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31. Klaus Doldinger „Made in Germany – Mein Leben und meine Musik“
32. Knut Hamsun „Hunger“
33. Martin Kordic „Jahre mit Martha“
34. Inge Morath „Hommage“
35. Sandra Kegel (Hrsg.) „Prosaische Passionen“
36. Guido Zingerl „Das Narrenschiff“ & „Das Geheimnis der Griechischen E...
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Freitag 21.04.2023
Klaus Doldinger „Made in Germany – Mein Leben und meine Musik“
Im Grunde seines Herzens fühlte er sich schon immer als Jazzer. Dabei ist er einer der bekanntesten Musiker Deutschlands. Was wie ein Parodoxon klingt, ist bei Klaus Doldinger gelebte Realität. Denn der 1936 in Berlin Geborene hat sein Leben der Musik gewidmet und damit über die Jahrzehnte ein Millionenpublikum erreicht. Als Saxophonist, Klarinettist, Komponist, Produzent, Bandleader und Funktionär der GEMA entwickelte Doldinger Soundtracks für Kino- und Fernsehfilme, schrieb Werbejingels, war Sideman großer internationaler Besetzungen und spiegelte mit seinen eigenen Projekten Live und im Studio auch immer den gelebten Zeitgeist wieder. Nun, kurz vor seinem 87. Geburtstag, ist die Biographie „Made in Germany – Mein Leben und meine Musik“ von ihm erschienen, man könnte auch sagen die Geschichte der Bundesrepublik – aus dem Blickwinkel eines Musikers.
Klaus' Sohn Nicolas Doldinger und der Journalist Torsten Groß erzählen auf über 300 Seiten von der relativ behüteten Kindheit in Berlin, Köln, Wien und Düsseldorf, den musikalischen Studien am Konservatorium, den ersten künstlerischen Versuchungen des Musikers nach der alles einschnürenden und jede Freiheit brachial unterdrückenden Nazizeit, über die ersten großen und anhaltenden Erfolge in der Musikwelt, bis hin zu den harten Corona-Entbehrungen unserer Tage, die dieses Buch letztendlich erst ermöglichten.
Schaut man sich Doldingers Discographie rückblickend etwas genauer und analytisch an, könnte man meinen, er präsentiere mit seiner Kunst den Soundtrack der Bundesrepublik. Denn mit den Feetwarmers schrieb und spielte(!) er tatsächlich Jazzgeschichte, mit seinem Quartett Modern Jazz, mit Passport, der Formation die noch heute besteht, entwickelte er über fünf Jahrzehnte hinweg den Fusion-Gedanken weiter, bei immer deutlicherer Einbeziehung ethnologischer Musikstile.
In Doldingers Band hat „uns Udo“ (Lindenberg) seine Karriere im Musikbuiseness als sehr talentierter Schlagzeuger begonnen; Siegfried Loch, einst Geschäftsführer von Liberty/United Artists Records, WEA Music und Warner Music Germany und heute Labeleigner von Act Music, war mit seinen Produktionen nicht allein zu Beginn der 1970er Jahre an dem Erfolg Doldingers maßgeblich beteiligt. Etliche Storys und Anekdoten stammen aus den Zeiten, als die Titelmelodie zum „Tatort“ oder „Liebling Kreuzberg“ und die Soundtracks zu „Die unendliche Geschichte“ und „Das Boot“ entstanden. Das alles zeigt: Doldinger war ein Workaholic, ein Kreativer, der immer an seiner Kunst arbeitete und natürlich im Laufe der Jahre auch das Glück hatte, sehr oft zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein und die richtigen Menschen zu treffen. Das alles geht jedoch nur, wenn man selbst offen für neue Wege und Herausforderungen ist. Insofern ist sein Leben, ist seine Musik allein sein Verdienst. Der Jazz in Deutschland würde ohne Klaus Doldinger mit Sicherheit anders klingen.
Jörg Konrad

Klaus Doldinger
„Made in Germany – Mein Leben und meine Musik“
Piper
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Montag 10.04.2023
Knut Hamsun „Hunger“
Es ist weniger die Handlung des Romans, die in „Hunger“ beeindruckt. Denn im Grunde gibt es eine solche gar nicht, oder sagen wir besser, sie existiert nur mehr rudimentär. Denn der Inhalt dieses Textes besteht letztendlich aus einer Art Monolog, einer Betrachtung der eigenen, wechselnden, manchmal auch schwer zu ertragenden Befindlichkeiten eines anonymen Ich-Erzählers. Der Leser streift mit dieser „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübten“ - Figur Ende des 18. Jahrhunderts die Gassen der damals 130.000 Einwohner zählenden Stadt Kristiania, dem heutigen Oslo.
Die Reflexionen des Protagonisten entstammen einer maßlosen Selbstüberschätzung. Er glaubt an sich als einen genialen Schriftsteller - der in der Realität jedoch nur wenige Zeitungsartikel verfasst, die er, wenn überhaupt, nur mit großer Mühe in einer Lokalredaktion unterbringt. Ansonsten ist er damit beschäftigt, nicht in die Obdachlosigkeit abzurutschen bzw. seinen ständig gegenwärtigen Hunger auf jede nur erdenkliche Weise zu stillen. Wenn es sein muss, auch mit Holzspänen oder Hundeknochen.
Gleichzeitig ist diese Person durchdrungen von lebensfremden Selbstzweifeln, die seine Lage hoffnungsloser erscheinen lassen, als sie tatsächlich ist. Er ringt mit sich und der eigenen Verzweiflung, die ihn fast in den Suicid treibt. Seine wechselhaften Stimmungslagen beinhalten Scham und Wut, Euphorie und Selbstekel, Verzweiflung und Glückseligkeit.
Der Norweger Knut Hamsun hat in diesem 1890 erstmals in Dänemark erschienen Roman (dann in Deutschland und erst dann in Norwegen) eine Art psychologische Selbstreflexion geschrieben, wie sie in dieser Radikalität in der Weltliteratur zu damaliger Zeit noch nicht erschienen war. Auf diese Erstausgabe fußt auch der Text, der von Ulrich Sonnenberg in seiner ganzen erschlagenden Kraft und mitreißenden Verstörtheit beeindruckend neu übersetzt wurde.
Auf der einen Seite bestimmt das destruktive Elend der Hauptperson das Buch, auf der anderen Seite wird das Paradoxon deutlich, in dem sich der Protagonist beinahe lust- wie auch humorvoll in diesem Elend sonnt. Besonders eindrücklich zeigt sich diese Ambivalenz, in dem der Ich-Erzähler seinen religiösen Glauben und den persönlichen Anspruch des Christentums, als das höchste Gut dieser Welt, idealisierend glorifiziert. Dann jedoch lässt er sich, aufgrund der eigenen hoffnungslosen Situation, zu einer flammenden Anklage gegen Gott hinreißen und nennt ihn eine „allwissende Null“ und „gnadenvoller Abschaum“. Der Ich-Erzähler liefert sich den eigenen Lebenssituationen, in die er nicht zuletzt durch sein persönliches Verschulden gerät, oft widerstandslos aus und krönt diese Passivität mit Lamouryanz und oft unerträglichem Selbstmitleid.
Im dem sehr klugen und absolut empfehlenswerten Nachwort von Felicitas Hoppe, fragt diese, wie man Hamsun heute, als Nobelpreisträger aber auch überzeugter Antisemit und Verfechter nationalsozialistischer Ideen und Hitlerverehrer, lesen kann oder sollte. Abgesehen davon, dass große Autoren wie Thomas und Heinrich Mann, Franz Kafka, Samuel Beckett oder Astrid Lindgren von Hamsuns „Hunger“ sich nachhaltig geprägt fühlt, findet Hoppe, dass dieses Buch einen schonungslosen Blick auf das Dasein einer Künstlerexistenz wirft. Sie sieht in „Hunger“ auch einen Schrei nach Liebe, nach Mitmenschlichkeit, nach menschlicher Begegnung. Ohne diese wird es einsam – wobei die Möglichkeit, sich in abstrusen und absonderlichen Gedankenwelten zu verlieren, einfach übermächtig ist.
Jörg Konrad

Knut Hamsun
„Hunger“
Manesse
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Mittwoch 22.03.2023
Martin Kordic „Jahre mit Martha“
Željko Kovacevic ist 15, als er sich in die wesentlich ältere Martha Gruber verliebt, bei der seine Mutter putzt. Er lebt mit seinen Eltern und zwei Geschwistern in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Seine Mutter hat mehrere Putzstellen und sein Vater arbeitet als Hausmeister und Bauarbeiter. In den 1990er Jahren sind seine Eltern aus der Herzegowina nach Deutschland eingewandert. Sie wollen gute Ausländer sein, und sie schuften für die Zukunft ihrer Kinder.
In „Jahre mit Martha“ lässt Martin Kordic den jungen Željko von seinem Leben erzählen. Der Roman ist zugleich eine Liebes-, Migrations- und Aufstiegsgeschichte.
Der Autor hat einen bosnischen Vater und eine deutsche Mutter und ist heute als Verlagslektor in München tätig. Natürlich ist viel eigenes Erleben in den Roman eingeflossen. Gleich zu Beginn benennt er die Motivation für sein Buch: Er glaubt, „dass wir uns mehr Geschichten erzählen sollten über uns in diesem Land“. Es geht also um die Selbstvergewisserung von Einwandererkindern, die in Deutschland ihren Platz und ihre Identität suchen.
Željko, der Icherzähler des Romans, nennt sich Jimmy, weil das cooler klingt. Er ist ein kluger, patenter, wissbegieriger Junge, der einer werden will, den man nicht herumschieben kann. „Ich wollte bestehen in dieser Welt mit viel Luft und viel Glanz.“
Und er ist bereit, alles dafür zu tun.
Martin Kordi? schildert immer wieder präzise beobachtete Situationen, in denen Željko als Ausländer gedemütigt und diskriminiert wird. Trotz seiner hervorragenden Noten darf er zunächst nicht das Gymnasium besuchen, und auf dem Arbeitsamt empfiehlt man ihm, Gärtner zu werden. Eine Schlüsselszene ist ein Gespräch mit seinem Bruder Kruno. Željko erzählt ihm von seinem Traum, zu studieren. „Das ist nichts für Kinder wie uns“ antwortet Kruno. Die Tatsache, dass die Vorurteile der Gesellschaft auch von seiner Familie übernommen werden, und dass die eigene Herkunft als Makel erlebt wird, steigert Željkos Wut. Diese Wut ist sein Antrieb, zu lesen und zu lernen wie ein Besessener. Er angelt Zeitschriften aus Papiercontainern, legt Karteikarten mit unbekannten Wörtern an und ist häufig Gast in der Stadtbücherei. Denn Bildung ist für ihn der Schlüssel zum Erfolg.
Frau Gruber, bei der seine Mutter sauber macht, verkörpert alles, wonach Željko sich sehnt. Sie ist schön und selbstsicher, und vor allem ist sie gebildet. Martha, wie er sie bald nennt, lebt als Professorin in Heidelberg, und sie stellt ihn als Hausmeister ein. Sie nimmt ihn mit in die Oper, zeigt ihm die richtige Kleidung und interessiert sich für sein Leben. Und er liebt es, sie „beim Denken, beim Schreiben, beim Klugsein zu beobachten“.
Kordic schildert die heimliche Liebesgeschichte zwischen dem ungleichen Paar dezent und mit Humor, ohne jede Peinlichkeit und mit großer Wärme für die Figuren. Martha unterstützt Željko über viele Jahre auch finanziell und gibt ihm Halt. Doch bleibt das große Gefälle zwischen beiden immer bestehen. Martha ist zugleich Geliebte und sorgende Mutter, sie bestimmt die Häufigkeit und die Art ihrer Begegnungen. So bleibt in der Schwebe, ob die Liebe zu ihr nicht auch eine subtile Abhängigkeit bedeutet und Željkos Selbstfindung behindert.
Als Željko es tatsächlich schafft, einen Studienplatz in München zu ergattern, tritt als dunkles Gegenbild zu Martha sein Dozent Alex Donelli in sein Leben, ein Blender, der Željko als wissenschaftliche Hilfskraft für sich arbeiten lässt. Željko sucht sich in Martha und Donelli Ersatzeltern und Vorbilder, die seine eigenen Eltern nicht sein konnten. Der Aufstieg in die akademische Welt bedeutet gleichzeitig seinen Abstieg in die Depression. Er gerät ganz und gar in den Bann seines Lehrers, lässt sich manipulieren und ausnützen und wird schließlich brutal von Donelli fallen gelassen. In dem unbedingten Wunsch, in der Gesellschaft Erfolg zu haben, hat er seine eigene Herkunft verraten und sich selbst verloren.
Seine Einsamkeit und Verzweiflung fühlt er in den Gedichten der österreichischen Lyrikerin Hertha Kräftner ausgedrückt, die ihn schon lange begleiten. Sie hat sich mit 23 Jahren das Leben genommen. Doch Željkos Geschichte steuert auf ein versöhnliches Ende zu, wie er es schon am Anfang des Buches angekündigt hat. In all seiner Verwirrung und seiner Suche danach, was ihn ausmacht als Bosnier und als Deutscher, findet er zurück zu seinen Ursprüngen und seiner Familie. „Heute weiß ich, dass mir in Deutschland die Vorbilder gefehlt hatten,…die mir hätten zeigen können, wie mit all dem gut umzugehen wäre. Es war an uns, zu versuchen, diese Vorbilder selbst zu sein für die, die nach uns kommen.“
Martin Kordic hat ein schönes, berührendes Buch geschrieben über ein Migrantenkind zwischen Bildungsaufstieg und Selbstaufgabe; ein Buch, das zugleich melancholisch, wütend und auch ein wenig hoffnungsvoll ist.
Lilly Munzinger, Gauting

Martin Kordic
„Jahre mit Martha“
S. Fischer
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Freitag 10.03.2023
Inge Morath „Hommage“
Sie hat Marilyn Monroe fotografiert, Jean Cocteau, Igor Stravinsky, Picasso, Simon Signoret, Alberto Giacometti, Arthur Miller - auch als er noch nicht ihr Ehemann war - und viele andere bekannte Persönlichkeiten ihrer Zeit. Trotzdem gehört das Lama, das im Auto über den New Yorker Times Square chauffiert wird, vielleicht zu ihren bekanntesten „Porträts“. Inge Morath, geboren 1923 in Graz, war aber weit mehr als eine gefragte Adresse für die Prominenz, wenn es sich um Porträt-Aufnahmen handelte. Als erste Frau, die als Vollmitglied für die Fotoagentur Magnum arbeitete wurde sie durch ihre Reisefotografien bekannt und geachtet, die sie von Expeditionen aus Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten, der Sowjetunion oder China mitbrachte. Arthur Miller befand, sie öffne mit der Kamera „die Seele eines Motivs“. Sie selbst schätzte ihre Arbeit einmal wie folgt ein: „Man traut seinem Auge und entblößt seine Seele“
In Berlin hat die Österreicherin Romanistik mit den Sprachen Französisch, Englisch und Rumänisch studiert, wurde 1944/45 zur Arbeit in einer Rüstungsfabrik in Tempelhof zwangsverpflichtet und flieht während eines Bombenangriffs nach Salzburg. Hier arbeitete sie als Übersetzerin und Journalistin für die Salzburger Nachrichten und einem US-amerikanisch kontrollierten Radiosender.
Ab März 1948 erscheinen in der Illustrierten HEUTE Reportagen von ihr, gemeinsam mit dem österreichischen Fotografen Ernst Haas. Robert Capa wurde auf eine hier veröffentlichte Reportage über Kriegsheimkehrer aufmerksam und lud Haas und Ingeborg Mörath, wie die Autorin des Beitrags damals mit bürgerlichem Namen hieß, nach Paris ein. Beide wurden in der zwei Jahre zuvor gegründeten unabhängigen Fotografen-Agentur Magnum als Mitarbeiter eingestellt.
Inge Morath wurde kurze Zeit darauf als Autorin und Büromitarbeiterin nach London versetzt.
Mit dem Fotografieren begann sie mit knapp dreißig Jahren. Während einer Venedig-Reise kaufte sie sich eine gebrauchte Leica und durchstreifte begeistert die Lagunenstadt. Sie hospitierte bei Simon Guttmann und Henri Cartier-Bresson und wurde ab 1955 von Magnum für weltweite Reportagefotos, die in Magazinen wie „Life“ oder „Paris Match“ erschienen, beschäftigt.
Bis kurz vor ihrem Tod, 2002 in New York, hat Inge Morath an Aufträgen gearbeitet. So galt eines ihrer letzten Projekte den Opfern des Terroranschlags auf New York am 11. September 2001.

Der nun vorliegende prachtvolle Bildband „Hommage“ gibt einen fotografischen Einblick in die Seele einer Künstlerin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das für sie Unaussprechliche sichtbar zu machen. „Ich hatte nach dem Krieg oft unter der Tatsache gelitten, dass Deutsch meine Muttersprache, für den Großteil der Welt die Sprache des Feindes war. Obwohl ich Artikel auch auf Englisch und Französisch schreiben konnte, trafen sie nicht den Kern. So war die Zuwendung zum Bild eine Notwendigkeit und eine Erleichterung.“ (Inge Morath, Das Leben einer Photographin, Wien 1999)
Jörg Konrad

Inge Morath
„Hommage“
Schirmer-Mosel


Derzeit ist im Kunstfoyer der Versicherungskammer Kulturstiftung (Warngauer Str. 30, 81539 München-Giesing) zum 100. Geburtstag der berühmten Magnum-Fotografin die Ausstellung „INGE MORATH HOMAGE“ zu sehen. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Inge Morath Estate, kuratiert von Anna-Patricia Kahn und Isabel Siben.
(https://www.versicherungskammer-kulturstiftung.de/)

Abbildungen:

- Inge Morath, Selbstportrait, 1960
© Inge Morath/Magnum Photos/ courtesy CLAIRbyKahn, Schirmer/Mosel Verlag
- Pablo Picasso bei der Einweihung eines seiner Wandbilder im UNESCO-Gebäude. Paris, 1958
© Inge Morath/Magnum Photos/ courtesy CLAIRbyKahn, Schirmer/Mosel Verlag
- Ein Lama am Times Square. New York, 1957
© Inge Morath/Magnum Photos/ courtesy CLAIRbyKahn, Schirmer/Mosel Verlag

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Dienstag 28.02.2023
Sandra Kegel (Hrsg.) „Prosaische Passionen“
Besonders deutlich zeigt sich die öffentliche männliche Dominanz innerhalb der Literatur, ruft man die Nobelpreisträger dieser Sparte der letzten sechs Jahrzehnte ab: Von den insgesamt 62 Gewinnern sind nur 12 Frauen. Das wären nur ein Fünftel weibliche Autoren! Nun geht es ganz sicher nicht darum, anhand von Quotenregulungen dieses Missverhältnis zu egalisieren. Doch es dürfte allen Literaturinteressierten klar sein, dass der Anteil schreibender Frauen weitaus größer ist. Von der Qualität der Texte einmal ganz zu schweigen. Denn die literarische Moderne ist nun wirklich keine exklusive Männerdomäne!
Dies ist mit Sicherheit auch einer der Gründe, weshalb Sandra Kegel mit ihrem umfangreichen Werk „Prosaische Passionen“ ein erstes weibliches Weltpanorama der Literatur vorlegt. Auf fast tausend Seiten stellt die in Aix-en-Provence, Wien und Frankfurt am Main studierte Literaturwissenschaftlerin und heutige Leiterin des Feuilletons der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 101 Autorinnen anhand von Kurzgeschichten vor. Sämtliche Arbeiten entstanden nach 1900, von zum Teil bekannten, dem Klassikerkanon zugehörigen Autorinnen, aber auch von Schriftstellerinnen, die es erst noch zu entdecken gilt. Einige der Texte sind Erstübersetzungen, aus dem Arabischen, Chinesischen, Koreanischen, Norwegischen, Spanischen, Russischen oder Hebräischen.
Es ist eine breite motivische und stilistische Vielfalt, die hier an Beispielen von Anna Seghers, Carson McCullers, Patricia Highsmith, Maria Luisa Bombal, Rashid Jahan, Sigrid Undset, Gertrude Stein, Ricarda Huch u.v.a. präsentiert werden.
„Prosaische Passionen“ kann als ein fulminantes Fest weiblichen Schreibens gelesen werden. Diese über 50 Short Stories aus fünf Kontinenten sind ein literarisches Ereignis, das jedes Entdeckerfieber mit Lesevergnügen belohnt. Einem Kompass ähnlich und hilfreich ist das Quellenverzeichnis sowie kurze biographische Notizen der Autorinnen. Ein Buch für jede Tages-, Nacht- und Jahreszeit.
Jörg Konrad

Sandra Kegel (Hrsg.)
„Prosaische Passionen“
Die weibliche Moderne in 101 Short Stories
Manesse Verlag
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Samstag 25.02.2023
Guido Zingerl „Das Narrenschiff“ & „Das Geheimnis der Griechischen Eule“
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Am Donnerstag starb 90jährig der Maler und Zeichner Guido Zingerl

Altersmilde? Aber nicht Guido Zingerl. Schließlich ist die Welt zu sehr aus den Fugen, gibt es zu viel Ungerechtigkeit als auch Aufklärungsbedarf. Solange der 1933 in Regensburg Geborene als Maler, Zeichner, Karikaturist tätig ist, hat er gegen jede Form der sozialen Benachteiligung und politischen Willkür öffentlich angekämpft. Und, das versteht sich von selbst, dabei Haltung bewahrt. Selbst auf die Gefahr hin, mit seiner Arbeit eher zu provozieren als Probleme solidarisch weichzuzeichnen.
Dafür hat er die Finger zu tief in den offenen Wunden der Gesellschaft und sind die Schwachstellen in Politik und Gesellschaft für ihn zu spürbar. Sein Gerechtigkeitssinn macht's möglich.
Erst im letzten Jahr hat der seit über vier Jahrzehnten in Fürstenfeldbruck lebende Künstler einen umfangreichen Bilderzyklus unter dem Titel „Das Narrenschiff“ vorgelegt. Dabei handelt es sich um „40 gemalte und gezeichnete Parabeln auf die Unbelehrbarkeit des Menschen“. Wer sich nur ein wenig in der Geschichte der Menschheit auskennt, wird wissen: Ein unendliches Thema.
Zingerl, der mit bürgerlichem Namen Heinrich Scholz heißt, bezieht sich in dieser umfangreichen Arbeit auf die moralische Klageschrift gleichen Namens von Sebastian Brandt aus dem Jahr 1494, dem erfolgreichsten deutschsprachigen Buch vor der Reformation, mit Holzschnitten von Albrecht Dürer.
Der Mensch hat bis heute nichts von seinen dunklen amoralischen Eigenschaften, die man unter den Begriffen Macht, Habgier und Egoismus zusammenfassen kann, verloren. Vielleicht sind manche dieser Eigenschaften glatt geschliffen, sind heutzutage verfeinert, sind einer postmodernen wie auch demokratisch motivierten Frischenzellenkur durchlaufen. Doch die Kritik daran ist bis heute gleich geblieben. Dank Menschen wie Guido Zingerl, der Kunst auch immer als Waffe der Aufklärung versteht.
Zingerl hat keine Berührungsängste, beschäftigt sich in seinen neuen Arbeiten kritisch mit Kirche und Klimawandel, mit der Nazizeit und deren Erben, die besonders in den heutigen Tagen wieder aktiv sind, mit der Flüchtlingskrise, den Weltverschwörungsmythen der Gegenwart, als auch mit den furchtbaren Auswirkungen des Kapitalismus in den sogenannten Entwicklungsländern. Er zeigt die Welt ungeschönt und real und klagt mit seinen Bildern konsequent jene an, die für diesen Zustand verantwortlich sind: Uns Menschen.
Egal ob Zingerl mit Acryl malt, ob er zeichnet oder Karikaturen entwirft – er arbeitet mit scharfen Schnitten, nutzt grelle Farben, fordert mit Inhalten massiv heraus. Er ist schonungslos in seiner Analyse und trotzdem kommt der Humor nicht zu kurz. Auch wenn manches Lachen bei genauerer Betrachtung im Halse stecken bleibt. Er kreuzigt Marx, verballhornt die Bürokratie, zeigt Narren als Narren (US-Präsident D. Trump). Immer wieder lassen sich auf seinen Bildern neue Details entdecken, erkennt man Hintergründiges, wird Widersprüchliches deutlich.
In einem anderen jetzt erschienenen Band spannt Guido Zingerl unter dem Titel „Das Geheimnis der Griechischen Eule – Asam, Apollon, Amper“ einen Bogen von der antiken Mythologie bis in unsere Gegenwart. Grund für seinen überwältigenden Historienblick ist das zehnjährige Jubiläum der Wiedereröffnung des Churfürstensaales im Kloster Fürstenfeld. Zingerl hat keine Mühe, vom Maler und Bildhauer Hans Georg Asam über seine Figur des griechischen Helden Herakles, den weiblichen Gottheiten des Olymp und dem Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mäßigung Appolon einen gewaltigen Bogen bis in die Neuzeit zu spannen. Da wird Sisyphos als Zwangsarbeiter beim Bau der Klosterkirche Fürstenfeld ins Spiel gebracht, ebenso wie die Vergangenheitsbewältigung der Polizeischule im Kloster. Da kreisen Kampf-Drohnen neben dem geflügelten Pegasus am Himmel über dem Fliegerhorst und Kassandra mahnt zeitig vor dem Trojanischen Pferd, Nationalismus und Krieg. Zingerl entwirft mit spitzem Stift die Szenen, erläutert in kurzen Texten die verdichtete Historie, mit all ihren Paradoxen und Entsetzen. Im Grunde ist alles ganz einfach und fix auf einen Nenner gebracht: Ohne Auseinandersetzung keinen Frieden. Und genau aus diesem Grund sind beide Bücher zu empfehlen. Gerade zum Weihnachtsfest!!!
Jörg Konrad
(Artikel vom 20. Dezember 2020, erschienen in KultKomplott)
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