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1. Fürstenfeld: Masako Ohta & Matthias Lindermayr - Ein Traumduo
2. Fürstenfeld: Martin Kälberer – Eindringliche Stille
3. Landsberg: Bezahlt wird nicht – Zwischen zivilem Ungehorsam und Hysterie
4. Fürstenfeld: Hans Theessink & Big Daddy Wilson – Musik für die Seele
5. Fürstenfeld: Sao Paulo Dance Company – In die Herzen des Publikums getan...
6. Landsberg: Leyla McCalla - Gegen jede Form von Ungerechtigkeit
Donnerstag 30.11.2023
Fürstenfeld: Masako Ohta & Matthias Lindermayr - Ein Traumduo
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Fotos: TJ Krebs
Fürstenfeld. Es gibt ganze Kompendien, die das Thema Kommunikation füllen. Hier lassen sich Definitionen finden, werden Arten und Modelle beschrieben, findet eine Differenzierung statt. Letztendlich dreht sich aber alles um den Austausch von Informationen und Gefühlen mit Hilfe von Sprache, Zeichen und, was leicht vergessen wird: mit und auf der Grundlage von Tönen! Dies alles wird aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, eingeordnet, analysiert.
Masako Ohta, die aus Japan stammende und heute in München lebende Pianistin und das Münchner Kindl, der Trompeter Matthias Lindermayr, nutzen seit einigen Jahren im musikalischen Miteinander ihre Instrumente. Dieser findet auf der Grundlage von Kompositionen und mit den Möglichkeiten der freien Assoziation, sprich der Improvisation statt. Der unmittelbare Austausch beider geriet am Mittwochabend in Fürstenfeld bei Jazz First beeindruckend. Weniger nach dem Prinzip des Unterteilens in Sender und Empfänger. Eher in Form eines gleichberechtigten, öffentlichen Gedankenaustauschs zweier hochsensibler Musiker.
Vielleicht könnte man den Duo-Auftritt beider auch als einen feinsinnigen Austausch von (musikalischen) Argumenten bezeichnen, wobei man vorausschicken sollte, dass während des gesamten Konzerts so etwas wie eine Art Seelenverwandtschaft die Grundlage bildete und für die Zuhörer spürbar war.
Dieser Dialog war trotz manchem klanglichen Kontrapunkt selten ein Kampf. Und wenn doch, dann weniger gegen- als miteinander. Vielleicht kann man auch von einem Pas de Deux, einem tänzerischen Paarlauf auf den Schwingen der Musik sprechen. Berührend das vorsichtige Herantasten beider an das Zentrum eines jeden Stückes. Man spürt, dass sich Masako Ohta intensiv mit Poesie beschäftigt. Sie schafft mit ihrem ruhigen Spiel weite Räume, lässt sich beim Entwickeln der schwebenden Töne Zeit und bringt in ihren Vortrag stärker Kammermusik und die Moderne mit ein, als dass sie sich in einen bluesorientierten Jazz stürzt. Matthias Lindermayr ist der klare Geschichtenerzähler. Sensibel, aber nicht sentimental; bestimmt, aber mit einem Hang zum Melancholischen. Fast ohne Vibrato auskommend erinnert manches in seinem Spiel an Trompetenlyriker von Kenny Wheeler bis Avishai Cohen.
Zusammnen bilden Masako Ohta und Matthias Lindermayr auf der Bühne eine Einheit, eine Einheit, in der sich niemand zugunsten des anderen aufgibt, sondern in der sich das Kreative auf dem Rücken von Spannung und (verhaltener) Intensität potenziert. Letztendlich ein musikalisches Ereignis - dieses Traumduo.
Jörg Konrad
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Sonntag 26.11.2023
Fürstenfeld: Martin Kälberer – Eindringliche Stille
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Fotos: TJ Krebs
Fürstenfeld. Karl Lippegaus, Musikjournalist aus Profession und einer der besten auf seinem Gebiet, hat vor Jahren ein bemerkenswertes Buch mit dem Titel „Die Stille im Kopf“ geschrieben. Im Grunde drängt sich der Gedanke auf, beide Dinge würden sich ausschließen, seien ein Paradox an sich: Musik und Stille. Aber auf 250 Seiten beschäftigt sich Lippegaus mit Musik und Musikern, denen die Stille in ihrem Tun mindestens ebenso wichtig ist, wie die Töne, die sie entwickeln. Allein weil der Kontrast zur Stille ihren Kompositionen und Improvisationen eine völlig neue Dimension gibt.
Martin Kälberers Musik der letzten Jahre ist ebenfalls getragen von einer (inneren) Ruhe, von tonarmen Sequenzen, von sparsamen Noten, von Melodienskeletten, die letztendlich neue Klangwelten erschließen.
Am Samstag hat Kälberer im (ausverkauften) Kleinen Saal des Veranstaltungsforums Fürstenfeld eine dieser reduzierten musikalischen Reise unternommen. Kaum etwas geriet an diesem Abend virtuos, oder lebte von exzeptionellen Interpretationen. Die Stimmung im Saal, die musikalische Stimmung, war gedämpft bis tröstend, vermittelte inhaltlich etwas von kontemplativer Entspannungsmusik, die auf der Bühne an Klavier, Electronics, Stimme und verschiedenen Perkussionsinstrumenten, allen voran dem Hang, Live entwickelt wurde.
Kälberer variierte die knappen melodischen Skizzen, durchsetzte sie mit Ambient-Sounds und schuf damit Emotionen von besonderer Eindringlichkeit. Mit diesen Tonfragmenten und Stimmungsfeldern mäanderte er so in den Außenbereichen und Randbezirken dessen, was man gemeinhin als populäre Musik bezeichnet. Man könnte dies Art des Musizierens auch als den Soundtrack zu den Melancholien des Alltags bezeichnen. Brian Eno formulierte dies in einem Interview mit Karl Lippegaus, das in jenem „Die Stille im Kopf“ nachzulesen ist, folgendermaßen: „Die Dinge, die, glaube ich, eine Veränderung in den Menschen bewirken können, sind die leiseren: die sich ganz allmählich ins Bewusstsein einschleichen und unsere gesamte Sicht der Dinge verändern.“
Jörg Konrad
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Samstag 25.11.2023
Landsberg: Bezahlt wird nicht – Zwischen zivilem Ungehorsam und Hysterie
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Foto: Forster
Landsberg. Als das Stück „Bezahlt wird nicht“ von Dario Fo Anfang der 1980er Jahre im Berliner Ensemble in Ostberlin aufgeführt wurde, meinte es eine Gruppe von jungen Besuchern mit dem Titel allzu wörtlich. Sie stürmten den Zuschauerraum - ohne Eintrittskarte und waren anschließend nicht zu bewegen, das Parkett wieder zu verlassen. Die Theaterleitung zeigte sich großzügig. Zu den folgenden Veranstaltungen war dann die doppelte Anzahl von Platzanweisern und Ordnern vor Ort.
Nun, mit derartigen vorrevolutionären Situationen hatte wohl am Freitag in Landsberg kaum jemand zu rechnen, als dieser mittlerweile Klassiker der Theaterliteratur auf dem Spielplan stand. Das Landestheater Schwaben brachte „Bezahlt wird nicht“ in einer Inszenierung von Tobias Sosinka auf die Bühne.
Ein Proteststück, politisches Theater, eine Boulevardkomödie der folgende Handlung zugrunde liegt: Nachdem in einem Einkaufzentrum die Preise drastisch erhöht wurden, haben sich etliche Frauen aus dem Wohnkomplex entschlossen, Waren aus den Regalen zu stehlen. Das Stück setzt ein, als Antonia und Margherita die entwendeten Lebensmittel in der Wohnung ersterer zwischenlagern. Aber wie sollen sie dies dem rechtschaffenden und gesetzestreuen Ehemann Antonias erklären? Sie lassen sich die groteskesten Ideen einfallen und entscheiden sich letztendlich für die Exzentrischste von allen: Sie stopfen Reis und Nudeln unter Margheritas Kleid und behaupten sie sei schwanger. Doch weder Antonias noch Margheritas Ehemann, die beide miteinander befreundet sich, wissen natürlich davon. Und so überschlagen sich die bizarrsten Verwicklungen: Es gibt durch die Polizei verschärfte Hausdurchsuchungen im Wohnblock, es tritt ein Carabinieri auf, ein Bestatter, der Vater von Antonias Ehemann – ein diffuses und völlig turbulentes Chaos entsteht, das allein durch eine gewisse Art von Hysterie und sich steigerndem Klamauk zusammengehalten wird.
Das Theater-Universalgenie Dario Fo („Ich spiele lieber den Clown als den Hamlet“) hat dieses Stück 1974 geschrieben - dreiundzwanzig Jahre bevor er den Nobelpreis erhielt. In einer Zeit, als seine Inszenierungen am Piccolo Teatro in Mailand in schöner Regelmäßigkeit für Skandale sorgten und er mit seiner Partnerin, der Schauspielerin Franca Rahme, in Italien als eine Art Staatsfeind behandelt wurde. Fast alles änderte sich mit der Verleihung des Nobelpreises, der ihm die Tore zu den internationalen Theatern öffnete.
Plötzlich erkannte man den politisch-sozialen Anspruch seiner Stücke, bzw. stellte diesen deutlicher heraus. Auch „Bezahlt wird nicht“ lebt letztendlich von sozialkritischen Anspielungen, zivilem Ungehorsam und Solidarität. Hinzu kommt Fo's Bezug zur italienischen Theaterhistorie, indem er sein Stück in der Tradition der Commedia dell'arte anlegt. Volkstümlich aber völlig überdreht wirkt nicht nur der Handlungsstrang, sondern auch das Spiel der Schauspieler. Mirjam Smejkal (Antonia) und Flurina Carla Schlegel (Margherita) überziehen ihre Rollen dramatisch fieberhaft, Thorsten Hamers Giovanni wechselt zwischen schwerfällig und kämpferisch, ein Typ der Frauen versteht und das Gute im Menschen zu sehen bereit ist. Tom Christopher Büning verkörpert in Luigi den Naiven ein wenig engstirnigen Mitläufer. Und André Stuchlik füllt die Rollen des Wachtmeisters, Caribinieris, Bestatters und Vaters Giovannis in aller notwendigen Skurrilität und klischeetreu aus.
Manchmal möchte man meinen, weniger wäre mehr. Doch letztendlich war die Aufführung ein großer wie nachdenklich machender Spaß, ein brisantes Feuerwerk an politisch inkorrekten Dialogen, mit dem das Ensemble mit seiner puren Lust am Spiel das Publikum begeisterte.
Jörg Konrad
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Freitag 17.11.2023
Fürstenfeld: Hans Theessink & Big Daddy Wilson – Musik für die Seele
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Fürstenfeld. Als hätten sich zwei gesucht – und letztendlich auch gefunden: Hans Theessink und Big Daddy Wilson. Sie touren und spielen gemeinsam, als wäre der eine nie ohne den anderen unterwegs gewesen. Und was sie als Duo präsentieren, ist, wie am Donnerstag im ausverkauften Kleinen Saal in Fürstenfeld, das schlagende Herz, der zentrale Ausgangspunkt all dessen, was sich Jazz, Rock und Pop nennt und Anspruch auf Qualität erhebt. Ohne Blues, ohne Folk, ohne Boogie Woogie und ohne Spirituals – nicht auszudenken, wie die Musikszene heute klingen würde. Wahrscheinlich so mut- und seelenlos wie einer dieser grotesken Schlagerabende Samstags im öffentlichen Fernsehen.
Aber es gibt sie zum Glück immer noch, die Leidenschaftlichen, die Unverbesserlichen, die Überzeugungstäter, die sich mit Haut und Haar ihrer Musik verschreiben. Und wenn auch der Blues in der Vergangenheit hin und wieder totgesagt wurde, wir alle wissen: Totgesagte leben länger und momentan ist er wieder präsent!
Theessink ist im Grunde seines Herzens bühnenerprobter Einzelkämpfer. Doch hin und wieder sucht er sich Seelenverwandte, mit denen er gemeinsam probte, spielte, auftrat, sich inspirieren liess. Das waren in der Vergangenheit Bo Didley und Rufus Thomas, in den letzten Jahren Terry Evans und der österreichische Schriftsteller(!) Michael Köhlmeier. Er stand mit Chuck Berry auf der Bühne und neben Johnny Cash und dessen Frau June Carter in der Garderobe einer großen Wiener Musikhalle. Dort haben sie gemeinsam gesungen – das formt.
Nun war der gebürtige Niederländer und heute in Wien lebende Theessink mit Big Daddy Wilson in der Stadt, diesem Schlagzeug spielenden Sänger. Im Gegensatz zu Theessink und seiner knarzig rauen Stimme, singt Wilson mit Esprit und Eleganz und berührt manchmal tatsächlich wie einst die Soullegende Isaak Hayes.
Zum Glück trommelt er aber nicht wie diese Alleskönner, diese ständig Triolen und Breaks abfeuernden Artisten an der Schießbude. Hier im Duo spielt Wilson zurückhaltend, sparsam, fast asketisch und lässt der Musik ihre ganze Melancholie. Egal ob in eigenen Kompositionen aus der Feder des Duos, oder in Coverversionen von Memphis Slim („Mother Earth“) oder Mississippi John Hurt („Pay Day“).
Theessink hingegen nutzt ein Arsenal an Gitarren, beherrscht überzeugend die Bootleneck-Technik, bläst die Blues-Harp und zelebriert nebenher förmlich seine blueslastige Balladenkunst, die er aufgrund der stilistischen Vielfalt auch gern Roots-Music nennt. Letztendlich erzählen die beiden in ihren Songs ununterbrochen Geschichten. Von Verlierern und Gewinnern, von Hoffenden und Enttäuschten, von Trauernden und natürlich von der Liebe. Mal bestimmen die eigenen Erlebnisse („Virus Blues“) die Songs, mal werden die Vorlagen von Washington Philips oder Blind Willie Johnson zu den ganz persönlichen Erzählungen.
So vergehen zwei Stunden wie im Fluge und das Publikum will am Ende Hans Theessink und Big Daddy Wilson nicht von der Bühne lassen. Warum? Einer der Besucher brachte es gegenüber seinem Nachbarn auf den Punkt: Das ist Musik für die Seele. Haben wir alle bitter nötig!
Jörg Konrad
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Mittwoch 15.11.2023
Fürstenfeld: Sao Paulo Dance Company – In die Herzen des Publikums getanzt
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Fürstenfeld. Es sind die Kindheitserinnerungen, die uns am stärksten prägen - im Positiven, wie im Negativen. Und dann wäre da noch das direkte Umfeld, das seinen Einfluss ausübt: Ob Hinterhof oder Mietskaserne, goldgelber Meeresstrand oder urige Berggipfel. Juliano Nuñes wurde in Rio de Janeiro, in Brasilien geboren und hatte von Kindheit an einen starken Bezug zu Rios Regenwald im Nationalpark Tijuca, der sich im Einzugsgebiet der zweitgrößten Stadt des Landes befindet. Und vielleicht auch, weil er schon relativ früh seine Heimat in Richtung europäischen Kontinent verließ, sind ihm besonders diese Eindrücke erinnerlich und Teil seiner Choreographie „Cartas do Brasil“ geworden, die am Dienstagabend von der Sao Paulo Dance Company in Fürstenfeld aufgeführt wurde. Zu der gewaltigen und bewegenden Musik von Heitor Villa-Lobos („Bachiana Brasileira Nr. 8“) bewegten sich die Tänzer ausgelassen und konzentriert auf der Bühne. Sie übersetzten dank der Vorgabe Nunes die Vielfalt, die Freiheit und auch die Ritualität der Natur in offenkundige Bewegungen. Ein Universum an Grazie und Eleganz, das sich auf der Bühne abspielte, wobei sich die Company schon im ersten Teil ihres Auftritts tief in die Herzen des Fürstenfelder Publikums tanzte
„Anthem“, das folgende Stück, geriet inhaltlich etwas abstrakter, man könnte auch meinen philosophischer. Die Choreographie zu dieser mehr avantgardistischen Performance erarbeitete der Spanier Goyo Montero. Ihm geht es hier um kollektive Identitäten. Goyo: „Es gibt Zyklen im Leben und wir wiederholen immer die gleichen Fehler, indem wir denken, dass wir getrennt sind, dass wir verschieden sind, während in Wirklichkeit jeder Mensch eins ist und in dem Moment, in dem wir diese Einheit verlieren, beginnen die Probleme. Dies ist eine Spur der menschlichen Geschichte“, beschrieb er in einem Interview den Inhalt. Die Musik von Owen Belton kommt einer (elektronischen) Irrfahrt durch die Existenz nahe. Einzelne Kapitel des Lebens, wie die Geburt, das Atmen, die Kommunikation, Schmerz und Macht und Ausgeliefertsein, werden in einer knappen halben Stunde zusammengefasst, in kleinen fast abgeschlossenen Sequenzen aneinandergereiht. Aufwühlend, aber auch humorvoll die packenden Bewegungen der Tänzer mit-, gegen- und umeinander. Begeisternd die Schnittmengen aus klassischem Ballett und zeitgenössischem Tanz.
Zum Schluss, nach einer längeren Pause, dann noch das traditioneller ausgerichtete „Agora“ in der Choreographie von Cassi Abranches. Dieses von handgetrommelten Polyrhythmen (Sebastián Piracés-Ugarte schrieb die Musik) und elektrischen Gitarren untermalte Stück, beschäftigt sich mit der Zeit, dem gefühlten Tempo in den unterschiedlichsten Facetten. Sowohl das individuelle Empfinden der Zeit, als auch der zeitgemäße Rückblick auf geschichtliche Abläufe werden kraftgeladen wie auch feinsinnig dargestellt. Hier stimmt jede Geste, im Pas de Deux wie im Gruppengeist. Die Figuren gelingen lautlos und präzise, das Artistische wirkt federleicht, die Vitalität des Lebens überzeugt. Die Sao Paulo Dance Company als ein Symbol für bewegende Interaktion und inspirierende Lebendigkeit.
Jörg Konrad
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Sonntag 12.11.2023
Landsberg: Leyla McCalla - Gegen jede Form von Ungerechtigkeit
Landsberg. Musik als Ausdruck von Hoffnung auf Freiheit. Das gilt für Kuba ebenso wie für Mali, sowohl für Burkina Faso und natürlich auch für Haiti, bis heute eine der ärmsten Regionen der Karibik. Hier liegen die familiären Wurzeln Leyla McCallas. Geboren ist die Sängerin, Cellistin und Banjospielerin in New York, wohin ihre politisch aktiven Eltern einst auswanderten. Heute lebt sie in New Orleans und bereist von hier die Kontinente dieser Erde, um ihre musikalische und politische Botschaft zu vermitteln. Und die lautet: Freiheit für alle unterdrückten Menschen - weltweit. Am Samstag war Leyla McCalla mit ihrem Programm „Breaking The Thermometer“ zu Gast in Landsberg. Ein Abend, gezeichnet von faszinierenden Klangsymbiosen und sozialem Engagement, von Inbrunst und Sensibilität,.
Was Leyla McCalla musikalisch zum Ausdruck bringt, kommt einer Aussage Louis Armstrongs, der Zentralfigur des Jazz schlechthin, sehr nahe: „Was wir spielen, ist unser Leben.“ Und das bedeutet bei der 38jährigen Leyla eintauchen in die musikalische Geschichte sowohl Haitis, als auch New Orleans. Und im Grunde sind deren Unterschiede, trotz einer Entfernung von über 2000 Kilometern, gar nicht so groß.
Denn beide Regionen sind geprägt von der Soziologie derer, die als Kreolen oder Cajun bezeichnet werden. Jene Nachfahren von europäischen Auswanderern, bzw. Menschen, die aus spanischen resp. französischen Kolonien in Afrika freiwillig immigrierten oder auch verschleppt wurden.
Deren kultureller Kosmos ist weit und entsprechend ihre Musik beinahe unbegrenzt. In New Orleans entstand aus dieser Vielfalt an Einflüssen einst der Jazz. In Haiti sind all die Energien und Anregungen von außen in der Folklore des Landes präsent. Von diesen zehrt Leyla McCalla und verbindet die Populärmusik Haitis sowohl mit ihren eigenen Erfahrungen, als auch mit ihrem persönlichen Engagement gegen jede Form von Ungerechtigkeit und Armut.
Das klingt bei ihr sowohl sehr intensiv, als auch ungemein empfindsam. Mit ihrer beeindruckend aufeinander abgestimmten Band (Gitarrist Nahum Zdybel, Bassist Peter Olynciw und Shawn Myers am Schlagwerk) findet sie eine überzeugende Balance, zwischen traditionellem Anspruch und ihren eigenen heutigen Lebenserfahrungen.
Ihre Zeit in New York, das klassische Musikstudium, ihre gesammelten Eindrücke in Ghana. Oder in Musik ausgedrückt: In ihren Songs stehen Bluegrass, Cajun, Jazz, Folk, Soul, Klassik dicht beieinander – ohne dass Leyla McCalla dabei ihre Identität verliert. Im Gegenteil: diese Offenheit gegenüber der Welt ist ihre Identität.
Sie spielt Gitarre, Banjo und Cello, sie singt mit einer eindringlichen, warmen und berührenden Stimme, die Polyrhythmen ihrer Songs gehen direkt ins Blut, die Inhalte ihrer Texte berühren das Herz. Dabei sind es wenige Allgemeinplätze, die sie inhaltlich in den Mittelpunkt ihrer Songs stellt. Sehr konkret wird es, wenn sie, wie auf ihrem letzten Album „Breaking The Thermometer“, das Erbe und den Kampf gegen den Diktator Duvalier von Radio Haiti, dem ersten privaten kreolischsprachigen Radiosender, in den Mittelpunkt stellt. Der Kampf deren Mitarbeiter gegen den Diktator Duvalier hat Leyla McCalla multimedial, als Musik-, Tanz- und Theaterstück auf die Bühne gebracht. Insofern konnte sie auch in Landsberg als eine eindringliche Stimme der Bürgerrechtsbewegung wahrgenommen werden – klar, phrasiert, authentisch.
Jörg Konrad
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Autor: Siehe Artikel
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