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1. Koppel / Colley / Blade „Perspective“
2. Makiko Hirabayashi Trio „Meteora“
3. Cristina Branco „mãe“
4. Nils Wogram „The Pristine Sound Of Root 70“
5. Christian Muthspiel & Orjazztra Vienna „La Melodia Della Strada“
6. Maciej Obara Quartet „Frozen Silence“
Mittwoch 27.09.2023
Koppel / Colley / Blade „Perspective“
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Benjamin Koppel begann im Alter von fünf Jahren Schlagzeug zu spielen. Mitte der 1980er Jahre erlebte er in einem Konzert die kalifornische Funkband Tower Of Power, bei der damals Richard Elliot Teil des Bläsersatzes war. Dieser beeindruckte den damals 12jährigen Koppel dermaßen, dass er umgehend vom Schlagzeug zum Saxophon wechselte.
Mittlerweile hat der Däne über sechzig Alben als Bandleader veröffentlicht – ein Großteil auf seinem eigenen Label Cowbell Music. Dass er besonders den Schlagzeugpart in seinen verschiedenen Projekten jeweils exzellent besetzt, versteht sich fast von selbst. Alex Riehl, Jonathan Blake, Peter Erskine und Jack DeJohnette gehörten zu den bisher Auserwählten. Mit Brian Blade arbeitet Koppel seit über zehn Jahren in seinem KCB Collective zusammen. Dritter Teil dieses Trios: Bassist Scott Colley.
Blade gehört zur ersten Garde afro-amerikanischer Jazz-Drummer, der sich auch nie zu schade war und ist, ausgewählte Singer-Songwriter wie Daniel Lanois, Joni Mitchell, Marianne Faithhfull oder Bob Dylan zu begleiten. Ansonsten war er mit Herbie Hancock, Bill Frisell, Pat Metheny, Wayne Shorter und vielen anderen im Studio und auf Tourneen, wobei ähnlich markante Instrumentalisten Teil seiner Band Fellowship sind.
„Perspective“ heißt das vorliegende Album, bei dem Koppel eindeutig der Initiator und führende Solist ist. Allein fünf der neun Kompositionen stammen aus seiner Feder. Scott Colley steuerte drei Stücke bei, wobei Brian Blade den letzten Titel „After Time“ schrieb. Insgesamt ein herausforderndes Risikounternehmen, das das Trio bluesgewandt bewältigt. Mehr Bop statt Swing – obwohl sich beides sicher nicht unbedingt ausschließt. Koppel wandert auf den Ebenen seiner vertrackten Ideen, findet zwischen den Klippen und Gipfeln der Improvisationen immer wieder Momente der Besinnung. Hier geht es weniger um Sublimierung und entrückte Hingabe an das kompositorische Matrial. Vitale Umsetzung von Ideen und Prozessen stehen hörbarer im Vordergrund. Das klingt avantgardistisch bis lyrisch, trotz aller Traditionsbezüge zeitgenössisch und lebt von einem kontrollierten Feuer.
Jörg Konrad

Koppel / Colley / Blade
„Perspective“
Cowbell
Download / CD / Vinyl
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Montag 25.09.2023
Makiko Hirabayashi Trio „Meteora“
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Es sind flüchtige, wie hingetupfte minimalistische Pianofiguren, aus denen sich bei Makiko Hirabayashi ein ganzer musikalischer Kosmos entwickelt. Für diese federleicht erscheinende Herausforderung braucht die aus Tokio stammende und seit drei Jahrzehnten in Dänemark lebende Klavierspielerin ihr eigenes Trio, das es aber in sich hat. Bestehend schon seit vielen Jahren finden hier Bassist Klavs Hovman, Schlagzeugerin Marilyn Mazur und die Pianistin selbst beinahe traumwandlerisch zueinander. Zurückhaltende Sequenzen, die durch spannungsgeladene Interaktionen untereinander eine Aura von emotionaler Kreativität entstehen lassen.
Auch „Meteora“ sprengt das harmonische Koordinatensystem der Klavier-Trios. Elf Kompositionen, die innerhalb der Band entstanden sind, bilden die Grundlage für einen befeuernden Diskurs untereinander. Es ist ein sensibles, ein kommunikatives Klanggeflecht von bizzarer Schönheit. Eine Musik mit kontroversen Harmonien und raffinierten Brüchen. Manchmal beinahe kindhaft naiv wirkend, mal kraftvoll herausfordernd. Jedoch nie pathetisch oder künstlerisch aufgeblasen. Keine Blues-Speika, keine Bop-Originalität. Alles eher in der europäischen Klassik verwurzelt, als in afro-amerikanischer Methodik angelegt.
Etwas schwebendes, atmosphärisches bestimmt letztendlich dieses Klangbild. Und erinnert in seiner Wirkung tatsächlich an Meteora, diesen einmaligen Klöstern in der griechischen Region Thessalien, die auf hohen Felsen thronend zeit- und schwerelos scheinen.
Jörg Konrad

Makiko Hirabayashi Trio
„Meteora“
enja
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Freitag 22.09.2023
Cristina Branco „mãe“
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Es ist schwierig, wenn nicht gar zwecklos Fado in seiner ganzen Tiefe und Bedeutung erklären zu wollen. Denn weder Ursprung noch Ausdruck dieses orphischen Lebensgefühls lassen sich akademisch vermitteln. Damit wäre der Zauber der melancholischen Verzweiflung und des gelebten Stolzes wohl hinüber. Man muss sie spüren, die Kraft des Schicksals, die starken Gefühle, die die schmerzhafte Seite gelebter Liebe erzeugt. Fado kann zu Tränen rühren, glückselige Melancholie verbreiten, Fado komplettiert die Verzweiflung Liebender und schwört zugleich den stolzen Beginn neuer Hoffnung herauf.
Heute zelebriert man die Tragik des Fado am eindrücklichsten in Portugal, genauer in den Gassen und Spelunken Lissabons. Hier lebt auch Cristina Branco. 1972 in Ribatejo geboren, war sie anfangs vom Jazzgesang fasziniert, liebte die Stimmen Billie Holidays und Ella Fitzgeralds, später die Janis Joplins und Joni Mitchells. Mit 18 hörte sie erstmals Amália Rodrigues, die vielleicht bedeutendste Fadista überhaupt – und es war um Cristina geschehen. Seitdem gehört ihr Leben einzig dem Fado. Mit ihrem neuen, dem insgesamt 18. Studioalbum „mãe“ (Mutter) widmet sie sich stärker als bisher der traditionellen Kunst des Gesangs. In der klassischen Begleitung von Gitarre (Bernardo Couto), Klavier (Luis Figueiredo) und Kontrabass (Bernardo Moreira) entwirft Cristina Branco wehmütige Lieder, die den Weltschmerz der Liebe zum Ausdruck bringen. Hochemotionale Melodien als ein Ausdruck der verletzten Seele, vorgetragen von einer Stimme, die den Schattenseiten der Liebe eine berückende Aura gibt. Eine Art Volksmusik der besonderen Art. Still und leidend, stolz und schön. Will man also den Fado trotz aller Komplexität erklären, legt man am passendsten „mãe“ auf - eine der wehmütigsten Veröffentlichungen des Spätsommers.
Jörg Konrad

Cristina Branco
„mãe“
o-tone music
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Mittwoch 20.09.2023
Nils Wogram „The Pristine Sound Of Root 70“
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Innerhalb der Kunst gab es immer wieder Momente, in denen ein (kleiner) Schritt zurück letztendlich eine Entwicklung nach vorn bedeutete. Diese scheinbare Rückwärtsbesinnung kommt einem reflektierenden atemholen nahe, einem Überdenken und (neu-)Ordnen des Bestands. Statt dem olympischen Gedanken höher-schneller-weiter geht es um neue Ansätze, um den Startmodus zu neuen Herausforderungen. Genauso könnte man Nils Wograms Projekt Root 70 einschätzen. Vor über zwanzig Jahren gegründet, erforscht der deutsche Posaunist mit seinem pianolosen Quartett die Vergangenheit – um die Zukunft zu gestalten.
Zum einen birgt diese Rückblende ein Erinnern an wunderbare musikalische Momente, wie sie einst das Gerry Mulligan Bob Brookmeyer Quartet oder Albert Mangelsdorff in seinen Bands gestaltet haben. Zum anderen setzen Wogram und seine Mannen, zu denen Saxofonist Hayden Chisholm, Bassist Matt Penman und Schlagzeuger Jochen Rueckert zählen, Zeichen von harmonischer Eleganz, wie man sie heute kaum noch findet. „Es ging mir darum,“ erläutert der heute in der Schweiz lebende Wogram, „etwas Zeitloses zu machen. Ich habe durchaus eine Affinität zu Altmodischem. Die Herausforderung besteht darin, dass es nicht abgestanden ist. Ich wollte mich komplett von einem bestimmten Zeitgeist oder gelenkten Konzept lösen.“
Das gelingt ihm auf „The Pristine Sound Of Root 70“ ganz ausgezeichnet. Die Musik hat Charme, lebt von ihren berührenden melodischen Momenten und den wohltemperierten Improvisationen. Hayden Chisholm, der sensationelle Altsaxophonist, chargiert zwischen ruhiger Souveränität und avantgardistischer Offenheit. Wogram beeindruckt durch seine sonoren Klangschattierungen. Er drückt temperamentvoll aufs Gaspedal und ist ein beeindruckender Balladenspieler. Das Rhythmusduo hält die ganze Truppe geschickt zusammen, treibt im Blues voran, setzt swingende Ausrufezeichen und findet jede Menge Möglichkeiten, sich selbst in Szene zu setzen. Ohne dabei in ausufernde Selbstdarstellungen zu verfallen. Eine Band, die wie aus einem Guss spielt und große Freude bereitet.
Jörg Konrad

Nils Wogram
„The Pristine Sound Of Root 70“
n-wog
Download / Vinyl / CD
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Freitag 15.09.2023
Christian Muthspiel & Orjazztra Vienna „La Melodia Della Strada“
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Dreißig Jahre ist es her, dass der Großmeister des europäischen Kinos Federico Fellini 73jährig in Rom an Herzversagen starb. Allein das Nennen seiner Filme zaubert bis heute bei fast allen Filmkennern wie automatisch ein Lächeln ins Gesicht. Denn kaum ein Regisseur vor und vielleicht auch nach ihm hat den Zwischenraum von harter Lebenswirklichkeit und magischer Poesie derart vollendet ausgefüllt: „La Strada“, „Das süße Leben“, „Julia und die Geister“, „Fellinis Schiff der Träume“ - auch der österreichische Jazz-Musiker, Komponist und Dirigent Christian Muthspiel gehört zu den Bewunderern des „Maestro“, dem „Propheten des Kinos“. Im letzten Jahr wurde sein großorchestrales Werk „La Melodia Della Strada“ zu ehren Fellinis in Graz uraufgeführt. Ein viersätziges Opus, das aus einzelnen akustischen Sequenzen besteht, die Muthspiel nach originalen Bildvorlagen fantasiereich und mit enormen Biss komponiert hat.
Dabei ist es nicht leicht, sich die Szenen-Abfolgen ohne die Originalmusik von Nino Rota vorzustellen, dessen Kompositionen im Grunde untrennbar mit Fellinis Kinowelt verschmolzen sind. Doch Muthspiel gelingt dieses Kunststück famos. Die einzelnen Stücke lassen Stimmungen und Atmosphären entstehen, die nach Jahrzehnten wie Neuübersetzungen des Soundtracks in die Gegenwart klingen. Zudem gibt er in jeder Komposition einem seiner zahlreichen Bandmusiker die Möglichkeit zu improvisatorischen Höchstleistungen. Entsprechend den visuellen Vorgaben fallen diese, wie in „La Città Delle Donne“ durch Ilse Riedler am Tenorsaxophon virtuos und temperamentvoll aus. Aber es gibt auch stimmungsvolle, melancholische Nummern bzw. solistische Einlagen, wie das Flügelhornsolo von Lorenz Raab in „Gradica“. Insgesamt 94 Minuten Musik, lebendig und provozierend, anmutig und diszipliniert, leidenschaftlich und spartanisch. Außerdem vermittelt „La Melodia Della Strada“ pure Lust, sich endlich wieder Fellini-Filme anzusehen. Ein kleiner Essay von Christoph Ransmayer rundet diese „Hörfilm-Vergnügen“ auch literarisch angemessen ab.
Jörg Konrad

Christian Muthspiel & Orjazztra Vienna
„La Melodia Della Strada“
col-legno
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Montag 11.09.2023
Maciej Obara Quartet „Frozen Silence“
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Die Zusammenarbeit von Maciej Obara und Dominik Wania erinnert ein wenig an jene von Tomasz Stanko und Marcin Wasilewski vor knapp zwei Jahrzehnten. Beide fanden jeweils künstlerisch zueinander, nachdem sie zuvor selbst schon einige musikalische Bewährungsproben bestanden hatten. Sie entdeckten im anderen eine gewisse Art von Seelenverwandtschaft, wobei alle vier sich stark von ihrem polnischen Landsmann Krzysztof Komeda beeinflusst fühlten. Eine insgesamt effektive Grundlage, um eigene musikalische Visionen miteinander zu verknüpfen und auszudrücken.
Der Altsaxophonist Obara arbeitet nun schon einige Jahre mit Dominik Wania zusammen und so wundert es nicht, dass ihr musikalischer Ausdruck sehr einmütig, fast intim gerät. Sie sind in der Lage, mit sehr differenzierten Klängen dem jeweils anderen musikalisch zu assistieren, sensible wie tragbare Fundamente zu schaffen, die eine ideale Basis für improvisatorische Erkundungen sind. Hinzu kommt ihr Geschick, sich instrumental in wunderbaren solistischen Wendungen und Erzählungen auszudrücken. Das hat, trotz aller Zurückhaltung, Substanz und Klarheit.
Das Beziehungsgefüge untereinander wird zusätzlich durch die beiden Norweger Ole Morten Vågan (Bass) und Gard Nilssen (Schlagzeug) sehr positiv und den dynamischen Gesamtprozess offenkundig herausfordernd beeinflusst. Es ist ein Quartett, das zwar die Untiefen und Stromschnellen des Jazz bevorzugt, doch trotz aller Unberechenbarkeit letztendlich wie aus einem Guss spielt. Berührend und aufregend zugleich.
Jörg Konrad

Maciej Obara Quartet
„Frozen Silence“
ECM
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