LUANAS SCHWUR ist ein mitreißendes Drama, das in den albanischen Alpen spielt und von einer jungen Frau handelt, die sich zwischen Liebe und Tradition entscheiden muss.
Ein Film von Bujar Alimani
Mit Rina Krasniqi, Shkurte Sylejmani, Nik Xhelilaj, Kasem Hoxha, Gresa Pallaska, Alban Ukaj.
1958 in Albanien: Eine nach alter Tradition arrangierte Ehe zwingt Luana dazu, ihre Liebe zu Agim zu verleugnen. Luana tut alles, um ihrem Vater und der Tradition zu gefallen. Sie kennt die Regeln des Kanuns und ist bereit, ihre Gefühle für Agim zu opfern und der Tradition zu folgen. Doch sehr bald merkt sie, dass das Wort einer Frau nicht zählt und der Kanun den Männern zugutekommen soll. Sie hat keine andere Wahl, als einer von ihnen zu sein. Ein Mann zu werden.
DER KANUN
Der Kanun ist ein von Lekë Dukagjini entwickeltes Gesetzeswerk, das vor allem in Nordalbanien und im Kosovo vom 15. bis zum 20. Jahrhundert angewandt wurde und erst nach dem Fall des kommunistischen Regimes Anfang der 1990er-Jahre wieder aufkam. Beim Kanun handelt es sich um ein über Generationen weitergegebenes Gewohnheitsrecht, das erst im 19. Jahrhundert von Shtjefën Gjeçov kodifiziert und aufgeschrieben wurde. Obwohl der Kanun dem albanischen Prinzen Lekë Dukagjini zugeschrieben wird, entwickelten sich die Regeln im Laufe der Zeit weiter und ermöglichten so, Gesetze in Nordalbanien zu etablieren. Der Kodex war in mehrere Abschnitte unterteilt: Kirche, Familie, Ehe, Haus, Vieh und Eigentum, Arbeit, Übertragung von Eigentum, gesprochenes Wort, Ehre, Schadenersatz, Verbrechensrecht, Gerichtsrecht sowie Befreiungen und Ausnahmen.
Die berüchtigtsten Teile des Kanuns regeln die Blutrache. In einigen Gegenden Albaniens ähnelt diese der italienischen Vendetta. Wurde eine Person einer Familie von einer anderen Familie ermordet, stand der betroffenen Familie zu, den Tod des Angehörigen zu rächen. Das führte oft zu Blutfehden, die so lange dauerten, bis alle Männer der beiden beteiligten Sippen getötet waren. Diese Regeln sind nach dem Fall des kommunistischen Regimes in Nordalbanien wieder aufgetaucht, da die Menschen kein Vertrauen in die machtlose lokale Regierung und Polizei hatten. Es gibt Organisationen, die versuchen, zwischen verfeindeten Familien zu vermitteln und sie zur „Vergebung des Blutes“ (albanisch: me e fal gjakun) zu bewegen. Allerdings bleibt den volljährigen Männern oft nichts anderes übrig, als sich in ihren Häusern zu verstecken. Diese werden vom Kanun als sicherere Zufluchtsorte angesehen. Ein anderer Ausweg ist die Flucht aus Albanien. Der albanische Name für Blutfehde ist Gjakmarrja.
Der Diktator Enver Hoxha versuchte, die angewandte Praxis des Kanun zu unterbinden, konnte ihn aber nie komplett abschaffen. Nach dem Fall des Kommunismus erlebte der Kanun eine Rückkehr in manchen Regionen Albaniens. Da die Überlieferung des Kanuns lückenhaft ist, wurde befürchtet, dass es zu Fehlinterpretationen des Kodexes kommen könnte. Das aktuelle albanische Strafgesetzbuch enthält keine Bestimmungen aus dem Kanun, die sich mit Blutfehden befassen und im heutigen albanischen Rechtssystem wird dieses Gesetz nicht anerkannt.
BURRNESHA - EINGESCHWORENE JUNGFRAU
Als eingeschworene Jungfrau, auch geschworene Jungfrau, Schwurjungfrau, die Bleibenden oder albanische Mannfrau (albanisch burrnesha oder virgjinesha; englisch sworn virgin) wird auf dem Balkan eine Frau bezeichnet, die in ihrer Familie und in der Gesellschaft die Rolle eines Mannes übernimmt und dabei völlig auf sexuelle Beziehungen, Ehe und Kinder verzichten muss. Die Frau legt vor den Ältesten der Gemeinde oder des Stammes einen Schwur ab und wird fortan als Mann behandelt. Sie trägt Männerkleidung und Waffen und kann die Position des Familienober-haupts übernehmen. Hauptursachen für dieses Verhalten sind die Vermeidung einer ungewollten Ehe oder das Fehlen eines männlichen Familienoberhaupts.
Um 2010 lebten noch einige Dutzend eingeschworene Jungfrauen in Albanien, die alle aus dem traditionalistischen Norden des Landes stammen. In den letzten Jahren ist ihre besondere Lebensweise in den Fokus der wissenschaftlichen Forschung und der Medien geraten. Denn in Nordalbanien leben viele Frauen in den ländlichen Gebieten auch heute noch ohne Wahlrecht, dürfen ihren Beruf nicht frei wählen und sind ihren Ehemännern untertan. Der Kanun schreibt vor, was Frauen tun dürfen und was nicht, ein archaisches Gesetzeswerk, das Leben und Verhalten regelt. Um den erniedrigenden Geschlechterrollen zu entkommen, besteht der einzige Ausweg für Frauen darin, ihre Geschlechtsidentität zu ändern und als sogenannte Burrneshas zu leben. In Albanien soll es heute noch weniger als hundert, meist ältere Burrneshas geben. In sehr konservativen Gegenden entscheiden sich aber immer noch junge Frauen für ein Leben als Burrneshas. 2017 identifizierte eine Forscherin in Tropoja, Shkodra und Tirana noch 24 „Schwurjungfrauen“.
BIOGRAFIE / FILMOGRAFIE - REGISSEUR BUJA ALIMANI
Bujar Alimani wurde am 27. Januar 1969 in Patos, Albanien geboren. Er studierte Malerei und Theaterregie an der Academy of Fine Arts in Tirana. Ab 1992 war er als Regieassistenz an einigen griechischen Filmen beteiligt. Seine darauffolgenden Kurzfilme wurden von zahlreichen internationalen Film Festivals ausgezeichnet, darunter Tampere, Wien, Sydney, Montpellier etc. 2011 übernahm er die Regie an seinem ersten Spielfilm AMNESTY. Dieser Film wurde als erster albanischer Film von der Council of Europe Förderung, EURIMAGES gefördert. Darüber hinaus wurde AMNESTY von der Berlinale als erster offizieller Beitrag aus Albanien ausgewählt und wurde weltweit auf vielen weiteren Festivals gezeigt. Er wurde auf der Berlinale mit dem C.I.C.A.E. Preis ausgezeichnet, dem Fipresci Award, Cineuropa Award, Jury Prize Lecce Italien, Jury Prize Lissabon Portugal und vielen weiteren. Außerdem war AMNESTY Albaniens offizielle Einreichung für die Kategorie „Bester Fremdsprachiger Film“ für die Oscars® 2012.
Alimanis zweiter Spielfilm KROM, ist eine albanisch, kosovarisch, deutsch und griechische Koproduktion. Auch dieser Film nahm an vielen internationalen Film Festivals wie dem Filmfestival Hamburg, Montpellier Film Festival, Brüssel, Segovia Spanien, Filmfest München und weiteren teil. Auch KROM wurde der offizielle Beitrag aus Albanien für die Oscars® 2017 in der Kategorie „Bester Fremdsprachiger Film“.
2016 drehte Alimani die beiden Dokumentarfilme ZOIS und DOM in den USA. 2017 verwirklichte er einen weiteren Kurzfilm, MISSING EARRING. Mit THE DELEGATION realisierte er seinen dritten Spielfilm, eine albanisch, französisch, griechisch und kosovarische Koproduktion, die von Eurimages und dem Media Desk Europe Creative mitfinanziert wurde. THE DELEGATION gewann den Preis für den besten Spielfilm und den PAG Award auf dem Film Festival Triest 2019, sowie den großen Preis auf dem Internationalen Film Festival Warschau.
Sein aktueller Spielfilm, LUANAS SCHWUR, eine deutsch, belgisch, albanisch-kosovarische Koproduktion feierte seine Weltpremiere 2021 auf dem Internationalen Filmfestival Warschau, wo er mit dem Ecumenical Jury Award und einer speziellen Erwähnung der Jury ausgezeichnet wurde. Bislang gewann der Film außerdem den Publikumspreis auf dem Oostende Film Festival in Belgien und dem Festival della Lessinia in Italien. Kürzlich wurde der Hauptdarstellerin in Kosovoauf dem Prifest außerdem der Preis für die beste weibliche und männliche Hauptrolle verliehen.
REGIE-STATEMENT – BUJAR ALIMANI
Ich habe immer gedacht, dass Albanien viel zu zeigen hat. Noch heute ist es ein verborgener Schatz, der fast unberührt geblieben ist. Der Kommunismus hatte zwar eine bittere Schwere für die Albaner, gab dem Land aber auch einen interessanten Impuls: Es kam zu einer Vermischung von uralten Traditionen mit neuen gesellschaftlichen Standards. So wie die Hauptfigur Luana es schafft, sich der Gewalt und dem Diktat zu widersetzen, ist die Botschaft des Films sehr menschlich und klar. Die Freiheit ist das höchste Gut im Leben und kann niemals gekauft oder verkauft werden. Luana zahlt den Preis für die Freiheit und nimmt dafür die Einsamkeit in Kauf. Dies ist das Leitmotiv des Films.
LUANAS SCHWUR macht das Publikum neugierig auf einen Streifzug durch die Geschichte. Es ist, als würde man durch ein unbekanntes Land reisen, in dem man viele Dinge von Grund auf lernen muss. In dieser Geschichte kann der Zuschauer von jedem der Charaktere etwas lernen.Die Drehbuchautorin Katja Kittendorf hat der Geschichte ein offenes Ende gegeben. Luana bleibt die stumme Zeugin der Schicksale ihrer Mitmenschen - wie die Scherbe aus grünem Glas, durchdie wir damals, aber auch heute noch die Sonne sehen können.
LUANAS SCHWUR - ist ein Drehbuch, das einen direkt in seinen Bann zieht. Es ist in drei Teile gegliedert. Am Ende stellt man fest, dass es sich eigentlich um eine einzige, große Erzählung handelt, in der die Geschichten der einzelnen Charaktere fortgeführt werden. Wobei LUANA das Rückgrat, die DNA der Geschichte ist. Die Story beginnt in den 1950er-Jahren in Nordalbanien. Das Erste, das mir in den Sinn kam, waren Porträts der Schwurjungfrauen aus dieser Zeit. Die Ideen in meinem Kopf begannen sofort zu wachsen. Ich sah eine epische Geschichte mit Nahaufnahmen der Figuren. Die intimen Beziehungen zwischen den Menschen und das Drama, das sich inmitten der verlassenen albanischen Berge abspielt, machen dieses Projekt überaus modern.