Von dem Versprechen eines besseren Lebens gelockt verlassen die 19-jährige Französin Jessica (Megan Northam) und ihre beste Freundin Laïla (Natacha Krief) ihre Heimat, um sich in Syrien dem Islamischen Staat anzuschließen. In Raqqa angekommen, werden Pässe, Handys, Schmuck und Kleidung konfisziert und die Frauen in eine „Madafa“ geführt, ein Haus, das für zukünftige Ehefrauen von IS-Kämpfern bestimmt ist. Gemeinsam mit Frauen aus verschiedenen Ländern unterwerfen sie sich strengen Regeln, beten, und huldigen den Kämpfern sowie deren vermeintliche Siege. Doch als der Mann, dem Jessica und Laïla als Ehefrauen versprochen waren, im Kampf fällt, ändert sich ihr Schicksal abrupt. Die charismatische Madame (Lubna Azabal), die das Haus mit eiserner Hand leitet, hat Jessica, die inzwischen den Namen Rabia trägt, ins Visier als ihre mögliche Nachfolgerin genommen. Während der Druck auf sie wächst, muss Rabia sich entscheiden, welches Leben sie führen will.
Ein Film von Mareike Engelhardt
Mit Megan Northam, Lubna Azabal, Natacha Krief, Maria Wördemann, Klara Wördemann, Lena Lauzemis, Lena Urzendowsky u.a.
„Ergreifend… Ein unerbittlich meisterhafter Film… Lubna Azabal ist meisterhaft”
Premiere
„Ein Film, der unter die Haut geht…. So schonungslos wie unerbittlich.“
Le Point
„Die Regisseurin verblüfft… Die Leistung der Schauspielerinnen ist beeindruckend.“
Allociné
Das berührende Schicksal der beiden jungen Frauen in RABIA – DER VERLORENE TRAUM steht exemplarisch für viele, die vom westlichen Alltag frustriert auf die islamistische Propaganda mit viril-charmanten Kämpfern im Netz hereinfielen. Bilder von Blumen, Kochrezepte und romantische Herzchen kaschierten die menschenverachtende Ideologie der Terrororganisation und vermittelten den Mädchen ein positives Selbstwertgefühl. Vor Ort mussten sie dann als Gebärmaschinen und Sexobjekte dienen.
Dieses aufrüttelnde Drama greift ein brisantes Thema unserer Zeit auf: Die UN schätzt, dass sich seit 2013 mehr als 42.000 Personen aus 110 Ländern dem Islamischen Staat in der irakisch-syrischen Zone angeschlossen haben. Fast 25.000 Kinder wurden dort geboren. Rückholversuche scheitern an der Politik der Regierungen ihrer Herkunftsländer oder an der Weigerung der Mütter, Syrien zu verlassen. Der IS profitiert davon. Eine neue Dschihadisten-Generation wächst heran.
Regie führte Mareike Engelhardt, die über Jahre unzählige Interviews mit jungen Frauen geführt hat, die aus Syrien zurückgekehrt sind. Das zugehörige Drehbuch wurde beim Les Arcs Co-Production Village 2019 mit dem Arte KINO-Preis ausgezeichnet. 2022 arbeitete sie als Co-Autorin der französisch- deutschen Serie PARLAMENT, die den Grimme-Preis erhielt und 2023 zur besten Serie im Fernsehfestival von La Rochelle gewählt wurde. Die Kameraarbeit hat die hoch angesehene französische Bildgestalterin Agnès Godard und den Schnitt die preisgekrönte Editorin Mathilde van de Moortel (MUSTANG, CELEBRITES) übernommen. RABIA – DER VERLORENE TRAUM hat bereits eine beachtliche Festivalkarriere hinter sich und wurde u.a. mit dem Prix D’Ornano-Valenti 2024 auf dem Filmfestival Deauville als „Bester französischer Debutfilm“ sowie mit dem Preis der Jury auf dem Festival Cinema Valenciennes 2024 ausgezeichnet.
Der Film wurde in Frankreich und Jordanien gedreht. RABIA – DER VERLORENE TRAUM ist eine Produktion von FILMS GRAND HUIT in Koproduktion mit STARHAUS FILMPRODUKTION, KWASSA FILMS und ARTE France Cinéma. Weitere Partner sind Canal +, Ciné +, die Förderungen CNC und FFA (Deutsch-Französisches Mini-Traité), TAX SHELTER BELGIEN, EURIMAGES, die Regionalförderungen NOUVELLE-AQUITAINE, DORDOGNE, WALLONIE- BRUXELLES, FILMFERNSEHFONDS BAYERN sowie die SOFICA Investmentfonds.
REGIENOTIZEN
DIE SEELENFÄNGER
Der Ausgangspunkt meines Filmes ist das Unbegreifliche. Als ich im März 2016 in einer McDonald's-Filiale in Saint-Etienne Sonia kennen lernte, war ich zutiefst erschüttert. Mir gegenüber saß eine junge Frau, die vor kurzem aus Syrien zurückgekehrt war, wo sie mehrere Monate als Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat verbracht hatte. Sie erzählt mir von ihrer Weltanschauung, die auf Hass und Ausgrenzung, Rache und Angst beruht. Ich hatte dieses Treffen veranlasst, um herauszufinden, warum eine junge Frau, die in einer demokratischen Gesellschaft lebt, in der sie größte Freiheiten genießt, sich einem totalitären System anschließt, das eine mörderische Ideologie vertritt, die ihr alle Freiheiten nimmt. Ich treffe mich regelmäßig mit dieser jungen Frau und anderen aus verschiedenen sozialen Schichten stammenden Rückkehrerinnen unterschiedlichster Nationalitäten. Ihre Berichte bilden die Grundlage meines Drehbuchs. Sie stammen meist aus europäischen Ländern, sprechen wenig oder gar kein Arabisch und wissen kaum etwas über den Islam noch über das Land, in das sie reisten. Sie versuchen, die Dysfunktionalität in ihrem Leben und den grundlegenden emotionalen Mangel zu beheben, indem sie sich einem System anschließen, das ihnen in seiner Strenge Sicherheit gibt, und vor allem einen echten Wert als Individuum. Ihre Motivation ist weniger religiös oder politisch als psychologischer Natur. Hier im Intimen beginnt der Radikalisierungsprozess und genau an dieser Stelle setzt mein Film an. Bei der Anhörung der Prozesse dieser Mädchen vor dem Pariser Gericht wird mir auch die Verbindung zu meiner eigenen Geschichte endlich lesbar. Im Grunde geht es um die Frage, die mich und alle Deutschen meiner Generation beschäftigt: Wie kann es passieren, dass man im Laufe seines Lebens auf die falsche Seite gerät? Wie ist es möglich, von einem System absorbiert zu werden, dass einem die Menschlichkeit raubt? Und vor allem: Warum bleiben die Menschen dort und brechen nicht aus?
EINE PERSÖNLICHE GESCHICHTE
Sonia war 17 Jahre alt, als sie sich radikalisierte, im gleichen Alter wie meine Großeltern, als sie sich der Hitlerjugend und später der SS anschlossen, verblendet von einer Ideologie, die sich auf ähnliche Denksysteme stützt wie die von Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat. Ich gehöre zur letzten Generation, die diejenigen persönlich gekannt hat, die an einem der schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt waren. Begraben unter dem Gefühl der Schande und sorgfältig von meinen Eltern versteckt, um „mich zu verschonen“, wurde nie darüber gesprochen. Dieser Familienschatten verfolgt mich seitdem und die Frage nach der Faszination des Bösen wurde zum roten Faden meiner Arbeit. Mein Ansatz ist es nicht, Vergleiche zwischen dem islamistischen Terrorismus und dem Nationalsozialismus zu ziehen, sondern mein Film soll daran erinnern, dass diese Frauen unsere Kinder, Töchter, Nachbarinnen sind und ihr Handeln nichts mit einer Religion zu tun hat, sondern eine klare Dysfunktionalität unserer Gesellschaft aufzeigt. Gemeinsam müssen wir uns dieser stellen, statt davor zu fliehen. RABIA ist weder ein Film über den Islam noch den Dschihad, sondern über Massenmanipulation, die Mechanismen der Entmenschlichung und die Frustration einer Jugend ohne Orientierung. Rabia, die von Megan Northam gespielte Figur, wird vom Opfer zum Täter, wodurch sie den Zuschauer dazu zwingt, seine eigenen Entscheidungen zu hinterfragen. Der Film erinnert daran, wozu der Mensch fähig ist, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert, egal unter welcher Religion oder Ideologie.
DIE MADAFA - DIE WELT DER FRAUEN
Die Bilder von Krieg und Gewalt im Nahen Osten, der vom Islamischen Staat ausgeübte Terror in den Straßen von Raqqa sind mittlerweile leider Teil unserer kollektiven Vorstellungswelt geworden. Doch ohne zu vereinfachen und die Realität zu beschönigen, möchte ich zeigen, welchen Platz Frauen in dieser Terroristenorganisation einnehmen. Denn es existiert ein System der Unterdrückung von Frauen durch Frauen, über das wenig gesprochen wird und in dessen Zentrum die „Madafas“ stehen. In diese Häuser wurden unverheiratete Frauen oder Witwen eingesperrt, um sie durch Speeddating Sessions zu verheiraten. Hier prallten auf engstem Raum nicht nur Orient und Okzident aufeinander, sondern auch alle großen Themen des Lebens einer jungen Frau, wie die unterschiedlichen Vorstellungen von Jungfräulichkeit, Mutterschaft, Liebe und Tod. Diese Orte wurden zumeist von Frauen geleitet, die bekannteste und gefürchtetste von ihnen, die Marokkanerin Fatiha Mejjati (auch Umm Adam genannt), diente als Inspiration für die Figur der Madame (Lubna Azabal). Diese Häuser sind eine seltsame Mischung aus Gefängnis, Bordell und Jugendherberge und erinnerten mich sofort an die „Lebensborn“, die Häuser der Nazis, in die sie Frauen sperrten, die zur Fortpflanzung der arischen Rasse dienen sollten. Tausende von Kilometern entfernt und siebzig Jahre später eine so ähnliche Einrichtung zu finden, hat mich zutiefst schockiert. Für mich war es entscheidend, dass sich die Handlung des gesamten Filmes in diesem geschlossenen Raum abspielt. So wird der politische Kontext zu einem dramaturgischen Rahmen, innerhalb dessen ich die menschlichen Beziehungen auslote.
VOM DOKUMENTARISCHEN SCHREIBEN ZUM SPIELFILM
Das Thema machte eine mehrere Jahre andauernde umfangreiche Recherchearbeit notwendig, bei der ich die kostbare Hilfe von den beiden französischen Expertinnen für weiblichen Dschihadismus, Céline Martelet und Edith Bouvier bekam, die mir mehrere Mädchen vorstellten, die in den Madafas von Umm Adam gelebt hatten. Diesen jungen Frauen beschrieben mir detailliert ihr Leben (von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten) in diesen von der Außenwelt abgeschnittenen Häusern. Zusammen mit meinem Co-Autor Samuel Doux haben wir die romanfüllenden Geschichten dieser Frauen verknüpft und an einem Ort zusammengeführt. Dabei ist nichts ist erfunden, im Gegenteil: Viele Details waren so unglaublich und brutal, dass ich oftmals die Realität "abschwächen" musste, um sie für den Zuschauer glaubwürdig zu machen und ihm zu ermöglichen den Film überhaupt anschauen zu können.
Was mich an den Erzählungen erstaunte, war die Tatsache, dass sich die Mädchen keineswegs als Opfer sahen. Obwohl diese Positionierung die Grundlage ihrer Verteidigung vor den europäischen Gerichten darstellt, wurde in unseren Gesprächen deutlich, dass sie genau wie die Männer, fast alle wussten, wohin sie gingen und warum. Statt naiver, etwas dummer Mädchen, die dem Märchenprinzen nachreisen, können sie genauso engagierte, fanatische Verteidigerinnen dieser mörderischen Ideologie sein wie die Männer. Es ist mir ein feministisches Anliegen in RABIA – DER VERLORENE TRAUM zu zeigen, dass Frauen genauso schuldig sein können wie Männer, da ich es für sehr wichtig halte komplexe Frauenfiguren in ihrer ganzen Ambivalenz zu zeigen. Diese Darstellungen fehlen mir aktuell noch zu häufig in der cinematographischen Landschaft: