Zurück zu den neuesten Artikeln...
49. München: David Murray Trio - Schrei nach Freiheit
50. Landsberg: Gullivers Reisen – Vom Barock bis ans Ende der Welt
51. Landsberg: Adele Neuhauser & Edi Nulz – Kalkuliertes Chaos
52. Dusko Goykovich (geb. 14. Oktober 1931, gest. 05. April 2023)
53. Landsberg: Otto Lechners funkelnde Seelenlandschaften
54. Fürstenfeld: Sandro Roy Unity Trio – Melodisch erfüllte Sehnsüchte
Donnerstag 04.05.2023
München: David Murray Trio - Schrei nach Freiheit
Zum vergrößern bitte Bild anklicken
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Fotos: TJ Krebs
München. Wer heute versucht, von David Murray eine Discography zusammenzustellen, die seine gesamte Karriere beleuchtet, wird früher oder später verzweifelt aufgeben. Da ist die schier unendlich erscheinende Anzahl von Aufnahmen. Dann ist Murrays Oeuvre auf unterschiedlichsten Labeln dokumentiert. Zuletzt kommen noch seine Jobs als Sideman - beim World Saxophone Quartet, bei Grateful Dead, The Roots, James Blood Ulmer, Steve Coleman und vielen vielen anderen. Gestern Abend spielte der Grammy-Gewinner Murray mit seinem Energie geladenen Trio in der Münchner Unterfahrt. Ein kalifornischer Tenorist, dem es in seinem musikalischen Leben immer nur um eines ging: Die erfolgreiche Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und Klangperspektiven. Seine Technik ist grandios. Kraftvoll reiht er Höhepunkte an Höhepunkte, indem er ganze Tontrauben überbläst, er sich mit seinem Instrument in den obersten Lagen verlustiert, er überwältigt mit seinem verschärften Vibrato und beeindruckt mit seiner fundamentalen Hingabe, seiner genialen praktischen Ausarbeitung und seinem kompromisslosen Vollzug.
Dramaturgisch sind seine Chorusse geschickt aufgebaut und werden von ihm mit packendem Temperament regelrecht abgefeuert. Er wechselt ununterbrochen die Lagen, swingt wie der Teufel, verliert sich für Momente in karibischen Rhyrthmen, liebt den Blues, groovt wie eine Dampflok und dreht am Saxophon klangliche Pirouetten. Trotz aller Glut, die er entfacht (auch in den schaurig-schönen Balladen) bewegt sich Murray immer perfekt in der Zeit. In ihm steckt das ganze Universum des Jazz, das er noch einmal befreit und es dem Publikum als Gipfelstürmer zu Füßen legt. Damit weist er zugleich und ständig in die Zukunft. Seine gesamte musikalische Präsenz ist ein einziger Schrei nach Freiheit.
Und trotzdem finden seine beiden Begleiter genügend Raum und Möglichkeiten, um für ihr eigenes Können zu werben. Luke Stewart am Bass nimmt zupfend und streichend die Kompositionen, fast ausschließlich von Murray stammend und von seinem letzten Album „Seriana Promethea“, mit scheinbarer Leichtigkeit auseinander. Er ist in ständiger Bewegung und gibt der Musik die tieftönenden Grundlagen - oft in rasendem Tempi. Und Russell Carter trommelt unentwegt mit verzehrender Intensität, die bei ihm federleicht aussieht. Dabei kommt sein Spiel inhaltlich einer Art rhythmisch brodelndem Vulkan recht nahe. Beide, Stewart & Carter, faszinieren auch durch ihre Balance zwischen Sensibilität und Bestimmtheit.
Jörg Konrad
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Mittwoch 03.05.2023
Landsberg: Gullivers Reisen – Vom Barock bis ans Ende der Welt
Bilder
Bilder
Landsberg.Gullivers Reisen“ bedient inhaltlich einige Charakteristika. Der vor knapp 300 Jahren erschienene Roman des irischen Autors Jonathan Swift ist als Reiseliteratur, als Satire, als Abenteuererzählung, als Tagebuch oder auch als Utopie zu lesen. Aufgrund seiner Popularität, die meist schon in den Kinderzimmern ihren Ursprung findet, bot sich dieser Klassiker schon immer für die unterschiedlichsten Adaptionen an. So wundert es wenig, dass aus diesem wundersamen, unterhaltsamen wie spannenden Werk Verfilmungen, Comics, Hörspiele, ja selbst Kompositionen, literarische Fortsetzungen und auch Schauspielproduktionen entstanden sind. Das Landestheater Tübingen brachte im letzten Monat diese Gesellschaftssatire in einer Bearbeitung Wolfgang Nägeles auf die Bühne und war nur vier Tage nach der Premiere mit der Aufführung am vergangenen Dienstag zu Gast im Stadttheater Landsberg.
Die phantastisch-bildreiche Geschichte, die aufgrund ihrer immensen politischen Sprengkraft und ihrem anstößigen Inhalt schon im 19. Jahrhundert massiv „entschärft“ wurde, besitzt in ihrer Urform genügend Zündstoff, um entlarvend und aufklärerisch zu wirken. Was Swift 1725 an den? Dichter, Übersetzer, Schriftsteller und Freund Alexander Pope schreibt, hat von seiner Gültigkeit nichts verloren: „Das Hauptziel, das ich mir bei all meinen Arbeiten setze, ist eher das, die Welt zu ärgern, als sie zu unterhalten, und wenn ich das erreichen könnte, ohne mir an meinem Leibe oder an meinem Vermögen zu schaden, so wäre ich der unermüdlichste Schriftsteller, den Sie je gesehen haben …. .“
Nägele nutzt und erweitert die erzählerische Vorgabe auf eine sehr persönliche, individuelle Weise. Er übernimmt die ersten beiden Reisen Lemuel Gullivers und lässt den Schiffsarzt und Kapitän die allseits bekannten Abenteuer im von Zwergen bewohnten Land Liliput (im Bühnenbild angedeutet durch kleine Papierhäuser und Schiffe) und in dem von Riesen bevölkerten Brobdingnag (hier ist es ein riesiger Apfel der einen Teil der Bühne einnimmt) bestehen. Die fliegende Insel Laputa versetzt Nägele in das Jahr 2035 und nimmt hier Bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen Auseinandersetzungen bezüglich Künstlicher Intelligenz. Die Reise zum tugendhaften Pferdevolk der Houyhnhnms versetzt er in den Weltraum, weitab der heimatlichen Erde, die mittlerweile dem Weltklima zum Opfer gefallen ist.
So verknüpft die Inszenierung eine horizontale und eine vertikale Erzählweise, wobei letztere sich aus der Geschichte löst und als eine in die Zukunft weisende Zeitachse zu verstehen ist. Insofern könnte man die Aufführung auch als eine Art Zeitreise vom Barock (Lemuel Gulliver im Land Liliput) bis ans Ende unserer Welt deuten, in der Insa Jebens, Konrad Mutschler, Emma Schoepe und Susanne Weckerle die Figuren vierstimmig verkörpern, was dem Perspektivwechsel der Vorlage absolut gerecht wird.
Die Inszenierung bewegt sich oft zwischen stiller Slapstick und laut aufgeregtem, maniriertem Aktionismus, der manchmal auch an Singspielhallen in der Form von Revuetheatern erinnert. Aber so sind die/wir Menschen nun einmal – wir bewegen uns verspielt zwischen exotischer Menagerie und Trash TV, zwischen fehlender Weisheit und fehlender Rationalität, zwischen gelebtem Egoismus und praktizierter Ignoranz. All dies wird vom Ensemble drastisch, kompromissarm und manchmal auch beschämend dargestellt. Mit zynischem Spott, der diese absolut nachdenklich stimmende Aufführung deutlich überlagert.
Jörg Konrad

Hier Bericht in der Augsburger Allgemeinen Zeitung / Landsberg
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Sonntag 23.04.2023
Landsberg: Adele Neuhauser & Edi Nulz – Kalkuliertes Chaos
Bilder
Landsberg. Nicht nur Schauspieler beherrschen die Kunst der Verwandlung. Auch Musiker lieben Kostüme. Das Edi Nulz Trio aus Graz an der Mur bzw. Berlin ist hierfür ein schillerndes Beispiel. Es gibt Alben von ihnen, darauf schleppen sie sich scheinbar aus der Tiefsee kommend, zurück ans Festland. Auf einem Pressefoto wirken Siegmar Brecher, Julian Adam Pajzs und Valentin Schuster wie eine Schweißerbrigade nach der Schicht. Und in Landsberg? Da standen und saßen Edi Nulz (der Name entstammt übrigens einem imaginären Rittergeschlecht, ganz in der Nähe des Dorfes Krachberg gelegen), in Chiton ähnlichen Gewändern auf der Bühne – als perfekte Ausstaffierung zum Programm „Mythos. Was uns die Götter heute sagen“ mit der Schauspielgöttin Adele Neuheuser.
Letztere wiederum knöpfte sich die Vorlage des Autors Stephen Fry in der Übersetzung von Matthias Frings unverkleidet vor. Verkehrte Welt möchte man meinen. Auch sonst lebte der Abend im Landsberger Stadttheater von hehren Gegensätzen, von Dingen, die rein theoretisch nur schwer zusammenfinden wollen. Da wären Punk und griechische Mythologie, Blues und Komik, Tragik und Befriedigung, Fassungslosigkeit und Trivialität, Progressive-Metal und Dramenwirrniss, Mord und Totschlag, ja, auch ein wenig Klamauk war mit im Spiel. Alles fand an diesem Abend nicht nur seinen Raum, sondern, den Göttern sei Dank, auch zu einem gemeinsamen künstlerischen Ausdruck. Landsberg scheint für ein solch kontroverses Projekt genau das richtige Pflaster.
Aber der Reihe nach: Nachdem Edi Nulz den Abend mit ihrer Hardcore Kammermusik musikalisch einleiteten, deklamierte Adele Neuheuser eben jene Teile aus Frys Vorlage, welche die Schaffung der Titanenwelt aus dem Chaos beschreibt, dabei ganz charmant die Theorie des Urknalls streift, letztendlich in der Welt der griechischen Gottheiten landet, um am Ende die Urmaterie der Atome einzuflechten. Es sind jene salopp erzählten Geschichten, die uns die sagenhaften Götter so gar nicht tadellos beschreiben, die uns sozusagen auf irdischer, auf menschlicher Augenhöhe begegnen, mit all ihren Macken und Makeln eben, die uns aus eigener Alltäglichkeit heraus vertraut erscheinen. Neid, Missgunst, Zügellosigkeit, Verschlagenheit und Untreue - das ganze Universum lasterhafter Untugenden wird rauschhaft zitiert.
So begegnet das Publikum Zeus und Kronos, Apollon und Dionysos, hört von frivolen Abenteuern und schmachvollen Demütigungen, wird Zeuge musikalischer Wettkämpfe und zerstörerischer Gold-Gier.
Adele Neuheuser steigt in den vor urbritischer Komik nur so triefenden Text mit ganzer Leidenschaft ein, füllt ihn aus, fühlt sich in ihm hör- und sichtbar wohl, belebt ihn mit kleinen, verteufelt sympathischen Nuancen. Das ist, obwohl ein Monolog, ganz großes Theater.
Edi Nulz sind, trotz ihrer musikalisch zügellosen Fantasien, im Grunde ihres Herzen überzeugte Realisten. Sie durchforsten die Musikgeschichte, zitieren, kommentieren und improvisieren und erinnern in ihrer detailverliebten Kompromislosigkeit immer ein wenig an Frank Zappa. Auch so eine olympische Gottheit, die mit allen irdischen Wassern gewaschen war. Allein die Instrumentierung des Trios schreckt auf: Gitarre, Schlagzeug, Bassklarinette. Das klingt nach kalkuliertem Chaos und sagenhaften Urknall.
Jörg Konrad

Hier Bericht in der Augsburger Allgemeinen Zeitung / Landsberg
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Bilder
Samstag 08.04.2023
Dusko Goykovich (geb. 14. Oktober 1931, gest. 05. April 2023)
Mainstream heißt bewahren von Werten

Der Trompeter Dusko Goykovich und das Harald Rüschenbaum Trio in Puchheim

Puchheim. Sein Ton ist weich und voller Poesie. Selbst dann noch, wenn Dusko Goykovich sich mit verzehrender Energie in die höchsten Lagen schraubt, scheint er innerlich gelassen und immer auf dem Boden der musikalischen Realität des Mainstream. So kann nur jemand Trompete und Flügelhorn spielen, der sein Instrument und dessen Handhabung vollkommen beherrscht, und der zugleich aus einem riesigen Fundus von Erfahrung schöpft.
Es ist eine Freude und Lust, dem Spiel des heute 73-jährigen zu folgen, der, wie am vergangenen Donnerstag im Kulturcentrum PUC mit dem Harald Rüschenbaum Trio, noch immer auf der Bühne steht und Das Publikum an seiner Überzeugung „Jazz ist Freiheit“ teilhaben lässt.
Jazz ist auch bei Dusko Goykovich mit dem bewahren von Werten eng verknüpft. Er hat einen Teil der Geschichte des Jazz in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten an den Originalschauplätzen hautnah miterlebt. Und natürlich haben ihn diese Erlebnisse geprägt, fühlte er sich von Bebop und Cooljazz vor Ort besonders angesprochen und persönlich herausgefordert. So ist ein Großteil seines Repertoires auch heute noch von dieser musikalisch so aufregenden Ära stark geprägt. Standards wie „Secret Love“, „Summertime“ oder „Misty“, Kompositionen von Kenny Dorham, Antonio Carlos Jobim und Dizzy Gillespie bestimmen sein Programm.

Vom Ballast befreit

Wie stark sich aber der heutige Leiter der Belgrader Radio Big Band dem lyrischen und sparsamen Spiel eines Miles Davis verbunden fühlt, wird besonders in den Balladen deutlich. Wenn Goykovich mit dem gestopften Horn und ohne jedes Vibrato die Themen schemenhaft anreißt, die Improvisationen, von jedem überflüssigen Ballast befreit, verhangen aber ausdrucksstark gestaltet, dann kommt für kurze Momente das Gefühl auf, am Original teilzuhaben. Dazu trägt auch das Harald Rüschenbaum Trio bei. Weit mehr als eine Sideband musizieren hier drei hervorragende Musiker miteinander. Rüschenbaum selbst ist ein unglaublich dynamischer Schlagzeuger, der jedoch voller Sensibilität die Ränder seines Instruments immer wieder neu zu erkunden versteht. Er trommelt gruppendienlich, nutzt aber Freiräume konsequent für druckvolles Powerplay.
Christian Diener spielt einen wohltemperierten Bass, eher unauffällig, aber gerade deshalb so wichtig, weil verlässlich grundierend. Walter Lang war an diesem Abend ein großartiger pianistischer Begleiter. Vollkommen uneigennützig hat er sich in die Band eingebracht und mit seinensehr verhaltenen pianistischen Motiven doch musikalische Ausrufezeichen gesetzt. Statt virtuosem Tastenzauber ein eher klangmalerischer Äsket und nicht zuletzt aus diesem Grund ein genialer Partner für Dusko Goykovich. Der wiederum adelte Walter Lang an diesem Abend mit dem Prädikat: „Einer der besten Pianisten, die ich kenne.“ Ein gewaltiges Lob an einem insgesamt mitreißenden Konzertabend.
Jörg Konrad
(SZ 12./13.05. 2005)



Jazz auf dem Höhepunkt der Zeit

Das Dusko Goykovich Quintett vermeidet jede nostalgische Rückbesinnung

Germering. Noch bevor der erste Ton auf der Bühne des Amadeussaales der Germeringer Stadthalle am Freitagabend überhaupt gespielt wurde, konnten die Veranstalter ein positives Echo ziehen. Denn die anfänglichen Zweifel, ob der Jazz nach einer langen Zeit der Abstienenz im Germeringer Kulturtempel vom Publikum gleich als Abo-Reihe angenommen werden würde, zeigten sich als völlig unbegründet. Das Interesse war schon vor Monaten riesig und die Karten im Handumdrehen vergriffen. Ja, es hätten ohne große Schwierigkeiten noch ein paar Dutzend mehr verkauft werden können. So waren zum ersten Konzert der Reihe „Jazz It“ sämtliche zweihundert Plätze im Amadeussaal besetzt und das Dusko Goykovich Quintett konnte vor „vollem Haus“ auftreten.
Der Trompeter fühlte sich mit seiner Band in dieser von gespannter Aufmerksamkeit gekennzeichneten Atmosphäre dann auch hörbar wohl. Andererseits ist Goykovich ein erfahrener und mit sämtlichen Wassern der Musikbranche gewaschener Instrumentalist, der im Laufe seiner über fünf Jahrzehnte andauernden Karriere gelernt hat, alle möglichen und unmöglichen konzertante Begleiterscheinungen zu meistern.
In Germering brachte der in Bosnien geborene Musiker verschiedene Instrumentalisten-Generationen zusammen. So den mit einem relaxt abgehangenen Sound agierenden Jürgen Seefelder am Saxophon, den wunderbar originellen wie virtuosen Pianisten Claus Raible, den Grandseigneur unter den Münchner Bassisten Branko Pejakoviv und am Schlagzeug den jungen und mittlerweile und allen Bereichen erfahrenen Guido May. Das Repertoire setzte sich aus Standard-Melodien von George Gershwin, Dizzy Gillespie und Billy Strayhorn sowie Kompositionen von Goykovich zusammen, die ein breites stilistisches Spektrum abdeckten, wie die Miles Davis gewidmete Ballade „Five o`clock In The Morning“, das ungestüme „Remember Dizzy“ oder die Latin Komposition „Inga“.
Die Band agierte in einer Geschlossenheit und Frische, wie sie für eine flüssige, Bop-orientierte Spielweise auch zwingend notwendig ist. Die Dynamik des Satzspiels, der rhythmisch stabile wie geschmeidig federnde Unterbau, die von Ausdrucksstärke und packender Dramaturgie gekennzeichneten Improvisationen – das Quintett ließ mit seiner Spielauffassung und interpretatorischen Umsetzung nicht den leisesten Verdacht einer nostalgischen Rückbesinnung aufkommen. Dusko Goykovich zeigte sich wieder einmal als der große Melodiker des Jazz. Sein Ansatz und seine Formulierungen an der Trompete sind ebenso elegant, wie sein verhangener, weicher Ton am Flügelhorn. Diesem Instrumentalisten hört man sein Alter nicht an. Oder anders ausgedrückt: Der Jazz hat Dusko jung erhalten.
Jörg Konrad
(SZ 22. Oktober 2007)
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Freitag 24.03.2023
Landsberg: Otto Lechners funkelnde Seelenlandschaften
Bilder
Landsberg. Es gibt nur wenige Aufnahmen der Rockgeschichte, die bei Veröffentlichung einen Beifallssturm auslösen, dessen Echo auch ein halbes Jahrhundert später nichts von seiner Intensität eingebüßt hat. Ein Album, das nach 50 Jahren keinen Deut gealtert scheint, dessen Subtilität, Klarheit und Gefühlstiefe noch heute in seinen Bann schlägt, so dass dieser Tage kaum eine Tageszeitung, die feuilletonistisch auch nur etwas auf sich hält, nicht wenigstens einen Artikel über dieses Kunstwerk in Auftrag gibt. Nein, James Lasts „Non Stop Dancing“ - Dauerbrenner Nummer 14 ist hier sicher nicht gemeint. Es handelt sich um Pink Floyds „The Dark Side Of The Moon“, in Deutschland erschienen am 24. März 1973. Gibt es über diesen Millionenseller, über dessen Entstehen und Wirken ganze Bücher geschrieben wurden, noch Unerwähntes zu berichten? Wahrscheinlich nicht.
Otto Lechner, im niederösterreichischen Melk geborener Akkordeonspieler, stimmte am Donnerstag im Landsberger Stadttheater einen eigenen, sehr speziellen Lobgesang auf dieses Tongemälde, diesen „Bilderrausch in Musik“ an. Er spielte das Jahrhundertwerk im ersten Teil seines Konzertes komplett durch. Das ganze Album in einer knappen dreiviertel Stunde, natürlich mit den bekanntesten (aber nicht unbedingt besten Pink Floyd-) Songs „Money“ und „Time“.
Lechner schafft das Kunststück, dieses Pop-Opus auf eine völlig andere Stufe zu bringen. Was gedanklich kaum möglich scheint, funktioniert bei ihm ganz wunderbar. Mit seinem Akkordeon, für Lechner die „Symbolik von Geselligkeit und Alleinsein“, bringt er die Luft im Theatersaal zum vibrieren, gibt diesen üppigen wie elegant eingespielten Original-Aufnahmen eine melancholische Bodenständigkeit. Er macht sie förmlich zu einer ganz persönlichen Performance, wobei er die allseits bekannte Vorgabe an vielen Stellen aufbricht und mit eigenen, originellen Versatzstücken anreichert. So bringt Lechner Kafka-Texte in das Musik-Stück ein, baut das bis heute absolut unterschätzte Ätherwelleninstrument, das Theremin, gespielt von der Amerikanerin Pamelia Stickney, mit in den musikalischen Kontext und auch der einstige Begleiter des legendären Ostbahn-Kurti, Gitarrist Karl Ritter, war mit von der Partie.
Lechner zaubert, so wie man das von ihm kennt, aus dem Akkordeon eine ganze Welt, in ihren unterschiedlichsten Farben und widersprüchlichsten Gefühlslagen. Er ist einer jener seltenen wie wertvollen Musiker, die finden, statt unablässig zu suchen. Ihm ist die Subtilität des Musikantentums enorm wichtig und wenn er ein solches Projekt, wie die Interpretation eines Pop-Klassikers dieser Größenordnung angeht, dann weiß man, dass es eben nicht um das alleinige Nachspielen von Songs geht - auch wenn die Ohrwürmer der Albums an vielen Stellen vertraut aufblitzen. Aber darauf verlässt sich Lechner eben nicht allein. Sein Repertoire auf der Handorgel geht eben über die Klischees von Neuer Volksmusik, New Mussette oder den Tango Nuevo weit hinaus. Und er flüchtet auch nicht in eine überbordene Virtuosität, die alle Subtilität erbarmungslos niederwalzt. Lechner beherrscht auch die feingesponnene Poesie und grummelnde Nachdenklichkeit.
Das wird im zweiten Teil seines Konzertes deutlich, nachdem er Pamelia Stickney und Karl Ritter zu Anfang die Möglichkeit gibt, sich solistisch vorzustellen. Dann, gemeinsam, fröhnen die Drei einer Art traditionellem Wienerlied, dieser Chimäre aus Blues und Walzertakt, die letztendlich nichts anderes ist als eine funkelnde Seelenlandschaft ohne Pathos.
Jörg Konrad

Hier Bericht in der Augsburger Allgemeinen Zeitung / Landsberg
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Freitag 17.03.2023
Fürstenfeld: Sandro Roy Unity Trio – Melodisch erfüllte Sehnsüchte
Zum vergrößern bitte Bild anklicken!
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Fotos: TJ Krebs
Fürstenfeld. Die ersten Pflöcke dessen, was sich als europäischer Jazz profilieren sollte, schlug Django Reinhardt und sein Quintette du Hot Club de France schon Mitte der 1930er Jahre ein. Die Formation spielte Gypsy Swing, der sowohl im Vorkriegseuropa, als auch transatlantisch enormen Erfolg hatte. Den Geigenpart in diesem schlagzeuglosen Quintett hatte Stéphane Grappelli inne, ein Virtuose auf vier Saiten, der auf der Violine im Jazz bis heute das Maß der Dinge ist.
Natürlich kommt auch Sandro Roy, der 29jährige Geiger mit Wohnsitz Augsburg, an Grapelli nicht vorbei - wenn er selbst auch seinen Gitarre spielenden Vater als das große Vorbild einstuft. Aber Roy, der einst eine klassische Ausbildung absolvierte, konnte mit seinem Temperament und seinen Wurzeln letztendlich nur im Bereich swingender Improvisation (weich) landen. Wer ihn wie am gestrigen Mittwochabend in Fürstenfeld Live erlebt, spürt dieses volle Risiko, das er mit seinem Instrument eingeht, diese Sicherheit, die er instrumental ausstrahlt und dieses musikalische Entertainment, das er locker aus dem Ärmel schüttelt.
Er nimmt jede melodische Form, egal ob es sich um Eigenkompositionen handelt oder Standards bis hin zu Gassenhauern wie Irving Berlins „Puttin’ on the Ritz“, und zerlegt sie mit seinem rhapsodischen Legatostil in ihre Einzelteile, verschleppt schmiegsam die Akzente und gibt ihnen einen zusätzlichen energetischen Schub. Und immer ist es die scheinbare Leichtigkeit, mit der er das Publikum beeindruckt und auch teilhaben lässt, an seinen elegant fließenden, sprudelnden solistischen Glanzlichtern.
Befeuert werden diese melodisch erfüllten Sehnsüchte von seiner enorm, manchmal regelrecht schwerstarbeitenden Rhythmusgruppe, bestehend aus dem Gitarrtisten Sven Jungbeck und dem Bassisten Stefan Berger. Schwindelerregend halten sie die Zeit, steigern die Geschwindigkeit selbst dann, wenn dies kaum noch möglich scheint und geben zugleich der ganzen Musik Fundament und Balance.
So ist das Sandro Roy Unity Trio nicht nur Bewahrer einer faszinierenden Spielkultur, sondern zugleich auch ein Erneuerer dieser (zeitlosen) Tradition.
Jörg Konrad
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
© 2024 kultkomplott.de | Impressum
Nutzungsbedingungen & Datenschutzerklärung
KultKomplott versteht sich als ein unabhängiges, kulturelle Strömungen aufnehmendes und reflektierendes Portal.