Ab 06. März 2025 im Kino
Paris 1928: Der Komponist Maurice Ravel erhält von der exzentrischen Tänzerin Ida Rubinstein den Auftrag, die Musik für ihr nächstes Ballett zu komponieren. Sie wünscht sich etwas Sinnliches und Betörendes. Ravel sieht sich zunächst nicht in der Lage, etwas zu Papier zu bringen. Er sucht Inspiration in seinem Alltag und taucht tief in sein Innerstes ein, setzt sich mit den Misserfolgen seiner frühen Jahre, dem Bruch durch den Ersten Weltkrieg und der unmöglichen Liebe zu seiner Muse Misia Sert auseinander. Eine scheinbar zufällige Idee wird die Grundlage für seinen größten Erfolg, ein faszinierendes und einzigartiges Werk, das dem Komponisten zu Weltruhm verhelfen wird: der Bolero.
Ein Film von ANNE FONTAINE
Mit RAPHAËL PERSONNAZ, DORIA TILLIER, JEANNE BALIBAR, EMMANUELLE DEVOS, VINCENT PEREZ u.a.
Alle 15 Minuten ist irgendwo auf der Welt der Bolero zu hören. Mit seinem gleichbleibenden, geradezu hypnotischen Rhythmus zählt das Werk zu den meistgespielten Orchesterstücken der Musikgeschichte. Doch wer war der Mann, der dieses zeitlose Meisterwerk erschaffen hat und was ist die Geschichte hinter der eingängigen Melodie, die bis heute Menschen auf der ganzen Welt fasziniert?
Der Film BOLERO erzählt von der Entstehung des gleichnamigen Ballett- und Orchesterstücks und wirft einen Blick auf das Leben und Schaffen seines Schöpfers: der französische Komponist Maurice Ravel. Am 7. März 2025 hätte er seinen 150. Geburtstag gefeiert.
Die Regisseurin Anne Fontaine (COCO CHANEL – DER BEGINN EINER LEIDENSCHAFT), selbst in einer von Musik geprägten Atmosphäre aufgewachsen, beleuchtet mit viel Feingefühl den kreativen Schaffensprozess eines Musikgenies, seine obsessive Suche nach Inspiration und musikalischer Perfektion. Gedreht unter anderem in Maurice Ravels Original-Wohnhaus und an seinem Klavier, nimmt uns Anne Fontaine mit auf eine sinnliche Reise in die Welt Ravels und lässt uns eindrücklich spüren, wie dieses Meisterwerk der Musikgeschichte entstanden ist.
Der César-nominierte Raphaël Personnaz (DIE PRINZESSIN VON MONTPENSIER, ANNA KARENINA) brilliert in der Rolle des empfindsamen Ravel. Ihm zur Seite stehen vor der Kamera Doria Tillier (DIE SCHÖNSTE ZEIT UNSERES LEBENS, DIE POESIE DER LIEBE) als Ravels enge Freundin Misia Sert sowie César-Gewinnerin Jeanne Balibar (BARBARA, ICH UND MEINE LIEBE) als exzentrische Tänzerin Ida Rubinstein.
In weiteren Rollen überzeugen Emmanuelle Devos (LIPPENBEKENNTNISSE, DER RETTER), Vincent Perez (FANFAR DER HUSAR, DIE BARTHOLOMÄUSNACHT) und Sophie Guillemin (WAHNSINNIG VERLIEBT, SANS TOI).
EIN GESPRÄCH MIT REGISSEURIN ANNE FONTAINE
Erzählen Sie uns von der Entstehung des Films...Am Anfang stand eine Erinnerung: Als sehr junge Tänzerin hat mich Maurice Béjarts Choreografie des Bolero, getanzt von Jorge Donn, nachhaltig geprägt. Diese Inszenierung war unglaublich modern und gleichzeitig von einer intensiven Erotik durchzogen. Dann kam der Wunsch hinzu, endlich einen Film über Musik und Tanz zu drehen. Mein Vater war Komponist und Organist, ich bin also in einer sehr musikalischen Umgebung aufgewachsen. Und schließlich war da das Rätsel um Maurice Ravel, den Schöpfer dieses zeitlosen Werkes, das die Welt bereist und sowohl Popgruppen als auch die Minimal Music inspiriert hat. Wie hat Ravel den Bolero konzipiert? Ich wusste kaum etwas über seine Persönlichkeit und war entschlossen, ihm durch die zyklische und fesselnde Struktur dieses Meisterwerks näherzukommen.
Die ganze Welt kennt dieses Werk, doch nur wenige kennen seine Geschichte.Das stimmt. Der Bolero hat etwas Magisches, beinahe Hypnotisches. Man kann sich ihm kaum entziehen, selbst wenn man es versucht. Sein Trommelrhythmus, seine schlichte, repetitive Struktur wirken wie ein Zauber, der uns auffordert, zu tanzen – was Sinn ergibt, denn er wurde für den Tanz geschaffen. Er hat nur wenig mit klassischer Musik im herkömmlichen Sinne zu tun, und genau das machte es so spannend, ihn im Vorspann mit Variationen zu verbinden: von Symphonieorchestern über Jazzformationen und mexikanische Mariachi-Gruppen bis hin zu afrikanischen Kindern, die dazu tanzen.
Das Paradoxe an diesem Werk ist, dass es auf den ersten Blick transparent erscheint, obwohl sein Aufbau unglaublich komplex ist. Hinter der vordergründigen Einfachheit – der Snare-Drum, die das Stück von Anfang bis Ende trägt – verbirgt sich eine faszinierende Vielschichtigkeit. Wie Alexandre Tharaud, der die Klaviermusik des Films eingespielt hat, es ausdrückt: Wenn er Ravel spielt, spürt er zugleich ein Gefühl von Vertrautheit und Mysterium. Jeder interpretiert diese Musik auf seine eigene Weise, als würde Ravel sich offenbaren und zugleich sein Geheimnis bewahren.
Der Film beginnt mit den Klängen einer Fabrik, die an den Entstehungsprozess des Bolero erinnern. War das ein bewusster Vorausgriff?Absolut. Ravels Vater war Ingenieur, und Ravel war von Maschinenrhythmen fasziniert. Ich wollte die konkreten Inspirationsquellen dieses Werks sichtbar machen: das Stampfen von Maschinen, Vogelrufe, das Rauschen von Regen und den Wind, der über die Dachziegel fegt. Diese alltäglichen Klänge können – je nach Aufmerksamkeit, die man ihnen schenkt – zu Musik werden. Man muss kein Musikliebhaber sein, um diese Symbiose zwischen Ravel und seiner Schöpfung zu spüren.
Es gibt nur wenige Biografien über Maurice Ravel. Wie haben Sie Ihre Quellen strukturiert?Es gibt viele Analysen zu Ravels Werk, aber die biografische Grundlage bildete für mich das umfassende Buch von Marcel Marnat (den ich glücklicherweise kennenlernen durfte). Seine Interviews mit Manuel Rosenthal, einem Schüler Ravels, und Marguerite Long, der legendären Pianistin, die im Film von Emmanuelle Devos gespielt wird, konzentrieren sich auf den Aufbau der Werke. Long betont insbesondere die Gründlichkeit, Präzision und fast mathematische Struktur von Ravels Kompositionen.
Ravels Persönlichkeit offenbart sich am besten in seinen Briefen, die er an unterschiedlichste Personen schrieb – Schneider, Anwälte usw. In diesen Schreiben findet sich immer etwas Amüsantes, Ungewöhnliches und Sympathisches. Im Gegensatz zu der Vorstellung, die man von „ernsten“ Musikern hat, war Ravel sehr fantasievoll. Dennoch ist das Drehbuch keine reine Biografie: Es enthält fiktionale Elemente und weicht an manchen Stellen von der historischen Wahrheit ab, um der Essenz von Ravels Leben und Werk treu zu bleiben.
Sie haben das Drehbuch gemeinsam mit Pierre Trividic, Claire Barré und Jacques Fieschi geschrieben. Wie verlief die Zusammenarbeit?Ich begann mit Pierre Trividic, der eine erste Version schrieb. Zu dieser Zeit drehte ich gerade einen Film und konnte mich nicht wie üblich an der Entwicklung beteiligen. Später, zusammen mit Claire Barré, entstand die Idee, den Film um die Anfänge von Ravels neurologischer Störung zu gestalten, die schließlich zu seinem Tod führte. Indem wir uns zunächst auf seine Menschlichkeit und Zerbrechlichkeit konzentrierten, mehr als auf seine Musik, kamen wir ihm näher. Jacques Fieschi brachte dann seinen unverwechselbaren Stil in die Dialoge ein.
Der Film zeigt Ravel in einer schwierigen Phase seines Lebens.Ja, 1928 war eine Zeit des Umbruchs. Ravel wusste nicht, wie er das Ballett angehen sollte, das er Ida Rubinstein versprochen hatte. Diese starke, extravagante Frau, einst Tänzerin der Ballets Russes, war inzwischen Produzentin eigener Aufführungen. Ravel wollte am liebsten weglaufen, was ihn dem Publikum näherbringt: Wer kennt nicht das Gefühl, an einem Punkt im Leben festzustecken? Hinzu kamen die ersten Anzeichen seiner Krankheit. Diese Zerbrechlichkeit eröffnete uns narrative Freiheiten, um in unterschiedliche Zeitebenen zu springen und Assoziationen zu wagen. Der Film sollte wie eine Musikpartitur fließen und Emotionen tragen.
Neben dem Bolero werden auch andere Werke Ravels im Film hervorgehoben.Ja, darunter "La Pavane", "La Valse", "Le Concerto en sol" und "Ma Mère L’Oye". Ravels Schaffen ist verhältnismäßig überschaubar, sodass wir viele Werke im Film präsentieren konnten.
Alles in Ravels Schöpfungen scheint aus unerwarteten Assoziationen zu entstehen – die Berührung eines Handschuhs, eine Geste, ein Klang...Es war faszinierend, diesen Prozess zu erforschen und auf der Leinwand wiederzugeben. Zum Beispiel die Szene, in der Ravel Misia Sert im Taxi nach Hause bringt. Er hält ihre roten Handschuhe in den Händen und sieht ihre Silhouette in den Armen eines Mannes. Später bittet er in einem Bordell ein Mädchen, die Handschuhe anzuziehen, und das Geräusch des Stoffes auf ihrer Haut löst eine Erinnerung an diesen Moment aus. Ist das ein Traum? Es ist eher ein Gefühl, das durch Licht, Gesichter und Übergänge spürbar wird. Ich wollte, dass die Zuschauer auf sensible und
sinnliche Weise in Ravels Welt eintauchen.
Ravel wurde lange Zeit von seinen Kollegen verachtet. Er wurde weltweit verehrt, fiel aber fünfmal beim Prix de Rome durch ...Es ist grausam und komisch zugleich, dass der größte Komponist seiner Zeit solche Misserfolge hinnehmen musste. Doch Ravel störte sich nicht daran. Er hatte viel Selbstironie, Humor und Leichtigkeit – bis zum Schluss.
Raphaël Personnaz spielt Maurice Ravel. Warum haben Sie ihn gewählt?Wir begannen mit einem Testlauf. Ich bat ihn, Ravels Musik zu hören, während ich ihn in Großaufnahme filmte. Was ich dabei in seinem Gesicht lesen konnte, hat mich sofort überzeugt.
Welche Vorbereitungen haben Sie ihn im Vorfeld treffen lassen?Raphaël hatte ein grundlegendes Verständnis für Klavierspiel, aber das reichte für die Rolle nicht aus. Er arbeitete monatelang mit dem Pianisten Frédéric Vaysse-Knitter und später mit dem Dirigenten Jean-Michel Ferran, um die Körpersprache eines Dirigenten für die entsprechenden Passagen im Film zu erlernen. Parallel dazu haben wir an seiner Mimik gearbeitet. Ich wollte, dass seine Ausdrucksweise subtil bleibt, nicht übertrieben, aber dennoch intensiv genug, um Ravels innere Zerrissenheit zu zeigen. Wir entschieden auch, ihn physisch zu verändern: ein mageres Gesicht, das seine Zerbrechlichkeit unterstreicht. Durch diese Transformation wurde seine Nase optisch markanter, was eine interessante cineastische Wirkung hatte. Wir sind während des Films viel in Ravels Kopf: Wir sollten die Zweifel der Figur an diesem Gesicht vorbeiziehen sehen, die Zerbrechlichkeit, die Qualen. Der Besuch in Ravels Haus in Montfort-l’Amaury war für Raphaël ein Schlüsselmoment, um sich in die Figur hineinzuversetzen.
Erzählen Sie uns von der Wahl Jeanne Balibars als Ida Rubinstein.Jeanne hat eine starke Persönlichkeit, die perfekt zu Ida passt. Sie ist selbst Tänzerin und verlieh der Rolle eine intelligente, kontrollierte Exzentrik. Die Zusammenarbeit mit der belgischen Choreografin Michèle Anne De Mey – einer ehemaligen Schülerin von Maurice Béjart – brachte zudem eine authentische Intensität in die Tanzszenen, die nicht gedoubelt worden sind. Ida Rubinstein spielt eine zentrale Rolle in der Struktur des Films. Sie repräsentiert die Frauen in Ravels Leben, die eine Art Schutzschild um ihn bildeten. Diese Frauen – Ida, Misia, Marguerite – inspirierten ihn auf unterschiedliche Weise und halfen ihm, den Bolero zu schaffen. Ohne sie wäre dieses Werk vielleicht nie entstanden. Gleichzeitig hatte Ravel auch enge Freundschaften mit Männern, wie mit Cipa (gespielt von Vincent Perez), dessen warme und optimistische Natur Ravel unterstützte.
Misia Sert, die von Doria Tillier gespielt wird, ist seine Muse, aber der Film zeigt, dass sie viel mehr als das ist.Ravel und Misia Sert kannten sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihre Beziehung war tiefgründig, doch ihre genaue Natur bleibt ein Rätsel. Für den Film habe ich Szenen geschaffen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, aber auch von Fiktion inspiriert sind. Ziel war es, der Wahrheit in ihrer emotionalen Essenz treu zu bleiben. Ravel schien sich nicht in eine klassische Liebesbeziehung – weder mit Frauen noch mit Männern – einfügen zu können. Diese Distanz hatte etwas Tragisches, aber auch Faszinierendes. Doria Tillier brachte genau die Eleganz und emotionale Tiefe mit, die Misia ausmachte. Misia spielte selbst Klavier, aber sie sah Ravel als Genie, das weit
über ihr eigenes Können hinausging. Ihr Satz „Ich habe keine Dimension, außergewöhnlich zu sein“ fasst ihre Bescheidenheit perfekt zusammen.
Am Ende, als Ravel sagt: „Dann liebten Sie mich“, und sie antwortet: „Viel mehr als das“, wird die Tragik ihrer Beziehung deutlich. Dieses späte Geständnis sagt viel über Ravel und seine Kunst aus: Sie war sein Schutzschild vor der Realität, aber sie ließ ihn auch in einer tiefen Einsamkeit zurück.
Ravels Mutter, gespielt von Anne Alvaro, scheint eine sehr wichtige Rolle in seinem Leben gespielt zu haben.Ravels Mutter war für ihn eine zentrale Figur. Sie glaubte fest an seinen Erfolg und gab ihm Kraft. Ihr Tod hinterließ ihn zutiefst erschüttert, und er schrieb jahrelang keine Musik mehr. Einige Biografen spekulieren, dass Ravel homosexuell war, aber ich denke, er war einfach ein Mensch, der sich von Sexualität distanzierte. Seine Musik wurde zu seinem emotionalen Ausdruck, zu einer Form der Liebe. Diese Idee, dass Kunst Liebe ersetzen kann, finde ich unglaublich bewegend.
Sie haben in Ravels echtem Haus, Le Belvédère, in Monfort-l‘Amaury gedreht ...Dieses Haus, mit Blick auf ein grünes Tal, ist ein außergewöhnlicher Ort. Dass wir dort drehen durften, war ein großes Privileg. Alles in diesem Haus spiegelt Ravel wider: die schmalen Flure, der japanische Garten, die kleinen mechanischen Spielzeuge. Ich hatte ursprünglich geplant, ein Set nachzubauen, aber nichts hätte die Authentizität dieses Ortes ersetzen können.
Nach intensiven Verhandlungen durften wir mit einer sehr kleinen Crew dort drehen. Alexandre Tharaud, ein berühmter Pianist und großer Bewunderer Ravels, der auch die Filmmusik eingespielt hat, war während der Dreharbeiten eine immense Inspiration. Seine Ergriffenheit, als er Ravels Klavier spielte, war spürbar. Ebenso bewegend war es, Raphaël dabei zu beobachten, wie er Ravels Melodien auf diesem Klavier entdeckte. Diese Atmosphäre hätten wir in einem Studio niemals nachbilden können.
Es war ein Wunder, aber zweifellos auch eine Herausforderung...Manchmal sind Einschränkungen ein Segen. Sie zwangen uns dazu, kreativ zu werden und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es war unglaublich, Raphaël in Ravels Schlafzimmer zu filmen, umgeben von seinen persönlichen Gegenständen. Diese Details – die winzigen Schnapsgläser, die mechanischen Autos – erzählten so viel über den Menschen Ravel. Seine Welt war klein, präzise und voller Bedeutung. Ich glaube, er hätte zugestimmt, dass „Schönheit so ernst wie die Kindheit“ ist.
Was macht die Tanzszene, in der Ravel den Proben von Ida Rubinstein beiwohnt, so beeindruckend?
Viele Choreografen haben sich den Bolero auf ihre Weise angeeignet. Mir war es wichtig, die Entstehungsgeschichte des ursprünglichen Bolero zu zeigen. Es war aufregend, diesen ersten Moment des Werks zum Leben zu erwecken. Ich hatte einige Referenzen: die Atmosphäre und die Einrichtung der damaligen Zeit – eine Bodega, ein großer Tisch in der Mitte der Bühne… dieser berühmte Tisch, der Ravel so missfiel, weil er den Tanz, den Ida Rubinstein darauf aufführte, mit einem Bordell assoziierte, was für ihn undenkbar war. Diese Tanzsequenz bedeutete mir besonders viel. Wie Raphaël Personnaz am Klavier oder als Dirigent, zeigt Jeanne Balibar in dieser Szene eine
beeindruckende Authentizität. Wir haben mit vier Kameras gedreht – etwas, woran ich nicht gewöhnt war. Aber die Vorbereitung war hervorragend, und mein Team hat mich nicht enttäuscht.
Ist Ravels erste Reaktion, dieses Werk zu hassen?Als Ravel in der Mitte des Balletts den Saal verlässt, erklärt er Misia, dass er nicht den Tanz, sondern seine Musik nicht ausstehen kann. Wie kann man nicht mit diesem Mann mitfühlen, der sein eigenes Werk ablehnt und sogar den Grund seines Erfolges anzweifelt? Vielleicht, weil ihm die Entstehung so viel abverlangt hat. Ravel war dafür bekannt, langsam zu komponieren – viel langsamer als Debussy oder Strawinsky. Er arbeitete so lange an seinen Werken, bis sie makellos waren. Der langwierige und komplexe Schaffensprozess des Bolero brachte ihn an seine Grenzen. Und ausgerechnet dieses Stück, sein erfolgreichstes Werk, war für ihn das am schwersten wiederzuerkennende. Er setzte die Messlatte an eine Stelle, die nur er selbst kannte.
Am Ende seines Lebens wird er sich mit dem Bolero versöhnen, sich aber gleichzeitig fragen, ob er ihn wirklich selbst komponiert hat.
Weder Ravel noch seine Umgebung verändern sich äußerlich im Laufe der Jahre deutlich ...Ich wollte eine Art Zeitlosigkeit bewahren, die Ravels Wesen entspricht – ein paar weiße Haare, leichte Augenringe, aber keine großen Veränderungen. Ravel hat etwas von Dorian Gray, etwas Ungewöhnliches. Auch Misia altern zu lassen, erschien mir nicht notwendig. Ich fand es viel spannender, dass sie wie eingefroren in Ravels Wahrnehmung bleibt. Während seine Musik reift, scheint sein emotionaler Zustand in einer Art ewiger Adoleszenz zu verharren. Es ist, als hätte sich der Künstler umso mehr entfaltet, je weniger der Mensch dazu in der Lage war. „Sie sind ein ewiger Jüngling“, sagt Ida Rubinstein zu ihm. Und Ravel antwortet: „Aber Sie sind es doch, die ewig ist!“
Dieser Satz, abgesehen von der Schmeichelei, spiegelt nur ihre Beziehung zueinander wider.
Der Film endet mit der Aufführung des Bolero durch einen Star der Pariser Oper. Ein spektakuläres Ende.Ich wollte dem Orchester, das Ravel gewissermaßen aus dem Jenseits dirigiert, diesen außergewöhnlichen Tänzer, François Alu, als seinen imaginären Doppelgänger hinzufügen. Er ist die perfekte Verkörperung der Energie und Kraft, die Ravels Musik ausstrahlt. François Alu drückt die Lebensenergie aus, die den Bolero durchzieht und sein zeitloses Bestehen erklärt.
Zum Abschluss des Films ist dies nochmals die Gelegenheit zu zeigen, dass Ravel immer noch unter uns ist.