Landsberg. Die Monika Roscher Big Band ist derzeit die vielleicht angesagteste Power-Formation im Jazz. Ein großorchestrales Unternehmen, das voller Tatendrang, Kreativität, Experimentierlust und Leidenschaft musiziert. Eine Formation, die sich mit loderndem Optimismus in das risikobelastete Finanzunternehmen Big Band stürzt und dem Publikum hörgewaltige Klangabenteuer beschert. Am Sonntagabend spielte die 17-köpfige Kapelle im Landsberger Stadttheater und machte hier von Beginn an klar, dass sie sich trotz allem Respekt für die Geschichte des Big Band-Jazz mit einer völlig eigenen Philosophie dem Phänomen nähert. Monika Roscher bleibt, wie es sich für einen starken Charakter gehört – bei sich!
Trotz der besagten Schwierigkeiten stehen Big Bands derzeit hoch im Kurs. Allein in Deutschland kämpfen etliche dieser Besetzungen um die Gunst des Publikums und vor allem der Festivalplaner. Roscher und Co. können auf den Vorteil verweisen, dass sich ihre Art des Musizieren nur schwerlich vergleichen lässt. Sie setzen markige Tonsteine der Moderne und klingen, trotz klassischer Besetzung (vier Trompeten, vier Posaunen, fünf Saxophone plus Rhythmusgruppe) wie eine Indie-Popband im Jazz-Tranchcoat. Oder auch umgekehrt, wie in einem Jazz-Overall verpackt, der mit starkem Saum aus einzelnen Indie-Flicken genäht ist.
Natürlich klingen sie so dynamisch wie die Kenny Clarke Francy Boland Big Band, vermitteln den Rock-Apeal der Frank Zappa Großbesetzungen, erinnern in ihrem Humor an das Willem Breuker Kollektiv und es blitzt auch hin und wieder jene Grazie auf, die zum Ekennungszeichen der Thad Jones/Mel Lewis Band avancierte. Aber letztendlich ist die Roscher Band, trotz mancher Präzision, keine gut geölte Swingmaschine. Ihre ständigen Harmoniebrüche, ihre dauernden Rhythmuswechsel erinnern an etwas, das Jazzmittler Hans-Jürgen Schaal einmal den Eklektizismus des Progressive Rock nannte. Harte Riffs, weiche Melodien, Überraschungen, Brüchigkeiten der Themen, intrumentale Kraftmeierei im positiven Sinn und jede Menge Emotionen.
Die Dramaturgie des Auftritts ist perfekt, auch wenn sich die Energie der Ballade nicht unbedingt von der Großkomposition unterscheiden. Das ist mit Sicherheit bewusst umgesetzt und wirkt sympathisch. Wie überhaupt der Umstand, wenige, im Grunde gar keine Schlachtrösser aus dem Standardrepertoire zu vernehmen.
Das zeigt, das Sängerin, Gitarristin, Komponistin, Arrangeurin und Model Monika Roscher fest an ihren eigenen Maßstäben feilt und festhält. Und auch die Themen ihrer Songs sind eigenwillig, fantasiereich und stark individuell angehaucht. Sie singt von Hexen und Prinzessinnen, von Feuervögeln einer KI-Apokalypse und, als eine der ganz wenigen „realen“ Gestalten aus ihrer eigenen Welt, vom unverwüstlichen James Bond.
Doch im Vordergrund steht eigentlich immer die Musik. Und die besitzt stets einen kräftigen Punch, die hat Biss, feiert selbst in den ausformulierten Passagen die Freiheit des Ausdrucks – ohne Freejazz zu sein, versteht sich. Mehr ruppig als sanft, eher archaisch als vollendet. Manchmal klingt die Band, als sei sie dabei die, Geröllhalden der Zivilisation akustisch wieder zugänglich zu machen. Faszinierende Ästhetik – laut und steinerweichend
Jörg Konrad