Landsberg. Das Stück „Natur“ gehört zu jenen Kulturbeiträgen, in denen wir im Grunde nur über uns selber staunen. Weil wir Augenzeugen am Untergang einer, unserer Welt werden, für den wir selbst die Verantwortung tragen. Das verrückte daran ist, dass wir uns letztendlich noch damit brüsten, Zuschauer dieser Apocalypse in Echtzeit zu sein. Wir machen aus dem Erdenverfall ein Happening, nennen den Akt der Zerstörung vielleicht sogar Performance und schauen uns dieses Phänomen unterhaltend im Theater an.
Aber eben auch dies gehört zum öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag, unbequeme Wahrheiten künstlerisch aufzuarbeiten, den Finger in die Wunde zu legen - auch wenn es gewaltig schmerzt. Lukas Hammerstein hat nun für das Landestheater Schwaben in Memmingen „Natur“ geschrieben, das in einer Inszenierung von Robert Teufel am Donnerstag in Landsberg aufgeführt wurde.
Wie begegnet man nun dramaturgisch diesem im wahrsten Sinne des Wortes Umwelt-Irrsinn? In dem man aus dem bedrohlichen Ernst einen gewaltigen Spaß macht. Damit wären wir, um dies erträglich und erfolgreich zu gestalten, im Bereich des Sarkasmus, der Ironie, vielleicht auch der Satire. Unter deren Deckmantel ist ja bekanntlich (fast) alles erlaubt und das Unerträgliche wird in Form von Spott über sich selbst erträglicher. Aber eben auch nicht besser.
In diesem Stück, das den drohenden Felssturz in den Bergen zum Inhalt hat, treffen sich sieben Personen und ein Yeti an einem relativ sicheren Beobachtungsplatz in einer Hütte gegenüber der Tragödie und kommentieren von hier so passend wie unpassend dieses Spektakel. Es sind Menschen querbeet durch die Gesellschaft, die sich gegenseitig versichern, wie erfolgreich sie ihr Leben meistern und dabei doch nur, natürlich biodivers, ihr Ego, ja ihren Narzismus ausbreiten. Es sind in ihrem Verhalten und ihren Aussagen typische Vertreter (Influencerin, Alpinist, Grünenpolitiker, pubertierender Schnösel, Botox-Queen und Bäuerin) unserer egomanischen Neidgesellschaft.
Am Ende, wenn nicht das eintritt, weshalb sie zusammenkamen, werden ihnen ihre Sünden nicht vergeben und das Jüngste Gericht urteilt sie kurzerhand ab. Der Yeti, als Vertreter der Schöpfung, wird sie richten. Naturgesetze sind nun einmal nicht verhandelbar und das Artensterben geht seinen gewohnten Gang.
Hammersteins Text ist spritzig und vor allem auch witzig. Er besitzt etwas entlarvendes und ist Aufklärung zugleich. In passendem Tonfall und mit scheinbarer Unbeschwertheit nimmt sich das gesamte Ensemble dieser Vorlage an. Jeder einzelne der Akteure geht in seiner Rolle, in dem darzustellenden Charakter, regelrecht auf. Die Bühne, eine einfache Schräge, die einen Gletscher darstellen soll, lenkt von den Dialogen nicht ab. Diese stehen im Mittelpunkt des Geschehens, machen aus dem Stück in den besten Momenten derbe Kabarettnummern, bei der einem häufig das Lachen im Halse stecken bleibt. Hinzu kommen die rituellen verbalen Beschwörungen unserer Zeit, die gebetsmühlenartig aufgesagt werden und fast schon einen religiösen Charakter aufzeigen und natürlich jede Menge Nonsens, wie singende Schneekanonen oder personifizierte Umweltengel. Im ganzen also ein Spaß der nachdenklich macht, dem der erhobene Zeigefinger zum Glück fehlt und in dem wir uns manchmal ganz einfach demaskiert fühlen.
Jörg Konrad