Ihre Geschichte liest sich wie ein wütender Abenteuerroman. Randvoll mit Skandalen, stetig provozierend, dabei durchgehend zwischen abstrakter Kunst und angewandtem Pop chargierend.
1975 ging die britische Band aus der radikalen Performance Truppe COUM Transmissions hervor, einer Gruppe von Sonderlingen, die mit verstörend-schockierenden Projekten in den Bereichen Musik, Film und Aktionskunst. Ihnen ging es darum, ästhetische Konventionen in der Kunst zu sprengen.
Throbbing Gristle, gegründet als Quartett in der nordenglischen Industriegegend von den beiden „Nichtmusikern“ Cosey Fanni Tutti und Genesis P-Orridge, brachten Anfangs ihre Kunst nur auf Kassette heraus. Ihr Anliegen war es, Klang, Lärm, Rhythmen und die dunkle Seite der menschlichen Existenz miteinander in Beziehung zu setzten. Texte und Sounds sollten aus den üblichen Parametern der Pop- und Rockmusik befreit werden. Eine Art radikale Gegenkultur also.
Seit einigen Jahren wird nun der Gesamtkatalog der Band, deren Geschichte immer wieder von Trennungsphasen begleitet war, bei Mute neuveröffentlicht.
„TGCD 1“ beinhaltet durchweg Studio-Tracks, die die Band 1979 im eigenen Studio aufgenommen haben. Auf CD war „TGCD 1“ 25 Jahre vergriffen und ist jetzt zum ersten Mal überhaupt auf Vinyl erschienen. Die düstere Charakteristik der Throbbing Gristle-Aufnahmen kommt hier sehr deutlich zur Geltung. Es sind schleppende, schleifende Industrie-Grooves, ausschweifende Gitarrenkakaphonien, verfremdete elektronische Schwingungen und als diese kaum erkennbare menschliche Stimmen. Schlicht: Ein Potpourri humaner Düsternis.
„The Third Mind Movements“, aufgenommen im Juni 2007, klingt weitaus geordneter, obwohl die Band natürlich auch hier Klänge verfremdet, Samples zerhackt und mit allen möglichen Klang- und Soundansprüchen des Musikbusiness bricht.
Beide Alben zusammen sind so etwas wie ein kulturhistorischer Rückblick auf eine Band, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, alles bestehende in Frage zu stellen, um letztendlich Platz zumachen, für völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten innerhalb des Pop. Dafür ist eine gewisse Destruktivität notwendig, ohne die ein sich deutliches Lösen von verstaubten Konventionen einfach nicht möglich wäre.
Viktor Brauer
Throbbing Gristle
„TGCD 1“ & „The Third Mind Movements“
Mute
„TGCD 1“ & „The Third Mind Movements“
Mute