Landsberg. Der Mensch scheint sich selbst im Weg zu stehen. Stets auf der Suche nach dem Glück der Zweisamkeit, lässt er diese, einmal dafür entschieden, wieder schicksalhaft durch die Händen gleiten. Sehnsucht kontra Zwanghaftigkeit, Beziehungsideen kontra Poesie. Ulrike Langenbein und Sabine Mittelhammer, unterwegs als Duo Compagnie HANDMAIDS, haben ihr kleines Theaterstück für Figuren und Gegenstände „Trial & Error“ mitten im Berliner Nahverkehr platziert. Eine tatsächlich chaotisch wirkende Romanze, zwischen Janowitzbrücke und Alexanderplatz, Landsberger(!) Straße und Bundestag spielend - mit wenig Kulisse, aber viel Liebe zum Detail.
Doch im Landsberger Stadttheater beginnt alles im „Amt für schicksalshafte Begegnungen innerhalb der beschienten Infrastruktur Berlins“. Zwei weibliche Bedienstete, die die Schicksale der Menschen dokumentieren, verwalten und beurteilen. Eine Art höhere Instanz, angelegt zwischen spitzelnder Geheimpolizei und Gott dem Allmächtigen, ohne die Möglichkeit anzuwenden, die Vergangenheit, ganz im orwellschen Sinne, auf die Gegenwart abzustimmen.
Die zwei Angestellten, die in ihrer Persönlichkeit und damit Dienstauffassung nicht unterschiedlicher sein können, haben einen „alten Fall“ aufzurollen, in dem das Schicksal nicht das gewünschte Resultat erzielte. Die Frage nach dem „Warum sind diese beiden Menschen nicht zusammengeblieben“, lässt sie in die Vergangenheit reisen, um das Rendezvous und den weiteren Verlauf der zwischenmenschlichen Beziehung detektivisch zu durchleuchten.
Stehen im ersten Teil der Inszenierung stärker die beiden Amtspersonen und ihr diffuses, von Slapstick und Wortakkrobatik gekennzeichnetes Miteinander im Mittelpunkt, konzentriert sich die Geschichte im zweiten Teil intensiver auf die zu beobachtenden Liebesleute und deren Interaktion untereinander. Und hier laufen Ulrike Langenbein und Sabine Mittelhammer zu Hochform auf. Die beiden Schauspielerinnen, Puppenbauerinnen und -spielerinnen hauchen ihren Figuren reales wie auch traumverlorenes Leben ein. Unter ihren Händen werden die Puppen zu atemberaubenden, vitalen Wesen. Man kann ihre Masken lesen und die Seelenlandschaft dahinter erkennen. Ihre Sprache und ihre Bewegungen sind aufeinander abgestimmt, gleichen die starre Mimik der geschnitzten Gesichter faszinierend aus und verblüffen mit ihrer komplexen Mischung aus Schauspielkunst und Handwerk das Publikum aufs angenehmste (ein Geheimnis der Branche: Nur sehr gute Schauspieler können sehr gute Puppenspieler werden).
Als Requisite genügt den beiden Hauptakteurinnen ein Drehtisch, der als Bahnsteig oder U-Bahnsitz völlig ausreicht. Später lassen die beiden Schau- und Puppenspielerinnen ihre Protagonisten als kleine Stabpuppen romantisch im Mondenschein spazieren, oder zeigen sie als kleine, diffus wirbelnde Stoffstreifen in einem Café beieinander. Alles besitzt und verströmt eine bewegende Poesie, durch die selbst Alltagsgeschichten in einem völlig neuen Licht erscheinen. Hier greift die Magie: Weniger ist mehr, weil nichts überarrangiert oder gespreizt komisch wirkt. Eher melancholisch und nachhaltig berührend.
Jörg Konrad