185. Heiner Brummel – Tanz braucht keine Worte
Das in wenigen Wochen beginnende internationale Tanzfestival
DanceFirst in Fürstenfeld ist die dritte Veranstaltungsreihe dieser Art seit 2016. In diesem Jahr werden Kompanien aus Spanien, Italien, China, Israel, Kanada, Deutschland und Slowenien im Veranstaltungsforum auftreten. Künstlerischer Leiter ist
Heiner Brummel, der sich schon seit 2010 für die anspruchsvolle und überaus erfolgreiche Reihe „Theater Fürstenfeld“ verantwortlich zeichnet. Hier hat er in der zurückliegenden Zeit unter anderem das
Hamburger Thalia Theater, das
Berliner Ensemble, das
Schauspiel Frankfurt oder das
Maxim Gorki Theater Berlin nach Fürstenfeldbruck geholt.
Auf die Frage, was denn Tanz für ihn bedeute, sagte er hier an gleicher Stelle einmal:
„Der Tanz braucht keine Worte. Ob Freud oder Leid, Mut oder Angst, Wirklichkeit oder Traum, er verkörpert unser Innenleben. Je phantasievoller und virtuoser die Bewegungen und Choreographien sind, umso berührender und mitreißender wird der Tanz.“
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?Heiner Brummel: Als Kind habe ich Abenteuergeschichten geliebt. In meiner Phantasie konnte ich in andere Welten eintauchen und Erlebtes mit eigenen Geschichten fortschreiben. Zudem bin ich gern in andere Rollen geschlüpft und habe diese im vertrauten Kreis vorgespielt. Ohne dass es mir bewusst war, ist die Begeisterung fürs Theater schon früh geweckt worden. Den Weg in ein Amateurtheater habe ich aber erst als Student gefunden. Zusammen mit anderen freien Theatergruppen haben wir ein historisches Abwasserpumpwerk in Münster zum ‚Theater im Pumpenhaus‘ umgebaut. Als Schauspieler, Regisseur und Manager dieser Einrichtung habe ich viele Theaterbereiche kennengelernt und das Hobby wurde immer mehr zum Beruf. Die vielseitigen Erfahrungen haben mir beim Aufbau des Landsberger Stadttheaters und der Entwicklung der Fürstenfelder Theaterreihe natürlich sehr geholfen.
KK: Wen oder was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?HB: Mit dem Theater möchte ich möglichst vielen Menschen sinnliche Erlebnisse vermitteln, die sie animieren, sich mit ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit auseinanderzusetzen und die sie inspirieren, kreative Wege zu gehen, um befriedigende Lebensorientierungen zu finden. Da ich davon überzeugt bin, dass erstklassige künstlerische Leistungen Menschen intensiver und nachhaltiger erreichen, habe ich immer versucht, im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten mit den besten Künstlern und Ensembles zusammenzuarbeiten. Das Ziel, in der Auseinandersetzung mit dem Publikum und den Künstlern das Niveau stetig zu steigern und zukunftsweisende, innovative Perspektiven zu entwickeln, treibt mich bis heute an. Aktuell freut es mich sehr, dass wir auch für das diesjährige Tanzfestival DANCEFIRST (11.6. – 28.7.22) erstklassige internationale Choreografen und Kompanien gewinnen konnten. Auf der Website www.dancefirst.de können die Zuschauer schon im Vorfeld einen Eindruck davon bekommen, wie facettenreich, mitreißend und schön Tanz sein kann. Am besten ist es natürlich, die Aufführungen live zu erleben. Alle Vorstellungen sind Bayernpremieren, eine Aufführung feiert in FFB sogar ihre Deutschlandpremiere.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?HB: Im organisatorischen Bereich scheitern manche Projekte meist an finanziellen Engpässen, technischen Hindernissen oder terminlichen Problemen. Manchmal gilt es Stehvermögen zu bewahren, um doch noch Lösungen zu finden. Wenn unterschiedliche Vorstellungen und Interessen aufeinandertreffen, geht es im Theater bisweilen sehr emotional zur Sache. Gemeinschaftliche Lösungen für persönliche Konflikte zu finden, ist nicht immer einfach. Hat man sich dann doch zusammengerauft, können aus den Auseinandersetzungen neue kreative Ideen und Herangehensweisen entstehen, die tolle künstlerische Ergebnisse hervorbringen.
KK: Welche Erlebnisse haben Sie zuletzt stark beeindruckt?HB: Wie viele andere Menschen auch haben mich die Pandemie und der grauenvolle Ukraine-Krieg sehr beschäftigt. In der Pandemie haben mir vor allem die sozialen Kontakte gefehlt. Entsetzt und traurig bin ich darüber, wie der Streit um soziale Einschränkungen und Impfungen Menschen entzweit hat. Dass autokratisches Machtgehabe, nationalistische Interessen und eine skrupellose Gewaltbereitschaft zu einem Krieg mitten in Europa geführt haben, finde ich unerträglich. Obwohl ich befürchte, dass unser Leben in nächster Zeit weniger unbeschwert sein wird und soziale und kulturelle Gräben womöglich noch tiefer werden, möchte ich gemeinsam mit anderen versuchen, diesen negativen gesellschaftlichen Entwicklungen etwas Positives entgegenzusetzen. So wie den ukrainischen Flüchtlingen eine große Hilfsbereitschaft zuteilgeworden ist und der brutale Angriffskrieg von vielen Staaten verurteilt wurde, wollen wir mit dem geplanten Benefiz Tanzabend für die Ukraine (29.5.22) und dem darauffolgenden internationalen Tanzfestival DANCEFIRST ein völkerverbindendes Fest feiern, das ein Zeichen setzt gegen Gewalt und Krieg, das für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen wirbt. Was könnte unterschiedliche Kulturen und Nationen mehr zusammenbringen als die universelle Sprache des Tanzes. Erlebnisreiche Vorstellungen und intensive Begegnungen zwischen Künstlern und Zuschauern werden hoffentlich dazu beitragen, auch in schwierigen Zeiten zusammenzustehen und das Leben zu genießen.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?HB: Wenn man im Zuschauerraum spürt, dass der Funken zwischen Künstlern und Publikum übergesprungen ist und alle bereichert und glücklich nach Hause gehen. Wenn sich die verschiedenen Puzzleteile einer Theaterproduktion oder einer Spielzeit langsam zusammenfügen, wenn man nach monatelanger Arbeit endlich das fertige Theater-Programmheft in Händen hält. Wenn Menschen im Spiel und Tanz verborgene Seiten ihrer Persönlichkeit entdecken.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Musik mögen Sie besonders?HB: Ich bin kein ausgewiesener Musikkenner. Zum Entspannen höre ich gern klassische Musik. Als Tanzliebhaber animiert mich jede Art von rhythmischer Musik. In Verbindung mit Bewegung fasziniert mich die sinnliche, emotionale Dimension von Klängen. Die Synthese zwischen Musik und Bewegung macht für mich auch die Schönheit und Lebendigkeit des Tanzes aus. Bei der Auswahl der Tanzstücke für die diesjährige Festivalausgabe war die gelungene Synthese dieser beiden Elemente ein wichtiges Kriterium. Das werden die Zuschauer in den Vorstellungen hautnah erleben können.
KK: Hören Sie eher CD oder Vinyl?HB: In Ermangelung eines Plattenspielers eher CD.
KK: Was lesen Sie momentan?HB: Die Vorbereitungen für das Tanzfestival im Sommer und die neue Theaterspielzeit 22/23 lassen mir derzeit wenig Zeit, Bücher zu lesen. So beschränkt sich meine Lektüre momentan auf fachspezifische Beiträge und tagespolitische Artikel. Ohnehin bin ich leider kein intensiver Leser. Lesestoffe müssen spannend sein, ansonsten fehlt mir Sitzfleisch und Ausdauer.
KK: Was ärgert Sie maßlos?HB: Intrigantes Verhalten, Machthunger, Dummheit und Intoleranz. Alles Eigenschaften, die in unserer globalen Gesellschaft aus meiner Sicht zugenommen haben und mitverantwortlich sind für viele Krisen vom Klimawandel bis zum Krieg.
KK: Was freut Sie ungemein?HB: Das Lachen und die Neugier von Kindern. Überhaupt, Menschen wachsen zu sehen. Im Winter am Kamin zu sitzen und den Flammen zuzuschauen. Im Berufsalltag ein ehrliches Lob von Künstlern und Zuschauern.
KK: Haben Sie jemals ein Kleidungs- bzw. Möbelstück selbst gemacht?HB: Ich bin ein miserabler Handwerker, aber ich habe mir schon mehrere Pullover gestrickt.
KK: Von welchem Schauspieler/welcher Schauspielerin sind Sie in welchem Film beeindruckt?HB: Isabelle Huppert, eine sehr facettenreiche Schauspielerin voller Geheimnisse. In fast allen Rollen ausgezeichnet wie z.B. in „Die Klavierspielerin“ oder früher in „Die Spitzenklöpplerin“.
Dustin Hoffmann, ein ebenso vielseitiger Schauspieler, der trotz seiner geringen Körpergröße immer herausragt. Viele beeindruckende Rollen in Filmen wie „Die Reifeprüfung“; „Rain Man“, „Kramer gegen Kramer“ oder „Tod eines Handlungsreisenden“:
Beide sind zudem hervorragende Theaterschauspieler, was man nicht von jedem Filmschauspieler sagen kann. Als Theatermensch bin ich ohnehin der Meinung, dass sich große Schauspieler auch auf der Bühne beweisen müssen. Zu den herausragenden deutschsprachigen Bühnenschauspielern gehören für mich Lina Beckmann, Ulrich Matthes, Bibiana Beglau, Sebastian Rudolph, Stefanie Reinsperger oder
Peter Kurth. Es freut mich, dass die Zuschauer einige von ihnen schon in Landsberg und Fürstenfeldbruck erleben durften.
KK: Was würden Sie gern erfinden, was es Ihrer Meinung nach bisher noch nicht gibt?HB: Einen Flaschengeist, der einem im Haushalt alle ungeliebten Tätigkeiten abnimmt.
KK:
Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer oder Teamplayer?HB: Ich arbeite gern mit Menschen zusammen, von denen ich lernen kann, die mich inspirieren, möchte aber auch gern selbst bestimmen, welche Ziele ich verfolge und wie ich diese realisieren kann. Also bei der Entscheidungsfindung eher Teamplayer, bei der Entscheidung eher Einzelkämpfer.
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?HB: In anregenden Gesprächen mit kreativen Menschen, beim Spazierengehen oder Autofahren, nach sinnlichen Erlebnissen.
KK: Welche Websites oder Blogs lesen Sie?HB: Als Mensch, der gern direkt mit anderen kommuniziert, nutze ich nicht viele digitale Medien. Im Beruf natürlich Theater- und Tanz-Seiten. Wenn möglich suche ich aber auch da den persönlichen Kontakt. Als Fußball-Liebhaber besuche ich Fan-Foren meines Lieblingsvereins, während der Pandemie habe ich einige Filme auf Netflix geschaut.
KK: Was würden Sie ändern, wenn Sie für einen Tag Staatsminister für Kultur wären?HB: Was könnte man in den Mühlen der Kultur-Bürokratie an einem Tag schon verändern. Vermutlich nichts bis wenig. Hätte auch keine Lust auf ein Ministeramt, ich brauche die praktische Arbeit und die unmittelbare Begegnung mit Menschen. Verändern kann man aus meiner Sicht nur etwas, wenn man aktiv wird. Und das versuche ich, indem ich mit anderen Kulturschaffenden erlebnisreiche Kulturprojekte gestalte, die Menschen berührt und vielleicht auch ein wenig glücklich macht.
KK: Wenn Sie eine Autobiographie schreiben würden, wie wäre der Titel?HB: Von einem der auszog, leben zu lernen.
KK: Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?HB: Angesichts von Umweltkatastrophen, wachsender Intoleranz und Gewaltbereitschaft stelle ich mir die Zukunft derzeit nicht sehr rosig vor. Ich hoffe nur, dass wir als Kulturschaffende mit unseren Aktivitäten den Menschen ein wenig Lebenslust vermitteln und Perspektiven für ein friedliches, nachhaltiges Leben aufzeigen können.
11. Juni 2022:
La Veronal "Sonoma"
14. Juni 2022:
Cia. Naturalis Labor "Piazzola Tango / En tus Ojos"
21. Juni 2022:
Hessisches Staatsballett "Timeless"
28. Juni 2022:
tanzmainz "Promise"
03. Juli 2022:
Out Innerspace "Bygones"
14. Juli 2022
Ballett Maribor "Carmina Burana"
28. Juli 2022:
4(!)Tanzstudios "Made in FFB / Werkschau"