Fürstenfeld. Jazz ist Abenteuer, ist eine musikalische Expedition in für den Mainstream wenig erforschtes Terrain. Alles fließt, im besten Fall, zwischen höchster Konzentration und sinnlichem Sichgehenlassen. Dabei immer die Unerbittlichkeit des Augenblicks im Auge und dem Naturell des Interpreten verpflichtend. Seine geographische Herkunft und damit kulturelle Verwurzelung, sein sozialer Hintergrund und sein musiktheoretisches Rüstzeug spielen heute eine ebenso große Rolle, wie schon vor über einhundert Jahren. Lokales Musizieren hat den Jazz immer geprägt – und auch vorangebracht: New Orleans, Chicago, Sinti Swing, Downtown und, seit über sechs Jahrzehnten auch Spanien mit seinem Flamenco Jazz. Kein geringerer als Miles Davis beschäftigte sich an der Seite von Gil Evans Ende der 1950er Jahre mit spanischer Musik, dokumentiert auf dem wunderbaren Album „Sketches Of Spain“. Einige Jahre später fand bei den Berliner Jazztagen 1967 ein Konzert unter dem Titel „Flamenco Jazz“ statt, das später auch auf Vinyl erschien. Und wieder nur einige Jahre später schuf Chick Corea mit der Komposition „Spain“ eine Art Jazz-Hymne auf die spanische Musik, die heute weltweit in den unterschiedlichsten Interpretationen und Stilen zu hören ist. Spanien als ein europäischer Impulsgeber des Jazz – bis in unsere Tage.
Insofern war der gestrige Auftritt Daniel Garcias im Fürstenfelder Veranstaltungsforum ein beredtes Zeugnis für diese Verweise. Der 1983 in Salamanca geborene Pianist ist ein ungestümer wie auch sensibler Musiker, der das musikalische Erbe seiner Vorfahren im Blut zu haben scheint. Beflügelt von der Folklore seiner Heimat, in der auch außerhalb Andalusiens der Flamenco eine tragende Rolle spielt, erschließt er dem Jazz zugleich neue Inspirationsquellen. Garcias Klavierstil ist phänomenal und zugleich von einer emotionalen Wucht. Daniel García Diego, wie er mit vollem Namen heißt, findet eine ausgezeichnete und vor allem aufregende Balance zwischen eben jener regionalen Musikalität, seinem Improvisationsgeschick und dem Wissen um die Historie des Jazz. Er baut seine Stücke dramaturgisch spannend auf, weiß die Momente der Steigerung geschickt einzusetzen und nimmt auf seinem Solo-Recital das Publikum mit auf eine belebende Reise. Egal ob Standards wie „I Am the Walrus“ der Beatles, Henry Mancinis „Moon River“, oder jenen Flamenco Verweisen oder kastilischen Volksliedern – Garcia zerlegt virtuos die Melodien, wechselt zügig die Akkorde, verlagert, verzögert, kombiniert die Rhythmen und streift (nur kurz) auch Dissonanzen. Schwindelerregend seine funkelnden Läufe über die schwarz-weiße-Tastatur, tief berührend seine fein strukturierte Konservationen. Hier ist ein neuer, grandioser Interpret gereift, ein feuriges Energiebündel und zugleich ein lyrischer Pianist.
Zu Garcias Favoriten gehört übrigens eben jenes Meisterwerk „Sketches Of Spain“ von Miles Davis und Gil Evans, das ihn bis heute fasziniert und musikalisch begleitet - wodurch sich der Kreis zwischen Flamenco und Jazz endgültig schließt.
Mittlerweile existiert die Reihe JAZZ FIRST seit 2003 und ist mit ihren 20 Jahren die älteste Jazzreihe im Landkreis. Von Beginn an gehört neben Norbert Leinweber als Chef des Veranstaltungsforum Irina Frühwirth vom KlangWort Entertainment zu den unermüdlichen Förderern und Machern dieser außergewöhnlichen Konzertreihe. Weit über einhundert Konzerte sind meist im Kleinen Saal des Hauses über die Bühne gegangen und haben ein aufmerksames Publikum begeistert. Mit dem nächsten Konzert am 04. Oktober (Afra Kane Duo) wird die neue Saison 2023/24 eröffnet. Die weiteren Termine: 29.11.23 (Masako Ohta (Klavier) / Matthias Lindermayr (Trompete)); 13.12.23 (VoicesInTime); 28.02.24 (The Jakob Manz Project); 10.04.24 (Helge Lien Trio); 15.05.24 (Raab / van Endert / Tortiller).
Jörg Konrad