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19. Sarah Davachi „The Head As Form'd In The Chier's Choir“
20. Bremer/McCoy „Kosmos“
21. Mike Stern „Echoes And Other Songs“
22. Tau „Chants“
23. Micah Thomas „Mountains“
24. Lambert „Actually Good“
Dienstag 24.09.2024
Sarah Davachi „The Head As Form'd In The Chier's Choir“
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Bei Sarah Davachi, der Wissenschaftlerin, Komponistin und Organistin aus Kanada, wächst die Musik aus einer ganz spezifischen Stille. Die Klänge, die sie erzeugt, scheinen eine Ewigkeit unterwegs, bis sie zu uns vorstoßen, uns bewusst werden und (Ton-)Formen annehmen. Dabei pulsieren ihre stillen, sonoren Sounds, ertasten Räume und Zeiten, füllen diese Schicht um Schicht. Tönende Landschaften, Seelenlandschaften, die tief in das Bewusstsein dringen. Denn Sarah Davachi komponiert und spielt einzig und allein ihre Musik. „Ich mache Musik für mich – ich mache die Musik und den Sound, den ich hören möchte und hören will“, sagte sie in einem Interview. „Es ist wahrscheinlich so einfach: Die Art von Musik zu machen, die ich selbst erleben möchte, ist einfach in vielerlei Hinsicht ein zutiefst befriedigendes Erlebnis.“ Damit steht sie in der Tradition der großen Komponisten, die zwar Aufträge der Fürsten, Grafen und Könige entgegengenommen haben, aber letztendlich, ohne den „Klassik-Markt“ zu analysieren, ihre urpersönliche Musik geschaffen haben.
The Head As Form'd In The Chier's Choir“ ist das neuste Werk in der umfangreichen Discographie von Sarah Davachie, eingespielt in Los Angeles, Montreal, Berlin und Sarahs eigenem Studio. In den sieben Kompositionen bezieht sich die Kanadierin auf den antiken griechischen Orpheus-Mythos: Auf Rilkes Sonette an Orpheus, eine Gedichtsammlung aus dem Jahr 1922; und an Monteverdis l'Orfeo, eine frühe Barockoper aus dem Jahr 1607. Sie nutzt dabei die ihr vertrauten (elektronischen) Instrumente, wie das Mellotron, den Korg CX-3, den Prophet 5 und den Korg PS-3100 und verschiedene (akustische) Pfeifenorgeln. Diese elektroakustische Distanz überbrückt sie auch mit der Unterstützung von verschiedenen Musikern und Instrumentalgruppen, wie mit (barocken) Streichern und Blechbläsern (Harmonic Space Orchestra Berlin). Am Ende entsteht ein offenes kammermusikalisches Werk in tieftönender und erschütternder Ästhetik. Angelegt zwischen Ambient, Instrumentalkonstellationen, sakralem Gedächtnis sowie aufwühlender und dröhnender Stille.
Jörg Konrad

Sarah Davachi
„The Head As Form'd In The Chier's Choir“
Late Music
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Montag 23.09.2024
Bremer/McCoy „Kosmos“
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Musik zwischen den Welten, elegant wie sensibel, voller Konzentration und Hingabe gespielt. Das ist die Spezialität der beiden Dänen Jonathan Bremer (Kontrabass) und Morten McCoy (Piano, Wurlitzer, Electronics). Seit über zehn Jahren mäandern sie gemeinsam an den Demarkationslinien von Jazz, Ambient, Electro und Dub. Dabei überschreiten sie nicht selten die Begrenzungen – mal in die eine Richtung, mal in eine andere. So auch auf „Kosmos“, ihrem bisher sechsten Album. Eine Ode an die Seelenruhe, ein Manifest der Regeneration und Harmonie.
Beide Musiker kennen sich schon seit ihren Kindheitstagen in Kopenhagen. Ihre gemeinsame Sozialisation schuf eine tiefgreifende Verbundenheit, die auf ihren Alben und bei ihren Live-Auftritten inhaltlich zum Ausdruck kommt. Es ist eine Symbiose von Klang und Form, von Instrumentalstimme und Sound. Bremer schreitet mit seinen groovenden und unangestrengten Bassmotiven voran, die wie eine stille Naturerscheinung die Musik grundieren. Es sind subtile Spaziergänge in tiefer Melancholie, trotz wachem Geist. McCoy setzt darüber wunderbar verspielte Harmonien und Melodien von dunkler und zeitloser Schönheit. Es sind fast vokale Linienführungen, die er an den Tasteninstrumenten entwickelt und die sich autark entfalten. Zusammen klingen Bremer/McCoy nach positiver Lebensfreude, nach einer Reise zum Mittelpunkt der Intimität.
Jörg Konrad

Bremer/McCoy
„Kosmos“
Luaka Bop
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Mittwoch 18.09.2024
Mike Stern „Echoes And Other Songs“
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Mike Stern hat schon einige der kühnsten Gipfel seiner Kunst erklommen und fand sich zugleich immer wieder in den dunkelsten Tälern des Lebens wieder. Der 1953 in Boston geborene Gitarrist fand in frühen Jahren genau den musikalischen Ausdruck, der ihn sein lang Leben begleiten sollte. Stern spielte Rock'Roll, hatte Zugang zum Blues, stellte sich mit Leidenschaft den Herausforderungen der Improvisation. Während des Studiums am Berklee College of Music war kein geringerer als Pat Metheny sein Dozent. Dieser spürte sofort Sterns Talent, erkannte seine Möglichkeiten und vermittelte ihn an Bobby Columbo und seine Band Blood Sweat & Twears. Das war sozusagen das erste Sprungbrett zu einer großen Karriere, im Bereich von Jazz, Blues und Rock.
Während eines Konzerts mit dem Schlagzeuger Billy Cobham entdeckte ihn zu Beginn der 1980er Jahre kein geringerer als Miles Davis, der Stern sofort in seine Band holte. Ein Ritterschlag, der dem Gitarristen die Tore in die oberste Liga der Jazzinstrumentalisten öffnen sollte.
Von nun an spielte Stern mit den bekanntesten Musikern der Szene, gründete eine eigene Band, wurde als Solist zu internationalen Festivals eingeladen. Er klang mit seinen hingebungsvollen Blues-Licks, den Funk-Riffs und den dramaturgisch perfekt inszenierten Solo-Exkursen wie ein austrainierter Gitarrist aus der Heavy-Fraktion – mit starker Bodenhaftung. Diese Hingabe und Freude am Spiel, haben es ihm immer wieder ermöglicht, seelische und körperliche Defizite auszugleichen.
Sterns neustes Album ist ein üppiges wie beseeltes Statement, eines überaus musikalischen Gitarristen samt Band. Es ist randvoll mit eigenen Kompositionen und eingespielt von einer All-Star-Band in unterschiedlichen Besetzungen. Mit dabei sind Chris Potter (Tenorsaxophon), Christian McBride und Richard Bona (Bass), Antonio Sanchez und Dennis Chambers (Schlagzeug), Mikes Frau Leni Stern (an der Ngoni, einer ein- bis siebensaitigen Binnenspießlaute aus Westafrika), Arto Tuncboyacian und dem Pianisten und Keyboarder Jim Beard, der das Album auch produzierte und kurz nachdem im Alter von 63 Jahren verstarb. Stern hat dieses Album Beard gewidmet.
Insgesamt bestechen die klaren Strukturen, die druckvolle Dramaturgie, die traumhafte Zusammenarbeit und der verspielte Austausch untereinander und natürlich die explodierenden Solis. All dies lässt „Echoes And Other Songs“ zu einem der besten Mike Stern-Album werden.
Jörg Konrad

Mike Stern
„Echoes And Other Songs“
Mack Avenue
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Montag 16.09.2024
Tau „Chants“
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Es ist nicht leicht, einen über längere Zeit andauernden Kreativprozess abzuschließen. Der Drang nach Korrektur und Revision verlangt, um den Abschluss erfolgreich zu gestalten, eine klare Deadline. TAU, ein Quintett aus Köln, das sich musikalisch seit 2020 in den Schnittmengen von Ambient, Noise, Fusion und freier Improvisation bewegt, hat sich für sein zweites Album „Chants“ eben eine solche Deadline gesetzt. Damit wurde der Gestaltungsraum zumindest chronologisch eingegrenzt und ein Resultat erzwungen. Denn spätestens morgen könnte „Chants“ schon wieder anders klingen.
„Chants“ fordert heraus, ist ein Klangabenteuer schlechthin. Mal düster bedrohlich, dann wieder zuversichtlich, mal traditionell, mal visionär, voraussetzungslos und risikobereit, nie routiniert. Gestaltet in virtuoser Entschiedenheit und unerschrocken umgesetzt. Es ist ein musikalisches Statement ohne Prätention, das hier von Moritz Baumgärtner (Schlagzeug), Philipp Gropper (Sax), Philip Zoubek (Keyboards), Ludwig Wandinger (Electronics) und Felix Henkelhausen (Bass) geäußert wird. Eingefleischte Hörgewohnheiten stehen auf dem Prüfstand.
Es geht querfeldein durch die zerklüfteten Schluchten und die nicht ganz ungefährlichen Klippen der Improvisation. Strenge polyrhythmische Motive wechseln mit freien Intervallen, Abstraktes geht in Formales über – und umgekehrt. Hier sind keine Ideologen am Werk, sondern Freigeister, die auch das Fach Disziplin beherrschen, Klangforschern, die die stilistioschen Koordinatensysteme lustvoll durchbrechen. „Chants“ als ein musikalischer Katalysator für Leidenschaft und Intensität auf der Basis des Jazz.
Jörg Konrad

Tau
„Chants“
Fun In The Church
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Freitag 13.09.2024
Micah Thomas „Mountains“
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Micah Thomas wirbelt das Ordnungsprinzip des Jazz tüchtig durcheinander. Erst 27jährig bewegt er sich nur wenig in abgesteckten stilistischen Grenzbereichen, sondern wildert nachhaltig und manchmal auch übergangslos in deren Randzonen. Er erinnert in seinem raffiniert virtuosen Spiel und seiner unerschrockenen Herangehensweise ein wenig an Charles Mingus, dieser „Mischung aus Vulkan und Pottwal“, wie ihn Reinhold Aumaier einmal beschrieb.
Der erfahrene Klavierspieler Fred Hersch sagte über Thomas: „Ich bezeichne ihn schon jetzt als jemanden, der sowohl einen einzigartigen Stil als auch das nötige Rüstzeug hat, um einen wichtigen Beitrag zur Welt des Jazzpianos zu leisten.“ Thomas selbst äußerte sich über seine Kunst: „Musik ist für mich eine meditative Praxis. Den Hauptfokus lege ich darauf, immer präsent zu sein.“
Mountains“ ist des Pianisten viertes Album unter eigenem Namen. Es ist sein erstes Werk in großer Besetzung, das sowohl kompositorisch, als auch von der Klangfülle ein ganzes Jazzuniversum bereithält. Er bringt zum Ausdruck, was die Jazztradition von Ayler bis Coltrane zu bieten hatte, streift Strawinsky und Prokowjef, widmet sich leidenschaftlich temperamentvoller Jahrmarktsmusik, zelebriert den Blues, jagt die Skalen des Bop rauf und runter und swingt dabei wie der Teufel. Nie klingt Micah Thomas, als würde er dabei die Musikgeschichte imitieren, altes auf neu recyceln, eine altbackene Hommage spielen.
Frisch, elegant wie provokant zieht er mit seiner großartigen Band weite Kreise. Der Bläsersatz spielt diszipliniert vom Blatt, zerlegt aber auch in Einzelstimmen die Strukturen. Mit Kanoa Mendenhall (Bass) und Kweku Sumbry (Schlagzeug) steht dem Pianisten ein robustes Rhythmus-Duo zur Seite, das allen musikalischen Wechseln gewachsen ist, diese selbst initiiert und dabei unaufhörlich groovt. Musik wie das Leben, ebenso sehnsuchtsvoll wie radikal traumatisch, voller Überraschungen, Poesie und Freiheitswillen, energisch, abstrakt und gnadenlos frohlockend.
Jörg Konrad

Micah Thomas
„Mountains“
Artwork
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Autor: Siehe Artikel
Donnerstag 12.09.2024
Lambert „Actually Good“
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Es sind kurze, schlichte wie traumhafte Melodien, die Lambert aus einem flüchtig dahingeworfenen zarten Detail entwirft, sie umspielt und variiert. Kleine Motive nur, die er intuitiv und voller Sensibilität gestaltet. Der Berliner Pianist will seine Musik aber auf keinen Fall als Neoklassik bezeichnen. „Ich sehe mich überhaupt nicht als klassischer Musiker“, erzählte er vor einer Weile in einem Interview, „und die Art und Weise, wie ich Musik mache, ist einfach sehr viel popkultureller verordnet.“. Seine Lieblingsband: Die Beatles; sein Favorit unter den Klavierspielern: Bill Evans.
Lamberts neues Album „Actually Good“ ist eine Sammlung von Songs, die der Mann mit der kunstvollen Stier-Maske (die aus dem sardischen Karneval stammt) als Auftragskomposition für einen düsteren Krimiserie geschrieben und aufgenommen hat – die dann aber nie gedreht wurde.
Denn als sich Regisseur und Komponist erstmals persönlich am Set trafen, die Musik war schon eingespielt und abgemischt, war beiden schnell klar, dass es zwischen ihnen menschlich nicht harmonierte.
Doch die Songs waren „im Kasten“ und Lambert der Meinung, dass diese auch ohne Bilder ihren Reiz entfalten. Damit nannte der Pianist die Aufnahmen zu „The Stranger“ (so der Arbeitstitel des Soundtraks) kurzerhand in „Actually Good“ um und veröffentlichte die dreizehn Kompositionen als Soloalbum samt Gästen bei Decca.
Mit dabei sind Marie-Claire Schlameus (Cello), Ralph Heidel (Saxophon) und Robin Scherpen (akustische Gitarre), die die kurten romantischen Elegien Lamberts um eine instrumentale Stimme erweitern und so der Musik eine zusätzliche emotionale Facette geben. Überdehnte solistische Einlagen werden vermieden. Stattdessen eine pulsierende Melancholie in den musikalisch reduzierten Bewegungen. Lambert und seine Solisten verlassen immer wieder die lieblich akustischen Pfade und sorgen auf angenehme Weise für brüchige Kontraste. So erhält das Album eine lyrisch-grüblerische Komponente und setzt intuitive Ausrufezeichen.
Jörg Konrad

Lambert
„Actually Good“
Decca
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Autor: Siehe Artikel
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