Ausschließlich am Morgenhimmel des ersten Frühlingsmonats April sind Planeten sichtbar. Mars, Venus, Jupiter und Saturn tummeln sich am südöstlichen Himmel, aber nur geübte Beobachter werden dieses Quartett in den sehr frühen Morgenstunden aufspüren können. Auch die Wintersternbilder werden sich nun langsam verabschieden. Die immer spätere Dämmerung lässt sie am südwestlichen Himmel verblassen. Dafür beherrscht das Sternbild Löwe hoch im Süden mit seinem auffällig hellen Hauptstern Regulus den abendlichen Anblick des gestirnten Himmels.
Kaum waren die ersten weitreichenden Sanktionen gegen die russischen Aggressoren verhängt, da begannen auch im Bereich der Wissenschaft lang gepflegte Kooperationen mit russischen Wissenschaftlern zu bröckeln. Im Bereich von Astronomie und Raumfahrt ist dabei in ersten Linie an die Internationale Raumstation ISS zu denken. Schon wenige Tage nach dem barbarischen Überfall auf die Ukraine verkündete plötzlich und völlig unerwartet Roskosmos das Ende der Zusammenarbeit mit der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA und der amerikanischen Raumflugbehörde NASA. „Man könne sich mit Pfeil und Bogen nach oben katapultieren“, tönte es hochtrabend aus Moskau.
Dieser Vertragsbruch ist aus zwei Gründen völlig unverständlich: Zum einen hat Roskosmos in der Vergangenheit mit dem Transfer amerikanischer, asiatischer und europäischer Kosmonauten zur ISS mehr als gut verdient, denn über einen Zeitraum von fast einem Jahrzehnt stellten sie mit den Sojus-Transportschiffen die einzige Möglichkeit für den permanenten Wechsel der Besatzungen. Erst die neu entwickelten Dragon 2 der Firma Space X ermöglichte es amerikanischen Astronauten erstmals nach der Einstellung aller Space Shuttle Flüge mit einem kommerziellen System vom Kennedy Space Center aus zur ISS zu gelangen.
Zum anderen präsentierte der russische Autokrat Putin der Weltöffentlichkeit am vierten Kriegstag mit dem fernöstlichen Kosmodrom Wostotshnyj sein neues Prestige-Objekt. Um eine Unabhängigkeit von dem in die Jahre gekommenen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan erlangen, hat der ehemalige KGB-Offizier mit großem Aufwand einen neuen Weltraumbahnhof in der Nähe der chinesischen Grenze entstehen lassen. Die feierliche Übergabe sollte allerdings schon vor Jahresfrist über die Bühne gegangen sein, doch im Sumpf der Korruption verschwindende Gelder und ein Streik der Arbeiter, die ihre ausbleibenden Löhne einforderten, verzögern noch immer die endgültige Fertigstellung und Inbetriebnahme. Nun stellt sich aber schon jetzt die Frage, wie man die erheblichen Investitionen wieder einfahren will. Das Fehlen lukrativer ausländischer Transportaufträge kann mit dem Start ausschließlich russischer Kosmonauten kaum kompensiert werden. Und wie wird sich zukünftig das zu erwartendes Technologie-Embargo auf die hochempfindliche Weltraumtechnik und die fragile Startsicherheit auswirken ? Vielleicht entsteht dadurch eine neue Geisterstadt im Nirgendwo der fernen Amurregion?
Doch letztendlich läuft alles auf die Frage hinaus, was aus dem großen internationalem Gemeinschaftsobjekt ISS werden wird. Noch arbeiten Russen, Amerikaner und der deutsche Astronaut Matthias Maurer perfekt zusammen, was allerdings auch der gemeinsamen Überlebensstrategie geschuldet ist. Noch vor wenigen Wochen war der Betrieb und die Finanzierung der Raumstation bis mindestens 2024 freudig verkündet worden. Mit dem jetzigen Rückzug sehen sich ESA und NASA genötigt, die Station bald allein zu erhalten. Auch eine Entkopplung des russischen und des europäisch-amerikanischen Teils der ISS ist schon im Gespräch. Möglicherweise wird sich aber aufgrund der neuen Sachlage auch die politische Sicht um den Weitererhalt der Raumstation noch entscheidend ändern, denn ohne die Russen steht auch das Prestige von ESA und NASA in Frage.
Wie schmerzlich solche Entscheidungen auch für die astronomische Forschung sein können, zeigte sich gerade vor wenigen Wochen. Das 2017 im Außenbereich der ISS installierte Teleskop NICER zeigte bisher unbekannte Auffälligkeiten bei einer ganz besonderen Art von Sternen auf: Es sind die Magnetare, die durch sensationelle Aufnahmen des neuartigen Weltraumobservatoriums erstmals ihr Geheimnis preisgegeben haben und so besser verstanden werden können. NICER (Neutron Star Interior Composion Explorer) ist ein Neutronenstern-Detektor. Diese Endprodukte der Sternentwicklung entstehen, wenn ein Stern mit mindestens sieben Sonnenmassen in einer gigantischen Supernova-Explosion seine äußere Hülle spektakulär abstößt und anschließend das Kerngebiet zu einem Objekt kollabiert, das mit 10 bis 20 km Durchmesser extrem klein ist. Trotzdem kann es aber bis zu zwei Sonnenmassen auf sich vereinigen und dabei weitestgehend aus Neutronenpaketen bestehen. Die Dichtewerte dieser auch Pulsare genannten Sternklasse sind so enorm, dass nur noch gebündeltes Licht in Form von exakten Pulsen den Stern an seinen Polen verlässt.
Das allein ist schon exotisch genug, doch die Magnetare sind noch ungewöhnlicher. Sie trumpfen mit Magnetfeldern auf, die um mehr als das Hundertfache stärker sind als bei normalen Neutronensternen und um das Millionenfache von normalen Sternen wie unsere Sonne. NICER konnte nun erstmals sonnenfleckenartige Aktivitäten nachweisen, die wir auch von unserer Sonne kennen. Wer sich die besondere physikalische Dynamik in bewegten Bildern anschauen möchte, dem sei nachfolgende NASA-Simulation empfohlen. Es zeigt einmal mehr, dass die moderne Astronomie ständig mit neuen Forschungsergebnissen aufwarten kann und der Kosmos für uns ständig neue Überraschungen bereithält.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt