An Selbstbewusstsein mangelt es den Burschen von Butcher Brown ganz sicher nicht. Die Fünf aus Virginia sind Wilderer, sagen wir besser respektvolle Wilderer. Sie lieben Jazz, Rock, Funk, R&B, Soul, HipHop, Boogie, Swing und Bossa Nova und bedienen sich freimütig in diesen Genres. Aber sie aktzeptieren es zugleich, wenn andere in ihrer Musik fündig werden: „Wir haben den Song (gemeint ist die Single „Ibiza“; die Red.) mit der Idee aufgenommen, etwas zu verwenden, das man in einem Tanzclub in New York oder Großbritannien hören würde“, erzählten sie neulich in einem Interview. „Wir sind alle Produzenten, also denken wir an die Samples, die ein DJ finden und zu einem Groove zusammenfügen würde – aber wir machen alles live, ohne Samples, und interpretieren es auf unsere eigene Art neu“. Und diese Art klingt originell und authentisch, zielt gnadenlos in die Seele und in die Beine – egal ob in New York, Berlin, Oslo oder Singapur. Recycelte Gebrauchsmusik ist etwas völlig anderes.
Auch das neue Album von Butcher Brown „Letters From The Atlantis“ (auf dem sich eben jene Single „Ibiza“ befindet) begeistert mit lasziven Straßensounds, die sich sehnsuchtsvoll durch die Häuserschluchten von Großstädten grooven. Drum & Bass Splitter, verschrobene Jazzharmonien, gnadenlose Funklicks und existenzielle Basslines, stampfende Bläsersätze und irrlichternde E-Pianos, melancholische Soundscapes und knackige Saxophonsolos bestimmen die musikalische Szenerie. Hinzu kommt jede Menge Gastpersonal, Sängerinnen und Sänger wie Yaya Bey, Melanie Charles, Leanor Wolf, Mia Gladstone oder Victoria Victoria - allesamt weit mehr als lokale Größen. Sucht man vergleichbares, dann fallen einem Down To The Bone, The Crusaders und vielleicht noch das erste Album von Me’Shell NdegéOcello von 1993 ein. Man sollte an dieser Stelle natürlich darauf verweisen, das „Letters From The Atlantis“ auch mit „Infant Eyes“ eine Reminissenz an den großen Wayne Shorter enthält. Und als Anspieltipp sei empfohlen: "Montrose New“, eine schlacksige Soul-Nummer mit Trompeter Nicholas Payton.
Jörg Konrad
Butcher Brown
„Letters From The Atlantis“
Concord