Zakir Hussain (geb. 09. März 1951 in Bombay, gest. 15. Dezember 2024 in San Francisco)
Shakti with John McLaughlin
(Album erschienen 1976)
1975 war John McLaughlin gerade einmal 33 Jahre alt, hatte aber bis dato alles erreicht, was man als elektrischer Gitarrist im Zwischenreich von Jazz und Rock erreichen konnte. Er war Mitglied in den Bands von Miles Davis während dessen Bitches-Brew Phase, hat (erfolgreich) freie Musik aufgenommen, mit dem Mahavishnu Orchestra eine der härtesten Rockbands der Musikgeschichte gegründet (vergessen sie Led Zeppelin!), an der Seite von Jimi Hendrix gejamt und mit dem London Symphony Orchestra auch seinen klassischen Anspruch akustisch eingelöst. Welch eine Steigerung sollte es noch geben? Der Engländer überraschte mit einem Projekt, das als Sensation gehandelt wurde. McLaughlin gründete Shakti und spielte indische Musik. Das Quintett bestand neben ihm an der akustischen(!) Gitarre, die mit zusätzlichen Resonanzsaiten ausgerüstet waren, aus dem indischen Geiger Lakshminarayana Shankar und den Perkussionisten R. Raghavan, T.S. Vinayakaram und Zakir Hussain. Der Name Shakti stammt aus dem Hinduismus und steht ganz allgemein für die weibliche Urkraft des Universums.
Der in Doncaster geborene Gitarrist beschäftigte sich zu jener Zeit schon eine Weile mit indischer Kultur, gehörte zu Beginn der 1970er Jahre zu den Anhängern der spirituellen Lehre Sri Chinmoi.
„Ich liebe Indien“, sagte McLaughlin anläßlich eines Interviews, „-
seine Musik und seine Spiritualität und seine Religionen. Die Spiritualität ist die Musik: Du kannst die beiden nicht voneinander trennen – wie man es im Westen kann.“
Insofern mag dieser Schritt nur logisch erscheinen. Aber indische Ragas mit Jazzimprovisationen in musikalische Beziehung zu bringen, sich der Herausforderung einer Symbiose von östlicher und westlicher Harmonik zu stellen, war in dieser vollzogenen Intensität etwas völlig neues.
Und auch gleich das erste Album, eingespielt während eines Auftritts der Band im Sommer 1975 an der Universität von South Hampton, strafte alle Lügen, die meinten, eine derartige musikalische Verschmelzung sei nicht möglich, oder wenn, dann nur auf der Grundlage meditativer Konzentrationsübungen.
Der Titel „Joy“, eine knapp 20 minütige musikalische Tour de Force, ist das Herzstück dieser Produktion. Shankar und McLaughlin spielen eine komplex komponierte Themenmelodie, um anschließend in beseelter Virtuosität auf den Skalen ihrer Instrumente regelrecht zu schäumen. Schwindelerregende Solo-Pasagen, rauschhafte Improvisationen, längere Spannungsbögen und Interaktionen in immer kürzer werdenden Zeitintervallen sind das Erkennungsmerkmal dieses Stücks, unterlegt von ununterbrochenen traditionell-indischem Percussionsfeuerwerk.
Bei den zwei übrigen Titeln (das etwas seichte Lotus Feet wird schon nach knapp fünf Minuten ausgeblendet) handelt es sich um Raga-ähnliche Improvisationen, die wohl aufgrund noch fehlenden kompositorischen Materials von der Band ins Repertoire aufgenommen wurden.
Das änderte sich mit den Alben „A Handful Of Beauty“ (1977) und „Natural Elements“ (1977), auf denen mehr die themenbezogenen und auf Harmonien aufgebauten kompakteren Kompositionen in den Vordergrund traten. Bezeichnend aber auch hier die überragende Homogenität, welche die Mitspieler untereinander an den Tag legen. Wer eine Anleitung zu meditativen Yogaübungen sucht, wird eindeutig enttäuscht. Ständige Taktwechseln, Tempivariationen und die perlenden Tabla-Rhythmen des überragenden Zakir Hussain. Die Wechsel zwischen westlichen Ideen und östlichem Klangbild, zwischen kurzen Monologen und ausgedehnten Dialogen sind fließend. Manche Sequenzen klingen bei McLaughlin sogar nach
Django Reinhardt, dem legendären Sinti-Gitarristen, dem Mitglied des
Hot Club De France und „Begründer“ des europäischen Jazz.
Nichts scheint dieser Formation entfernt genug, als das es in ihrer Musik Platz hätte. Ein Kontinente und Stile übergreifender Spagat, der den Kontrast von Kulturen als eine bereichernde Einheit verstehen lässt und sich ganz dem Anspruch McLaughlins verschrieb, auf einzigartige Weise Intelligenz, Schönheit und Kraft innerhalb der Musik zu verbinden.
Jörg Konrad
(KultKomplott August 2015)
Mickey Hart & Zakir Hussain
Planet Drum
„In the Groove“
Valley Entertainment
(Album erschienen 2022)
Grateful Dead, das Rock'n Roll-Flaggschiff der Hippiebewegung in den USA, tourte schon 1967 mit zwei Schlagzeugern. Einer der beiden war Mickey Hart, der der Band bei ihren ausufernden, endlos erscheinenden Gitarrenimprovisationen den nötigen rhythmischen Unterbau gab. Doch Michael Steven Hartman, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, war weit mehr als ein dienender Taktgeber. Er befabd sich schon damals als Musikethnologe, als Klangarchäologe auf den Spuren der getrommelten Herzschläge der Menschheit. Er schreibt bis heute Bücher über Schlagwerke und Percussionsinstrumente, reist quer durch die Welt und studiert die verschiedensten Trommeltechniken vor Ort, er taucht in Archiven unter, untersuchte mit Eingeborenen in Afrika, Südamerika und Indien deren Spielweisen und nahm zwischenzeitlich (natürlich stark Rhythmus orientiert) eigene Alben auf, die so ganz nebenher die Billboard Charts anführten und ihm den allerersten Grammy Award für Weltmusik einbrachte.
Nun, nach vier Jahren, hat er mit seinem Quartett Planet Drum ein neues pulsierendes Album veröffentlicht. „In The Groove“ macht seinem Titel alle Ehre. Es ist randvoll mit polyrhythmischen Themen verschiedener Trommeltraditionen und Varianten. Jeder der vier Mitglieder dieser Band steht für einen Kontinent und eine ganz spezifische ethnische Autorität: Zakir Hussain ist Inder und ein Meister der Tablas, spielt auch Röhren- und Kesseltrommeln und singt die selbst gespielten Rhythmen. Sikiru Adepoju stammt aus Nigeria und beherrscht wie kaum ein anderer die Talking Drums. Giovanni Hidalgo ist puerto-ricanischer Perkussionist, der sich schon seit frühester Kindheit den Bongos und Congas verschrieben hat. Mickey Hart hingegen trommelte in seiner Schulzeit Marschmusik(!), kam dann zum Rock'n Roll und später zum Jazz. Zusammen entwerfen Planet Drum, mit wechselnden Gastmusikern und Sängern, beeindruckende und immer wieder sich ändernde Perkussionsmuster und Figuren, vermitteln die Intensität und auch die Schönheit der Trommelkunst. Es ist ein Album voller Frische und Farbigkeit, voller Geheimnisse und Bodenständigkeit. Ihre Art des vor Dynamik strotzenden Miteinanders ist zugleich ein gemeinschaftsstiftendes Element, was zeigt, dass die Trommeln zu den ältesten Kommunikationsmitteln der Menschheit gehören. Ein mitreißendes Album.
Jörg Konrad
(KultKomplott August 2022)