Zurück zu den neuesten Artikeln...
49. Landsberg: Fräulein Smillas Gespür für Schnee – Ein ästhetisch überz...
50. Germering: Claus Raible – Ein Trio in Hochform
51. Olching: Marianna Herzig & Wolfgang Brunner – Es geht auch anders
52. Fürstenfeld: Megastimmung beim Sound_of _Heimat Fürstival
53. München: Ein fulminanter Jazz Sommer im Bayerischen Hof
54. Fürstenfeld: Mojo Blues Band - Down the Highway 61
Freitag 29.09.2023
Landsberg: Fräulein Smillas Gespür für Schnee – Ein ästhetisch überzeugendes Konzept
Bilder
Foto: Lutz Edelhoff
Landsberg. Es ist an die drei Jahrzehnte her, da sprengte ein Roman des damals noch relativ unbekannten dänischen Autors Peter Høeg die Bestsellerlisten deutschsprachiger Literaturgazetten. Ein Krimi in Zeiten als diese, ähnlich den Kochbüchern, in der Welt der Bücher noch ein Nischendasein fristeten. Gleichzeitig war im Grunde aber klar: An diesem Text musste inhaltlich mehr sein, als dass ein einfacher Kriminalfall von einem verqueren (Privat-)Detektiv mit überdurchschnittlichem Intelligenzquotienten auf noch so skurrile Weise gelöst würde.
Høeg strickte in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ aus unterschiedlichsten Problemaspekten, von denen manche Kritiker behaupteten, es wären vielleicht zu viele, eine Geschichte, die, aus heutiger Perspektive betrachtet, ihrer Zeit ein wenig voraus schien. Aber das Publikum damals kaufte, las und liebte dieses Buch, das von einem vom Dach gestürzten sechsjährigen Eskimojungen, einer Naturwissenschaftlerin aus Grönland, von Alkoholsucht, einem weit zurück liegenden, aber bis in die Gegenwart wirkenden Katastrophenszenario und mehreren Nordland-Expeditionen handelte. Die Story wurde (natürlich) verfilmt, dramatisiert und erfuhr am Donnerstag als Puppenspiel des Erfurter Theater Waidspeicher eine Aufführung im Stadttheater Landsberg.
Eine Geschichte, die ihre Dramaturgie, ihren Charme und ihre Brisanz durch das Zusammenspiel von Handpuppen und Schauspielern entwickelte, die tatsächlich aufgrund ihres ästhetischen Konzepts und der spieltechnischen Umsetzung zumindest die Verfilmung deutlich in den Schatten stellt. Frank Alexander Engel hat diese Aufführung inszeniert und kann sich bei der Umsetzung des Stoffes auf ein engagiertes und professionelles Ensemble stützen.
Die Handlung wirkt hingegen ein wenig hölzern, abgesehen davon, dass hier Menschen mit Umwelt- bzw. Naturkatastrophen konfrontiert werden, die in der Lage sind, biologische Grundlagen auf der Erde gehörig aus dem Gleichgewicht zu bringen. In diesem Kontext kommt der kleine Jesaja zu Tode und die 37jährige arbeitslose Mathematikerin und Geologin Smilla Jaspersen zeigt auf, dass es sich hier um Mord handelt, als dem Ergebnis eines politischen und wirtschaftlichen Komplotts.
Beide, Smilla als auch Jesaja haben grönländische Wurzeln, wobei das Verhältnis zwischen Grönland, einem politisch selbstverwalteten Bestandteil des Königreichs Dänemark, und Dänemark seit Jahrhunderten von sozialen Spannungen geprägt ist. Insofern bekommt die Geschichte neben der individuellen Identitätsfindung auch eine gewisse gesellschaftliche Sprengkraft und damit einen gegenwärtigen, sehr realen Bezug.
Das Ensemble des Theater Waidspeicher mit Karoline Vogel, Kathrin Blüchert, Paul Günther, Tomas Mielentz und Maurice Voß spielt selbst und führt die Handpuppen auf eine sehr inspirierende und, trotz der herausfordernden und manchmal rücksichtslosen Lebenswirklichkeit, immer wieder beeindruckend poetische Art und Weise. Oft sind es nur kleine Nuancen, wie die Körpersprache der Figuren, die berühren und die Charaktere deutlicher herausschälen. Ein insgesamt anregender und fesselnder Theaterabend, der vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen und Bravo-Rufen bedacht wurde.
Jörg Konrad
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Samstag 23.09.2023
Germering: Claus Raible – Ein Trio in Hochform
Zum vergrößern bitte Bild anklicken
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Fotos: TJ Krebs
Germering. Bebop ist die Musik der Revolte. Schrieb zumindest Scott DeVaux. Aber hat die Revolte auch tatsächlich und spürbar stattgefunden? In kleineren, eingeschworenen Kreisen diskutiert man diesen Fakt positiv. Wer genau hinhört, erkennt auch seit Beginn der frühen 1950er Jahre deutliche Veränderungen in der Musiklandschaft und hier speziell im Jazz. Damals ist der Terminus Modern eingezogen. Doch Massenbewegungen samt sozialem Sprengstoff hat der Bebop ganz sicher nicht ausgelöst. Dafür war und ist er zu speziell – für manch einen Rezipienten zu komplex.
Zu den Wegbereitern gehörten Dizzy Gillespie, Fats Navarro, Charlie Parker - bis heute Favoriten aus dem engeren Kreis von Claus Raible, natürlich neben den Pianisten.
Der Münchner Klavierspieler Raible fühlt sich diesem intensiven Klangbild verpflichtet. Ständige Harmoniewechsel, rhythmische Verlagerungen und überraschende Intervallsprünge sind für ihn Herausforderung und Erfüllung seines Musikideals schlechthin. Am Freitag gastierte der Pianist mit seinem Trio in der Germeringer Stadthalle. Nicht zum letzten Konzert unter der künstlerischen Regie von Hans-Jürgen Schaal. Eines folgt noch. Aber dazu später.
Claus Raible, ein Klavierspieler, der all die Tugenden in sich vereint, die einen leidenschaftlichen Bebopper ausweisen: Schnell am Instrument, verspielt in den Harmonien, Querverbindungen zwischen den Rhythmen schaffend, melodisch manchmal fast eingängig, eben immer ein wenig verrückt – vom Mainstream.
Und natürlich zitiert er die Großen der Zunft, die Genies, Propheten und Revolutionäre, wie Monk und Powell und Dameron. Aber auch das kreative Kraftwerk Coleman Hawkins fehlt in seinem Repertoire nicht, oder der aus Polen stammende und in Los Angeles als Filmkomponist große Erfolge feiernde Bronis?aw Kaper. Raibles eigene Kompositionen sind in Anlehnung an diese Heroen entstanden, atmen den Geist des Bebop, sind weniger kantig, dafür fließend und virtuos. Und in der Seele des Jazz, im Blues, erfindet der Pianist die Langsamkeit neu, zeigt auf, wie weniger tatsächlich mehr und Tradition zugleich auch Avantgarde sein kann.
Diese Musik braucht einen Fels in der Brandung. Claus Raible besitzt ihn in Form seines Bassisten Giorgos Antoniou. An ihm bricht die Gischt vertrackter Passagen, er hält die Zeit, flutet die Musik mit griffigen Läufen. Ein Magier der rhythmischen Zwischenräume, der auf hervorragende Weise mit Schlagzeuger Xaver Hellmeier korrespondiert. Dieser trommelt die Musik mit Intensität vor sich her, raffiniert wie zielstrebig, mit jeder Menge Drive und Swing. Insgesamt: Ein Trio in Hochform.
Das Publikum verdankt diesen musikalisch leidenschaftlichen Abend Hans-Jürgen Schaal, der seit 2007 „Jazz It“ künstlerisch betreut und mit dem Claus Raible Trio das 118. Konzert dieser Reihe präsentierte. Eines wird noch folgen (15. Dezember mit Philip Catherine & Martin Sasse), dann übernimmt Sven Faller diese herausfordernde Aufgabe.
Jörg Konrad
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Sonntag 17.09.2023
Olching: Marianna Herzig & Wolfgang Brunner – Es geht auch anders
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Fotos: TJ Krebs
Olching. Es geht auch anders. Während sich nicht einmal zwanzig Kilometer Luftlinie entfernt die Menschen unterm Riesenrad in trotzigen Bierzelten zu Tausenden (noch) maßvoll zuprosteten und Blasorchester diese Szenerie lauthals untermalten, wurden am Sonntag im Olchinger KOM Kunst- und Volkslieder dargeboten. Wohltemperiert versteht sich, was aber noch lange nicht hieß, dass das Spiel von Wolfgang Brunner (der auch kenntnissreich durch die mittägliche Stunde führte) und der Gesang von Marianne Herzig nicht auch stürmisch und leidenschaftlich ausgefallen wäre. Dafür sorgte neben dem Können der Künstler auch deren ausgewähltes Repertoire. Lieder aus dem 18. und 19. Jahrhundert, „gesungene Geschichten“, die Tierisches und Botanisches beinhalteten und natürlich, wie kann es anders sein, von der Liebe in ihren unterschiedlichsten Ausformungen erzählten. Ein bunter Strauß an Weisen, komponiert von Wilhelm Pohl (1759 – 1807), Franz Schubert (1797 – 1828), Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) und Zeitgenossen. EIN REH IM VOLLEN LAUF ZU HASCHEN – nannte sich das Programm und es enthielt durchweg klassische Kurzweil, wenn man das so sagen darf.
Heute würde man von „Songs“ sprechen, die damals den Zahn der Zeit trafen, manchmal inhaltlich jedoch auch ihrer Zeit voraus schienen.
Als Einleitung zu dieser beschwingten 11-11 Mittagsstunde interpretierte Wolfgang Brunner die überaus vitale und lebenssprühende Sonate D-Dur Hob. XVI:37 von Joseph Haydn. Brunner, am eigenen Hammerklavier, bestach durch Klarheit, Heiterkeit und eine notwendige Strenge.
Marianna Herzig sang sich dann durch die drei Abteilungen der Matinee, die sich unterteilten in „Allerhand Tierisches“, „Auf der Blumenwiese“ und „Was uns die Liebe erzählt“. Lieder die von Schmetterlingen handelten (Pohl & Grünwald) von Forellen im Fluss (Friedrich Daniel Schubart) von Veilchen (Mozart/Goethes) und Heideröslein (Schubert/Goethe). Zudem war von ungetreuen Liebhabern, Trennungen und „sehr gewöhnlichen Geschichten“ hier die Rede. Marianna Herzig interpretierte ausdrucksstark, bot den Texten mutig „die Stirn“, war hochemotional in die Inhalte eingebunden. Sie besaß ein wunderbares Timbre, hielt in den Stimmungswechseln ausgezeichnet die Waage zwischen Sentimentalität und lustvoller Hingabe. Auch wenn die Zugabe, „Summertime“ der Brüder Gershwin aus deren Oper „Porgy And Bess“, etwas aus dem stilistischen Rahmen fiel, lockerte dieser Titel das Programm aufs angenehmste auf und man mochte den beiden Musikern nach diesem grandiosen Konzert eigentlich nur zurufen: Mehr davon!
Jörg Konrad
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Dienstag 05.09.2023
Fürstenfeld: Megastimmung beim Sound_of _Heimat Fürstival
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Zum zweiten Mal startete vergangenes Wochenende das Sound_of_Heimat Fürstival. Schwer zu toppen, nach dem Riesenerfolg im letzten Jahr? Mitnichten! Das Lineup war auch dieses Jahr wohl durchdacht und vielseitig.

Die „Blasmusik Schöngeising“ eröffnete standesgemäß den ersten Tag. Die sechs Jungs von Pam Pam Ida feierten darauf auf der Hauptbühne eine gelungene Mischung aus vielschichtigem Funk, bajuwarisch groovend. „DeSchoWieda“ hatten außer „Scheiß da nix“, natürlich Pitbulls „Nimma“ im Programm, groovten mit einem Jason Derulo & Dance Medley und verabschiedeten sich natürlich mit dem Song „Servus Habedehre“. Etwas härter ging es dann bei „Erwin & Edwin“ zur Sache. Elektronische Vienna Beats & Blasmusik at it’s best bereiteten das Publikum vor auf den eigentlichen Hauptact des Festivals: „GReeeN“. Yes, der pflanzenbegeisterte Deutschrapper startete in Fürstenfeldbruck mit „High Dude“, ging mit “Kommisar“, „Panama“, „Letzer Smaragd“ oder „THC“ in die Vollen, kletterte von der Bühne ins Publikum, sang in der Menge und riss das Publikum von Anfang bis zum Ende seiner Show mit. Endlos gute Laune, astreine Vibes und alles im Flow. Im Chor wurde natürlich auch „Süßes Cannabis“ mitgesungen und nach gut 90 Minuten waren so ziemlich alle im „Vanilla Sky“. Ausklang gab es schließlich bei der Aftershow Party mit dem Duo Guten A-Band in der Tenne bis früh in dem Morgen.

Die „Stadtkappelle Fürstenfeldbruck“ startete dann in den zweiten Tag des Festivals. Auf der Bühne folgte „Der Zweig“. Die Lokalmatadoren aus den Emmeringer Auenstudios heizten funkig ein. Eine gelungene, humorvolle Mischung aus Hip Hop, Soul & Funk. Danach fetzte „Moncao F“ ohne Gnade über die Bühne. Mit „Hausparty“, „A echter Bayer“ oder seiner unsäglichen „Spülmaschine“ haute der Bayern-Rap-Kini einen Hit nach dem anderen raus. Das Publikum, komplett von der Kette, tanzte mit dem Meister Polonaise in der Menge. „Singa und Springa“ war nicht nur Song des Tages, sondern Programm. Was passt darauf besser als D’Hundskrippln, die, Glück im Unglück, mit Sänger Tobi Enzl einen würdigen Ersatz für Frontmann Manuel Peisker, der sich bei der BrassWiesn einen Kreuzbandriss zugezogen hat, gefunden haben. Ob „Wirtshaus“, „Amerika“ oder „Zeit“, ihre Gassenhauer nehmen schier kein Ende. Natürlich darf auch auf dem Fürstival der „Kloana Bauer“ als Zugabe nicht fehlen.
Kaum zu glauben, aber nun folgt schon der letzte Act des Festivals: Granada! Was für ein grandioser Auftritt – frischer Wind für die neue Volxmusik aus Graz. Die Mucke, Balsam für die Seele mit wunderbaren Texten und vielschichtigen Flows. Granada erinnert irgendwie ein bisschen an Wanda, nur dass die Granada Jungs einfach die bessere Laune haben und musikalisch vielschichtiger verwurzelt sind. Ein weiterer Höhepunkt des Festivals war Ihre Zugabe. Zu dem Song „Wien wort auf di“, ihrer Version von Billy Joes „Vienna“, gesellten sich Petritsch und Christof zum Publikum und präsentierten eine atemberaubende A cappella Version mitten in der Menge. Danach knallte es noch mal richtig im Zugabenblock mit „Vom Herz kummt“, „Ottakring“ und „Palmen am Balkon“, um schließlich geschafft, aber glücklich das Fürstival offiziell zu beschließen. Trotz allem hatte ein Teil des Publikums auch am zweiten Abend Kraftreserven und feierten mit den Jungs von Dis M in der Tenne noch ordentlich ab.

Zwei Tage voller Power, Blasmusik, Rap, Tradition, HipHop, Brass & Bass, Stimmung vom Feinsten – das Fürstival war auch dieses Jahr wieder ein voller Erfolg, energiegeladen, aufregend, gemütlich mit vielen Gänsehautmomenten. Ein geniales Partywochenende unter freiem Himmel in der einzigartigen Atmosphäre des ehemaligen Fürstenfelder Klosterareals. Gute Vibes, die das abwechslungsreiche Programm unterstrichen kamen nicht zuletzt von der erstklassigen Organisation und dem Fürstenfeldteam, das gut gelaunt und entspannt, immer vor Ort, mit aufmerksamem Blick für die kleinen Details, die Tage begleitete und für einen reibungslosen Ablauf sorgte. Danke für ein weiteres unvergessliches Fürstival!
Text & Fotos: Thomas J. Krebs
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Sonntag 30.07.2023
München: Ein fulminanter Jazz Sommer im Bayerischen Hof
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
Bilder
München. Nach drei Jahren Corona bedingter Pause und unter neuer Festivalleitung des Musik- und Kulturjournalisten Oliver Hochkeppel war es letzte Woche endlich soweit: der Jazz Sommer im Bayerischen Hof wieder am Start! Das Ganze mit enormer musikalischer Wucht und einem vielseitigen, abwechslungsreichen Programm. Den ersten Wumms und Pre-Opening des Festivals bestritt die aktuell angesagte Saxophonistin Lakecia Benjamin mit ihrem hochkarätig besetzten Quartett. Ein paar Tage später überraschte der mit dem Kurt Maas Jazz Award ausgezeichnete südkoreanische Schlagzeuger Minchan Kim, nicht nur im Duo mit Theo Kollross wie im Programm angekündigt, sondern mal im Trio mit dem Bassisten Dae Ho Kim und im Quartett mit Tom Förster auf der Bühne des Nightclubs im Hotel Bayerischer Hof.

Tags darauf folgte der offizielle Startschuss des diesjährigen Jazz Sommers, frei nach Mark Twain unter dem Motto „Bummel durch Europa“ mit der Münchner Jazzrausch Big Band, die unter Chefkomponist Leonhard Kuhn eine speziell für das Festival in Auftrag gegebene Komposition mit dem Titel „Europa“ uraufführte. Die musikalische Reise begann in Paris und führte über Prag, Riga oder Pula quer durch Europa. Eine gelungene Mischung aus Techno, Jazz und Freiräume für Soli des 15-köpfigen Ensembles. Jazzrausch Big Band Deluxe eben. Nach dem offiziellen „Europa“- Part und einer kurzen Verschnaufpause, wurde mit ausgewählten Tracks aus dem Programm „Bangers Only“ im Festsaal des Hotels gefeiert was das Zeug hielt, die Location in Nebel getaucht und zur Techno Party Zone transformiert. Im Anschluss daran ging es im Nightclub mit dem Quartett des portugiesischen Pianisten Julio Resende mit anmutigen, leiseren Tönen und seinem feinen Fado Jazz weiter. Ein berührendes Konzert, das die Komponenten Fado und Jazz eindrucksvoll miteinander verwoben hat. Am Abend darauf führte der Europajazzbummel nach England. Trompeterin Laura Jurd und Pianist Elliott Galvin sind ein ganz besonderes Duo. Sie interpretierten und zerlegten fachgerecht gemeinsam Stücke von Thelonius Monk, Charlie Mingus oder Ornette Coleman, gespickt mit inspirierten Improvisationen. Ein hochkarätiges Programm, ergänzt durch eigene Kompositionen der beiden Musiker. Spannend vom ersten bis zum letzten Ton. Tags darauf ging der Bummel weiter nach Finnland. Trompeter Verneri Pohjola und seine Band „Monkey Mind“ entführten das Publikum mit teilweise melancholischen Klängen, wie bei „For Our Children“, in seinen musikalischen Kosmos. Bei „Party In The Attic“ oder „Presence Of Today“ z.B. blitzte bei seinem Spiel immer wieder der Schalk im Nacken auf. Im weiteren Verlauf des Konzertes entfachte er mit treibenden Melodielinien, auch hier ließen neben den Originals mal Monk, mal Mingus grüßen, augenzwinkernd, seine eigenen Versionen von Jazzstandards. Höhepunkt des Abends, nach zwei wunderbaren Sets, war zweifellos Pohjolas Zugabe im Duo mit seinem langjährig vertrauten Pianisten Tuomo Prättätä und einer sensationellen Version von Ornette Colemans „What Reason Could I Give“. Weiter ging es am nächsten Tag dann mit einem ganz besonderen Trio aus Österreich und Kroatien. Die musikalische Reise des Duos Klaus Paier/Asja Valcic begann vor mittlerweile 14 Jahren und klingt frischer denn je. Als Verstärkung haben sich die beiden Ausnahmemusiker den großartigen Wolfgang Puschnig dazu geholt. Gemeinsam im Trio und wechselnd musizierenden Duos fanden abwechslungsreiche, spannende Konversationen zwischen Akkordeon/Saxophon, Cello/Flöte oder klassisch mit Cello und Akkordeon/Bandoneon statt. Highlight des Konzertes: die Komposition „Surroundings“ von Wolfgang Puschnig.
Zum Abschluss des Jazz Sommers gab es dieses Jahr nicht, wie in den vergangenen Jahren üblich, eine Jazz/Funk/Dance-Night. Den Ausklang des Europabummel bestritt Nils Petter Molvaer im Trio mit dem Bassisten Jo Berger Myhre und Erland Dahlen am Schlagzeug. Ein kurzweiliger Abend, mit einem streckenweise, für meinen Geschmack, etwas zu elegischem Sound. Die zum Teil treibenden Rhythmen von Erland Dahlen und das stellenweise kraftvolle Spiel von Myhre verpufften in Molvaers vornehmlich meditativ linearem Trompetenspiel. Vom Intro „Framework“ über „Sudden Rash“ bis hin zu „Mercury Heart“ oder „Funeral“ verharrte das Ganze in einem abstrakt weihevollen Sound. Bei der ersten Zugabe „Ligotage“ blitzte dann plötzlich der alte Nils Petter Molvaer auf, komplex, vielschichtig und verabschiedete sich danach bei „True Love Waits“ von Radiohead versöhnlich mit leisen Tönen.

In den Pausen konnte man während des Festivals das Auge im Atrium des Hotels bei der beeindrucken Fotoausstellung „RAW“ mit s/w Jazzportraits und Momentaufnahmen von Lena Semmelroggen schweifen lassen. Wer es sich vor den Konzerten zeitlich hat einrichten können, läutete den Abend mit dem ausgewählten Musik Kinoprogramm in der hoteleigenen astor@Cinema Lounge ein. Nach einer musikalisch erfüllten Jazzwoche ohne große Verschnaufpause, endet der Bummel durch Europa nun bei einem gemütlichen Kaffee zuhause. Zeit, diese großartige Woche noch einmal Revue passieren zu lassen. Im Nachhinein ein gelungenes Festival mit viel Abwechslung und neuen Impulsen. Weiter so Herr Hochkeppel!
TEXT & FOTOS: Thomas J. Krebs
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
Freitag 21.07.2023
Fürstenfeld: Mojo Blues Band - Down the Highway 61
Bilder
Fürstenfeld. Erik Trauner steht mit einer Selbstverständlichkeit auf der Bühne des Veranstaltungsforum Fürstenfeld und spielt Musik, die tausende Kilometer entfernt und vor über 100 Jahren entstand. Der Gitarrist und Sänger geht mit einer coolness an seine Arbeit, als wäre er damals selbst vor Ort gewesen, persönlicher Teil dieser Genesis. In jungen Jahren hatte Trauner noch als Straßenmusiker in Wien erste einschlägige Erfahrungen mit dem Blues gesammelt. Bei weitem nicht nur positive. Er musste sich durchbeißen und hatte damals, wie man so schön sagt, zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Das änderte sich mit der Gründung der Mojo Blues Band ab 1977 langsam aber stetig. Und liest man deren Historie dann wird deutlich, dass sich Obession und Zähigkeit auszahlen. Denn heute, sechsundvierzig Jahre und über 5000 Konzerte später, tourt das Quintett durch ausverkaufte Säle, spielt bei Jazzfestivals, ist im Mutterland des Blues unterwegs und hinterlässt überall ein begeistertes Publikum. Die Band hat sich überwiegend den Chicago Blues auf die Fahnen geschrieben, den sie dann auch authentisch zelebriert.
Doch das Thema am Donnerstagabend lautete Down The Highway 61 und bedeutete nichts anderes, als eine Bluesreise quer durch die Staaten. Es ist jene Route, die schon etlichen Bluesmusiker nahmen, von Auftritt zu Auftritt reisten und sich unterwegs musikalisch austauschten. Ob in Chicago, in St. Louis, in Memphis, Mississippi oder in New Orleans. Jeder dieser Orte ist ein eigenes Blues-Zentrum, hat seine Besonderheiten und Stars. Und aus diesem reichhaltigen Potpourrie der Stile bediente sich die Mojo Blues Band, spielte feurigen Boogie Woogie, tanzbaren Zydeco, Cajun-Walzer, Nummern von Muddy Waters, B.B. King und natürlich wunderbare Balladen von Eddie Boyd, Trauners heutigem Favoriten.
„Ganz zufällig“ kam dann ein Bluesmusikant aus der Nachbargemeinde Gauting vorbei und gesellte sich zu den Wienern auf die Bühne: Ludwig Seuss, nebenher noch immer festes Mitglied der Spider Murphy Gang. Gemeinsam brachten sie den ausverkauften Kleinen Saal zum kochen, machten deutlich, dass der Blues als musikalisches Fundament auch heute noch seine Berechtigung hat und vom Publikum regelrecht gefeiert wird. Egal welchen Alters!
Jörg Konrad
Permalink zum ArtikelDiese Adresse können sie verwenden, um von ihrer Seite, ihrem Blog etc. direkt auf den Artikel zu verweisen.
Klicken sie dazu auf den Link und verwenden die Adresse in der Adressleiste, oder klicken mit der rechten Maustaste hier und kopieren den Link direkt.
Nach oben scrollenKlicken sie hier um schneller an den Anfang der Seite zu gelangen.
Autor: Siehe Artikel
© 2024 kultkomplott.de | Impressum
Nutzungsbedingungen & Datenschutzerklärung
KultKomplott versteht sich als ein unabhängiges, kulturelle Strömungen aufnehmendes und reflektierendes Portal.