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1. SAMIA
2. TREASURE – FAMILIE IST EIN FREMDES LAND
3. WALDSINFONIE
4. SLEEPING DOG – MANCHE LÜGEN STERBEN NIE
5. HORIZON
6. KARL VALENTIN – DIE BELIEBTESTEN KURTZFILME
Donnerstag 19.09.2024
SAMIA
Ab 19. September 2024 im Kino
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Jeden Morgen läuft Samia auf dem Schulweg mit ihrem besten Freund um die Wette – und immer gewinnt sie. Die Neunjährige will unbedingt am jährlichen Stadtlauf von Mogadischu teilnehmen. Doch während ihr Vater sie unterstützt und im Falle eines Sieges echte Turnschuhe verspricht, hält ihre Mutter sie zurück. Frauen ist es untersagt, Sport zu treiben, und die Gefahr, einer Patrouille in die Arme zu laufen, groß. Aber Samia lässt sich nicht aufhalten. Nachts trainiert sie heimlich weiter und läuft beim Stadtlauf vor allen Erwachsenen als Erste ins Ziel. Plötzlich scheint alles möglich und die Sterne zum Greifen nah: Eines Tages will Samia als schnellste Frau Somalias an den Olympischen Spielen teilnehmen.

Ein Film von Yasemin Samdereli in Zusammenarbeit mit Deka Mohamed Osman
Mit Ilham Mohamed Osman, Elmi Rashid Elmi, Riyan Roble u.a.

Nach ihrem Millionenerfolg ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND erzählt Regisseurin Yasemin ?amdereli die unglaubliche Geschichte der somalischen Leichtathletin Samia
Yusuf Omar, die 2008 an den Olympischen Spielen in Peking teilnahm. Der auf wahren Ereignissen basierende Film nach dem Bestseller „Sag nicht, dass du Angst hast“ ist das berührende Porträt einer starken und lebensfrohen jungen Frau, die gegen alle Widerstände ihren Traum verfolgt.


DIRECTOR’S NOTE

Wie sehr man für etwas brennt, wie sehr man etwas liebt und an etwas glaubt, lässt sich gut daran ablesen, wie lange man bereit ist, dafür zu kämpfen. Was man alles bereit ist, dafür zu tun, zu opfern, um das Projekt in die Tat umzusetzen. SAMIA ist seit acht Jahren mein absolutes Herzensprojekt. An kein Projekt und an keine andere Geschichte habe ich so sehr geglaubt wie an die Lebensgeschichte der somalischen Leichtathletin Samia Yusuf Omar. Für kein Projekt habe ich nach ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND so sehr gekämpft.
Die Geschichte basiert auf dem Roman „Sag nicht, dass du Angst hast“ von Guiseppe Catozzella, der wiederum durch einen Zeitungsartikel auf das Schicksal dieser bemerkenswerten Somalierin aufmerksam wurde und dann nach langer Recherche und nach langen Gesprächen mit Samias Schwester Hodan den Roman schrieb. Der Roman erzählt Samias Geschichte, die es aus ärmsten Verhältnissen kommend bis zu den Olympischen Spielen nach Peking schaffte. Samia ließ sich nicht von den frauenfeindlichen Verboten und Repressalien der Islamisten aufhalten, die einer Frau nicht einmal das Recht auf Sport zugestehen.
Das Buch gibt nicht nur einen berührenden Einblick in die Familiengeschichte von Samia, sondern schafft es, die großen und grundlegenden Probleme dieser Region eindrucksvoll darzustellen und zu zeigen, warum Menschen aus Afrika fliehen müssen. Warum sie ihre Heimat verlassen und immer wieder die lebensgefährliche Reise über das Mittelmeer riskieren, um in Europa ein neues Leben zu beginnen. Was ihre Hoffnungen sind und warum Europa für viele die letzte Chance bedeutet. Eine Chance auf ein lebenswürdiges Leben. Eine Chance, sich und der eigenen Familie zu helfen. Eine Chance, man selbst sein zu dürfen.
Yasemin Samdereli


IHRE GESCHICHTE BEWEGTE DIE WELT
SAMIA YUSUF OMAR
* 25. März 1991 in Mogadischu, Somalia
† 2. April 2012 im Mittelmeer
Die Ereignisse in SAMIA beruhen auf dem wahren Leben der somalischen Leichtathletin Samia Yusuf Omar, die 1991 in Mogadischu geboren wurde und dort in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Trotz widriger Bedingungen in ihrem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land trainierte sie mit Begeisterung das Laufen und nahm 2008 als 17-Jährige als einzige somalische Sportlerin an den Olympischen Spielen in Peking teil. Stolz trug sie bei der Eröffnungsfeier die Flagge ihres Landes.
Beim 200-Meter-Lauf schied sie mit einer persönlichen Bestzeit von 32,16 Sekunden im Vorlauf aus, gewann aber die Herzen des Publikums, das sie frenetisch feierte. Ihr Foto ging um die Welt.
Samias großer Traum war die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 in London. Doch in ihrem Land bekam die Athletin keine Unterstützung, erlitt Repressalien und erhielt sogar Todesdrohungen, weil sie ohne Kopftuch lief. In der Hoffnung auf eine bessere und sichere Zukunft in Europa begab sie sich auf die gefährliche Flucht durch den Sudan nach Libyen und danach auf den Seeweg, um die italienische Küste zu erreichen. Am 2. April 2012 erlitt ihr Boot im Kanal von Sizilien nahe Malta Schiffbruch. Samia Yusuf Omar ertrank mit weiteren Geflüchteten im Mittelmeer. Sie wurde nur 21 Jahre alt.


ÜBER DIE DREHARBEITEN

Die Dreharbeiten zu unserem Film waren lang und sehr kompliziert. Wir haben in Kenia, Italien (Apulien und Rom), Tunesien und Deutschland (Berlin) über einen Zeitraum von einem ganzen Jahr gedreht. Die Dreharbeiten starteten im Dezember 2022 und endeten im November 2023. Logistisch und finanziell war das eine unglaubliche Herausforderung. Unser größtes Problem war, dass wir NICHT in Somalia/Mogadischu drehen konnten. Die Sicherheitslage ist leider immer noch so, dass man da nicht drehen kann bzw. darf. Wir haben keine Versicherung bekommen und natürlich wollte niemand sein Leben aufs Spiel setzen, denn leider hat es einen sehr ernsten und traurigen Grund, dass Menschen wie Samia und viele andere aus Somalia fliehen. Sie fliehen, weil sie dort in Lebensgefahr sind und von Terror oder Krieg bedroht sind. Vieles hat sich zwar gebessert, aber es bleibt leider alles unglaublich labil und es gibt immer wieder herbe Rückschläge.
Da wir nicht in Somalia drehen konnten, mussten wir den Ort finden, der die besten Voraussetzungen hat, um „Somalia“ als Filmrealität dort zu erschaffen. Die Hauptdreharbeiten fanden in Kenia, in Malindi statt. Dort hat unsere tolle Szenenbildnerin Paola Bizarri zusammen mit ihrem Team das Haus der Familie Omar gebaut. Allein das hat vier Wochen gedauert und wir hatten mit der Regenzeit zu kämpfen, die 2023 einfach nicht aufhören wollte. Der Regen zog sich gute vier Wochen länger hin als sonst und hat uns einen ziemlichen Strich durch die ohnehin schon sehr dünne Rechnung gemacht. Aber beim Film sind wir ja darauf spezialisiert auf alles zu reagieren. Komme da was wolle.
Stets an meiner Seite war meine großartige Partnerin Deka Osman. Deka war einfach meine bessere, somalische Hälfte. Für die Teammitglieder und Schauspieler, die kein Englisch konnten, war sie die Ansprechpartnerin. Wir saßen zusammen vor der Videocombo und haben nach jedem Take kurz gesprochen. Deka hat sich auf den Dialog konzentriert und geschaut, dass der richtig war, und wenn nicht, dann hat sie mir das mitgeteilt. Wenn etwas im Dialog anders ausgedrückt werden musste oder ein „Versprecher“ drin war. Sie und ihre Mutter Suad Osman waren auch die Sprachexpertinnen, wenn es um den Akzent aus Mogadischu ging. So wie in jedem Land unterscheidet sich der Dialekt je nach Region. Das ist wie mit Bayerisch oder Kölsch. Wir haben versucht, das so authentisch wie möglich zu machen, waren uns aber auch bewusst, dass einige unserer Darsteller nicht ursprünglich aus der Region kommen oder schon lange in der Diaspora leben. Besonders bei den Kindern war uns klar, dass wir da zwar ein Auge drauf haben werden, aber im Prinzip immer das Schauspiel im Vordergrund stand.
Das war ohnehin eine unserer größten Anstrengungen – den Schauspielern so viel Freiheit wie möglich zu lassen und es ihnen zu ermöglichen, dass sie die vielen Familienszenen mit viel Freiheit spielen konnten. Deswegen haben wir auch in diesen Szenen mit zwei Kameras gearbeitet. Unser DOP Florian Berutti war großartig darin, einzuschätzen, wie viel Freiheit er den Darstellern geben konnte. Auch die ganzen Laufaufnahmen haben wir im Vorfeld so vorbereitet und getestet, dass Florian alle dieser Aufnahmen selbst machen konnte. Wir hatten keine Steadycam. Florian hat die Laufaufnahmen alle mit einer kleinen Ronin gedreht. Das System war gerade ganz neu und hat perfekt zu unserem Projekt gepasst.


REGISSEURIN YASEMIN SAMDERELI

Yasemin Samdereli, geboren und aufgewachsen in Dortmund, führte es nach ihrem Abitur direkt an die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) nach München. Während ihres Studiums wirkte sie u. a. als Regieassistenz bei zwei Internationalen Kinoproduktionen von Jackie Chan mit. Ihr Abschlussfilm, der Kurzfilm „Kismet“, wurde auf vielen renommierten Filmfestivals gezeigt und mit dem Short Tiger Award ausgezeichnet. Nach zwei TV-Produktionen realisierte sie 2011 ihren erfolgreichen Kinoerstling ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND, der 2011 auf der Berlinale Premiere feierte und zahlreiche Preise erhielt, darunter den Deutschen Filmpreis in Silber für den Besten Film und den Deutschen Filmpreis in Gold für das Beste Drehbuch. Zwei Jahre später drehte ?amdereli ihren ersten Dokumentarfilm DIE NACHT DER NÄCHTE. Beim Bayerischen Filmpreis wurde der Film als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.
Mit ihrem aktuellen Film SAMIA über die somalische Leichtathletin Samia Yusuf Omar verwirklicht Yasemin ?amdereli gemeinsam mit Deka Mohamed Osman ein absolutes Herzensprojekt. Weltpremiere feierte der Film im Juni 2024 auf dem Tribeca Film Festival.

Filmographie:
2024 SAMIA
2018 DIE NACHT DER NÄCHTE
2011 ALMANYA – WILLKOMMEN IN DEUTSCHLAND
2007 ICH CHEF, DU NIX! (TV)
2003 ALLES GETÜRKT! (TV)
1999 KISMET (Kurzfilm)
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Donnerstag 12.09.2024
TREASURE – FAMILIE IST EIN FREMDES LAND
Ab 12. September 2024 im Kino
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Kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs reist die New Yorker Musik-Journalistin Ruth Rothwax (LENA DUNHAM) in Begleitung ihres Vaters Edek (STEPHEN FRY) nach Polen, um dem Vermächtnis ihrer jüdischen Familie auf den Grund zu gehen. Für Edek, einen Holocaust-Überlebenden, ist es die erste Reise zurück zu den Orten seiner Kindheit. Während Ruth entschlossen ist, die Traumata ihrer Eltern besser zu verstehen, will der stets vergnügte Edek die Vergangenheit ruhen lassen. So sabotiert er Ruths Pläne und sorgt dabei für mehr als nur eine unfreiwillig komische Situation. In dieser erlebnisreichen Woche decken die beiden alte Familiengeheimnisse auf. Aus ihrer brüchigen Beziehung wächst Liebe und tiefes Verständnis.
Mit der Verfilmung des Schlüsselromans „Zu viele Männer“ von Bestseller-Autorin Lily Brett legt die deutsche Filmemacherin und Drehbuchautorin Julia von Heinz (HANNAS REISE, UND MORGEN DIE GANZE WELT) ihre bislang ambitionierteste Arbeit vor. In den Hauptrollen brillieren die mit der Kult-Serie „Girls“ bekanntgewordene Lena Dunham sowie der gefeierte britische Ausnahmekünstler Stephen Fry („The Dropout“, WILDE). Durch die Auseinandersetzung mit der erschütternden Vergangenheit ihrer Familie, findet das charismatische Vater-Tochter-Duo im Laufe ihrer Reise endlich wieder einen Weg zueinander. Julia von Heinz inszeniert diese bewegende Familiengeschichte feinfühlig und mit warmem Humor.
TREASURE - FAMILIE IST EIN FREMDES LAND, der im Rahmen der diesjährigen 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin in der Sektion Berlinale Special GALA seine Welturaufführung feierte, ist der krönende Abschluss ihrer Aftermath-Trilogie, die sich mit den Auswirkungen des Holocaust auf nachfolgende Generationen beschäftigt.

Ein Film von Julia von Heinz
Mit Lena Dunham, Stephen Fry u.a.


„A WALL IS A WALL, A COAT IS A COAT” - Ein Gespräch mit Julia von Heinz

Was ist die Initialzündung für TREASURE - FAMILIE IST EIN FREMDES LAND?
Ich war 16 Jahre alt, als ich erstmals auf die Bücher von Lily Brett aufmerksam wurde. Zunächst las ich „Just Like That“. Meine Mutter hatte jedes Buch von ihr, das in Deutschland herauskam, gekauft. Im Regal nahmen ihre Romane bald eine ganze Reihe ein. Die Figurenkonstellation ist in Lily Bretts Büchern stets eine Vater-und-Tochter-Beziehung in unterschiedlichen Variationen. Nach meiner ersten Begeisterung las auch ich alle ihre Bücher. Ich werde nie vergessen, wie ich entdeckte, dass Lily Brett ein Profil auf Facebook hat.
Ich habe ihr spontan eine Nachricht geschickt. Ich sei aus Deutschland und ein Riesenfan, sei obendrein Regisseurin und ob sie mir sagen könne, ob die Verfilmungsrechte an „Too Many Men“ noch frei seien. Tatsächlich hat sie mir geantwortet und mich mit ihrer Agentin verbunden. Die deutschen Verfilmungsrechte waren gerade an Suhrkamp gegangen, und wir haben uns umgehend darum beworben. Wir waren nicht die Einzigen und „Chuzpe“, als Buch die Fortsetzung von „Too Many Men“, wurde kurz darauf als deutscher Fernsehfilm verfilmt.
Unsere Hoffnung war es aber, den Film zwar aus Deutschland heraus zu produzieren, aber eben nicht mit deutschen Darstellern und Berlin als Schauplatz. Wir haben eine internationale Verfilmung angestrebt, die der Vorlage entspricht, mit englischsprachigen Schauspielern und vor Ort in Polen. Als ich in New York im MOMA mit German Films meinen Film HANNAS REISE vorstellen durfte, konnte ich Lily Brett zu der Vorführung einladen, um sie persönlich kennenzulernen und ihr meine Arbeit zu zeigen. Danach haben wir den Zuschlag erhalten.

Darauf folgte eine langjährige Entwicklungsarbeit.
Wir haben viele Drehbuch-Fassungen geschrieben. Man darf nicht vergessen, dass es ein wirklich großer Roman ist, den mein Mann John Quester und ich adaptiert haben. Er umfasst 700 Seiten. Die vielen Fassungen waren nötig, um aus dieser sehr komplexen Vorlage eine wirklich einfache und emotionale Geschichte zu extrahieren, die Vater und Tochter im Fokus hat.

Warum dieser Roman?
An „Too Many Men“ hat mir eben diese Liebesgeschichte zwischen Vater und Tochter gefallen. Das ist oft ein besonders kompliziertes Verhältnis. Zu sehen, dass man Sprachlosigkeit und Unsicherheit überwinden kann und anhand einer einwöchigen Reise ein neues Verständnis füreinander aufgebaut wird, habe ich geliebt an dem Roman. Der Film erzählt vor allem, dass die Tochter den Vater verstehen muss, um auch sich selbst zu verstehen.
Darin steckt etwas sehr Universelles, was uns alle mit unseren Eltern verbindet. Als Filmemacherin suche ich natürlich genau danach, nach einem Universalismus, der uns alle betrifft.

Wo war für Sie der kreative Funke?
In diesem Fall war er es so, dass mich das Genre Dramedy angezogen hat. Das ist eine Kombination, die ich immer wieder reizvoll finde: Drama, das unterhaltsam ist und bei aller Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit die Leichtigkeit bewahrt; Komödie, die tieftraurige Anteile hat. Genau dafür stehen auch die Bücher von Lily Brett. Sie macht das in einer Form, die schonungslos ist mit ihren Figuren. In „Too Many Men“ entwirft sie mit Ruth Rothwax eine weibliche Hauptfigur, die behaftet ist mit Makeln und Fehlern und Problemen, die haarklein beschrieben werden und sie einem genau deshalb ans Herz wachsen lässt, auch wenn sie es einem nicht immer einfach macht, sie zu mögen. Unser Anspruch war, eine filmische Form zu finden, die Lily Bretts Tonalität gerecht wird.

Wie gestaltete sich die Arbeit mit Lily Brett?
Bei HANNAS REISE hatten John und ich bereits die Erfahrung gemacht, mit einer Schriftstellerin zusammenarbeiten, in dem Fall mit Theresa Bäuerlein, die mit ihrem Roman „Das war der gute Teil des Tages“ die Vorlage geliefert hatte. Man muss die Autorin davon überzeugen, dass der Geist der literarischen Vorlage erhalten bleiben muss. Es geht nicht darum, eins zu eins die Figuren oder die Geschichte abzubilden, sondern der Kern eines Buches muss erhalten bleiben und seine Tonalität. Die Erfahrung, diesen Weg mit einer Schriftstellerin schon einmal gegangen zu sein, war sehr wertvoll. Lily hat im ersten Moment sicherlich auch gedacht, dass viele Elemente aus ihrem Roman noch in die Adaption hätten finden sollen. Es ist ein langer gemeinsamer Weg, das Buch hinter sich zu lassen, aber am Ende doch das Gefühl zu haben: Ja, das ist die Essenz des Romans. Dieser Film wird ihm gerecht. Lily hat jede neue Fassung zu lesen bekommen und hat jede einzelne dieser Fassungen ausführlich mit uns besprochen.

Ein Filmdreh ist immer auch ein Glaubenssprung.
Einen Durchbruch hatten wir erzielt, als wir wussten: „A wall is a wall, a coat is a coat.“ Bisher haben wir das vorgeschobene Desinteresse von Edek erlebt. Und jetzt ist er an dem Punkt: Es geht nicht, er kann das nicht länger aufrechterhalten. Dieser Satz stammt nicht aus dem Roman. Aber für uns war er entscheidend. Als wir ihn im Verlauf unserer Fassungen erstmals geschrieben hatten, war es, als hätten wir nun ein Fundament, auf dem wir stehen können. Das war ein Moment des Glücks. Von da an wusste ich, dass die Geschichte funktioniert.

Wie sehr blicken Sie bei der Arbeit am Drehbuch auf die spätere Verfilmbarkeit?
Es war ein großer Wunsch von mir, die Geschichte in Polen spielen zu lassen und auch in Polen zu drehen. Entsprechend haben wir unser Drehbuch geschrieben. Aber ich muss auch sagen: Es war ein Wunsch, aber es war nicht gesetzt. Mit „Chuzpe“ hatte ich gesehen, dass es auch funktioniert, Lily Brett in Deutschland spielen zu lassen. Ich habe auch die Bühnenfassung mit Ulrike Folkerts in der Hauptrolle als Ruth gesehen, wo die Geschichte ebenfalls nach Berlin verlegt worden war. Ich hatte dennoch den Eindruck, dass dann etwas sehr Essenzielles fehlt. Eben das lag mir aber am Herzen, dieses Essenzielle, das Lily Brett definiert und ausmacht. Ich wusste aber auch, dass dieser Wunsch nach einer internationalen Umsetzung des Stoffs nur dann in Erfüllung gehen konnte, wenn es uns gelingen würde, englischsprachige Stars für die beiden Hauptrollen zu gewinnen. Durch UND MORGEN DIE GANZE WELT ergab sich diese Möglichkeit schließlich. Die Teilnahme am Wettbewerb in Venedig gab mir eine Sichtbarkeit, mit der es auf einmal möglich war, via CAA in Kontakt mit entsprechenden Schauspielerinnen zu treten. Und ich muss unbedingt meinen Seven-
Elephants-Kollegen Fabian Gasmia nennen, der bereits UND MORGEN DIE GANZE WELT, den
ersten Film der Seven Elephants, produziert hatte. Er hatte seinen Debütfilm vor Jahren in Polen realisiert, verfügte also über das nötige Wissen und die richtigen Kontakte. Noch bevor wir Lena Dunham und Stephen Fry für die Hauptrollen gewinnen konnten, hatte er bereits Magdalena Szwarcbart ins Boot geholt, die schon bei SCHINDLERS LISTE beim polnischen Casting beteiligt war und für uns die Besetzung der polnischen Darsteller übernahm.

Waren Sie bereits vertraut mit Polen?
Mit Beginn der Drehbucharbeit haben wir zwei Wochen lang Polen bereist die ganze Familie: John, ich, unsere Kinder. Wir fuhren zu allen Stationen des Romans. Wir haben in ?ód?, alle beschriebenen Orte besucht, teilweise im Austausch mit Lily, weil wir einzelne Adressen nicht wussten. Wir haben selbst erlebt, dass wir es mit einem sensiblen Thema zu tun haben. Als wir uns im Innenhof des Hauses befanden, in dem Lilys Vater aufgewachsen war, kam gleich jemand, der sich erkundigte, was wir da machten. Wir erzählten ihm, dass wir die Orte eines Romans recherchierten, woraufhin er uns gleich die Karte seines Anwalts gab. Man merkte, dass Ressentiments und Ängste bestehen. Natürlich haben wir Auschwitz besucht, wo auch Teile des Films spielen, wenngleich nicht in Auschwitz I, sondern Auschwitz II. Für John und mich war das ein schwerwiegender Besuch. Nachts wachten wir auf und konnten nicht mehr einschlafen, haben uns lange ausgetauscht über diese Erfahrung, was es mit uns gemacht hatte, wirklich diesen Ort zu besuchen, an dem der industrialisierte Massenmord stattgefunden hatte. Es hat auch unseren Wunsch, diesen Film zu machen, noch einmal sehr verstärkt. Auschwitz liegt in einem entlegenen Flecken Land, und das aus einem guten Grund. Man fährt nach Krakau und ist dann noch einmal Stunden unterwegs auf Landstraßen, bis man diesen abgelegenen Ort erreicht. Wenige reisen dort hin, insbesondere Deutsche sieht man dort nicht viele. Es war ein einschneidendes Erlebnis, das immer noch nachwirkt. Und uns, wie gesagt, die Motivation gab, so lange dranzubleiben, nie den Mut zu verlieren, immer an diesem Stoff festzuhalten.

Wo konnten Sie drehen?
In Auschwitz selbst ist der Dreh von Spielfilmen nicht gestattet. Das ist richtig so, es ist eine Gedenkstätte. Es wurde nichts verändert an diesem Ort. Man sieht die zusammengebrochenen Schornsteine, man läuft buchstäblich auf der Asche der ermordeten Menschen. Es ist ein riesiger Friedhof. Da kann man kein Filmteam arbeiten lassen. Wir erhielten allerdings die Erlaubnis, direkt am Zaun zu drehen sowie am Parkplatz und am Eingang. Wir durften dabei nicht den Betrieb stören und haben gemeinsam eine Tageszeit gefunden, an der das gewährleistet war. Die Leute von der Gedenkstätte waren immer bei uns und trugen Sorge, dass die Abmachungen eingehalten wurden. Aber sie haben uns auch sehr unterstützt, räumten die Fahrzeuge beiseite, sperrten den Parkplatz und gestatteten uns, ihn für unsere Bedürfnisse ein wenig historisch abzuändern. Wir haben bei der „Alten Judenrampe“ gedreht, die kein Teil der Gedenkstätte ist und sich in einem Zustand des Zerfalls befindet. Dafür war keine Sondergenehmigung nötig, sondern nur eine Genehmigung der Stadt. Die Szenen an der Baracke haben wir digital umgesetzt in einem Nachbau, mit Videomaterial, das wir vor Ort aufnehmen durften.
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Donnerstag 05.09.2024
WALDSINFONIE
Ab 05. September 2024 im Kino
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600 Kilometer nördlich von Helsinki liegt mitten im finnischen Wald die kleine Stadt Kuhmo. Auf den Straßen ist wenig los, der Supermarkt im Zentrum geht regelmäßig in die Insolvenz und wichtige Dinge bespricht man beim Bier in der Sauna. Kurz: Kuhmo ist eine typische finnische Kleinstadt.
Mit einer Ausnahme: Dem Kuhmo Kammermusikfestival, welches jedes Jahr im Sommer das kleine verschlafene Nest in eine Metropole verwandelt. Musiker bevölkern mit ihren Instrumenten die Straßen, Menschenmassen strömen von Konzert zu Konzert und Musik schwirrt über Seen und Feuer.
In ruhigen beobachtenden Bildern erzählen Meri Koivisto und Nils Dettmann die Geschichte von zwei gegensätzlichen Welten, die sich einmal im Jahr vereinen: Die Welt von Pertti und Lassi, die seit der Kindheit beste Freunde sind und nun ihren Ruhestand mit Angeln und Eisbaden verbringen, und die trubelige Welt eines hochkarätig besetzten internationalen Musikfestivals. Mit sehr viel Humor tritt WALDSINFONIE den Beweis an, dass Hochkultur im Hinterwald nicht nur möglich, sondern magisch ist.

Ein Film von Meri Koivisto und Nils Dettmann

Meri Koivisto ist geboren und aufgewachsen in Finnland, lebt seit 2000 in Berlin. Nach ihrer Schauspielausbildung am Europäischen Theaterinstitut in Berlin, arbeitet sie seit 2005 als freischaffende Schauspielerin im Theater und bei Film- und Fernsehen. WALDSINFONIE ist ihr erster Film.

Nils Dettmann ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen und lebt in Berlin. Nach dem Abitur und einem Studium der audiovisuellen Medien an der HAW Hamburg, arbeitet er seit 2000 beim Film, seit 2012 als Regisseur und Produzent im fiktionalen Bereich. WALD:SINFONIE ist sein erster Dokumentarfilm.

Directors Note

Meri: WALD:SINFONIE ist eine Liebeserklärung an meine Heimat, an die Menschen, die dort leben, an die Ruhe und an die Musik, die für ein paar Wochen alles verzaubert.

Nils: Nachdem ich Kuhmo schon fünfzehn Jahre kannte, war ich das erste mal beim Kammermusikfestival und mir wurde klar, wie sehr ich diesen wundervollen Ort trotz meiner Begeisterung unterschätzt hatte. Diese Offenheit, dieser Humor, diese Gastfreundschaft…. Und die Musik! Aus der Philharmonie steigt man in die laute U-Bahn - in Kuhmo steigt man in den kühlen See. Zwei Wochen pure Lebensfreude, die wollte ich teilen.
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Mittwoch 28.08.2024
SLEEPING DOG – MANCHE LÜGEN STERBEN NIE
Ab 29. August 2024 im Kino
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Der ehemalige Ermittler der Mordkommission Roy Freeman (Russell Crowe), der unter Gedächtnisschwund leidet, sieht sich gezwungen, einen früheren Fall (an den er sich nicht erinnern kann) wieder aufzurollen, um einen brutalen Mord aufzuklären. Während das Leben eines Mannes in der Todeszelle auf dem Spiel steht, beginnt Freeman mit aller Entschlossenheit zu recherchieren und versucht, die Beweise aus der zehn Jahre zurückliegenden Mordermittlung zusammenzusetzen. Was er dabei aufdeckt, ist ein düsteres Netz aus streng gehüteten Geheimnissen und Verrat, das auch mit seiner eigenen Vergangenheit und seinen Dämonen verbunden ist. Bruchstückhaft blitzen Erinnerungen und Hinweise auf, die sich wie kleine Puzzleteile langsam zusammenfügen und immer neue Wendungen nehmen … In einem Geflecht aus Mysterium und Täuschung gefangen, kann sich Freeman nur noch auf seinen Instinkt verlassen und muss die erschreckende Wahrheit erkennen: Manchmal ist es besser, schlafende Hunde nicht zu wecken.

Ein Film von Adam Cooper
Mit Russell Crowe, Karen Gillan, Márton Csókás, Thomas M. Wright, Harry Greenwood und Tommy Flanagan


Neben Oscar®-Preisträger Russell Crowe („Gladiator“, „A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“) sind Karen Gillan („Guardians of the Galaxy“, „Avengers: Infinity War“, „Avengers: Endgame“, „Jumanji“-Filmreihe), Márton Csókás („The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro“, „Sin City 2: A Dame to Kill For“, „The Equalizer“) und Tommy Flanagan („Gladiator“, „Sin City“, „Sons of Anarchy“, „Guardians of the Galaxy Vol. 2“) in den Hauptrollen zu sehen. Regie führte Adam Cooper (Drehbuch „Die Bestimmung – Allegiant“, „Assassin’s Creed“, „Transporter Refueled“, „Exodus: Götter und Könige“), der zusammen mit Bill Collage auch das Drehbuch verfasste. Produziert wurde der Crime-Thriller von Mark Fasano („Halloween Haunt“) und Adam Cooper.
SLEEPING DOGS – MANCHE LÜGEN STERBEN NIE basiert auf dem gefeierten Roman Das Buch der Spiegel von E.O. Chirovici.
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Mittwoch 21.08.2024
HORIZON
Ab 22. August 2024 im Kino
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New Mexico, 1861: Vorboten des Amerikanischen Bürgerkriegs erschüttern den Süden Nordamerikas. Weiße Pioniere besetzen auf ihrem Zug nach Westen die Gebiete der Apachen, die sich brutal gegen die Landnahme wehren. Aber auch unter den Siedlern herrscht blutiges Chaos. Als der Vater der gefürchteten Sykes-Brüder Opfer eines Anschlags wird, nehmen seine Söhne die unbarmherzige Verfolgung der Attentäterin auf – der Beginn der Western-Saga HORIZON.

Ein Film von Kevin Costner
Mit Kevin Costner, Sam Worthington, Sienna Miller, Giovanni Ribisi u.a.

Vor mehr als 30 Jahren schrieb der zweifache Oscar®-Preisträger Kevin Costner mit DER MIT DEM WOLF TANZT Filmgeschichte und definierte den Western neu. Auch jenseits der Leinwand blieb er dem Genre treu und spielte in YELLOWSTONE die Hauptrolle in einer der erfolgreichsten US-Serien der letzten Jahre. In HORIZON, seiner ersten Regiearbeit seit 20 Jahren, übernimmt Kevin Costner nun erneut eine der Hauptrollen und versammelt ein beeindruckendes Ensemble um sich: Neben Sam Worthington (AVATAR), Giovanni Ribisi (SNEAKY PETE), Danny Huston (YELLOWSTONE) und Luke Wilson (ZOMBIELAND 2) sind es vor allem die starken Frauenrollen, u.a. gespielt von Sienna Miller (ANATOMIE EINES SKANDALS), Jena Malone (LOVE LIES BLEEDING) und Abbey Lee (MAD MAX: FURY ROAD), mit denen Costners Herzensprojekt alle Westernklischees hinter sich lässt und die Kinobesucher:innen auf eine packende und hochemotionale Reise nimmt – gesehen durch die Augen von Familien, Freunden und Feinden, stolzen indigenen Einwohnern und Neuankömmlingen, die auf ein besseres Leben hoffen.
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Donnerstag 15.08.2024
KARL VALENTIN – DIE BELIEBTESTEN KURTZFILME
Ab 15. August 2024 im Kino
Der legendäre Komiker Karl Valentin (1882-1948) war bekannt als Münchner Grantler und Pessimist. In seinen Monologen, Dialogen und Szenen thematisierte er die Verlorenheit des Menschen, die Mehrdeutigkeit der Sprache und die Tücken der Kommunikation.

Karl Valentin war eine prägende Figur des deutschen Humors und Theaters. Seine Werke sind bekannt für ihre scharfsinnige Beobachtungsgabe und den subtilen, oft tiefgründigen Humor. In den 1920er und 1930er Jahren erlebte er seine größten Erfolge, insbesondere in München, wo er das
kulturelle Leben maßgeblich beeinflusste. Valentins Stücke beschäftigen sich intensiv mit den Eigenheiten und Tücken der Sprache sowie der
menschlichen Existenz in einer zunehmend komplexen und unübersichtlichen Welt. Seine grotesk-komischen und manchmal tragikomischen Szenen enden oft im Scheitern, was ihn zu einem Vorreiter des absurden Theaters macht.

Einige seiner berühmtesten Zitate sind in die Alltagssprache übergegangen und zeigen seine einzigartige Sicht auf die Welt:
1. „Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“
2. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“
3. „Heute besuch ich mich. Hoffentlich bin ich zu Hause.“

Diese Zitate verdeutlichen Valentins humorvollen und gleichzeitig nachdenklichen Umgang mit den alltäglichen Widersprüchen und Herausforderungen des Lebens. Seine Fähigkeit, durch einfache, oft absurde Szenen tiefere menschliche Wahrheiten zu beleuchten, macht ihn zu einem zeitlosen Künstler, dessen Werke auch heute noch relevant und unterhaltsam sind.

„Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allem.“

„Ich wälzte mich fast vor Lachen“, schrieb Bertolt Brecht 1915 in einem Brief. Der junge Dramatiker zählte zu Valentins glühendsten Fans. Für seine eigene Bühnenarbeit schaute sich Brecht einiges vom Münchner Komiker ab.



Liesl Karlstadt:
Urkomisch und aus Bayern nicht wegzudenken Liesl Karlstadt (12.12.1892 - 27.07.1060) wuchs als fünftes von neun Geschwistern in einer kleinbürgerlichen Familie auf. Mit 18 Jahren arbeitete sie zunächst als Verkäuferin, verfolgte jedoch gleich-zeitig eine künstlerische Laufbahn bei den Münchner Volkssängern, trotz des Widerstands ihres Vaters, der den unbürgerlichen Beruf einer „Brettlhupferin“ missbilligte.
1911 traf sie Karl Valentin, der ihr komödiantisches und musikalisches Talent erkannte und sie nach dem Münchner Volkssänger Karl Maxstadt in "Karlstadt" umbenannte. Gemeinsam gründeten sie eine eigene Truppe und wurden durch ihre Auftritte weit über Bayern hinaus bekannt. Valentin und Karlstadt schrieben zahlreiche Sketche und Couplets zusammen, wodurch Karlstadt Mitautorin und Dramaturgin von 25 Stücken wurde, darunter "Raubritter von München" und "Der Umzug". Die Stücke behandelten oft den Kampf des Individuums gegen eine feindliche Umwelt und spielten im Milieu der kleinen, oft armen Leute. Liesl Karlstadt verkörperte dabei die typische Münchnerin aus den unteren Schichten, sei es als Verkäuferin, Marktfrau, Milchfrau, Hausmeisterin oder Hausfrau. Sie trat zusammen mit Valentin in allen Münchner Cabarets sowie in Wien, Zürich und Berlin auf.
Nach dem Krieg und Valentins Tod 1948 zeigte die Karlstadt aber noch ein ganz anderes Gesicht: als Schauspielerin am Residenztheater und an den Münchener Kammerspielen. Im Radio begeisterte sie ihr Publikum als Mutter Brandl in der beliebten Hörfunkserie „Familie Brandl“. 1960 starb Liesl Karstadt. Sie war eine begnadete Komikerin und eine große Schauspielerin. Oder, um es mit ihrer Biografin Monika Dimpfl zu sagen: „eine kleine rundliche Person mit riesigen Talenten, die die Chance ihres Lebens nutzte, indem sie keine Soubrette wurde.“


Das Kurzfilmprogramm:

Im Photoatelier: 1932, 27 Min.
Regie: Karl Ritter
Darsteller: Karl Valentin, Liesl Karlstadt
Ein Fotograf muß für drei Tage verreisen. Sein Gehilfe (Karl Valentin) und der Lehrbub (Liesl Karlstadt) sollen ihn vertreten, möchten aber eigentlich in der Abwesenheit des Meisters blau machen. Die eintreffenden Kunden fotografieren sie deshalb nur widerwillig: : Eine Großmutter mit
ihrem Enkelchen verärgern sie so, dass sie unter Protest das Geschäft verlässt. Dem Scharfrichter, der partout nicht lachen will, entlockt Valentin für eine Portraitaufnahme mit einer Babyrassel ein Lachen. Zuletzt kommt ein sehr groß gewachsenenes Brautpaar, das trotz aller Bemühungen nicht auf die Platte passen will. Als der Meister wieder zurückkommt, wirft er einen Blick auf das Chaos, das seine beiden Angestellten angerichtet haben und fällt in Ohnmacht.
"Im Photoatelier": Das große Publikum für das Panoptikum blieb aus - und das Projekt fraß die Ersparnisse auf, die von Valentin wie auch die von Karlstadt. Dann trat Valentin auch noch mit einer neuen Partnerin auf. Anfang der Vierzigerjahre zog sich Karlstadt auf eine Alm zurück und kümmerte sich um die Mulis von Gebirgsjägern.

Orchersterprobe: 1933, 22 Min.
Regie: Carl Lamac
Darsteller: Karl Valentin (Trompeter und Geiger), Liesl Karlstadt (Kapellmeister), Josef Eichheim
Adaptiert aus Episoden des Stückes „Tingeltangel“:
Ein aufgeblasener Kapellmeister (in einer ihrer witzigsten Rollen: Liesl Karlstadt) und ein rebellischer Musiker (Karl Valentin) geraten sich während einer Orchesterprobe ständig in die Haare. Nach längeren Diskussionen duellieren sie sich mit Taktstock und Geigenbogen, aber die Probe mit dem Orchester geht noch weiter. Schliesslich soll Valentin den Paukisten vertreten, hat aber Probleme mit den Notenblättern. Die Orchesterprobe versinkt in unbeschreiblichem Chaos und Valentin gönnt sich zum Schluß einen wohlverdienten Schluck aus seinem Maßkrug.
"Da liegt doch was auf dem hohen C!" Szene aus dem Film "Die Orchesterprobe" 1934, der auf seinem gleichnamigen Bühnenstück fußt. So dilettantisch Valentin oft tat - in Wirklichkeit beherrschte er zahlreiche Musikinstrumente, von Trompete bis Klavier. Die "Orchesterprobe" zählte zu den frühen Bühnenstücken des Duos und wurde 1933 auch zum Film. Valentin und Karlstadt parodierten das Musizieren, bliesen schief in die Trompete, bekamen Schluckauf und duellierten sich mit Taktstöcken. "Ich muß lange zurückdenken,

Im Schallplattenladen: 1933/34, 22 Min.
Regie: Hans H. Zerlett
Darsteller: Karl Valentin (der Kunde), Liesl Karlstadt (die Verkäuferin), Elisabeth Paperlitz
Karl Valentin will eine Schallplatte kaufen, kann an den Namen des gewünschten Liedes nicht erinnern. Auch die telefonische Nachfrage beim Besitzer des Schallplattenladens, dem Herrn Rembremerding, hilft nicht, weil der Kunde derart über den Namen des Chefs lachen muss, dass er die gesuchte Melodie nicht pfeifen kann. Die geduldige Verkäuferin spielt Valentin einige Platten vor und zeigt dem schwierigen Kunden schließlich den neuesten Verkaufsschlager, unzerbrechliche biegsame Schallplatten. Natürlich demoliert der begriffstutzige Kunde daraufhin etliche nichtbiegsame Schallplatten und im daraus entstehenden Chaos schlussendlich sogar eine Vitrinenscheibe.

Der Firmling: 1934, 23 Min.
Regie: Karl Valentin
Darsteller: Karl Valentin (der Firmpate), Liesl Karlstadt (Bepperl, sein Sohn)
Pate und Firmling betreten schon ziemlich angeheitert eine feine Weindiele. Sofort bringen sie einen Tisch zum Umfallen und brauchen recht lang, um den Unfall wieder auszubügeln. Beim Bestellen zeigt sich der Kellner recht herablassend und Valentin bestellt aus Trotz für sich eine ganze Flasche Schnaps. Ausserdem spendiert er seinem Sohn dessen erste Zigarre. Nach einigen Gläschen wird der Vater sehr redselig und erzählt den zunächst amüsierten Gästen die Geschichte, wie sein Sohn zu seinem Firmanzug gekommen ist. Der Vater wird immer betrunkener und belästigt die anderen Gäste. Dem Sohn wird schlecht und er muss auf die Toilette flüchten. Mittlerweile kann sich der Vater nicht mehr aufrecht halten und wird zusammen mit seinem Sohn des Lokals verwiesen. Der Kleine trägt schließlich seinen besoffenen Vater aus dem Lokal.
Das Stück trägt den Untertitel: Eine tolle Groteske zum Nachdenken und Lachen "Der Firmling", eines von Karl Valentins erfolgreichsten Bühnenstücken und Filmen. Wie in vielen ihrer gemeinsamen Auftritte spielt Liesl Karlstadt hier eine "Hosenrolle" als junger Firmling. Valentin spielt den Vater, der den Sohn zur Feier des Tages in ein feines Lokal ausführt. Die Kurzkomödie wurde 1922 uraufgeführt im "Germaniabrettl"

Die Erbschaft: 1936, 21 Min.
Regie: Jacob Geis
Darsteller: Karl Valentin, Liesl Karlstadt, Justus Paris, Hans Kraft, H.B. Benedikt, Georg Holl, Lothar Mayring.
Ein armes altes Ehepaar kann die Miete nicht zahlen. Der Gerichtsvollzieher kommt. Die beiden glauben, ihr einziger pfändbarer Besitz sei das Nachtkastl, das sie nun zu retten versuchen, das aber beim Versuch, es aus dem Fenster abzulassen, zu Bruch geht.
Plötzlich taucht ein Notar auf und kündigt den beiden eine Erbschaft an, eine komplette Schlafzimmereinrichtung. Das alte Schlafzimmer bieten sie dem Hausmeister für die Miete an, der vorschlägt, es zu Brennholz zu machen. Als die Möbel dann jedoch gebracht werden, stellt sich heraus, dass es ein Kinderschlafzimmer ist. Als ob das nicht schlimm genug ist, kehrt der Notar zurück und teilt den beiden mit, dass er sich im Stockwerk geirrt hat. Das Ehepaar bleibt in einer leeren Wohnung zurück. Vielleicht Valentins bester Tonfilm. Wegen "Elendstendenzen" wurde er jedoch von der Nazizensur verboten.
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