Fürstenfeld. In Afra Kane steckt ebenso viel afro-amerikanischer Jazz, wie auch europäische Klassik, westliches Pop-Entertainment und leidenschaftliches Soulfieber. Derart ausgestattet braucht die italienisch-nigerianische Singer-Songwriterin keine Vergleiche mit den großen Vocal-Diven zu fürchten. Zu dem ist Afra Kane eine ausgezeichnete Pianistin, mit spürbarem Sinn für Form, für improvisatorische Dramaturgie und leidenschaftliches Powerplay. Ihre Anschlagskultur ist formidable, ihre Individualität subtil. So präsentierte sich die Sängerin, Pianistin und Komponistin mit ihrem musikalischen Partner Marius Rivier am Mittwoch im mittlerweile 150. Konzert(!!!) der Fürstenfelder Reihe Jazz First.
Das Programm bestand aus eigenen Songs, die Afra mit Hingabe und der ihr eigenen Selbstverständlichkeit vortrug. Viele Sängerinnen in ähnlicher Situation hätten sich in ihrer Repertoireauswahl stärker auf Jazz-Standards oder bekanntere Cover-Versionen gestützt. Afra Kane, heute in der Schweiz lebend, platzierte sich mit ihren Kompositionen in den nah beieinander liegenden stilistischen Territorien von Gospel, Soul und Rhythm & Blues. Hier kann sie ihre Möglichkeiten, nach eigenem Bekunden, am auffälligsten ausschöpfen.
Afra wurde im norditalienischen Vicenza geboren und erhielt als Neunjährige ersten Klavierunterricht. Sie liebt Chopin und Debussy und wurde gleichzeitig durch ihr Elternhaus mit afrikanischem Gospel konfrontiert. Später kamen dann wichtige Einflüsse durch die Stars des Motwon-Labels, wie Marvin Gaye und Aretha Franklin hinzu. „In der klassischen Musik war alles auf perfektionistische Interpretation ausgerichtet. Beim Singen von Soul konnte ich dagegen meine Gefühle ausdrücken, ohne mich irgendwie um die Technik kümmern zu müssen“, sagte sie in einem Interview.
Sie siedelte nach Wales um und kam dann, über das internationale Erasmus-Programm, nach Genf, wo sie promovierte. Gleichzeitig lernte sie die Musik von Keith Jarrett, dem Brasilianer Hermeto Pascoal und dem ukrainischen Pianisten und Komponisten Nikolai Kapustin kennen und lieben. Mit all diesen Einflüssen ausgestattet entwickelte sie ihre eigene Musik, die letztendlich ihren ungewöhnlich reichen Erfahrungsschatz widerspiegelt.
In Fürstenfeld musizierte sie mit dem Schlagzeuger Marius Rivier, der versuchte, mit einer möglichst breiten rhythmischen Vielfalt dem Set einen weltmusikalischen Rahmen zu geben. Dieser wirkte letztendlich jedoch einengend und die Musik begrenzend.
Afra Kane beeindruckte mit ihrer freien, bewusst nicht perfekten Interpretation der eigenen Kompositionen. Ihre warme, berührende Stimme vermittelte sowohl Sensibilität als auch Entschlossenheit, ihre Taktverschleppungen sowie ihr Gespür für Dynamik und Nuancen sind als ein Teil ihrer vocalen Identität zu verstehen. Im Nachhall darf man gespannt beobachten, ob sich hier eine Große Stimme entwickelt, die die Tradition der sophistizierten Jazz- und Soulladys fortsetzt.
Jörg Konrad