Der andere zählt akribisch die Zeit, hält den Puls, ist die personifizierte Verlässlichkeit, wenn es um Hardbop geht. Er treibt als Sideman seine Band an und vor sich her, er zügelt das Tempo, läutet Wechsel mit trocknen Breaks ein. Von jeglicher Schwerkraft losgelöst scheinend, bearbeitet er High Hat, Becken, Trommeln, tritt energisch die Fußmaschine. Dieser Drummer braucht kein Metronom. Seine Achtel und Sechzehntel setzen, was die Dynamik und die Präzision betrifft, Maßstäbe für jedes gut geölte Zugpferd im Jazz. Sein Name: Joe Farnswort.
Und trotz ihrer Unterschiedlichkeit berufen sich beide auf die gleichen Wurzeln, haben die Geschichte ihres Instruments aufgesogen und verinnerlicht und verehren von ganzem Herzen all jene Schlagzeuger, ohne die der Jazz in seiner heutigen Form nicht denkbar wäre: Baby Dodds, Max Roach, Art Blakey, Philly Joe Jones.
Sommer hat vor einigen Monaten „Dedications“ veröffentlicht, das in acht Solo-Titeln seinen Helden huldigt. Eingespielt beim Rundfunk Berlin Brandenburg in einem mit ungezählten Utensilien vollgepackten Studio, verneigt er sich improvisierend tief vor eben jenen Trommlern, ohne sich ihnen dabei formal zu nähern, oder gar anzupassen. Sommer bleibt Sommer – und genau das ist das Geheimnis des Jazz. Alles zu lernen, was die Geschichte und die Gegenwart hergeben und im entscheidenden Moment des Spiels das alles wieder zu vergessen. Der Dresdner schafft dies grandios.
Wie auch Joe Farnsworth. Der aus Massachusetts stammende Schlagzeuger hat für „My Heroes“ auf Mitmusiker zurückgegriffen, mit denen er schon seit vielen Jahren zusammenarbeitet: der großartige, der überragende Tenorist Eric Alexander, der erfahrene Pianist Harold Mabern und Farnsworth alter Kumpel Nat Reeves am Bass. Dieses Album kommt seinen Helden in Stil und Ausdruck etwas näher. Auffällig ist der abgeklärte Schwung, mit dem sich die vier dem Repertoire (unter anderem Titel von Clifford Brown, Dizzy Gillespie und John Coltrane) widmen. Farnworth spielt die mörderischen Rimshots eines Philly Joe Jones, er explodiert wie Buddy Rich, spielt mit der Dynamik eines Art Blakey und mit der machtvollen Melancholie eines Elvin Jones.
Jörg Konrad
Günter Baby Sommer
„Dedications“
„Dedications“
(Intakt, 2013)
Joe Farnsworth Quartet
„My Heroes“
Joe Farnsworth Quartet
„My Heroes“
(Venus, 2016)