Besitzt das Holzblasinstrument am ehesten noch einen etwas träge wirkenden, tief melancholisch näselnden Sound, ist die Vielseitigkeit des Klaviers hingegen beinahe unbegrenzt. Kristjan Randalu hat sich bei seinem neuen Album, der Interpretation Franz Schuberts „Winterreise“, für einen Partner entschieden, der auf dem Fagott enorme Stimmungen und Atmosphären entwirft, der technisch brillant spielt und der zudem als Befürworter Moderner Musik mutig genug ist, die Anforderungen der Klassik zugunsten anderer Stilformen ästhetisch aufzubrechen: Martin Kuuskmann.
Beide, Randalu und Kuuskmann, stammen aus Estland und haben hier, ohne es voneinander zu wissen, regelmäßig den gleichen Bus nach Tallin in die Musikschule genommen. Wirklich kennengelernt haben sie sich Jahre später – an der Manhattan School of Music in New York. Der Kontakt ist anschließend nicht mehr abgerissen. Randalu lebt heute in Karlsruhe, Kuuskmann in Denver, Colorado.
Beide interpretieren die „Winterreise“ instrumental und verwenden für einzelne Lieder auch Jazzelemente. Die Tonarten bleiben dieselben wie im Original. „Es ist im Grunde alles notiert“, erläutert Martin Kuuskmann, „bis auf die Improvisationen von Kristjan am Klavier. Das Publikum wird nicht immer heraushören, was ausgeschrieben ist und was nicht.“ Insgesamt haben beide Solisten zwölf der insgesamt vierundzwanzig Lieder eingespielt. Hinzu kommen noch vier eigene Kompositionen von Kristjan Randalu.
„Schubert Voyage“ beeindruckt besonders durch ihre tiefe Emotionalität und zugleich durch ihre ad hoc eingestreuten Verweise. Doch in jeder Note, die beide spielen und die Ideen die sich zuwerfen, ist der Respekt vor dem Originalen zu spüren. Ist es in den Vorgaben die Verbindung von Wort und Ton, die fasziniert, ist es hier die melodische Erfindungsgabe, die instrumentale Besessenheit beider Vortragender, die diszipliniert und gefühlvoll gelingen. Das vermeintlich Vertraute erstrahlt in neuem Licht – als eine ganz persönliche Seelenreise.
Jörg Konrad
Kristjan Randalu & Martin Kuuskmann
„Schubert Voyage“
Berlin Classics
„Schubert Voyage“
Berlin Classics