Was haben das Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach, die Initiationsgesänge von Pygmäenmädchen aus Zaire, der „Melancholy Blues“ von Louis Armstrong und seinen Hot Seven und der von Surshri Kesa Bai Kerkar gesungene indische Raga „Jaat Kahan Ho“ gemeinsam? Abgesehen davon, dass es sich bei all den vier genannten um Musikstücke handelt, befinden sich diese Titel gemeinsam auf den sogenannten Golden Records und sind seit fast viereinhalb Jahrzehnten auf großer Reise. Nämlich an Bord der Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2, momentan zwischen 152 und 126 AE (ca. 20 Milliarden Kilometer) von der Erde entfernt, mit Kurs auf die Außengrenzen unseres Sonnensystems.
Die Voyager Sonden sollten der Erforschung des äußeren Planetensystems und des interstellaren Raums dienen (Kosmos 89.: Familienporträt unseres Sonnensystems). Seit ihrem Start 1977 erkunden sie nun bei einer Reisegeschwindigkeit von etwa 61.000 km/h verlässlich das Weltall. Mit an Bord jene Golden Records, auf der Bild- und Audio-Informationen über die Menschheit gespeichert sind, um eventuell "auftauchende" Außerirdische über das Leben auf unserem Heimatplaneten zu informieren.
Die Idee für diese friedliche Botschaft der Menschheit hatte der amerikanische Astronom und Astrophysiker Carl Sagan. „Uns ging es darum, jenen Wesen etwas über uns selbst mitzuteilen, etwas, das vielleicht nur uns auszeichnet“, schrieb Sagan in seinem Buch „Unser Kosmos – eine Reise durch das Weltall“. Und Musik gehört nun einmal zu jenen Dingen, die sowohl menschliche Intelligenz, als auch emotionales Empfinden zum Ausdruck bringt. Zudem befinden sich auf den Golden Records, die auch als „Goldene Schallplatte für Aliens“ genannt wurde, Grußbotschaften in verschiedenen Sprachen, Naturgeräusche, die Stellung unserer Sonne und unseres Planeten in der Milchstraße und unserem Sonnensystem, einige mathematische Definitionen und physikalische Größen, Bilder zur Anatomie des Menschen und zur Biologie allgemein sowie viele andere naturwissenschaftliche Darstellungen.
Bei den "Golden Records" selbst handelt es sich um vergoldete Kupferscheiben, die den Durchmesser einer LP (Langspielplatte) haben. Ein Teil dieser Platten ist mit Uranium-238 beschichtet, das eine Halbwertszeit von 4.468 Milliarden Jahren besitzt. Mit entsprechendem Wissen kann daran deren Alter bestimmt werden.
Neben den vier oben genannten Musikstücken befindet sich auf den Platten zudem Musik von Ludwig van Beethoven (1. Satz der 5. Sinfonie), von Wolfgang Amadeus Mozart („Arie der Königin der Nacht“ aus "Die Zauberflöte“), Volksmusik der Aborigines, aus Neuguinea und aus Japan. Es sind aserbaidschanische Sackpfeiffer zu hören, senegalesische Trommelgruppen, peruanische Hochzeitsgesänge und auch der Jahrhunderthit „Johnny B. Good“ von Chuck Berry ist enthalten. Der Klangkünstler Frieder Butzmann hält die „Golden Record“ der Voyager-Sonden für „eine schöne Zusammenstellung“: „Das ist wirklich ein Weltengemälde, auch ein Zeitengemälde, eine der abwechslungsreichsten Langspielplatten der Menschheitsgeschichte, und sie stellt durchaus etwas dar. Das Spannende ist aber nicht die Musik an sich (…), sondern es ist mehr die Idee, was damit gemacht wird, wo das hingeht, wofür das da ist, wo das vielleicht endet und ob es vielleicht nie endet.“
Timothy Ferris, Wissenschafts-Autor, Journalist und Professor an der Universität von Kalifornien, Berkeley hat über Jahre auch für das amerikanische Musikmagazin ROLLING STONE geschrieben und war für die Musikauswahl der "Golden Record" mit verantwortlich. In einem Interview wurde er vor einigen Jahren gefragt, warum er sich zum Beispiel für Chuck Berry entschied: „Wir wollten nichts auswählen, das nur „typisch Rock’n’Roll“ war, mir ging es um Exzellenz und Vielfalt, und das innerhalb nur eines Lieds. „Johnny B. Good“ erfüllt dieses Kriterium. Berry war im Gegensatz zu Hit-Musikern seiner Zeit nicht nur Interpret, sondern auch Songwriter. Fast alles, was wir heute als Rock bezeichnen, wurde von ihm erfunden.“
Ob Außerirdische auf die Voyager-Botschaften antworten werden? Ferris meint, das wir dass wohl nicht erleben werden. Eines der Raumschiffe fliegt in Richtung des Sterns Gliese (benannt nach dem deutschen Astronomen Wilhelm Gliese), der 17 Lichtjahre von der Sonne entfernmt ist und diesen in 40 000 Jahren erreichen wird.
Jörg Konrad