Das international besetzte Alma Quartet scheint Projektarbeit zu lieben. Denn erst im letzten Jahr erschienen zwei Veröffentlichungen der in Amsterdam beheimateten Formation, in denen es sich einem Teil des Kammermusikwerks des austroamerikanischen Komponisten Erich Wolfgang Korngold zuwandte. Ein neues Programm widmet sich nun „späten Quartetten“ und stellt auf vorliegender Einspielung die Spätwerke Ludwig van Beethovens (1770-1827) und Dimitri Dimitrijewitsch Shostakovichs (1906-1975) gegenüber. Dabei handelt es sich gezielt um Beethovens Quartett Es-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 127 und Shostakovichs Streichquartett Nr.11 f-Moll op. 122.
So unterschiedlich die beiden Komponisten auch sein mögen, so sind sich doch die Werke in einigen Äußerlichkeiten recht ähnlich. Beide Quartette sind Geigern gewidmet, die dem jeweiligen Komponisten sehr nahe standen. Beethoven schrieb sein Stück im Auftrag des russischen Fürsten Nikolaus Galitzin und widmete es dem freudigen Umstand, dass sein „Lieblingsmusiker“, der Geiger Ignaz Schuppanzigh, nach längerer Zeit der Abwesenheit wieder nach Wien zurückkehrte und mit seinem Schuppanzigh Quartett für neue Arbeiten des Komponisten-Meisters bereitstand. Die Uraufführung am 06. März 1825 soll übrigens ein Fiasko gewesen sein und Beethoven zu einem seiner berüchtigten Wutausbrüche verholfen haben.
Auch Shostakovich hatte einen Favoriten unter den Streichquartetten seiner Zeit. Es handelte sich um das Beethoven Quartett. Und dessen zweitem Geiger Wassilij Schirinskij ist sein Streichquartett Nr.11 f-Moll op. 122 gewidmet.
Beiden Werken sind permanente Stimmungswechsel eigen, die von einer gewissen Vitalität, über sehnsüchtige Melancholie, Lyrizismen, bis hin zu tiefer Trauer und wiederum Trost reichen. Dabei spürt man bei Beethoven stärker das Bodenständige, die harte Arbeit des Komponierens, die im vorliegenden Fall immerhin einen Zeitraum von knapp drei Jahren umfasste.
Shostakovichs Musik hingegen wirkt zerbrechlicher, dünnhäutiger, berührt auf einer völlig anderen Ebene. Sie ist spürbar moderner, wirkt abstrakter, bewegt sich weitaus stärker in einem metaphysischen Kontext, der mehr den Umständen Shostakovichs Leben geschuldet ist.
Das Alma Quartet wird diesen Unterschieden und Herausforderungen in der Interpretation beider Stücke vollauf gerecht. Transparent leuchten die einzelnen Stimmen mit- und nebeneinander und zugleich klingt das Zusammenspiel wie aus einem Guss. Hervorzuheben ist die sparsame Dringlichkeit der Interpretation, das Fehlen jedes pathetischen Untertons.
Gerhard von Keussler
Alma Quartet
The Late Quartets Volume 1
„Beethoven Op. 127 / Shostakovich Op. 122“
Challenge