Patricia Görg spaziert in „Der Sturz aus dem Schneckenhaus - Bilder und Rätsel“ mit Wilhelm Busch fiktiv durch die Umgebung von Wiedensahl, einem winzigen Dorf, südwestlich des Steinhuder Meeres. Sie folgt seinen Gedanken und beobachtet sein Tun.
„Keiner hat ihn je malen sehen“, beginnt Patricia Görg ihren Text über Jean Siméon Chardin, den großen französischen Maler. Sie beschreibt die Modelle seiner Stilleben – nicht die Bilder. „Was sehen wir, wenn wir sehen?“, lautet ihre zentrale Frage. In seinen Bildern zumindest altern die Zellen nicht.
In „Die ersten Menschen“ begleitet Patricia Görg in den 1920er Jahren einen Trupp Kopistinnen nach Südrhodesien, kriecht mit ihnen gedanklich durch dunklen Höhlenschlamm und entdeckt Scharen von Silhouetten, die an die riesigen Granitwände gemalt sind. Blasse, bizarre, kantige Figuren. Menschen, die tanzen, laufen, fliegen, Antilopen, Flusspferde, ein Löwe ohne Kopf. Der Reigen hat keinen Anfang und nimmt kein Ende.
In elf wunderbaren, wie entrückt wirkenden Texten bringt Patricia Görg Kunst und Literatur zusammen. Man weiß nicht was mehr fasziniert: Die beschriebenen Personen, oder die Konzentration und Poesie des sich Näherns. Sie entwickelt mit ihren Formulierungen Spannungsbögen, die wie geheimnisvolle Botschaften klingen. „Dieses Buch bewegt sich durch meine Lieblingsgegend: den Raum zurückhaltender Kunst“, sagt sie selbst über „Der Sturz aus dem Schneckenhaus - Bilder und Rätsel“.
1960 in Frankfurt geboren, studierte Patricia Görg Theaterwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Sie erhielt für ihre Bücher unter anderem den Hörspielpreis „Lautsprecher“(1994), den Schubart-Literaturförderpreis der Stadt Aalen (2013), Italo-Svevo-Preis (2019). 2007 wurde sie für den Alfred-Döblin-Preis nominiert.
Jörg Konrad
Patricia Görg
„Der Sturz aus dem Schneckenhaus - Bilder und Rätsel“
Schirmer/Mosel
„Der Sturz aus dem Schneckenhaus - Bilder und Rätsel“
Schirmer/Mosel
Abbildungen:
- Jean Fautrier, Les boîtes de conserve, 1947
- Gislebertus, Der Traum der Magier, um 1130/40
- Vincent van Gogh, Vogelnester, 1885