Arooj Aftab, 1985 in Lahore geboren, begann autodidaktisch Gitarre zu spielen und trainierte anfänglich selbstständig ihre Stimme. In Pakistan war sie mit ihren dunklen, mystischen und originär angehauchten Songs eine Vorreiterin der heimischen Indie-Szene. In den USA studierte sie später Musikproduktion und Jazzkomposition und bewegte sich von da an traumwandlerisch sicher zwischen der Folklore ihres Heimatlandes, Jazz und spielerischem Rhythm & Blues. Im letzten Jahr erhielt sie als erste pakistanische Musikerin einen Grammy.
Vijay Iyer nahm als Sohn indischer Einwanderer seine ersten Alben schon vor drei Jahrzehnten auf. Mittlerweile ist sein eigenwilliger und faszinierender Jazzpiano-Stil auf etlichen, mit vielen Preisen ausgezeichneten Aufnahmen zu hören. Nebenher beschäftigt er sich mit Naturwissenschaften und Mathematik und schrieb für den britischen „Guardian“ einen Essay über den Zusammenhang von John Coltranes Skalen und den Fibonacci-Zahlen. Iyer wurde von der Fachpresse als der „große Pianist“, als „Großpianist“ und „einer der großen Musiker seiner Generation“ beschrieben.
Shahzad Ismailys Vorfahren stammen ebenfalls aus Pakistan. In einer Kleinstadt in Pennsylvania geboren, wollte er schon als Kind Musiker werden, studierte aber, wahrscheinlich dem Einfluss seiner Eltern geschuldet, Biochemie. Er reiste quer durch Asien, Südamerika, Afrika und Europa und betrieb in den verschiedenen Kulturen Sozialstudien. Später tauchte er in der New Yorker Downtown-Szene auf, spielte mit John Zorn, Bill Frisell, Marc Ribot oder David Krakauer.
Als Arooj Aftab, Vijay Iyer und Shahzad Ismaily vor einiger Zeit erstmals gemeinsam auftraten, waren alle Drei von dem Ergebnis stark beeindruckt. Mit einem Höchstmaß an Sensibilität und Konzentration entstand eine musikalische Melange, die die Grenzen zwischen Pop und Experimentalmusik, zwischen Improvisation und Folklore beschwörend aufhebt. „Love In Exile“ ist ein Album, das diese Magie weitab aller stilistischen Etiketten vermittelt. Hier musiziert ein kollektiver Geist, der Musikgeschichte beinahe neu schreibt – gäbe es nicht Miles Davis Jahrhundertwerk „Bitches Brew“ oder die lyrischen Trompetengesänge eines Jon Hassell. Die ruhigen, sich entwickelnden Songs klingen wie ein akustischer Gegenentwurf zu unseren zerrissenen Gesellschaften. Es sind klangliche Visionen, ebenso schön wie aufwühlend. Geheime Sehnsuchtsmetaphern, die Arooj Aftabs Stimme beschwört, denen Shahzad Ismaily einen rhythmischen Herzschlag verleiht und die Vijay Iyer mit tänzerischer Leichtigkeit umspielt. Musik aus den überwucherten Randbereichen dissonanter Zivilisationen.
Jörg Konrad
Arooj Aftab, Vijay Iyer, Shahzad Ismaily
„Love In Exile“
Verve
„Love In Exile“
Verve