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Donnerstag 11.07.2024
Museum Campendonk: 36 Postkarten von Heinrich Campendonk - Farbige Kleinode des Expressionismus
36 Postkarten von Heinrich Campendonk, farbige Kleinode des Expressionismus, gehen durch die Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung als Dauerleihgabe an das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk

Im Jahr 2002 als Stadtmuseum gegründet und 2016 mit einem Neubau als Kunstmuseum fest verankert, verdankt es seinen Namenszusatz Heinrich Campendonk, dem jüngsten Maler der Künstlergruppe Blauer Reiter. Und der Tatsache, dass sich im Ort die Poststation Oberbayerns befand, von der aus die in Sindelsdorf lebenden Expressionisten Briefe und Postkarten mit der Bahn in die Welt versendeten: an ihre Netzwerke zu Künstlerkollegen, Galeristen und Sammlern.
Heinrich Campendonk (1889 - 1957) fügt dieser Tatsache eine wunderbar sehnsuchtsvolle Komponente hinzu. Er brachte in der Poststation der kleinen Bergarbeiterstadt Penzberg von 1912 an farbig bemalte Postkarten als Liebeswerbung an seine Verlobte Adda Deichmann im weit entfernten Kleve auf den Weg, ebenso wie er seinem Freund und Nachbarn Franz Marc in Abwesenheit „farbige Grüße“ sendete. Sie wurden zu Inkunabeln des Expressionismus, erzählen phantasievoll von drei Millionen inniger Küsse, von Adda in Indien, vom Paradies mit Kühen, Hund, Tiger und Katze und erhalten einen Höhepunkt, als seine kurzfristige militärische Einberufung 1915 Furcht und Schrecken auslöst, bildhaft begleitet von abstrahierten Portraits des Liebenden mit dem sehnlich erbetenen Wunsch, seine Frau und das neugeborene Kind wiedersehen zu dürfen.
Kunsthistorisch bezeugen die Postkarten Campendonks Entwicklung einer eigenständigen, expressionistischen Bildsprache mit außergewöhnlicher Farbqualität und Ideenreichtum. Für das Verständnis seines Oeuvres sind die kleinen Werke von großer Bedeutung.
Angeregt sind sie wahrscheinlich durch die malerisch-poetische Korrespondenz zwischen Franz Marc und Else Lasker-Schüler. Diese „gemalten Grüße“ des jungen Campendonk fügen dem Expressionismus der Blauen Reiter eine weitere Facette hinzu, ebenso wie sie sich in die Postkartentradition der Brücke-Maler einreihen.
Für das Museum in Penzberg sind die Postkarten aus dem Nachlass Campendonks identitätsstiftend und daher von großer Tragweite. Als einziger der Blauen Reiter setzt er sich mit der naheliegenden Bergarbeiterstadt Penzberg auseinander. Die soziale und prekäre Komponente der schweren Arbeit macht er zum Thema seiner Kunst in Gestalt von Kühen und Lastentieren, oder auch Abraumhalden, die er symbolisch abstrahiert. Inhalte, die es in ihrer ganzen Tiefe noch zu erforschen gilt. Campendonks Ikonographie, sein spiritueller Kosmos von Mensch, Tier und Flora ist wegweisend. Bestens ersichtlich ist dies bereits in diesen Kleinoden des Expressionismus, in Form seiner Postkarten mit eben jenem persönlichen Ausdruck, der dem Publikum einen wunderbaren Zugang bereitet.
Nun ist die Ernst von Siemens Kunststiftung dem Wunsch des Museums nachgekommen, das bedeutende Konvolut von 36 Künstlerpostkarten Campendonks zu erwerben und der städtischen Sammlung als Dauerleihgabe zu übergeben. Für die städtische Institution kommt diese großzügige Unterstützung zum richtigen Zeitpunkt: Tatsächlich wird sie der Sammlung Campendonk nach dem Rückzug einiger wichtiger Leihgaben eine dringend benötigte, dauerhafte Basis verleihen. In der gegenwärtig äußerst angespannten Finanzlage der Stadt ist das Museum über diese großzügige und stabilisierende Maßnahme von außen, die das Fortbestehen sichert, äußerst dankbar.
„Der enge Bezug zu Penzberg und die Dokumentation des privaten Austausches eröffnen den Betrachtern einen sehr persönlichen Zugang zu Campendonks Leben und Werk, da die Postkarten private Themen mit künstlerischen Sujets des Blauen Reiters verbinden. Aus diesem Grund war es für uns besonders wichtig, das gesamte Konvolut zu sichern, vor einer Zerstreuung zu bewahren und den Ankauf komplett zu finanzieren“, betont Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung. Mit dem Ankauf einer weiteren Postkarte unterstützt auch der Freundeskreis Heinrich Campendonk e. V. das Museum Penzberg.

Museum Penzberg - Sammlung Campendonk
Am Museum 1
82377 Penzberg


Abbildungen:

- Heinrich Campendonk, Meiner Adda - Zwei Pferde und Mond, 1915, Collage, Deckfarben und Feder
- Heinrich Campendonk, Der Soldat, 1915, Zeichnung Bleistift auf Papier?
- Heinrich Campendonk, Ich liebe Adda, 1915, Collage, Deckfarben über Tuschfeder
Copyright für alle Abb.: Dauerleihgabe Ernst von Siemens-Kunststiftung, Museum Penzberg - Sammlung Campendonk © VG Bild-Kunst,
Bonn 2024

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Donnerstag 04.07.2024
Murnau Schlossmuseum: HAP Grieshaber - Drucken ist ein Abenteuer
Drucken ist ein Abenteuer
HAP Grieshaber (1909–1981)
Handdrucke der 1950er-Jahre

Ausstellung vom 13. Juli bis 10. November 2024
Schlossmuseum Murnau

Aus dem Holzstock kraftvoll und konzentriert Motive herauszuarbeiten, das ist eine künstlerische Ausdrucksform, die HAP Grieshaber zutiefst entsprach. Nach einer Ausbildung zum Schriftsetzer hatte er Gebrauchsgrafik und Buchdruck an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule gelernt.
Seinen Formenschatz, den er im Figürlichen entwickelte, gewann er im Anschluss u. a. während seiner Aufenthalte und Reisen in England, Ägypten, Nubien und Griechenland. Grieshaber verdiente sich dort mit seinem Handwerk den Lebensunterhalt und konnte erste Werke ausstellen, in denen er sich intensiv mit den Ländern, Menschen und Gebräuchen auseinandersetzte. Sein persönliches, politisches Engagement reifte durch seine Erfahrungen als Soldat und Kriegsgefangener im Zweiten Weltkrieg, in den durchlebten Kriegsjahren voller Unfreiheit und Repression.
1951 wurde Grieshaber als Lehrer an die Bernsteinschule bei Sulz am Neckar berufen. In der privaten Kunstschule im Kloster Bernstein, die er während seiner kurzen Lehrtätigkeit wesentlich prägte, konnte er im großzügigen Atelier der Klosterkirche freier experimentieren, seinen eigenständigen Stil vervollkommnen und sich nicht zuletzt dem von ihm schon länger anvisierten großen Format widmen. Seinen Schülern ließ er den Freiraum, den eigenen Weg zu finden. Lehraufträge folgten. Grieshaber wurde 1955 als Nachfolger von Erich Heckel an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe berufen, wo er bis zu seinem Rücktritt 1959 wirkte. Zuletzt hatte er sich dort künstlerisch wie politisch eingeengt gefühlt.
In den 1950er-Jahren schuf HAP Grieshaber eine Reihe bezwingend ausdrucksstarker und virtuoser Handdrucke in kleiner Auflage. Nicht er als Künstler wähle das große Format, sondern „die Idee des Holzschnitts wählt sich groß“, äußerte er 1964 in einem Interview mit dem SWR. Das ist auch für den Betrachter nachvollziehbar: Motivüberlagerungen und dynamische Formen füllen das große Format kraftvoll aus.
In seinen Holzschnitten fand er zu einer grafischen Sprache, die in ihrer zeichenhaften Symbolik eine zeitlose Gültigkeit erlangt hat und gerade heute wieder aktuell ist, wie etwa die Blätter Koreanische Mutter und Gefesselte Taube belegen.
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Freundeskreis Grieshaber e. V.

Schlossmuseum Murnau
Schloßhof 2-5,
82418 Murnau am Staffelsee

Abbildungen:

- Frauen- und Männerkopf, 1956,
Holzschnitt, Privatsammlung,
Foto: Museum Wiesbaden, Bernd Fickert

- Stillende, 1955,
Holzschnitt, Privatsammlung,
Foto: Museum Wiesbaden, Bernd Fickert
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Freitag 14.06.2024
Dachau: Wolfgang Feik - Blautöne
Dachau: Wolfgang Feik - Blautöne

Ausstellung vom 21. Juni bis 14. Juli 2024
KVD Künstlervereinigung
Dachau e.V., Pfarrstraße 13, 85221 Dachau

Vernissage am 20. Juni um 19.30 Uhr.
Live-Musik von IndexFinger
Einführung von Ulrich Habersetzer


Viele Jahre Musikfotografie verdichten sich zur Serie „on stage“.
Interpreten von Blues, Folk & Jazz im Portrait.
Im musikalischen Sinne beschreibt BLUE weniger eine Farbe als ein Gefühl.
Aufmerksamkeit für die unverzichtbaren Zwischentöne.
Diese werden ergänzt von visuellen BLUE NOTES in Form abstrakter Fotografie.

Wolgang Feik
- geboren 1969 in Franken
- lebt seit 1990 rund um München, arbeitet in München und weltweit
- Mitglied VG Bild-Kunst, Künstlervereinigung Dachau KVD, verdi




Künstlervereinigung
Dachau e.V.
Pfarrstraße 13
85221 Dachau
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Mittwoch 05.06.2024
Unterföhring Bürgerhaus: TJ Krebs - Jazz Momentaufnahmen
Zum vergrößern bitte Bild anklicken
TJ Krebs - Jazz Momentaufnahmen

Ausstellung vom 14.Juni bis 27. Juli 2024
Bürgerhaus Unterföhrimg


JAZZ - MOMENTAUFNAHMEN
Eine Jazz-Fotoretrospektive zum Internationalen Jazz-Weekend 2024

Thomas J. Krebs begann vor 57 Jahren zu fotografieren und feiert dieses Jahr sein 50 jähriges Konzertfotografie-Jubiläum. Am 27. Juli 1974 stand er zum ersten Mal mit seiner Kamera bei einem Konzert vor der Bühne. Mittlerweile sind es gut 3.500 Konzerte, die er zwischenzeitlich besucht und fotografisch festgehalten hat. Seine Arbeit ist geprägt von tiefem Respekt gegenüber dem Künstler, besonders wenn man so wie er dem Musiker auf der Bühne sehr nahe ist. In dieser Umgebung erfordert die Livefotografie Fingerspitzengefühl, wann man auf den Auslöser der Kamera drückt, ohne Musiker oder Publikum zu stören, um den besonderen, den unwiederbringlichen Moment einzufangen. Im Laufe der Jahre entstanden außer seinen Live-Foto-Momenten auch projektbezogene Aufnahmen wie seine „Poladroid-Serie“, oder die Reihe „keys & sticks“, bei dem Thomas J. Krebs ausgewählte Pianisten mit einem Mini-Piano und Drummer mit Maxi-Drumsticks portraitiert. „Hands“ wiederum zeigt die Hände der Musiker in Großaufnahmen. Bei „Silhouette“ fotografierte Thomas J. Krebs in der Coronazeit nach Konzerten ohne Publikum das Profil der Musiker mit ihren Instrumenten im harten Gegenlicht. Das Ergebnis erinnert an klassische Scherenschnitte. Fotografischen Stillstand gibt es bei Thomas J. Krebs nicht. Er liebt die Herausforderung und ist kontinuierlich auf der Suche nach neuen Blickwinkeln.

Der Musikjournalist Ralf Dombrowski zu Thomas J. Krebs: „ Im Vordergrund seiner Arbeit steht immer der Musiker, eine für ihn typische Pose oder der Augenblick, der aus einem Trompeter einen Visionär macht, aus einer Sängerin eine Grande Dame, aus einem Pianisten einen Meister. Thomas J. Krebs fängt mit seiner Sucherkamera diese Momente ein, mit der besonderen Leidenschaft des aufmerksamen, empathischen Zuhörers und dem Auge dafür, das Künstlertum zu potenzieren. Der geschenkte, nicht der geraubte Schatten.“

Die Laudatio hält Oliver Hochkeppel (Süddeutsche Zeitung).
Es spielt die Band „Three and a Half“

Zur Band:
“Three and a Half” ist nicht nur Name, sondern auch Konzept dieser Formation, bestehend aus drei(einhalb) Musikern aus Three (and a half) Kontinenten, bestehend aus dem englisch-deutschen Saxophonist und Bassist Edi May, dem kolumbianischen Gitarrist Óscar Mosquera und dem amerikanischen Schlagzeuger Nathan Carruthers. Die Band kommt nicht nur aus 3(.5) Ländern und spielt drei(and a half) Instrumente, sondern bedient sich auch aus mehr als drei (…) Musikgenres. Obwohl Jazz ihre Grundlage ist, fließen Stilrichtungen wie Hip Hop, Rock, Drum & Bass oder Techno mit in ihre Kompositionen ein.

Bürgerhaus Unterföhring
Münchner Str. 65,
85774 Unterföhring

Fotos:
- Chet Baker
- Carla Bley
- Aki Takase
(sämtlich von TJ Krebs)
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Donnerstag 02.05.2024
Buchheim Museum: Sammlung Buchheim – Inside Out? Gemälde, Zeichnungen und Drucke
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Sammlung Buchheim – Inside Out? Gemälde, Zeichnungen und Drucke

Buchheim Museum Bernried
Ausstellung vom 27. April 2024 bis 12. Januar 2025

Bernried – Es gibt kaum etwas, was Lothar-Günther Buchheim und seine Ehefrau Ditti nicht gesammelt hätten. Seit dem Tod des Alleskönners im Jahr 2007 haben Schenkungen, Zustiftungen und Ankäufe vielfach aus privatem Besitz den Bestand des Museums erweitert. Hervorzuheben ist die umfangreiche Zustiftung von Joseph Hierling mit Werken des Expressiven Realismus. In diesem Sinn ist das Buchheim Museum der Phantasie im Geiste seines Gründers höchst lebendig und von erstaunlicher Vielfalt.
Für den Maler und künstlerischen Tausendsassa Buchheim war die Betrachtung von Kunst stets ein Fest fürs Auge. Er wollte Zusammenhänge und Zusammenklänge am liebsten im direkten Nebeneinander anschaulich werden lassen. Seine besondere Neigung galt der Kunst auf Papier. In den Strichen einer rasch hingeworfenen Zeichnung mochte der schaffende Künstler die direkteste Verbindung zwischen Auge, Emotion und Hand sowie letztlich zum Betrachter erkennen. Die gemeinsame Präsentation von Gemälden mit Zeichnungen und Druckgrafiken greift Maximen des Buchheim’schen Kunstverständnisses auf. Aus konservatorischen Gründen dürfen sie jedoch in aller Regel nur rund drei Monate dem Licht ausgesetzt werden. Deshalb folgen auf Handzeichnungen und Aquarelle, Druckgrafiken, die wiederum von farbigen Druckgrafiken abgelöst werden. Die Hängung versucht ferner entlang klassischer Themen der Kunstgeschichte neuere Erwerbungen mit den Werken zu vergleichen, die noch von Buchheim selbst gesammelt worden sind. Schließlich ermutigt Inside Out den Betrachter, sich ein eigenes Urteil über Status und künftige Entwicklung der Sammlung zu bilden. Anlass für diese Standortbestimmung ist die 2025/26 anstehende Erweiterung des Museumsgebäudes.
Die Ausstellung »Sammlung Buchheim – Inside Out? Gemälde, Zeichnungen und Drucke« gliedert sich in insgesamt neun Themenbereiche.

Künstler(selbst)porträts
Das Selbstbildnis gehört spätestens seit Dürer zum Habitus eines Künstlers. Ebenfalls in die Renaissance reichen die Freundschaftsbildnisse zurück. Selbstverständlich suchte man im 20. Jahrhundert nach neuen Wegen für solche Aufgaben. Intim und malerisch kühn zugleich ist Heckels Porträt des schlafenden Pechstein von 1910. Albert Birkle hat sich 1921 in der Art eines Schnappschusses gemalt. Tief in die Psyche des Bildhauers Ernst Barlach dringt Leo von König mit dessen Bildnis von 1937 ein. Sein vom Leben gezeichnetes zerfurchtes Gesicht mit den müden Augen sagt mehr, als Worte es je vermöchten.

Porträts
Beim Sujet der Porträts verlässt die Kunst des 20. Jahrhunderts vielfach das gewohnt Abbildhafte. In Karl Schmidt-Rottluffs Frau im roten Kleid von 1920 dominiert ein Farbklang aus Grün, Gelb und Rot, der beim Inkarnat jenseits tradierter Sehgewohnheiten liegt. Ähnliches gilt für Georg Tapperts Sitzende in rotem Kleid. Soll man deshalb Birkles virtuos gemaltes Porträt der etwas kapriziös erscheinenden Frau Jochum im Dirndl von 1934 als Rückschritt ansehen? Beispielhaft dringt Lothar-Günther Buchheim in seinem Bildnis Ellen durch deren maskuline Sitzhaltung im männlichen Bademantel in neue Interpretationsformen weiblichen Selbstbewusstseins vor.

Aktdarstellungen
Der nackte menschliche Körper bildet eine traditionelle Aufgabe der Kunst. Bis weit in das 19. Jahrhundert griff man meist auf mythologisch oder religiös verbrämte Themen zurück. Max Beckmanns Weiblicher Akt von 1908 hat dagegen seine übliche göttliche Verkleidung abgelegt. Gleichzeitig hat er aber nichts mit den ihre Nacktheit völlig natürlich darbietenden Mädchen und Frauen der »Brücke«-Maler zu tun. Obwohl sie
aus konservatorischen Gründen nur in der ersten Laufzeit gezeigt wird und zudem eher sachlich als expressiv geprägt ist, wird man Otto Dix’ minutiöser Zeichnung Das Erwachen aus dem Jahr 1922 ihren Platz als Hauptwerk in der Sammlung Buchheim nicht streitig machen.

Stadtbilder
Das hektische Treiben im Moloch Großstadt mit allen sozialen oder sittlichen Verwerfungen wird im 20. Jahrhundert zu einem wichtigen Thema in der Kunst. Ein nur in der ersten Laufzeit ausgestelltes Hauptwerk in diesem Genre ist Albert Birkles Nächtliche Leipziger Straße in Berlin von 1923, in der sich Unruhe und Angst einer ganzen Epoche spiegelt. Dabei ist nachrangig, ob es sich um ein Werk des Expressionismus handelt oder dem expressiven Realismus zuzurechnen ist. Es fällt jedoch auf, dass in der Sammlung unter den Gemälden der »Brücke«-Künstler solche Themen eher selten zu finden ist. Hier dominiert die Druckgrafik als Medium. Maler wie Dix, Beckmann und andere haben die Nachtseiten ihrer
Zeit dagegen durchaus thematisiert.

Interieurs
Mit dem Gemälde Fleischerladen von 1906 demonstriert Lovis Corinth, wie weit sich damals die Kunst von der üblichen Beschaulichkeit früherer Interieurs entfernt hat. Zugleich wird das Genre zu einer Art Experimentierfeld. Die Freunde von Max Kaus verharren ohne jegliche Kommunikation in einem von wenigen kräftigen Farben dominierten Ensemble. Dies gilt in gewissem Maße auch für Ferdinand Dorschs Blaue Stühle von 1920, in der die Sitzmöbel Anlass für ein demonstrativ gesetztes Blau sind. Ungeachtet der akzentuierten Farbigkeit inszeniert Ernst Ludwig Kirchner 1921 sein Interieur nach geradezu bürgerlichen Maßstäben. Otto Mueller nutzt um 1922 einen Spiegel zur Vorstellung dreier Akte und verweist zugleich auf Picassos Demoiselles d’Avignon von 1907 zurück.

Landschaften
Spiegelt sich in Landschaften eine Flucht aus der Geschichte? Oder handelt es sich um den fälligen Tribut an ein seit Jahrhunderten von der bildenden Kunst gepflegtes Genre? Es bleibt gleichwohl bemerkenswert, wie sich Bernd Zimmer in Gemälden wie Tinzenhorn 6 von 2014 an Ernst Ludwig Kirchners rund 80 Jahre älteren Berglandschaften von 1931 reibt und doch ein Maler des frühen 21. Jahrhunderts bleibt. Hier stoßen zwei starke künstlerische Potenzen aufeinander, die sich sogar ex post noch gegenseitig zu steigern vermögen. Nicht nur dem Format nach intim ist Paula Modersohn-Beckers Moorlandschaft mit Birkenstämmen, in der Bäume gleichsam zu Persönlichkeiten stilisiert werden.

Stillleben
Mit Landschaften stößt man keine Revolutionen in der Kunst an, mit Stillleben auch nicht? Warum auch? Darf man sich nicht an schönlinigen Formen oder prächtigen Farben einfach erfreuen? Das aber leistet die farbliche Delikatesse in Emil Noldes Mohn-Bild auf höchstem Niveau, das freilich nur in der ersten Laufzeit gezeigt werden kann. Andererseits scheint sich in Ernst Ludwig Kirchners geradezu hektischem Stillleben mit Maske von 1914/15 der Erste Weltkrieg zu spiegeln. Lässt sich dann die düstere, von Schwarz und Rot geprägte Amaryllis von Werner Scholz aus dem Jahr 1937 als Fanal der künftigen Schrecknisse interpretieren? Und antwortet nicht das 1953 entstandene Stillleben der alten Seezeichen von Max Kaus auf die informellen Skulpturen jener Zeit?

Theater, Zirkus, Varieté
Irgendwo zwischen Großstadtbildern und Interieurs könnte man Darstellungen aus der Welt von Theater, Zirkus oder Varieté ansiedeln. Diese Themen der leichten Muse haben sich von Frankreich aus im frühen 20. Jahrhundert in der Kunstwelt verbreitet. Im Buchheim Museum scheint Robert Liebknecht trotz seines etwas propagandistischen Einschlags mit dem Gemälde Musikhall von 1936 daran anzuknüpfen. Hüthers
Selbstbildnis vor Oktoberfest von 1932 oder Becks Selbst als Clown sind dagegen geradezu melancholisch. Näher am Tingeltangel bewegen sich freilich zahlreiche Arbeiten auf Papier.

Religiöse Themen
Von der traditionellen Bindung an Religion und Kirche hat sich die Kunst im 20. Jahrhundert gelöst. Damit verbundene Themen fehlen in der Expressionistensammlung weitgehend. Lag das an Buchheims persönlicher Einstellung? Immerhin hat er eine Kirche mit Kalvarienberg gemalt. Dort lässt das demonstrativ vorgezeigte Kreuz keinen Zweifel, dass es sich nur um eine Landschaft handeln könnte.
Historienbilder gibt es ebenfalls keine, aber dieses Genre hatte Buchheim bis 1945 in der besonderen Spielart der Propagandamalerei zur Genüge hinter sich gebracht. Dennoch bleiben Zweifel: Könnten Otto Beyers Adam und Eva von 1919 nicht einfach zwei Akte in paradiesischer Umgebung sein? Gewiss jedoch ist Max Kaus’ Triptychon der Kreuzigung ein starkes Beispiel für religiöse Kunst des Expressionismus.

Buchheim Museum
Am Hirschgarten 1,
82347 Bernried am Starnberger See

Abbildungen:

- Karl Schmidt-Rottluff
Weiden, 1909
Öl auf Leinwand
Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See
© VG Bild-Kunst, Bonn
Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg

- Erich Heckel
Blick ins Gebirge, 1924
Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See
© Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen; VG Bild-Kunst, Bonn
Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg

- Hans Purrmann
Garten am Bodensee, 1927
Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See
© VG Bild-Kunst, Bonn
Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg

- Emil Nolde
Mohn, o. J.
Aquarell auf Japan
Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See
© Nolde Stiftung Seebüll
Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg

- Robert Liebknecht
Musikhall, Paris, 1936
Sammlung Joseph Hierling im Buchheim Museum der Phantasie
© VG Bild-Kunst, Bonn
Reproduktion: Joseph Hierling
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Sonntag 21.04.2024
Haus der Kunst München: Rebecca Horn
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Rebecca Horn

Ausstellung vom 26. April 2024 bis 134. Oktober 2024
Haus der Kunst München


Das sechs Jahrzehnte umfassende, transmediale Lebenswerk von Rebecca Horn (geb. 1944, Deutschland) befasst sich mit dem Thema der Existenz und der Verwischung der Grenzen zwischen Natur und Kultur, Technologie und biologischem Kapital sowie dem Menschlichen und Nichtmenschlichen. Ob man die Künstlerin als Erfinderin, Regisseurin, Autorin, Komponistin oder Poetin bezeichnen mag, allem voran versteht sie sich als Choreografin. Horn beschreibt ihre Praxis als präzise kalkulierte Beziehungen von Raum, Licht, Körperlichkeit, Ton und Rhythmus, die ein Ensemble bilden. Maschinenwerdung, Tierwerdung oder Erdwerdung in ihren performativen, skulpturalen und filmischen
Arbeiten zielen auf eine von Körpern erfahrbare Präsenz eines sichtbaren, fühlbaren und hörbaren Daseins.

Die Ausstellung „Rebecca Horn“ entwickelt eine der Performativität gewidmete Lesart, die von ihren Anfängen bis zu den letzten Arbeiten erlebbar ist. Horn nutzt die Idee von Inkorporierung und schafft Sinnbilder technisch körperlicher Vernetzung seit ihren ersten Papierarbeiten in den 1960er Jahren, den frühen Performances und Filmen der 1970er Jahre über die mechanischen Skulpturen seit den 1980er Jahren und den raumgreifenden Installationen der 1990er Jahre bis heute. Virtuos verwobene Referen­zen aus Literatur, Kunst- und Filmgeschichte ziehen sich durch ihr gesamtes Lebens­werk. Horns Werk ist eine lebenslange und brisante Erkundung der voranschreitenden Dezentrierung des Menschen.

Die Ausstellung wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes. Der Katalog erscheint bei Spector Books.

Kuratiert von Jana Baumann mit Radia Soukni.

Haus der Kunst München,
Prinzregentenstrasse 1
80538 München

Abbildungen:

- Rebecca Horn
Kiss of the Rhinoceros, geöffnet, Stahlkonstruktion, Aluminium und Motor, 1989
Foto: Gunter Lepkowski, Archiv Rebecca Horn
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

- Rebecca Horn
Bleistiftmaske, 1972
Archiv Rebecca Horn
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024

- Rebecca Horn
Einhorn, C-Print (Kontaktabzug), 1970
Archiv Rebecca Horn
© VG Bild-Kunst, Bonn 2024
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