Altersmilde? Aber nicht Guido Zingerl. Schließlich ist die Welt zu sehr aus den Fugen, gibt es zu viel Ungerechtigkeit als auch Aufklärungsbedarf. Solange der 1933 in Regensburg Geborene als Maler, Zeichner, Karikaturist tätig ist, hat er gegen jede Form der sozialen Benachteiligung und politischen Willkür öffentlich angekämpft. Und, das versteht sich von selbst, dabei Haltung bewahrt. Selbst auf die Gefahr hin, mit seiner Arbeit eher zu provozieren als Probleme solidarisch weichzuzeichnen.
Dafür hat er die Finger zu tief in den offenen Wunden der Gesellschaft und sind die Schwachstellen in Politik und Gesellschaft für ihn zu spürbar. Sein Gerechtigkeitssinn macht's möglich.
Erst im letzten Jahr hat der seit über vier Jahrzehnten in Fürstenfeldbruck lebende Künstler einen umfangreichen Bilderzyklus unter dem Titel „Das Narrenschiff“ vorgelegt. Dabei handelt es sich um „40 gemalte und gezeichnete Parabeln auf die Unbelehrbarkeit des Menschen“. Wer sich nur ein wenig in der Geschichte der Menschheit auskennt, wird wissen: Ein unendliches Thema.
Zingerl, der mit bürgerlichem Namen Heinrich Scholz heißt, bezieht sich in dieser umfangreichen Arbeit auf die moralische Klageschrift gleichen Namens von Sebastian Brandt aus dem Jahr 1494, dem erfolgreichsten deutschsprachigen Buch vor der Reformation, mit Holzschnitten von Albrecht Dürer.
Der Mensch hat bis heute nichts von seinen dunklen amoralischen Eigenschaften, die man unter den Begriffen Macht, Habgier und Egoismus zusammenfassen kann, verloren. Vielleicht sind manche dieser Eigenschaften glatt geschliffen, sind heutzutage verfeinert, sind eine postmoderne wie auch demokratisch motivierte Frischenzellenkur durchlaufen. Doch die Kritik daran ist bis heute gleich geblieben. Dank Menschen wie Guido Zingerl, der Kunst auch immer als Waffe der Aufklärung versteht.
Zingerl hat keine Berührungsängste, beschäftigt sich in seinen neuen Arbeiten kritisch mit Kirche und Klimawandel, mit der Nazizeit und deren Erben, die besonders in den heutigen Tagen wieder aktiv sind, mit der Flüchtlingskrise, den Weltverschwörungsmythen der Gegenwart, als auch mit den furchtbaren Auswirkungen des Kapitalismus in den sogenannten Entwicklungsländern. Er zeigt die Welt ungeschönt und real und klagt mit seinen Bildern konsequent jene an, die für diesen Zustand verantwortlich sind: Uns Menschen.
Egal ob Zingerl mit Acryl malt, ob er zeichnet oder Karikaturen entwirft – er arbeitet mit scharfen Schnitten, nutzt grelle Farben, fordert mit Inhalten massiv heraus. Er ist schonungslos in seiner Analyse und trotzdem kommt der Humor nicht zu kurz. Auch wenn manches Lachen bei genauerer Betrachtung im Halse stecken bleibt. Er kreuzigt Marx, verballhornt die Bürokratie, zeigt Narren als Narren (US-Präsident D.Trump). Immer wieder lassen sich auf seinen Bildern neue Details entdecken, erkennt man Hintergründiges, wird Widersprüchliches deutlich.
In einem anderen jetzt erschienenen Band spannt Guido Zingerl unter dem Titel „Das Geheimnis der Griechischen Eule – Asam, Apollon, Amper“ einen Bogen von der antiken Mythologie bis in unsere Gegenwart. Grund für seinen überwältigenden Historienblick ist das zehnjährige Jubiläum der Wiedereröffnung des Churfürstensaales im Kloster Fürstenfeld. Zingerl hat keine Mühe, vom Maler und Bildhauer Hans Georg Asam über seine Figur des griechischen Helden Herakles, den weiblichen Gottheiten des Olymp und dem Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mäßigung Appolon einen gewaltigen Bogen bis in die Neuzeit zu spannen. Da wird Sisyphos als Zwangsarbeiter beim Bau der Klosterkirche Fürstenfeld ins Spiel gebracht, ebenso wie die Vergangenheitsbewältigung der Polizeischule im Kloster. Da kreisen Kampf-Drohnen neben dem geflügelten Pegasus am Himmel über dem Fliegerhorst und Kassandra mahnt zeitig vor dem Trojanischen Pferd, Nationalismus und Krieg. Zingerl entwirft mit spitzem Stift die Szenen, erläutert in kurzen Texten die verdichtete Historie, mit all ihren Paradoxen und Entsetzen. Im Grunde ist alles ganz einfach und fix auf einen Nenner gebracht: Ohne Auseinandersetzung keinen Frieden. Und genau aus diesem Grund sind beide Bücher zu empfehlen. Gerade zum Weihnachtsfest!!!
Jörg Konrad
Guido Zingerl
„Das Narrenschiff“ &
„Das Geheimnis der Griechischen Eule“
Zu beziehen sind beide Bücher für 20 bzw. 15 Euro unter der E-mail: scholz-zingerl@t-online.de.