Pier Paolo Pasolini war als Filmemacher Autodidakt. Ebenso als Lyriker. Als Poet von Haus aus Zweifler – aber auch Kämpfer.
Der leidenschaftliche Lehrer wurde aus dem amtlichen Schuldienst entfernt, als praktizierender Kommunist schloss ihn die KPI aus ihren Reihen aus. Sein Leben spielte sich ab zwischen intellektueller Poesie und sozialkritischem Engagement, zwischen dem Leben auf dunklen Hinterhöfen und Latrinen und dem gleißenden Licht öffentlicher Scheinwerfer, zwischen Politik und Religion. Er war als Künstler zutiefst gespalten, ebenso als Mensch - jedoch kompromisslos in seinem Tun. Bei aller Tragik der Zerrissenheit ideale Voraussetzungen um als Dichter zu leben und zu sterben.
Wolf Wondratscheck und Christian Reimer haben für das vorliegende Projekt etliche unterschiedliche Pasolini-Texte ausgewählt. Diese zeigen zumeist die Unerbittlichkeit seiner geistigen Freiheit, aber auch den sinnlichen Zweifel seiner Gedanken und deren beinahe greifbare Melancholie. In ihnen ist ein unbefriedigtes Verlangen, eine Sehnsucht nach innerem Frieden und Kompensation von Ungerechtigkeit und Skepsis zu spüren. Die ihm die Realität jedoch nicht zu bieten versteht. Zugleich weiß Pasolini aber auch, dass diese Gegensätze der Motor seines gesamten Tuns sind
1963 bittet er in einem Brief den russischen Schriftsteller Jewgeni Jewtuschenko die Rolle des Christus in dem Film „Das 1. Evangelium – Matthäus“ anzunehmen. Es ist ein fast zärtliches Werben um den Dichter und Kommunisten Jewtuschenko, dieses Engagement anzunehmen. Dahinter steht Pasolinis damalige Überzeugung, Jesus verkörpere in seiner sozialen und menschlichen Gerechtigkeit den Gedanken des Kommunismus. Später wusste er es besser.
Aber in diesem beinahe flehentlichen Bitten, dem die eigene Grundüberzeugung eines Gedankens zugrunde liegt, an dem er jedoch schon damals beginnend zweifelte, zeigt sich seine obessive Unbeirrbarkeit, die ihm das Leben oft erschwerte.
In Christian Reiner haben sich Wondratscheck als auch Manfred Eicher für einen Sprecher entschieden, der all diese Gegensätze und Überzeugungen, die Leidenschaftlichkeiten und die Sehnsüchte, die Brüche und die Visionen stimmlich ergreifend ausdrückt. Und dass man sich bei der Produktion eines Musiklabel, wie in diesem Fall gegen jeden gespielten klanglich eingebrachten Ton entschieden hat, macht die Aufnahme um so bemerkenswerter. Pasolini pur.
Jörg Konrad
Pier Paolo Pasolini
„Land der Arbeit“
Christian Reiner
ECM