Diese Musik ist das Ergebnis seelischen Aufbegehrens und innerer Zerissenheit. Man hört dem neuen Album von
Avishai Cohen eine gewisse Dramatik an, man spürt Melancholie und Beunruhigung, Schmerz und Verzweiflung. Der israelische Trompeter, der hier auch berückende Atmosphären auf der Flöte schafft, verarbeitet mit seinen Landsleuten Trauma und Verzweiflung. So wechselt „
Ashes To Gold“ zwischen tragischer Poesie und trotziger Zuversicht. Die Musik pulsiert, sie brodelt vor Schwermut und nimmt in manchen Sequenzen den Atem. Es ist ein Anspielen gegen Pessimismus und Furcht. Die Art von Bewältigungsstrategie, die Musikern nun einmal zur Verfügung stehen.
Avishai Cohen ging im Herbst letzten Jahres nach Tel Aviv, um im vertrauten Umfeld für ein kommendes Album neue Kompositionen zu schreiben. In Israel erlebte er die unvorstellbaren Massaker des 7. Oktober. „
Ich konnte nichts schreiben“, erzählte Cohen später. „
Ich konnte die Trompete nicht anfassen. Anfang November sagte ich Yonathan [seinem Pianisten Yonathan Avishai], dass ich die Tour und die Aufnahme absagen müsse, aber er sagte ‚Nein. Wir müssen hingehen und Musik machen.‘ Die Art, wie er es sagte, war kraftvoll. Ich wusste, dass er recht hatte.“
Die Hauptteile der Suite „Ashes To Gold“, benannt nach der alten japanischen Kunst des Kintsugi, bei der es um das fragmentarische Zusammensetzen von zersplitterter Keramik geht, entstand großteils innerhalb nur eines Monats „ ….
mitten im Wahnsinn des Krieges. Mit Raketen, die über meinen Kopf flogen, Alarmen und Sirenen, die losgingen und so weiter.“ Später, auf Tour, vervollständigte Cohen diese Suite, die letztendlich Stimmungen und Atmosphären, Wut und Verzweiflung zum Ausdruck bringen. Und trotzdem ist letztendlich eine stolze, eine erhabene Musik entstanden, Klänge, die trotz aller Niedergeschlagenheit Hoffnung machen. Auch, weil sie sich keiner Sprachlosigkeit hingeben, sondern stattdessen die unsagbare Trauer gefühlsbetont verarbeiten und ausdrucksvolles Klima von gelebtem Leid schaffen.
Das Quartett, zu dem neben Cohen und
Avishai noch
Barak Mori am Bass und Schlagzeuger
Ziv Ravitz gehören, hat dieses Album mit einer wunderbaren Interpretation des Adagio assai aus Maurice Ravels Klavierkonzert in G-Dur und der Komposition „The Seventh“ vervollständigt. So begegnen sich auf „Ashes To Gold“ Schwermut und Entschlossenheit, Ratlosigkeit und Zuversicht
auf Augenhöhe und berühren tief.
Jörg Konrad
Avishai Cohen
„Ashes To Gold“
ECM