Es gab schon in der Vergangenheit immer wieder musikalische Projekte, bei denen die Anzahl von außergewöhnlichen Gitarristen in den Besetzungslisten auffielen. Das qualitative Ergebnis hingegen löste aber häufig die Erwartungen nicht ein. Ein Mehr an Berühmtheiten ist nun einmal nicht gleichbedeutend mit einer Steigerung der Güteklasse eines Werkes.
Völlig anders bei
Stephan Thelen. Der in Santa Rosa, California geborene und heute in der Schweiz lebende Komponist, Gitarrist und Mathematiker ist sehr wohl in der Lage, eine Herde Spitzenmusiker gekonnt zu zähmen und mit ihnen sein persönlich klar abgestecktes Ziel erfolgreich zu erreichen. „Fractal“ und Fractal 2“ beinhalten ebenso differenzierte wie auch leidenschaftlich gespielte Musik, wobei an dieser Stelle über letztere CD vor rund zwei Jahren zu lesen war: „Ein Album das Grenzen sprengt; ein Album, das mit vertrauten Mitteln neue Wege weist; ein Album voller Konformität und Exzentrik.“
Nach den ersten beiden Fractal-Folgen erweitert Stephan Thelen mit den
Re-Mixes nun das vorgegebene gitarristische Klangsprektrum noch einmal zusätzlich. Trotzdem behält die Musik auch diesmal ihren eigenen, souveränen Charakter. Sie bewegt sich wie schon zuvor in kategorischer Entschlossenheit zwischen ProgRock, Psychedelic Minimal und Metal. Mit
David Torn, Markus Reuter, Barry Cleveland, Tim Motzer, Henry Kaiser, Chris Muir, Jon Durant und Stephan Thelen stehen etliche exzellente Gitarristen auf Augenhöhe nebeneinander. Ihnen geht es glücklicherweise nicht um virtuose Spielereien oder den ultimativen Geschwindigkeitsrausch auf dem Griffbrett. Bei Thelens Projekt dreht sich alles um Sounds und Rhythmen, um Stimmungen und Strukturen, um Geschichtetes, Überlagertes und abgeklärtes Verdichten. Mit Unterstützung einer stur pulsierenden Rhythmusgruppe, die mit wiederholt metrischen Stolperern herausfordert, arbeiten die Gitarristen mit optimistischer Strahlkraft und voll drängender Intensität. Sie entwerfen kleine Motive, geben den bruchstückhaften Themen eine dunkle Souveränität, verändern mit ganz wenigen Ideen das Gesamtbild der Musik immer wieder neu. Die Ränder sind dabei offen, vibrieren und stöhnen, klingen wie die geheimnisvolle Rückseite des Rock'n Roll. Diese Musik ist das Destillat wuchtiger Gitarrenakkorde, das Substrat beinahe körperlich erfahrbarer Klangrebellionen. Immer wieder hört und liest und spürt man, dass Rock'n Roll im Niemandsland des Mainstream angekommen ist. Hier jedoch hört man, wie der einstige Protest, die Revolte, der Widerstand zum Establishment klingen kann – wenn man seinen Ideen und Haltungen treu bleibt.
Die unterschiedlichen Mixe, zweimal Stephan Thelen,
Jah Wobble, David Torn, Barry Cleveland und
Bill Laswell) ändern die Musik nur marginal, verändern deren Wesen kaum. Und so bleibt auch „Fractal Guitar 2 Re-Mixes“ ein dröhnendes, gitarristisches Meisterwerk mit Langzeitwirkung. Tipp: Laut hören!!!!
Jörg Konrad
Stephan Thelen
„Fractal Guitar 2 Re-Mixes“
MoonJune