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1. Kenny Wheeler „Gnu High“
2. Brian Blade „Mama Rosa“
3. David Virelles „Carta“
4. Michael Formanek Quartet „As Things Do“
5. Dominic Miller „Vagabond“
6. Hely „Plode“
Mittwoch 07.06.2023
Kenny Wheeler „Gnu High“
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„ … eines der schönsten Alben der letzten Zeit überhaupt ...“ schwärmte im April 1976 das damals noch in Stuttgart beheimatete Jazzpodium über Kenny Wheelers „Gnu High“. Vor fast fünf Jahrzehnten erschien diese Platte und die Musik hat inhaltlich und in ihrer Wirkung bis heute nichts von ihrem Zauber eingebüßt. Insofern ist es nur konsequent und sollte für alle „Spätgeborenen“ eine tatsächliche Freude sein, dass ECM seine neue audiophile Vinyl-Reissue-Serie Luminessence mit eben jener Wheeler-Debüt-Aufnahme eröffnet.
„Gnu High“ gehört zu den wirklich raren Einspielungen, in denen Keith Jarrett außerhalb des Dunstkreises von Charles Lloyd und kurz darauf Miles Davis als Sideman zu hören ist. Jarrett setzt hier seine virtuose Kunst einfühlsam ein und glänzt mit aufreizenden, differenzierten Improvisationen. Er begleitet gelassen und spielt in seinen Solis gegen jede larmoyante Vergänglichkeit strukturiert an.
Der kanadische Trompeter Kenny Wheeler entschied sich bei der Vervollständigung dieses grandiosen Quartetts für den Bassisten Dave Holland und den Schlagzeuger Jack DeJohnette. Beide hatten mit Jarrett schon in Miles Davis Bands gemeinsam gespielt und faszinieren auch hier mit ihrer rhythmischen Finesse und aufregenden Balance, was den Gruppenduktus betrifft.
Wheeler selbst besticht mit seinem klaren wie melancholischen Ansatz auf Trompete und Flügelhorn. Er gibt der Musik eine melodische Strahlkraft, überrascht in den drei wunderbaren, eigenen Kompositionen aber auch mit schrillen, durchdringenden Attacken, sowie langlinigen Sehnsuchts-Intonationen. In dieser Reife und diesem Ewigkeitsanspruch gehört „Gnu High“ in eine Reihe von Aufnahmen, die dem Verstehen des „neuen“ Jazz extra Türen geöffnet hat, deren akustische Nachbeben bis heute zu vernehmen sind.
Neben dieser Kenny Wheeler-Einspielung ist zugleich das Album „Saudades“ des brasilianischen Perkussionisten Nana Vasconcelos auf Vinyl erschienen. Es folgen demnächst weitere, längst vergriffene oder bisher nie auf Vinyl erschienene Aufnahmen von Jan Garbarek, Don Cherry, Gary Burton, Zakir Hussain u.a..

Kenny Wheeler
„Gnu High“
ECM Luminessence Series
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Freitag 02.06.2023
Brian Blade „Mama Rosa“
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Brian Blade ist ein eigensinniger Musiker. Er hat für Bob Dylan, Joni Mitchell und Emmylou Harris getrommelt. Aber auch seine Arbeit für Brad Mehldau, Wayne Shorter oder Chick Corea hatte stets diesen besonderen, man könnte meinen stillen Drive, wie ihn nur ganzheitliche Schlagzeuger besitzen. Blade präsentiert an Becken und Fellen keine artistischen Extravaganzen, sondern er stellt seine rhythmischen Kommentare begleitend in den Dienst der Initiatoren der jeweiligen Alben.
Wenn der 1970 in Louisiana geborene Sohn eines Geistlichen eigene Aufnahmen vorbereitet und umsetzt, klingen diese Arbeiten wieder völlig anders. Seit 1998 veröffentlicht er mit der Band Fellowship Kompositionen aus seiner Feder. Diese bewegen sich in einem gänzlich anderen Raum, in dem Soul und Gospel, Folk und Jazz, Pop, New Orleans und Ambient ineinanderfließen. Es sind autobiographische Verweise, Musik, die ihn seit Kindertagen begleitet und sozialisiert hat, Texte, die von vertrauten Menschen und deren Befindlichkeiten erzählen. Dieses im Grunde Songwriting gibt seiner Musik einen extrem authentischen Charakter, der allein für Aufsehen und vor allem Glaubwürdigkeit sorgt.
Auch das 2009 erschienene Album „Mama Rosa“ besteht überwiegend aus leisen, reflektierenden Songs, die in ihrer Substanz und Wirkung zur Zeit ihres ersten Erscheinens nicht ausreichend wahrgenommen wurden. Nun ist „Mama Rosa“ noch einmal als Doppelalbum auf Vinyl mit einem zusätzlichen Song neu aufgelegt worden. Und man kann dieses stille Meisterwerk nicht hoch genug loben. Es eröffnet in seiner Melancholie und Stimmungsintensität neue Horizonte. Es ist in seiner Archaik, in seinen fließenden Dämmerzuständen ideale Seelen- und Geistesnahrung. Blade spielt neben dem Schlagzeug auch Klavier und Gitarre und füllt zugleich den Gesangspart. An seiner Seite der überlebensgroße Daniel Lanois und, als zweiter Pedal Steel-Guru, Greg Leisz. Musik voller Poesie und sophisticated Charme.
Jörg Konrad

Brian Blade
„Mama Rosa“
Stoner Hill Records
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Dienstag 30.05.2023
David Virelles „Carta“
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Wer Jazz spielt kommt letztendlich an der afrikanischen Musiktradition nicht vorbei. Wer in Kuba als Musiker aufwächst, für den sind afrikanische Wurzeln der Ausgangspunkt jedes einzelnen Tages. David Virelles ist in Santiago de Cuba geboren und spielt Jazz. Insofern gibt es für den Pianisten vor der afrokubanischen Musiktradition erst recht kein Entrinnen. Einer seiner Glaubenssätze lautet heute aber: „Alle Musik ist wichtig.“
Das mag rückblickend aber auch an seinem intensiven Lebenslauf liegen. Früh zog es ihn ins kanadische Toronto, wo er Oscar Peterson noch persönlich kennenlernte. In New York studierte er anschließend bei Henry Threadgill und spielte mit Chris Potter und Andrew Cyrille. Derzeit besitzt der 40jährige eine Professur in Zürich und gibt seine reichhaltigen Erfahrungen an die nächste Generation von Instrumentalisten weiter.
Respekt ist dabei Virelles oberstes Gebot und so outet er sich auf seinem neuen Album „Carta“, eingespielt mit dem Bassisten Ben Street und Schlagzeuger Eric McPherson, auch als ein überzeugter musikalischer Kosmopolit. Bei ihm wechseln die Texturen und Stile – innerhalb eines Stückes. Die Übergänge zwischen traditioneller Besinnung und freier Spielweise sind fließend. Die Musik strahlt eine positive Offenheit aus, die oft durch kubanische Rhythmen geformt ist. Gleichzeitig besitzen die neun Kompositionen, acht stammen aus der Feder Virelles, etwas sehr Persönliches, fast Intimes. Verspielte Melodien, in ihrer Schlichtheit nicht selten an Kinderlieder erinnernd, kontra verhalten pulsierende, leichtfüßige Improvisationen.
Jörg Konrad

David Virelles
„Carta“
Intakt
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Dienstag 23.05.2023
Michael Formanek Quartet „As Things Do“
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Dieses Quartett vereint die momentan wohl stärksten Interpreten der Avantgarde im Jazz. Ein kreativer Stoßtrupp, eine provokante Gesellschaft der Erneuerung von Musik: Michael Formanek am Bass, Saxophonist Tony Malaby, Kris Davis am Klavier und Schlagzeuger Ches Smith. Dabei huldigen die Vier auf „As Things Do“ nicht allein dem individuellen Gedanken klanglicher Autonomie. Sämtliche acht Kompositionen stammen aus der Feder von Formanek. Und dieser schreibt Stücke, in denen die einzelnen Instrumentalstimmen ineinandergreifen, sich gegenseitig motivieren, verstärken, oft wie ein sparsam arrangiertes Orchester daherkommen. Das Ergebnis klingt komplex, besitzt die Aura suggestiver Underground-Music, nicht selten das Flair galliger Standards. Selbst in den „schrägsten“ Passagen funkelt noch ein ganzes Universum an Poesie.
Hier bleibt kein Platz für larmoyante Melodien! Dafür ist die Welt draußen zu scheel, fordert die Zukunft zu stark heraus, dokumentiert zu sehr die Realität das akustische Denken. Auf „As Things Do“, Formaneks immerhin viertem Album für das Zürcher Intakt-Label, bestimmt ganz eindeutig die Verbindung zwischen Intensität und Intelligenz das musikalische Geschehen. Dieser Wechsel zwischen präziser und kollektiver Disziplin und einer befreiten, avantgardistischen Grundhaltung sorgt für einen hohen Puls. Ein Quartett als Garant für herausfordernde Musik in konfliktbeladenen Zeiten.
Jörg Konrad

Michael Formanek Quartet
„As Things Do“
Intakt
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Dienstag 16.05.2023
Dominic Miller „Vagabond“
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Dominic Miller sieht sich selbst als „instrumentalen Songwriter“. Und tatsächlich kommen auch die Kompositionen seines neues Albums „Vagabond“ vermeintlichen Erzählungen recht nahe. Es sind in der Gemeinschaft eines Quartetts fein ausbalancierte Geschichten, musikalische Novellen, deren Inhalte weniger um eine Story kreisen, als dass sie Landschaften und Stimmungen, Gedanken und Personen beschreiben. Statt einer straffen Handlung leuchten die Aufnahmen aufgrund ihrer schwebend leichten und harmonisch abgestimmten Improvisationen. Es ist eine Musik, deren Ränder offen bleiben, die einen Zauber vermitteln und den Hörer in die unterschiedlichsten Richtungen und Befindlichkeiten führen. Traumhafte Schattierungen auf unerforschtem Terrain. Voller Poesie und gelassener Intensität gespielt.
Miller, der in Argentinien geboren und den USA aufgewachsen ist, wurde bekannt als Gitarrist und quasie „rechte Hand“ des einstigen Police-Gründers Sting. Das erstes Soloalbum von ihm erschien 1995. „Vagabond“ ist nun die dritte Veröffentlichung für ECM. Seine neue Band („Wie bei allen meinen Alben ändere ich gern die Besetzungen, was mich immer dazu ermutigt, eine andere Richtung einzuschlagen“) besteht momentan aus dem schwedischen Pianisten Jacob Karlzon, dem belgischen Bassisten Nicolas Fiszman und dem israelischen Schlagzeuger Ziv Ravitz. Jeder einzelne dieser Instrumentalisten ist ein erfahrener Musiker und in der Lage, sich mit seiner Persönlichkeit bei Auslotung der musikalischen Topographie sensibel einzubringen. Miller führt diese internationale Allianz sicher, aber niemals vorlaut durch die Klangräume seiner insgesamt acht Kompositionen. So entsteht weltoffene Musik und ein brillantes Album.
Jörg Konrad

Dominic Miller
„Vagabond“
ECM
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Dienstag 09.05.2023
Hely „Plode“
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Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind für den künstlerischen Ausdruck jedes Duos von ausschlaggebender Bedeutung. Ohne Sensibilität und gegenseitigem Verstehen sind gemeinsame musikalische Exkursionen kaum möglich. Dies trifft besonders auf die Kunstfertigkeit des Jazzspiels zu. Dabei muss nicht alles harmonisch klingen. Ein intensiver Dialog kann auch aus Gegensätzlichem bestehen, kann Kontroversen bereichernd begreifen und Unentdecktes freilegen. Trotzdem muss dabei das Abweichende mit dem Übereinstimmenden in einem positiven Verhältnis stehen.
Lucca Fries und Jonas Ruther schreiben in dem Begleittext zu ihrem Albums „Plode“ von gewissen Spannungen untereinander. „Während wir an der Platte arbeiteten, wurden die Dinge zwischen uns ziemlich kompliziert“, erzählt Fries über den Entstehungsprozess der Musik. „Es gab eine Menge Bewegung, eine Menge heftiger Diskussionen.“
Das musikalische Ergebnis zeigt aber, wie die beiden Schweizer Konflikte, unterschiedliche Auffassungen in ihrem Duo Hely kreativ überwunden und damit dieses grandiose Album haben entstehen lassen. Die Musik des Duos reibt sich in den Bereichen Minimal, Clubmusik, Avantgarde, Pop und Klassik sehr intensiv aneinander. Der Pianist Fries und der Schlagzeuger Ruther entwickeln einen komplexen Sound, der in ständiger Bewegung ist, der einen bestimmten rhythmisch brodelnden Flow besitzt, dessen ästhetischer Anspruch stark an die Arbeiten Nik Bärtschs erinnern - bei dessen Label Ronin Records „Plode“ auch veröffentlicht wurde.
Es sind häufig tradierte Rhythmusstrukturen, die mit einer oft ungeraden Metrik die Grundlage der fünf Kompositionen bilden. Kleine, erfrischende pianistische Figuren, die einem ständigen Veränderungsprozess unterliegen, halten die Schlagzeugmuster wie eine Klammer zusammen. Es ist ein sich gegenseitig ergänzendes, herausforderndes und schöpferisches Musizieren der beiden Instrumentalisten. Luftig verspielt aber auch unglaublich intensiv.
Jörg Konrad

Hely
„Plode“
Ronin Rhythm Records
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