert er in der Dichte und der Intensität des Erzählens an die großen Meister des Abenteuergenres, Jack London oder Joseph Conrad. Bonné zeigt sich als ein Meister der Dramaturgie, der die Handlung, je weiter sie fortschreitet, zuspitzt, das Erzähltempo erhöht und damit „Seeland Schneeland“ zu einem literarisch furiosem Ende führt.
Lutz Erxleben
Mirko Bonné
„Seeland Schneeland“
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main
„Seeland Schneeland“
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main