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121. Scheinbare Ordnung
120. Orion im Anmarsch
119. Ist da jemand?
118. Bringt EUCLID Licht ins Dunkel?
117. Unverantwortlicher Erststart
116. Die Dekade der Showdowns (in der Astronomie)
Freitag 01.12.2023
121. Scheinbare Ordnung
Bilder
EsWa, Galaxien 218, Digital, 160 x 60, 2023
Im Weihnachtsmonat Dezember wird uns die strahlend helle Venus leider nur den Morgenhimmel erhellen. Gegen 6 Uhr ist sie hoch im Südosten auszumachen. Saturn taugt auch nicht so recht zum Weihnachtsstern, denn gegen 21 Uhr verschwindet er in der Dämmerung am westlichen Himmel. Somit bleibt der Planetenriese Jupiter das hellste Objekt am nächtlichen Himmel. Gegen 21.30 Uhr steht er hoch im Süden und bleibt bis gegen 3 Uhr früh sichtbar.
Das Wintersechseck, das durch die Verbindung der Hauptsterne der Sternbilder Fuhrmann, Zwillinge, Kleiner Hund, Großer Hund, Orion und Stier zu Stande kommt, ist nun bereits um 22 Uhr vollständig sichtbar und damit für den Beobachter fast die ganze Nacht deutlich zu erkennen.
Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten“ - diesen Satz hat vielleicht jeder schon einmal in seinem Leben gehört. Von Merkur bis Pluto konnte man sich so anhand der Anfangsbuchstaben die Reihenfolge der die Sonne umlaufenden Wanderer (so die Bedeutung des namens Planet) gut einprägen. In unserem Sonnensystem schien Ordnung eingezogen zu sein. Als dann aber Pluto im Jahre 2006 durch einen Beschluss der IAU (Internationale Astronomische Union) seinen Planetenstatus verlor, gab es plötzlich eine strukturierte Reihung, die mit der Zahl 4 einherging: Die vier Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars bewegen sich auf elliptischen Bahnen in Sonnennähe und werden Gesteinsplaneten genannt. Die vier wesentlichen größeren Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun brauchen auf ihren sonnenfernen Bahnen viele Jahre oder gar Jahrhunderte, ehe sie unser Zentralgestirn einmal umlaufen haben. Unter den vier Zwergplaneten war Pluto plötzlich sogar die Nummer Eins. Haumea, Makemake und Eris sind die weiteren Mitglieder dieser illustren Gesellschaft.
Doch gerade mit der Benennung des Kleinkörpers Eris, der nach der griechischen Göttin der Zwietracht benannt ist, begann der große Krach unter den Astronomen selbst: Welche Kriterien setzt man bei diesen kleinen Körpern nun an? Für Zwergplaneten galt zumindest bis auf weiteres, dass ein Durchmesser von mindestens 1000 km Voraussetzung für die Aufnahme sei.
Genau dieses Kriterium wurde mit dem fünften Zwergplaneten Ceres im Nachgang wieder aufgeweicht, denn mit 973 km ist er um 27 km zu klein. Doch der IAU war es wichtig, einen Zwergplaneten in relativer Sonnennähe zu haben. Übrigens wurde Ceres nach seiner Entdeckung durch Giuseppe Piazzi am 1.Januar des Jahres 1801 für kurze Zeit als Planet betrachtet. Doch die schon kurze Zeit später von den deutschen Astronomen Olbers und Harding entdeckten Asteroiden Pallas, Juno und Vesta zeigten auf, dass es keine neuen Planeten, sondern eben Asteroiden sind.
Noch heute streiten die Astronomen ziemlich verbittert um die genaue Nomenklatur ihrer kleinen Körper. Eines ist aber gewiss: Ihre Erforschung ist in den letzten Jahrzehnten entscheidend vorangetrieben worden und es vergeht kaum ein Jahr ohne sensationelle Entdeckungen, denn gerade die Asteroiden (auch Planetoiden oder Kleinkörper genannt) sind die meistbereisten „Spezies“ des Sonnensystems.
Für die Astronomen sind diese „small bodies“ so außerordentlich interessant, weil diese Körper so etwas wie Urstoff darstellen. Seit den Frühzeiten der Sonnenentstehung hat sich das Material, aus dem sie bestehen, nicht mehr verändert.
Daher war es auch nicht verwunderlich, dass die NASA unlängst sogar eine Sondersendung auf den Weg brachte, als ihre Sonde OSIRIS Rex praktisch im Vorbeiflug eine Materialprobe vom Asteroiden Bennu sicher auf der Erde absetzte. Seither werden die knapp 250 Gramm Gestein genausten Prüfungen in den verschiedensten Laboren der Welt unterzogen.
Eine weitere NASA-Sonde namens Lucy hat auf ihrem Weg zu insgesamt sechs Asteroiden aus der Gruppe der Jupiter-Trojaner, unlängst den Asteroiden Dinkinesh fotografiert. Die Sensation war perfekt, als die Bilder plötzlich einen Zwillingskörper zeigten. Hinter dem Hauptkörper Dinkinesh verbarg sich ein Asteroidenmond. „Dinkinesh hat seinem Namen wirklich alle Ehre gemacht; das ist wunderbar“, freut sich der leitende Forscher der „Lucy“-Mission, Hal Levison. Er bezieht sich dabei auf die Bedeutung von Dinkinesh in der amharischen Sprache: „wunderbar“. Dinkinesh ist ein kleiner Asteroid, der bis zu „Lucys“ kurzem Besuch nur ein verschwommener Fleck in den Teleskopen von Astronomen war.
Aber auch andere Raumfahrtnationen haben in der Erforschung der Körper des Hauptgürtels große Erfolge aufzuweisen. Allen voran die japanische Raumfahrtbehörde JAXA, die mit den beiden Hayabusa-Missionen Neuland betrat, denn auch sie schafften es, Probenmaterial von Asteroiden zur Erde zu bringen. Vor allem aber gelang es, die ungewöhnliche Form des angesteuerten Asteroiden Ryugu durch dessen Rotation besonders deutlich zu machen.
Abschließend sei die NASA-Mission DART (Double Asteroid Redirection Test, englisch für „Doppelasteroiden-Umleitungstest“) erwähnt. Sie hat mit all dem Unfug um die Bekämpfung von Asteroiden, die sich der Erde auf Kollisionskurs nähern und sie vielleicht sogar stark in Mitleidenschaft ziehen könnten, erfolgreich aufgeräumt. Ihre Aufgabe bestand 2021 darin, bei einem Zwillingsasteroiden die Flugbahn des kleineren der beiden Körper durch ein gezieltes Anstoßen zu verändern. Dies gelang großartig, denn Dimorphos umrundet seine Hauptkörper Dydimos nun auf einer viel größeren Bahn.
Somit wird es zukünftig durch den Erfolg von DART weder einen „Deep Impact“ oder ein „Armageddon“ a la Hollywood geben. Heute wissen die Raumfahrtingenieure, dass ein kleiner Anstoß reicht, um ein großes Unglück zu vermeiden. Einmal mehr zeigte sich dabei, dass seriöse Wissenschaft doch besser ist, als blühende Phantasie.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Mittwoch 01.11.2023
120. Orion im Anmarsch
Bilder
EsWa, Galaxien 211, Digital, 150 x 70, 2023
Im Monat November gibt es die Möglichkeit, drei Planeten unseres Sonnensystems ausgiebig zu beobachten. Als „Abendplanet“ präsentiert sich Saturn. Der Ringplanet ist im Südwesten bis 23 Uhr deutlich zu erkennen, da er alle umliegenden Sterne überstrahlt. Eine Aufnahme des James-Webb-Space-Telescopes zeigt die eindrucksvolle Schönheit des Gasriesen, der die 95fache Masse unserer Erde besitzt und auf diesem Bild von einigen seiner 145 Monde flankiert wird.
Jupiter hingegen ist als „Nachtplanet“ zu bezeichnen. Über viele Stunden zieht er seine hohe Bahn in südlicher Richtung und läuft den Wintersternbildern voran. Auch hier zeigt eine grandiose Aufnahme des Webb-Telescopes die ganze Pracht des größten Planeten, der fast 318mal schwerer als unsere Erde ist.
Der „Morgenstern“ Venus überstrahlt natürlich alles. Er läuft der Sonne voraus und ist ab 5 Uhr früh nicht zu übersehen. Venus wird auch als Schwesterplanet der Erde bezeichnet und bringt 82% der Masse unseres Heimatplaneten auf die Waage.
Ende des Monats lösen die Wintersternbilder die Konstellationen des Herbstes nach und nach ab. Besonders das Sternbild Orion ist ein deutlich sichtbares Zeichen für diesen Wechsel. Im Laufe des Monats ist der Himmelsjäger immer besser zu sehen, wenn es die Wetterverhältnisse erlauben. Durch seine markanten Gürtelsterne Alnitak, Alnilam und Mintanka fällt er schnell ins Auge. Die Bedeutung dieser fremdländisch klingenden Namen ist recht einfach erklärt. In alten arabischen Sternkarten waren sie linke und rechte Seite des Gürtels bzw. als Gürtelschnalle bekannt. Am gesamten Sternhimmel ist keine weitere Konstellation von drei Sternen zu finden, die sowohl die gleiche Helligkeit als auch den gleichen Abstand zum mittleren Stern haben. Unter Ihnen ist das Schwertgehänge deutlich zu erkennen. Es beinhaltet den berühmten Orionnebel, ein weitläufig als Sternentstehungsgebiet bekannter Bereich mit hoher Gasdichte.
Mit Rigel, was soviel wie Fuß des Kriegers heißt, ist der hellste Stern des Orion gleich unterhalb der Gürtelsterne leicht zu erkennen. Für viel Furore sorgte in der Vergangenheit immer wieder Beteigeuze. Dieser Stern, dessen ebenfalls arabischer Name soviel wie die verletzte Schulter des Kriegers bedeutet, hat mit vielen Auswirkungen seines fortgeschrittenen Alters zu kämpfen.
Sie resultieren aus dem fehlenden Gleichgewicht zwischen der zum Kern hin wirkenden Gravitation und dem nach außen gerichteten Strahlungsdruck. Ist dieses Gleichgewicht vorhanden, leuchtet ein Stern gleichmäßig, ist es gestört, kommt es zu Helligkeitsschwankungen. Darüber hinaus scheint er aber auch Phasen zu haben, in der eine übermäßige Teilchenstrahlung – vergleichbar mit einem Sonnensturm, nur um ein Vieltausendfaches stärker – Gase vom Stern wegtreiben. So geschah es, dass vor gut zwei Jahren genau ein solcher Gasausstoß in Richtung Erde passierte. Als Resultat verdunkelte sich Beteigeuze deutlich sichtbar. Erstmalig seit langer Zeit war dies mit bloßem Auge zu erkennen.
Unlängst konnte ein Forschungsteam um Matthew Kenworthy von der Universität Leiden sogar nachweisen, dass der Stern ASASSN-21qj im Sternbild Achterdeck (Lat. Puppis) ebenfalls stark abdunkelte. Hier war der Grund übrigens ein völlig anderer: Zwei noch junge Planeten stießen in der Nähe des Sterns zusammen. Dies galt bisher nach den Gesetzen der Planetenbewegung als nahezu unmöglich. Der Zusammenstoß zerstörte beide noch junge Himmelskörper vollständig und die sich ausbreitende Trümmerwolke „knippste“ das Licht des Zentralsterns aus.
Doch zurück zu den Strahlungsausbrüchen. Die sogenannten CME´s (Coronal Mass Ejection) gehören auch bei unserer Sonne zu den markantesten Ereignissen. In den vergangenen 15.000 Jahren sind insgesamt drei ganz große Ausbrüche nachweisbar.
Der wohl gewaltigste koronale Massenauswurf konnte durch die Dendrochronologie jetzt auf 12200 Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert werden. Altholzforschern gelang dies mit Hilfe einer Holzprobe aus dem französischen Fluss Drouzet.
Damals prasselten hochenergetische Teilchen mit rund 500 Stundenkilometern direkt auf die Erdoberfläche, da sie aufgrund ihrer übergroßen Stärke nicht wie sonst von dem uns umgebenden Magnetfeld aufgehalten werden konnten. Das sogenannte Myake-Ereignis war 10mal stärker als alle bisher bekannten Sonnenstürme. Das Resultat dieser kosmischen Verstrahlung wäre heute fatal, denn es würde unser Leben auf der Erde für mindestens drei Jahre extrem erschweren, da viele fragile elektronische Netzwerke komplett erneuert werden müssten. Wir würden also die Abhängigkeit von diesen Netzwerken buchstäblich am eigenen Leib erfahren.
Nach kosmischen Maßstäben ist dies allerdings nur ein recht unbedeutender Zwischenfall auf einem Gesteinsplaneten am Rande der Galaxis.
Ein deutsch-französisches Forscherteam konnte unlängst nachweisen, dass auch Sterne, die ihre Endphase erreicht haben, noch ungeheure Mengen von Energie abstrahlen können. Ein solches Strahlungsmonster ist der sogenannte Vela–Pulsar. Dieser Neutronenstern ist das Resultat einer Supernova und dreht sich für einen „Leuchtturmstern“ sehr langsam. Nur elf Mal pro Sekunde blitzt er auf. Im Vergleich dazu sei erläutert, dass diese schnell rotierenden Objekte bis zu 800mal pro Sekunde aufflackern können.
Arache Djannati Atai von der Universite Paris Cite bringt den Strahlungsrekord auf den Punkt, wenn sie erläutert, dass der Neutronenstern im Sternbild Segel (lat. Vela) 20 Tera-Elektronenvolt (TeV), also etwa das Zehnbillionenfache der Energie des sichtbaren Lichts, abstrahlt. Koautorin Emma de Ona Wilhelmi vom deutschen Institut DESY (Deutsches Elektronen Synchroton) sagt dazu, dass nur extrem dichte Pulsare in der Lage seien, solche Energiemengen zu produzieren. Zum Vergleich: Ein Teelöffel Materie des Vela-Pulsars wiegt mit ungefähr 5 Milliarden Tonnen soviel wie 900 Gizeh-Pyramiden.
Am bekanntesten ist der Krebsnebel-Pulsar, da er als erster der neuen Klasse der schnellrotierende Neutronensterne 1968 durch David H. Staelin und Edward C. Reifenstein entdeckt wurde. Ein aktuelles und besonders hochauflösendes Bild des Webb Telescopes vom 30.10. zeigt die Umgebung des Pulsars.
Doch abschließend sei das wohl energiereichste Ereignis, das jemals stattgefunden hat, vorgestellt. Es fand allerdings bereits vor 8 Mrd. Jahren statt. Zu dieser Zeit hätte man in unserer Region noch 3,35 Milliarden Jahren bis zur Bildung des Sterns Sonne warten müssen. Die erste Sichtung geht auf den 13.April 2021 zurück. Philip Wiseman von der University of Southampton entdeckte am altehrwürdigem Mount Palomar Observatorium in Kalifornien als erster Astronom diese energetische Anomalie.
Normalerweise dauern die Helligkeitsausbrüche beispielsweise von einer Supernova, bei der ein Stern in einer gewaltigen Explosion seine Existenz beendet, nur wenige Tage oder Wochen.
Doch bei AT2021lw - wie das Ereignis inzwischen genannt wird - erreicht uns die Strahlung ununterbrochen seit mehr als zweieinhalb Jahren. Bisher ist die unvorstellbare Energiemenge von 2,5 x 10 hoch 45 Joule abgegeben worden. Das ist einhundert Mal mehr Energie als bei allen bisher bekannten Ereignissen dieser Art.
Was hinter diesem so rätselhaft langanhaltenden Mega-Ausbruch steckt, ist noch immer in der ausgiebigen Diskussion der Astrophysiker und zeigt somit einmal mehr, dass unser Universum noch immer voller Geheimnisse steckt.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Sonntag 01.10.2023
119. Ist da jemand?
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Im Monat Oktober merken wir nun deutlich, dass die Tage wieder kürzer werden.
Am 23. September hatten wir Tagundnachtgleiche. Zugleich ist dies der astronomische Herbstanfang und der Einstieg in das Winterhalbjahr. Auch am Sternhimmel vollzieht sich ein deutlicher Wandel und wir können am frühen Abend die verschiedensten Konstellationen bewundern. So sind im Südwesten mit den Sternbildern Leier, Adler und Schwan noch die Sternbilder des Sommerdreiecks gut zu erkennen. Im Süden wiederum steht das aus Andromeda und Pegasus bestehende Herbstviereck sichtbar in mittlerer Höhe. Aber auch die ersten Wintersternbilder schauen am frühen Morgen in nordöstlicher Richtung über den Horizont. Allen voran der Fuhrmann mit seinem leuchtend hellen Stern Kapella, seines Zeichens dritthellster Stern am Nordhimmel.
In der morgendlichen Dämmerung ist sogar der hellste der nächtlichen Sterne gut zu erkennen. Es ist Sirius aus dem Sternbild Großer Hund. Allerdings zeigt sich hier deutlich, wie stark die Planeten das Sonnenlicht reflektieren, denn in südlicher Richtung überstrahlt der Planetengigant Jupiter deutlich das Licht des Sterns Sirius. Wenn man dann auch noch gute Sicht in Richtung Osten hat, fällt der Planet Venus als „Morgenstern“ sofort ins Auge. Seine Helligkeit stellt alle anderen Himmelsobjekte in den Schatten.
Vor gut 40 Jahren begann mit der Entdeckung des Planeten 51 Pegasi b auf einer nachweisbaren Umlaufbahn um den Katalogstern 51 im Sternbild Pegasus das Zeitalter eines neuen Forschungsgebietes der Astronomie: Das Aufspüren von fernen Exoplaneten. Seither sind mehr als 5300 dieser extrasolaren Himmelskörper identifiziert worden. Die meisten von ihnen gerieten natürlich aufgrund ihres großen Abstandes zu ihrer Exosonne und ihrer gigantischen Größe recht bald in die Fänge der Detektoren der Exoplaneten-Jäger. Es sind die sogenannten „Super Jupiters“, die zum Teil den bis zu zehnfachen Durchmesser unseres Planetenriesen Jupiter aufweisen. (https://www.nasa.gov/topics/universe/features/super-jupiter.html)
Doch die Suche sollte sich schon bald auf die Planeten konzentrieren, die ihren Hauptstern auf einer engeren, der Erde ähnlichen Bahn umlaufen. Sie wird habitable Zone genannt und in unserem Planetensystem hat nur die Erde diese ideale Position inne. Selbst unser Nachbarplanet Mars liegt am äußersten Rand dieses Areals. Es ist somit nur eine schmale Zone, in der sich Lebensformen nach Ansicht der Astronomen entwickeln können. Nur hier ist der optimale Abstand zum wärmenden Stern gegeben und die Möglichkeit der Existenz von Wasser unter einer Atmosphäre, die außerdem noch vor den gefährlichen Strahlungsarten des Zentralsterns schützt, vorhanden.
Doch leider ist es in erster Linie genau die relative Nähe zum Hauptstern, die einen Nachweis sehr schwierig macht. Mit der Zeit aber haben die Astronomen ihre Beobachtungsmethoden verfeinert und so konnte nun erstmals eine Gruppe von Forschern um Nikku Madhusudhan von der Universität Cambridge vermelden, dass der Planet K 2 -18b tatsächlich eine Atmosphäre besitzt und dass die Temperaturen annehmbar sind. Natürlich konnte dies nur mit dem derzeit stärksten Auge der Menschheit, dem James-Webb-Space-Telescope, nachgewiesen werden. Die Astrophysiker haben kohlenstoffhaltige Moleküle wie Methan und Kohlendioxid in der Atmosphäre des Exoplaneten K2-18b nachgewiesen. Außerdem ist dort Dimethylsulfid (DMS) vorhanden, ein Molekül, das zumindest auf der Erde nur von Lebewesen produziert wird. Die weitere Auswertung der Daten verspricht also spannend zu werden.
Mit der Entdeckung ist logischerweise noch keine intelligente Lebensform nachgewiesen, denn die DMS-Spuren deuten eher auf einfachere Bioformen hin. Doch wie wäre es, wenn jemand dort draußen im Abstand von 120 Lichtjahren ganz in der Nähe des Braunen Zwergstern K 2-18 im Sternbild Löwe mit uns Kontakt aufnehmen wollte? Dies wäre ein aufwendiger Prozess, denn aufgrund der Lichtgeschwindigkeit würde eine einzige simple Kommunikation mit Frage und Antwort allein schon 240 Jahre dauern.
Wie schaut es aber mit einem direkten Besuch unserer eventuellen neuen Nachbarn aus? Gelinde gesagt sind unsere derzeit erreichbaren kosmischen Geschwindigkeiten dafür viel zu gering und mit der vielzitierten Schneckenpost vergleichbar. Das derzeit schnellste, von Menschenhand gebaute Raumschiff ist die Parker Probe Sonde. Nach einer letzten Kurskorrektur soll sie mit fast 700.000 Kilometern pro Stunde um die Sonne rasen. Zum Vergleich: Mit dieser Geschwindigkeit würde man von Berlin startend New York in etwa 33 Sekunden erreichen.
Mit 61.500 Kilometern pro Stunde ist die Raumsonde Voyager 1 mehr als zehn Mal langsamer, dafür verlässt sie aber unser Sonnensystem. Da eine Kurskorrektur nach 46 Jahren Flugdauer nicht mehr möglich ist, könnte es nur der Zufall in die Nähe des Planeten K 2-18b bringen. Doch die Reisezeit ist mit mehreren Hunderttausend Jahren unfassbar lang und stellt darüber hinaus nur den Hinflug dar. Allerdings kommt noch ein weiterer, nicht außer Acht zu lassender Fakt dazu: Voyager 1 ist weder für eine Landung noch für ein Abbremsmanöver gebaut. Für ein gesichertes „Abfangen“ müsste direkt vor Ort die außerirdische Lebensform selbst sorgen. Diesen Gedanken griff der berühmte Astronom Carl Sagan bereits bei der Konstruktion der Raumfahrzeuge Voyager 1 und 2 auf, indem er die vergoldeten Laser Discs an die Raumfahrzeuge anbringen ließ.
Er ging davon aus, dass eine Lebensform, die dieses Gefährt entdeckt, so intelligent sein sollte, die Raumsonde abzufangen und zu bergen. Dann sollte es für die extraterrestrischen Wesen ein Leichtes sein, auch ein Abspielgerät für die „Goldene Schallplatte“ zu entwickeln, um dann die dort gespeicherten Informationen über die Spezies Mensch abzurufen. Sagan hat dereinst natürlich nur grundsätzliche Informationen über die Bewohner des dritten Planeten des Sterns Sonne auf die Scheibe bringen lassen. Hätte er auch erwähnt, dass die Geschichte der Menschheit in erster Linie durch Kriege bestimmt wurde und dass sich daran leider bis heute nur wenig geändert hat, würde das Interesse der Außerirdischen an den wohl doch nicht so intelligenten Menschen vom Planeten Erde sicher recht schnell verblassen.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Dienstag 01.08.2023
118. Bringt EUCLID Licht ins Dunkel?
Bilder
EsWa, Galaxien 201, Digital, 130 x 90, 2023
Der Höhepunkt des Monats August wird die Möglichkeit der Beobachtung von bis zu 100 Sternschnuppen pro Stunde sein. Sie stammen vom bekannten Meteoritenstrom der Geminiden, welcher aus dem Sternbild Zwillinge (lateinisch Gemini) zu kommen scheint. Verfolgt man die Leuchtspur dieser im englischsprachigen Raum auch „Shooting Star“ genannten Leuchterscheinungen auf ihren Ursprung (Radiant) zurück, so scheinen sie aus der Nähe der beiden Hauptsterne Kastor und Pollux zu kommen. Im Mittelalter wurden sie auch Laurentiustränen genannt. Dies ist ein Bezug auf das Martyrium des heiligen Laurentius am 10. August des Jahres 258. An diesem Tag sollen extrem viele Sternschnuppen gefallen sein, die als Schmerzenstränen des Gemarterten gedeutet wurden. In diesem Jahr stört kein Mond, sodass man sich bei guter Sicht am 13. August vor allem in den frühen Abendstunden durchaus auf ein himmlisches Spektakel freuen kann.
Als einziger Planet ist Saturn die ganze Nacht zu sehen, der am 27.August seine beste Beobachtungsmöglichkeit erreicht, da er dann genau gegenüber der Sonne (Opposition) steht. Ein Umstand, der auch das Team des James Webb Space Telescopes dazu bewogen hat, den Ringplanet etwas genauer unter die (Super)-Lupe zu nehmen.
Der Gasriese Jupiter ist in der zweiten Hälfte der Nacht deutlich in südöstlicher Richtung auszumachen. Für Frühaufsteher eignet sich das Aufsuchen der Venus am Morgenhimmel. Nachdem sie über Monate den abendlichen Himmel nach dem Sonnenuntergang dominiert hat, wechselt sie nun zur Sichtbarkeit kurz vor Sonnenaufgang. Allerdings ist ein guter Beobachtungsplatz gefragt, da sie nur wenige Grad über dem Horizont steht und nach knapp einer Stunde von der Sonne überstrahlt wird.
Die vergangenen Wochen standen im Zeichen des Beginns mehrerer wissenschaftlicher Forschungsprojekte, die für die Astronomie von großer Wichtigkeit sein könnten.
Zum einen gab es in den Monaten Mai und Juni den „Restart“ für die Erfassung von Gravitationswellen. Über Jahre waren die beiden amerikanischen Detektoren LIGO 1 und LIGO 2 (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) sowie der Detektor VIRGO des European Gravitational Observatory außer Betrieb, da sie aufwendig überholt und neu kalibriert wurden. Mit verstärkter Aufnahmefähigkeit sollen die 2x4 Kilometer großen Versuchseinrichtungen mit Nanometer-Präzision kleinste Schwankungen der Raumzeit erfassen, die ihrerseits die Grundlage für die Erfassung gigantischer Sternverschmelzungen darstellen. Zukünftig werden sie noch von einem dritten Detektor namens KAGRA unterstützt, der von der Universität von Tokio betrieben wird.
Auch die Erforschung unseres Sonnensystem wird mit der Raumsonde JUICE (Jupiter Icy Moons Explorer) eine völlig neue Qualität erreichen. Der Jupiter wird zwar derzeit von dem Raumfahrzeug JUNO (Jupiter Near-Pole Orbiter) ausgespäht, doch der seit 2016 in einem immer kleiner werdenden Orbit agierende Satellit ist als reine Planetensonde ausgelegt, die unser Wissen um den Gasriesen entscheidend erweitert. Eine Ariane 5 hat nun JUICE am 14.April 2023 ebenfalls auf den Weg zum Jupiter gebracht.
Nach dem Einschwenken in eine Umlaufbahn wird dieser Forschungssatellit allerdings ausschließlich die großen Eismonde Kallisto, Ganymed und Europa untersuchen. Bei letzterem Mond werden riesige Wassermassen unter dem ungefähr 100 km dicken Eispanzer vermutet. Mit JUICE soll diese Theorie, die sogar einen gigantischen unterirdischen Ozean voraussagt, bewiesen werden. Ein erstaunlicher Fakt dieser Unternehmung liegt darin, dass die Leitung der gesamten Forschungsmission nach dem im Jahr 2011 erfolgten Ausstieg der NASA allein in der Hand der europäischen Raumfahrtagentur ESA liegt. Es ist gleichzeitig die erste Gesandtschaft einer ganzen Reihe von äußerst ehrgeizigen Projekten der European Space Agency, die unter der Bezeichnung „Cosmic Vision“ die verschiedensten Forschungsprojekte plant, koordiniert und letztlich auf den interplanetaren Weg führt.
Die ebenfalls zu diesem Programm gehörende Sonnensonde Solar Orbiter erregte aufgrund ihrer Forschungsergebnisse in der Fachwelt große Aufmerksamkeit. Die seit 2020 ohne große Probleme arbeitende Raumsonde liefert immer wieder außerordentliche Bilder. Ein Zusammenschnitt verschiedenster Kameraaufnahmen verdeutlicht dies eindrucksvoll, denn hier kann man erkennen, welche gewaltigen Dimensionen ein sogenannter koronaler Massenauswurf (CME) haben kann. Die dabei innerhalb weniger Stunden von der Sonne abgegebene Strahlungsleistung würde ausreichen, um die Energieprobleme auf der Erde für Jahrtausende zu lösen.
Mit EUCLID hat die ESA am 1.Juli eine weitere Sonde aus dem ambitionierten Programm Cosmic Vision auf den Weg geschickt. Eigentlich sollte eine Sojus ST 2.1b-Trägerrakete das 1,4 Milliarden Euro teure Forschungsgerät in den Erdorbit katapultieren, doch die russische Raumfahrt-Agentur Roskosmos hat sich trotz der hochtrabenden Worte ihres Chefs Dmitri Rogosin aus dem Projekt zurückziehen müssen. Inzwischen ist Rogosin längst gefeuert und Roskosmos kann in den nächsten Jahren aufgrund der Nichtfertigstellung des Kosmodroms Wostotschniy weiterhin nur als geduldete Gäste vom kasachischen Baikonur mit Kosmonauten zur ISS starten.
So musste eine Falcon 9 des US-Unternehmens SpaceX gebucht werden, um EUCLID – benannt zu Ehren des antiken Mathematikers aus dem ägyptischen Alexandria – in eine Erdumlaufbahn zu bringen.
Von dort aus lenkten sie die bordeigenen Aggregate des zwei Tonnen schweren Gefährts zum Lagrange-Punkt L2, in dessen unmittelbarer Nähe schon das James Webb Space Telescope stationiert ist. Hier soll EUCLID die Abgeschiedenheit des kosmischen Vakuums nutzen, um dem wohl größten Geheimnis der modernen Kosmologie auf die Spur zu kommen. Es geht um die sogenannte Dunkle Materie, die von diesem sicheren und ungestörten Ort aus erstmals genauer untersucht werden soll. Wir wissen heute nur, dass gerade einmal fünf Prozent der Materie mit Licht in Verbindung zu bringen sind und somit gerade einmal ein Zwanzigstel des Universums sichtbar ist. Hieraus erklärt sich, dass die anderen 95 % der Materie einen anderen Ursprung und einen bisher völlig unbekannten Aufbau haben müssen. Die beiden Kameras von EUCLID sollen nun in die Vergangenheit des Kosmos eintauchen, um im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel zu bringen.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Samstag 01.07.2023
117. Unverantwortlicher Erststart
Bilder
EsWa, Galaxien 195, Digital, 120 x 110, 2023
Im Monat Juli stellt die abendliche Dämmerung noch immer ein Problem dar und die nächtliche Himmelsbeobachtung kann nicht vor 22 Uhr starten. Unser Abendstern Venus, der uns in den vergangenen Monaten als hellstes Objekt am Firmament erschien, verabschiedet sich bis zum Monatsende nach und nach, obwohl er tief im Westen ebenso wie der Planet Mars noch zu erkennen ist. Der Ringplanet Saturn stehen nun im Mittelpunkt der Betrachtung, da er die ganze Nacht über sichtbar ist. Zwar erreicht er nicht annähernd die Brillanz unseres Schwesterplaneten Venus, doch sein rötliches Leuchten im Sternbild Wassermann hebt ihn deutlich von den umgebenden Sternen ab. Das Sommerdreieck mit den Hauptsternen Wega (Leier), Atair (Adler) und Deneb (Schwan) bestimmt nach wie vor den Blick in Richtung Süden.

Das Leben des 1971 in Pretoria /Südafrika geborenen Elon Musk scheint eine unglaubliche Erfolgsstory zu sein. Ein kommerzieller Durchbruch reihte sich an den anderen: Zunächst startete er mit dem Bezahldienst PayPal durch, um dann 2002 das Raumfahrtunternehmen SpaceX zu gründen. Letztlich gelang ihm 2004 mit der Gründung der Firma Tesla der große Coup.
Seit fast 20 Jahren ist er nun äußerst erfolgreich in der Raumfahrt tätig. Seine Trägerraketen Falcon 9 und Falcon Heavy arbeiten nahezu störungsfrei und viele Komponenten der Raketen sind nach gesteuerter Rückkehr zur Erde wiederverwendbar. Damit hat sich Musk natürlich in der Raumfahrt einen Namen gemacht, nicht zuletzt auch weil es ihm gelang, das Monopol der russischen Raumfahrt im Bereich des Zubringersystems für die Internationale Raumstation ISS zu brechen. Höchst werbewirksam steigen endlich wieder Astronauten nach präzisem Andocken in den Außenposten der Menschheit um – unlängst sogar einige gut betuchte Weltraumtouristen, die für jeweils unfassbare 50 Millionen Dollar zehn Tage an der wissenschaftlichen Arbeit in den einzelnen Modulen der Station teilhaben konnten.
In der Gemeinde der Astronomen macht sich Musk seit 2020 sehr unbeliebt, weil er mit seinem Unternehmen Starlink eine ganze Armada von Kommunikationssatelliten für ein weltweites Internet auf den Weg bringen ließ. Diese „Lichter-Ketten“ konnten nach dem Start sogar mit bloßem Auge gesichtet werden. Für die Astrofotografie bedeutet dies aber, dass etliche Aufnahmen von Himmelsobjekten durch das Durchziehen der lichtreflektierenden Raumflugkörper unbrauchbar wurden, was Musk aber nicht davon abhielt, sein Milliarden schweres Programm weiter zu verfolgen, um nach Fertigstellung des „Space-Internet“ für potenzielle Kunden ein ständig und überall verfügbares Netz zur Verfügung stellen zu können.
Zu allen diesen Erfolgsgeschichten passt natürlich die Meldung vom 20.April 2023 überhaupt nicht in sein ambitioniertes Vermarktungskonzept. Auf dem in kürzester Zeit an der texanischen Südküste bei Boca Chica aus dem Boden gestampften Weltraumbahnhof kam es bei dem Versuch, die größte jemals gebaute Rakete in eine ballistische Bahn zu katapultieren, zu einem folgenschweren Unfall.
Die gigantische, über 120 Meter hohe Konstruktion Starship / Super Heavy hob zwar mit ohrenbetäubendem Lärm von der an einen Melkschemel erinnernden Startbasis ab, aber nach nur vier Minuten musste die Raketeneinheit in 30 Kilometern Höhe per Funkbefehl in den Modus der Selbstzerstörung überführt werden. Die Flugleitstelle kommentierte die Startsequenz allerdings noch unter dem Jubel der SpaceX-Mitarbeiter, obwohl die Fehlfunktionen nach und nach deutlich zu erkennen waren.
Selbst nach den Explosionen wollte das Newscenter der Musk-Firma SpaceX diesen krachenden Fehlversuch noch als eine Art nützlichen „Laborversuch“ hinstellen, doch ziemlich schnell wurde den Experten klar, dass der sonst so überaus eloquente Musk fatale Fehlentscheidungen getroffen haben musste. Das fragwürdige Konzept „schneller, weiter, risikoreicher“ steht nun im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Prüfstand: Waren die Trümmerteile der Raketen-Kombination noch weit draußen vor der texanischen Küste ohne Zwischenfälle in den Golf von Mexico gestürzt, boten sich am Startterminal unfassbar chaotische Bilder. Metergroße Beton-Trümmerteile der völlig zerstörten Startbasis lagen überall herum, unter dem Startplatz gähnte ein riesiger Krater und die insgesamt sechs hochempfindlichen Treibstoffvorratstanks waren deutlich sichtbar ausgebeult. Hier schrammte das Projekt an einer weiteren Explosionskatastrophe nur äußerst knapp vorbei. Den Experten standen nach ersten Auswertungen einzelner Bildsequenzen die Haare zu Berge. Im Gegensatz zu allen Erfahrungen hatte Musk – möglichweise aus Zeit- und Geldgründen – auf den Bau sogenannter Flammengräben verzichtet. Schon der deutsche Ingenieur und spätere NASA-Chef Wernher von Braun hatte vor 80 Jahren auf der von den Nazis errichteten Peenemünder Versuchsstation die Gefahr der Druckwellen erkannt und auf den Bau von „Abgasschurren“ gesetzt, welche die ungeheuren Mengen von hochbeschleunigten Abgasen der Raketenmotoren einfach seitlich abführten. Auch bei älteren Aufnahmen der Starts der Space Shuttle Flotte ist deutlich zu erkennen, wie die Abgase zunächst links und Sekunden später rechts aus dem Grabensystem herausschießen, wobei sinnvollerweise die Flammengräben schon vor dem Zünden der Raketenmotoren mit Wasser vorgekühlt wurden (https://www.esa.int/ESA_Multimedia/Videos/2011/07/STS-135_Space_Shuttle_Launch).

Auf alle diese Erfahrungswerte hat der selbsternannte „Raumfahrtexperte“ Musk offensichtlich großzügig verzichtet, obwohl er genau gewusst haben musste, dass die Abgasstrahlen der neuen, 4400 Tonnen schweren Superrakete einen noch nie dagewesenen Schub entfachen und direkt im rechten Winkel auf den Betonboden unterhalb des Startschemels treffen. Die Folge war ein Aufwirbeln metergroßer Betontrümmer, die bis weit hinein in die Umgebung schossen. Diese trafen auch die Raketenunterseite und zerstörten dabei drei der insgesamt 33 Triebwerke. Wenig später fielen drei weitere Triebwerke aus und die verbleibenden 27 Aggregate (im o.g. Video nach 1:20 min deutlich zu erkennen) konnten den fehlenden Schub scheinbar nicht ausgleichen. Nach zweieinhalb Minuten kippte die gesamte Konstruktion und geriet ins Trudeln. Ein Abbruch war nicht mehr zu vermeiden, sodass zunächst bei der Nutzlaststufe Starship und zwei Sekunden später bei der Trägerrakete Super Heavy das Selbstzerstörungssystem eingeleitet werden musste. Glücklicherweise kam bei dieser Aktion keine Person zu Schaden, doch nun ist die amerikanische Flugsicherungsbehörde FAA (Federal Aviation Administration) auf den Plan gerufen, die für ihre penible Arbeit bekannt ist.

Bleibt zu hoffen, dass die Mitarbeiter dieser Behörde Herrn Musk aufzeigen, dass der Raumfahrt zwar Innovation und Weitsicht gut zu Gesicht stehen, dass aber letztendlich die absolute Sicherheit an vorderster Stelle aller Überlegungen stehen muss. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn diese mit gerade einmal 82 Prozent Schubleistung abhebende Superrakete Astronauten an Bord gehabt hätte. Wie schon immer gilt auch für Elon Musk, dass sowohl in der unbemannten als auch in der bemannten Raumfahrt nur eine hundertprozentige Sicherheit zum Erfolg führen kann.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Donnerstag 01.06.2023
116. Die Dekade der Showdowns (in der Astronomie)
Bilder
EsWa, Galaxien 186, Digital, 150 x 160, 2023
Die Venus ist noch immer das auffälligste Objekt am Abendhimmel. Da im Juni die Dunkelheit erst nach 22 Uhr MESZ (Mitteleuropäische Sommerzeit) einsetzt, ist sie schon während der Dämmerung deutlich sichtbar. Am 21.Juni nähert sich der zunehmende Mond unserem Schwesterplaneten und es kommt zu einer engen Begegnung. Eine Woche zuvor ist es die abnehmende Mondsichel, die am frühen Morgen des 14.Juni dem Gasriesen Jupiter noch näher zu sein scheint. Beide Konstellationen sind natürlich nur ein perspektivischer Schein, denn im Gegensatz zum Erdmond, der im Mittel 386.000 Kilometer von der Erde entfernt ist, hat der Planet Mars zur Zeit einen Abstand von fast 100 Million Kilometern. Jupiter, der König unter den Planeten, ist mit derzeit 590 Millionen Kilometern mehr als 1500 mal weiter entfernt von der Erde als der Erdtrabant.
Am 21. Juni beginnt der astronomische Sommer. Dementsprechend ist das aus den Sternen Wega (Leier), Deneb (Schwan) und Atair (Adler) bestehende Sommerdreieck bereits 23 Uhr deutlich im Süden zu erkennen.
Schon immer haben Frauen die Entwicklung der modernen Astronomie entscheidend mitgeprägt. In den vergangenen Jahren hat sich Kosmos schon mehrfach mit dieser Thematik beschäftigt (Kosmos 82). Jetzt haben die amerikanische Raumflugbehörde NASA und die europäische Raumfahrtagentur ESA gemeinsam beschlossen, ein Teleskop der allerneusten Generation nach einer ebenso verdienstvollen wie bedeutenden Astronomin zu benennen: Das für große Beobachtungsflächen konzipierte Raumteleskop war unter der vorläufigen Bezeichnung WFIRST (Wide Field Infrared Survey Telescope) bekannt geworden. Nun erhält das Infrarot-Teleskop den Namen Nancy Grace Roman Space Telescope - kurz NGRST.
Sicherlich eine bessere Namenswahl als beim James Webb Space Telescope, denn im Gegensatz zum NASA-Administrator James Webb kann die im Jahre 1925 in Nashville, Tennessee geborene Nancy Roman schon als junge Frau auf eine Bilderbuchkarriere verweisen. So konnte sie nach einem vorzeitig abgeschlossenen Studium der Mathematik und Physik bereits mit 24 Jahren den Doktorgrad erwerben und war dann von 1949 bis 1955 einerseits als Dozentin an der University of Chicago und andererseits als Forscherin am Yerkes-Observatorium tätig. Für ihre bahnbrechenden Erfolge auf dem Gebiet der Radioastronomie wurde sie als eine der ersten Wissenschaftlerinnen überhaupt 1962 von John F. Kennedy mit dem Women Federal Award ausgezeichnet. Als führende Mitarbeiterin bei der NASA hatte sie sich in den darauffolgenden Jahren vor allem im Kongress intensiv für den Bau des Hubble-Weltraumteleskops eingesetzt, was ihr den Spitznamen „Mutter Hubble“ einbrachte. Bekanntlich wurde ihre Hartnäckigkeit belohnt und inzwischen zählt das in die Jahre gekommene Hubble-Space-Telescope zu den großen Erfolgsgeschichten der Astronomie. Doch gerade gegenüber dem HST soll das neue NGRST entscheidende Vorteile haben. Projektleiter Marco Sirianni von der ESA erklärte dies an einem eindrucksvollen Beispiel. „Kürzlich wurde unsere Nachbargalaxie M31 Andromeda durch ein Mosaik aus über 400 Einzelbildern des Hubble-Teleskops dargestellt. Die gleiche riesige Fläche kann das NGRST mit gerade einmal zwei Bildern abdecken.“
Dafür sind vergleichsweise gigantische Datensätze notwendig: Während Hubble bisher in mehr als 30 Jahren Betrieb 170 Terabyte gesammelt hat, erwartet man bei Webb 1000 Terabyte. Das Grace Roman Telescope wird hingegen bei fünfjähriger Betriebsdauer mehr als 20.000 Terabyte zu verarbeiten haben. Mit dieser Datenmenge wird es dann vielleicht erstmals möglich sein, die genaue Zahl der Milliarden von Galaxien im Universum zumindest abzuschätzen. Anschließend soll in den beteiligten Instituten mit vereinten Rechenkapazitäten das erste hochpräzise 3D-Modell des Kosmos erstellt werden. Auch die Expansionsgeschwindigkeit des Universums gilt es neu zu vermessen und es wird sich zeigen, ob Einsteins Theorien Bestand haben werden.
Bis es soweit ist, muss sich allerdings die Gemeinde der Astronomen in Geduld üben. Der geplante Start des mit drei Milliarden Dollar veranschlagten NGRST ist zunächst für 2027 vorgesehen. Bleibt zu hoffen, dass Elon Musk und seine Firma Space X alle Zeitpläne einhalten können und die Budgetvorgaben im vorgegebenen Rahmen bleiben. Das kann man aber erst mit Gewissheit sagen, wenn an Bord einer Falcon Heavy-Rakete alle hochempfindlichen Geräte sicher verstaut sind. Nur so kann das größte jemals gebaute Infrarot-Teleskop pünktlich seinen Dienst antreten.
2027 wird auch das erste Bild des neuen Extremly Large Telescopes des Europäischen Südobservatoriums (ELT der ESO) erwartet. Hier liegen die Baumaßnahmen in der chilenischen Atacama-Wüste im Plan und dem „First Light“, des von 16 europäischen Ländern finanzierten Projektes, steht momentan nichts im Wege.
Gegen Ende der Dekade wird es dann für die moderne Astronomie zu einem „Showdown“ kommen, denn die beiden Teleskope der Superlative werden ungeahnte Datenmengen generieren und eine Vielzahl von fantastischen Bildern zur Verfügung stellen und somit zeigen, dass die älteste Wissenschaft der Menschheit zu den dynamischsten Forschungsgebieten unserer Zeit gehört.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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