Olching. Es ist fast neunzehn Jahre her, dass Michael Leslie die erste Matinee der von Michael Schopper ins Leben gerufenen Reihe Eleven-Eleven in Olching eröffnete. Der australische Pianist Leslie spielte im Februar 2005 Beethovens Klaviersonaten op. 109 und 110 und gleich dieses erste Konzert war ein voller Erfolg.
Am letzten Sonntag fand die mittlerweile 215. Matinee in der Kulturwerkstatt am Olchinger Mühlbach (KOM) statt und am Flügel saß wiederum Michael Leslie. Sein Repertoire bestand diesmal aus Kompositionen von Wolfgang Amadeus Mozart, Frédéric Chopin und, im Zentrum an diesem Vormittag, Modest Mussorgsky „Bilder einer Austellung“.
Mit Mozarts „Rondo a-moll KV 511“ entschied sich der in Australien geborene Pianist Leslie zu Beginn der Matinee für ein Stück, welches als ein Auftragswerk Mozarts für seinen Verlegerfreund Franz Anton Hoffmeister gilt. Ein technisch wohl nicht sehr herausforderndes Stück, dessen Tücken in der musikalischen Umsetzung liegen. Hier herrscht ein sanft melancholischer Charakter vor, der in seinem Ansprach zwischen Zartheit und Dramatik schwankt - oft zugunsten einer gewissen herausfordernden Ausdruckskunst. Leslie widmete sich dieser Komposition mit Hingabe, spielte sie mit Energie und Empfindsamkeit und erhält damit der Komposition ihre strahlende Zeitlosigkeit.
Von Frédéric Chopin (1810-1849) stand mit „Barcarolle in Fis Dur op. 60“ eine der schönsten, vielleicht vollendetsten Kompositionen des polnischen Pianisten und Klavierpädagogen auf dem Programm. Entstanden ist dieses „Gondellied“ womöglich auf Grundlage einer 1885 geplanten Venedig-Reise, die Chopin dann jedoch nicht angetreten hat. Trotzdem bringt dieser schaukelnde Grundrhythmus und die darübergesetzte gesangliche Melodie eine deutliche Verbindung zum Gondoliere, denn eine Barkarole (von italienisch barca „Barke, Boot“) war ursprünglich ein venezianisches Gondel- bzw. Schifferlied. Insgesamt eine Meisterkomposition, deren kühne Harmonien, dem dynamisch fließenden Charakter und leidenschaftlichen Ausdruck Schönheit vermitteln. Erst recht in der Interpretation von Michael Leslie, dem es gelingt, sowohl die sanften Übergänge als auch die unvermittelten Wechsel hervorragend miteinander zu kombinieren.
Modest Mussorgsky (1839-1881) gehörte zu einer kleinen Gruppe von Pianisten und Komponisten, die in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Musikszene in Russland ungemein bereicherten und versuchten, diese von einer „westlichen Fremdherrschaft“ zu befreien. Das besondere an diesem „Mächtigen Häuflein“, wie sie sich nannten und zu denen unter anderem César A. Cui und auch Alexander Borodin gehörten, war der Umstand, dass sie als Musiker und Komponisten Autodidakten waren und bewusst bürgerliche Berufe ausübten.
Vielleicht war dies der Grund, dass sie überaus unvoreingenommen und mit nur wenig „inspirierendem Ballast“ ihre eigene Musik schaffen wollten und letztendlich, in einem gewissen Bereich, auch schaffen konnten.
Zu den bekanntesten Werken dieser Gruppe gehört Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, ein Zyklus für Solo-Klavier, der in den folgenden einhundert Jahren in immer wieder neuen Orchesterfassungen und populären Arrangements aufgeführt und eingespielt wurde.
Entstanden waren die insgesamt zehn Kompositionen des Zyklus aufgrund des plötzlichen Ablebens des Malers Victor Alexandrowitsch Hartmann, einem engen Freund Mussorgskys und einer retrospektiven Ausstellung des Künstlers.
Mussorgsky fasste diese ihn stark beeindruckende Ausstellung in zehn, zum Teil hochvirtuosen Bildbeschreibungen zusammen. Verbunden wurden diese einzelnen Kompositionen mit verschiedenen Variationen des Stückes „Promenade“, die als Überleitungen fungierten.
Leslie begeistert in diesem heute leider zu wenig aufgeführten Zyklus. Seine Interpretation wirkt wie eine Art Prozession durch einen Bilder- und Themenpark, dem sich nicht zuletzt durch die emotionale Vielfalt der Stücke kaum jemand entziehen konnte. Klangmächtig kann man diesen Original-Mussorgski bezeichnen und atmosphärisch mitreißend. Musikalisch anregender konnte das Jahr 2024 kaum beginnen.
Jörg Konrad