Einige Dinge beeindrucken bei ihrem Auftritt am Mittwochabend in Fürstenfeld besonders: Das tänzerische Können, der vor dreißig Jahren von Noa Wertheim und Adi Sha'al in Jerusalem gegründeten Truppe ganz allgemein. Die faszinierende Choreographie von Noa Wertheim, die um ein federleichtes Gravitationszentrum herum aufgebaut scheint. Und dann wäre da noch der Inhalt der Aufführung „One. One & One“, den man zusammenfassen kann: Wie schaffe ich es, meine Individualität auszuleben, ohne als ein Teil des Ganzen ausgegrenzt zu werden? Wie kann ich wahre Beziehungen eingehen, ohne mich zu verlieren und dabei trotzdem in meiner Persönlichkeit unangreifbar bleiben?
Es sind dies temporär relevante und aktuelle Themen, vor allem in einer überwiegend durch Selbstspiegelung gekennzeichneten Gesellschaft. Und es sind Themen, mit denen sich, im kleinen, nun einmal auch eine Gruppe von Künstlern tagtäglich auseinanderzusetzen hat, will sie erfolgreich wahrgenommen werden.
Noa Wertheim und ihr Tanzensemble haben hier etliche Gleichnisse und Lösungsmodelle in ihr Programm eingebaut, um diese scheinbaren Paradoxien sichtbar werden zu lassen. Manches kommt dabei einer freien (tänzerischen) Suggestion recht nahe. Emotionen dem Unbewussten anheim geben und einfach in Bewegungen umsetzen. Der Vertigo Dance Company gelingt dieser immense Spagat zwischen anspruchsvoller Materie und sinnlichem Vollzug beeindruckend.
Die mit Wüstenstaub bedeckte Bühne deutet eine flüchtige Archaik an, der durch die Tanzenden auf dem Bühnenboden ständig ändernde Strukturen entstehen lässt. Es sind dies auch die temporären Spuren individueller Kausalität, auch als Sinnbild einer getriebene Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Und so bewegt sich die Gruppe zeitweise in sich geschlossen wie ein wogendes Schiff auf dem stürmischen Ozean, bis sich die einzelnen Tänzer wieder in individuellen Figuren offenbaren und verlieren und damit ihren autarken Charakter unterstreichen. Es ist das Leben als eine Kontroverse zwischen Herausforderung und Erfüllung, zwischen Haltung bewahren und sich Gehen lassen, zwischen Anspruch und Realität.
Die Musik zu diesem tanzenden Schauspiel stammt von Avi Belleli, einem israelischen Sänger, Bassisten und Komponisten. Sie ist als intuitiv/rhythmische Grundlage eine Mischung aus Soundsacpes in Form von Feldaufnahmen, elektronischen Samples, Jazz, Rock Riffs, Folklore und berührender Kammermusik. Sie unterstützt und evoziert die Bewegungen und Befindlichkeiten, schafft Räume und verstärkt Emotionen. Und begleitet die Tänzer auf den Schwingen individueller Herausforderung und Kreativität.
Jörg Konrad