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1. LAST BREATH
2. KEIN TIER. SO WILD.
3. EIN STUMMER HUND WILL ICH NICHT SEIN
4. QUIET LIFE
5. WARFARE
6. PARTHENOPE
Donnerstag 15.05.2025
LAST BREATH
Ab 08. Mai 2025 im Kino
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Chris Lemons (Finn Cole) ist Berufstaucher und noch am Anfang seiner Karriere. Im Gegensatz zu seiner Verlobten Morag, die sich den Risiken des Jobs sehr bewusst ist, freut er sich auf den nächsten Auftrag weit vor der Küste von Aberdeen / Schottland. Seine Teamkollegen für die geplanten 28 Tage auf hoher See sind der erfahrene Duncan (Woody Harrelson), eine Vaterfigur für Chris, und der professionelle, aber unnahbare Dave (Simu Liu). Kaum hat ihr Begleitschiff Tharos den Tauchplatz inmitten der Nordsee erreicht, braut sich ein Sturm zusammen, der den Einsatz zu gefährden droht. Dennoch begeben sich die Drei mit der Tauchglocke über 90 Meter in die Tiefe. Zuerst läuft alles nach Plan, doch plötzlich fallen Teile des Schiffssystems aus und machen einen Abbruch notwendig. Während Dave sich in die Glocke retten kann, reißt Chris‘ Versorgungsleine und er strandet auf dem Meeresgrund – in eisiger Schwärze und mit nur zehn Minuten Notsauerstoff. Das gesamte Team ist im Ungewissen, ob Chris überhaupt noch lebt, aber sie tun alles, um ihn retten. Mit einzigartigem Zusammenhalt und in einem atemlosen Rennen gegen die Zeit ...

Jeder Atemzug zählt! Mit LAST BREATH entführt Regisseur Alex Parkinson („Leben mit Leoparden“, „Der letzte Atemzug: Gefangen am Meeresgrund“) auf eine abenteuerliche Reise in eine der unwirtlichsten Gegenden der Erde und erzählt dabei die hochspannende und emotionale wahre Geschichte einer beispiellosen Rettungsmission. Quasi in Echtzeit und in immersiven Unterwasserbildern entfesselt das intensive Actiondrama dabei eine faszinierende Sogwirkung. In den Hauptrollen begeistern Woody Harrelson („Venom: Let There Be Carnage”, „Triangle of Sadness”), Simu Liu („Barbie”, „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“) und Finn Cole („Fast & Furious 9”, „Peaky Blinders“).

Ein Film von Alex Parkinson
Mit Woody Harrelson, Simu Liu und Finn Cole sowie Cliff Curtis

Alex Parkinsons LAST BREATH vereint Woody Harrelson, Simu Liu und Finn Cole in einem adrenalintreibenden Survivalthriller weit unter der Meeresoberfläche. Basierend auf einer erschütternden wahren Geschichte würdigt LAST BREATH die Selbstlosigkeit und Beharrlichkeit eines Teams von Tauchern, deren Leben sich für immer verändert, als ein Unfall einen der ihren tief auf dem Grund der Nordsee stranden lässt.
Im September 2012 begaben sich die Sättigungstaucher Chris Lemons, Dave Yuasa und Duncan Allcock auf eine Routinemission. Doch während des Tauchgangs in etwa 100 Meter Meerestiefe sorgte ein Computerfehler beim Unterstützungsschiff über ihnen für ein unkontrolliertes Abtreiben, was zum Riss des Versorgungsschlauchs führte, der Lemons mit seinem Sauerstoff, Strom und dem Funkverkehr verband. Während ihm nur Sauerstoffreserven für Minuten blieben, stürzten Yuasa und Allcock sich in einen Wettlauf gegen die Zeit, um Lemons zu bergen und in Sicherheit zu bringen.
Die britische Dokumentation DER LETZTE ATEMZUG – GEFANGEN AM MEERESGRUND von 2019 gab, inszeniert von Alex Parkinson und Richard da Costa, die Ereignisse an Bord des Schiffes sowie tief darunter wieder, indem sie Archivmaterial, Tonaufnahmen, Nachstellungen und Interviews verwendete. Stewart le Maréchal und Al Morrow hatten die Doku über ihre Firma MetFilm produziert.
Inspiriert von deren Erfolg präsentierten le Maréchal und Morrow ihre Dokumentation dem Vater-Sohn-Produzentenduo Paul und David Brooks, um sie Ihnen als Spielfilm vorzuschlagen. „Ich war vollkommen fasziniert davon“, erinnert sich Paul Brooks. „Es ging um das Beste der Menschheit und darum, wie Menschen einfach nicht aufgeben. Das fand ich unglaublich mitreißend.“
Paul und David Brooks entwickelten das Projekt gemeinsam mit Produzent Jeremy Plager, der den Besetzungsprozess moderierte. Alle drei taten sich schließlich mit den Produzenten Norman Golightly und Hal Sadoff von Dark Castle Entertainment zusammen. „Paul zeigte uns DER LETZTE ATEMZUG – GEFANGEN AM MEERESGRUND und wir reagierten sofort, nicht nur, weil es ein aufregender Film ist, sondern weil er die universellen Themen Menschlichkeit, Hoffnung und Durchhaltevermögen aufgreift“, so Golightly. „Den besten Geschichten gelingt es, uns zu packen, zu unterhalten, zum Nachdenken zu bringen und zum Fühlen. Manchmal können sie uns sogar inspirieren. Die Geschichte von Chris schaffte bei uns all das und noch mehr.“

Angesprochen von der Kraft und Raffinesse der Dokumentarhandlung wendete Paul Brooks sich für das Drehbuch und die Regie der Spielfilmadaption an Parkinson selbst. Er erklärt: „Die Doku ist ein so unglaublicher Spannungsritt. Wir dachten uns: ‚Na ja, ist es nicht das einzig Logische, Alex zu holen, um den Film zu inszenieren?‘ Er besitzt ein grandioses Gefühl für das Erzählen, was auch die Doku so gut machte.“
Parkinson erläutert sein ursprüngliches Interesse an der Geschichte von Lemons: „Ich fühlte mich sofort dem verbunden, was Chris Lemons durchlebt hatte, was viel aussagt über die Kraft dieser Geschichte von Hoffnung und menschlicher Tatkraft. Wenn Menschen mit einem gemeinsamen Ziel zusammenkommen, können die unglaublichsten Dinge passieren. Ich habe inzwischen zehn Jahre mit dieser Geschichte verbracht, und ich kenne sie in- und auswendig. Das hier war eine so gigantische Leinwand, auf die ich sie malen konnte, viel größer als bei der Dokumentation.”

Zusammen mit den Autoren Mitchell LaFortune und David Brooks arbeitete Parkinson einen Drehbuchentwurf aus: „Ich hatte mehr vor, als nur die Doku neu zu verfilmen. Ich wollte diese bemerkenswerte Geschichte mit dem größtmöglichen Maßstab erzählen und neue Dimensionen der
emotionalen Reisen dieser Persönlichkeiten erkunden.“
David Brooks freute sich über die Gelegenheit, in eine Welt vorzustoßen, die dem Kinopublikum noch unbekannt ist. „Es ist sehr selten, dass man auf eine so packende Geschichte stößt, die sich wahrlich originell anfühlt. Die Welt des Sättigungstauchens war nie zuvor in einem Spielfilm erkundet worden, ganz gewiss nicht in diesem Ausmaß. Außerdem zogen mich die Einzigartigkeit der Charaktere und die Intimität ihrer Dynamiken an.“
„Ich empfand eine echte Verantwortung, das Ganze so dicht wie möglich an der Realität dessen zu halten, was passiert war. Ich wollte, dass diese Menschen richtig dargestellt wurden, weil sie in jener Nacht etwas Unglaubliches geleistet hatten“, schließt Parkinson.


Die Besetzung
Als das Drehbuch stand, suchten Parkinson und die Produzenten von LAST BREATH nach einer Besetzung, die den Heldenmut der wahren Taucher originalgetreu wiedergeben konnte. So abenteuerlustige wie gewillte Partner fanden sie in Woody Harrelson, Simu Liu, Finn Cole und Cliff
Curtis. Paul Brooks hatte mit Harrelson an Bobby Farrellys CHAMPIONS gearbeitet und glaubte, der Schauspieler könnte Interesse an dieser bemerkenswerten Geschichte haben. Er hatte recht. „Sowie ich die Doku gesehen hatte, war ich sofort dabei“, erinnert sich Harrelson. „Ich glaube, sie spricht wirklich für sich. Die Menschen lieben sie. Ich habe sie geliebt. Sie hat definitiv dafür gesorgt, dass ich hier dabei sein wollte.“
In Paul Brooks‘ Augen ist Harrelson aufgrund seines wohlverdienten Ansehens unter seinen Kollegen ein echter „Schauspielermagnet”. „Als Woody dazu kam, gingen wir direkt zu Simu, und der sagte auch direkt zu“, erinnert sich Brooks. „Und ein paar Wochen danach unterschrieb Finn dann für die Rolle des Chris Lemons.”
Simu Liu, Star aus BARBIE und SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE TEN RINGS, schaute sich die Dokumentation an, um sich mit der Geschichte vertraut zu machen. „Als ich sie sah, war ich nicht nur von der Geschichte völlig verblüfft, sondern auch von der Einführung in die Welt des Sättigungstauchens, die anders war als alles, was ich je zuvor gesehen hatte“, schwärmt er. „Und dann erfuhr ich, dass Alex Parkinson, der Regisseur der Doku, auch die Adaption inszenieren würde, und dachte nur: ‚Tja, dann bin ich definitiv dabei.‘“
Liu sprang auf die Themen persönlicher Verantwortung und Teamwork im Drehbuch an, wie er weiter ausführt: „Sehr vieles in dieser Geschichte dreht sich um eine Kameradschaft, die sich mit der Zeit entwickelt. Als viel auf dem Spiel steht und es zu einem Unfall kommt, sind diese Taucher gewillt, da rauszugehen und ihre eigenen Leben zu riskieren, um sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt.“

Als PEAKY-BLINDERS-Star Finn Cole das Drehbuch bekam, fiel ihm als erstes auf, dass es denselben Titel hatte wie die Vorlage. „Ich hatte die Doku ungefähr ein Jahr zuvor gesehen und geliebt. Ich hatte Tauchen schon vorher spannend gefunden, also machte sie mich nur noch neugieriger auf den Film.
Ich war echt gespannt darauf, wie das Ganze sich in einen Spielfilm übertragen ließe“, so Cole. Die Schauspieler hatten viel Respekt für ihre wahren Vorbilder und legten Wert darauf, deren Geschichte mit Seriosität zu erzählen. „Da besteht eine gewisse Verantwortung, weil es eine wahre Geschichte mit echten Menschen ist. Und hoffentlich werden wir ihr alle gerecht“, sagt Harrelson.
„Ich finde, es ist eine so unfassbare Geschichte“, ergänzt Liu. „Es ist eine solche Ehre, Teil davon zu sein und sie erzählen zu dürfen. Für mich ist die nachklingende Botschaft von LAST BREATH eine von Hoffnung, von Durchhalten und davon niemals aufzugeben.”
„Am Ende bekamen wir die drei Schauspieler, die wir wirklich gewollt hatten, und die Chemie zwischen ihnen war fantastisch“, schwärmt Paul Brooks. „Sie verstanden sich alle prächtig, und ich denke, diese Chemie sieht man auch auf der Leinwand. Sie fühlt sich authentisch an.“
Cliff Curtis, Mark Bonnar, Myanna Buring, Connor Reed, Bobby Rainsbury und Josef Altin runden die Besetzung des Films ab.
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Mittwoch 07.05.2025
KEIN TIER. SO WILD.
Ab 08. Mai 2025 im Kino
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Shakespeares Tragödie von Richard III. neu erzählt: Zwei hohe Häuser, die arabischen Großfamilien York und Lancaster, haben den Krieg von den Straßen Berlins in den Gerichtssaal getragen. Rashida ist die jüngste Tochter und Anwältin des Hauses York. Heute beendet sie den Jahre alten Bandenkonflikt mit einem blutigen Anschlag auf die Köpfe des Lancaster Clans. Endlich Frieden! Aber als Frau ist Rashida in dieser Welt der Männer nur Spielball. Im Frieden der Gangster ist sie zum Gehorsam verdammt. Schwester, ja. Tochter, klar. Nur Königin, das wird sie nie. Doch
Rashida will nicht gehorsam sein. Sie will herrschen. Will sie die Krone, muss Rashida intrigieren, muss sie Feinde verführen und Geliebte töten… Dann, auf dem Höhepunkt der Macht, wird Rashida von der Gewalt eines ganz anderen Krieges eingeholt. Sie findet sich in ihr Innerstes
zurückgeworfen: Erinnerungen an eine Kindheit unter Bomben. Ein Garten aus Einsamkeit und Zerstörung. Spiegel einer verletzen Seele. Rashida… Herrscherin über ein Königreich aus Staub und Dreck.

Fünf Jahre nach seiner furiosen Adaption von Berlin Alexanderplatz kehrt Burhan Qurbani mit einer Regiearbeit zurück, die William Shakespeares „Richard III“ völlig neu interpretiert und in das Berlin von heute verlegt. Atmosphärisch dicht, inhaltlich intensiv, visuell streng und mit präzis
geschliffenen Dialogen führt KEIN TIER. SO WILD. in eine Welt, die vertraut erscheint und doch eigen und fremdartig ist: Mitten hinein in einen unerbittlich geführten Krieg zweier arabischstämmiger Familien, in dem sich die jüngste Tochter der einen mit Intrigen und Morden ihren Weg brutal und ohne Rücksicht auf Verluste nach oben bahnt – um schließlich einen hohenPreis dafür zu bezahlen.

Die Hauptrolle der Rashida York spielt Kenda Hmeidan, an ihrer Seite stehen Verena Altenberger, Hiam Abbass, Mona Zarreh Hoshyari Khah, Mehdi Nebbou, Meriam Abbas und Banafshe Hourmazdi vor der Kamera von Yoshi Heimrath. Das Drehbuch schrieb Burhan Qurbani
gemeinsam mit der gefeierten und vielfach ausgezeichneten Autorin Enis Maci. Für die Filmmusik ist Dascha Dauenhauer verantwortlich, die bereits die Musik zu Berlin Alexanderplatz komponierte und dafür mit dem Deutschen Filmpreis und dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde.
KEIN TIER. SO WILD. ist eine Produktion von Sommerhaus Filmproduktion (Jochen Laube, Fabian Maubach, Sophie Cocco, Leif Alexis), als Koproduzenten sind Madants, Getaway, ZDF (verantwortlicher Redakteur: Burkhard Althoff), ARTE (Holger Stern, Claudia Tronnier) und ARTE
France Cinéma in Zusammenarbeit mit The Dreaming Sheep Company, Grupa Moderator und ARTE France beteiligt. Gefördert wurde die Produktion vom Medienboard Berlin-Brandenburg, der Film- und Medienstiftung NRW, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Filmförderungsanstalt, dem Deutschen Filmförderfonds, Eurimages - European Cinema Support Fund und dem Polish Film Institute.
In die deutschen Kinos kommt KEIN TIER. SO WILD. am 8. Mai 2025 im Verleih von Port au Prince Pictures. Den Weltvertrieb hat Goodfellas übernommen.


Ein Film von Burhan Qurbani
Mit Kenda Hmeidan, Verena Altenberger, unter Mitwirkung von Hiam Abbass, Mona Zarreh Hoshyari Khah, Mehdi Nebbou, Meriam Abbas und Banafshe Hourmazdi


Der Beginn vor dem Beginn
Vorhang auf. Am Anfang – eine Erinnerung: Vier Mädchen spielen in einer wüsten Gebirgslandschaft Theater. Sie inszenieren ein kindliches Königsdrama. Nur Rashida, die wildeste und wütendste von ihnen, will nicht spielen. Sie will gewinnen. Doch das Spiel wird jäh beendet
durch einen Bombenangriff auf ein nahegelegenes Dorf.
Heute, in einem Gerichtssaal in Berlin. Rashida (KENDA HMEIDAN) ist Anwältin und die jüngste Schwester des York Clans, der gegen den Clan der Lancasters um die Vorherrschaft in Neukölln kämpft. Vor Gericht verteidigt sie ihren des Mordes angeklagten Bruder Ghazi (CAMILL JAMMAL) und tötet bei einem brutalen Anschlag in der Vorhalle des Gerichtssaals die Köpfe der Lancasters. Endlich Frieden!

Der Krieg ist gewonnen
Imad (MEHDI NEBBOU), der älteste Bruder der Yorks, verkündet diesen Traum vom Frieden bei einer Siegesfeier vor Freund und Feind. Er will die Yorks und die Lancasters einen. Die Ehe von Rashida mit einem Lancaster, ein gemeinsamer Nachkomme, sollen den Frieden zementieren.
Findet zumindest Imads Frau Elisabet (VERENA ALTENBERGER), die Strippenzieherin hinter dessen Rücken – eine Deutsche, die sich in den Clan eingeheiratet hat. Findet auch Rashidas Mutter (MERIAM ABBAS), auf Tradition bedacht. Findet aber nicht Rashida. Sie will nicht
gehorsam sein. Sie will herrschen. Will die Macht. Warum? Weil sie es kann. Angetrieben auch von ihrer Leidenschaft für die schwangere Ghanima (MONA ZARREH HOSHYARI KHAH), die Witwe von Umar Lancaster (HASSAN AKKOUCH), den sie im Gericht ermordete. An Rashidas Seite: immer ihre getreue Vertraute Mishal (HIAM ABBASS), die seit ihren Kindertagen alles für sie tut.

Der Pfad zum Gipfel
Rashida schickt Mishal, Ghazi im Tower zu töten, und verfolgt per Handy, wie ihr Bruder in der Badewanne ertränkt wird. Am nächsten Morgen erscheint sie auf der Baustelle des Clans, auf der Elisabet eine Moschee errichten will. Vor Elisabet und ihrem Bruder Imad willigt sie in die Ehe mit Ali Lancaster ein. Nur um im gleichen Moment die Nachricht zu erhalten, dass ihr geliebter Bruder Ghazi tot ist. Ihrem Bruder Imad stellt sie es als Selbstmord dar – untröstlich und gebrochen ertränkt er seine Schuld in Drogen und Huren. In der ersten Liebesnacht mit Ghanima erreicht
Rashida eine Nachricht ihres Bruders, der sich vor Selbstmitleid verzehrt und vergiftet. Fast ist Rashida am Ziel.

Fleisch und Blut
Die Macht liegt nun in den Händen des Kronprinzen der Yorks, Imads und Elisabets Sohn Samir (AARON KISSIOV). Nur er und sein Bruder Nael (PHILEAS HEYBLOM) trennen Rashida noch vom Thron. Kühn treibt sie ihren Plan voran. Während ihre Mutter sich von ihr lossagt und sich mit
Elisabet verbündet, sieht Rashida ihren Schachzug voraus und lässt Elisabets Brüder (ENNO TREBS, THEO TREBS) als Verräter im Tower einkerkern. Nun muss sie nur noch Samir in die richtigen Bahnen lenken…

Sand und Dreck
… und das Reich gehört ihr. Doch Rashida überspannt den Bogen…



DIE FIGUREN


CLAN YORK

Rashida York: Als Frau zu weniger-als bestimmt, von der Mutter ungeliebt, ehrgeizig und wild, Anwältin der Familie, ledig.
Mishal: Rashidas Ziehmutter, treuergebene Amme der Yorks, versteht zwar Deutsch, spricht aber nur arabisch.
Imad York: Alkoholkranker Gangsterboss, ältester Bruder, ist der Kämpfe müde und auf Versöhnung aus.
Ghazi York: Jüngerer Bruder, biederte sich bei den Lancasters an, ließ den eigenen Vater ins offene Messer laufen, sehnt sich nach Vergebung im Schoße der Familie.
Qamar York: Verbitterte Witwe, von Rashidas Geburt traumatisiert und zerstört, liebt alle anderen mehr.
Elisabet York: Löwenmutter, Erbin eines deutschen Schrottimmobilienimperiums, geliebte und treuliebende Frau Imads
Samir York: Ältester Sohn Imads, Schweizer Internatsschüler, legitimer Nachfolger seines Vaters.
Nael York: Jüngerer Sohn Imads, spitzfindig und scharfzüngig, ein liebenswertes Kind.
Franz und Reinhold Müller: Elisabets geliebte Brüder, ihre moralischen Stützen.
Khalifa: Straßenkind, Vertraute Mishals, sich selbst aber am nächsten.
Brakenbury: Ein Bär von einem Mann, eher zwischen den Fronten, Schiedsmann der Yorks.


CLAN LANCASTER

Uthman Lancaster: Bald totes Oberhaupt des Lancaster-Clans.
Umar Lancaster: Bespucker und Schläger von Frauen, Ehemann Ghanimas.
Asifa Lancaster: Frau des Uthman, Mutter des Umar, bald schon rachsüchtige Witwe.
Ghanima Lancaster: Schwiegertochter von Uthman und Asifa, jung mit dem Schläger Umar Lancaster Verheiratete, jetzt unverhofft Verwitwete.
Ali Lancaster: Cousin Umars, designiertes neues Oberhaupt der Lancaster, möglicher Bräutigam für eine York-Frau.
Ismail Ibn’Ibrahim: Ein gedungener Mörder der Lancaster



EIN GESPRACH MIT REGISSEUR BURHAN QURBANI UND CO-DREHBUCHAUTORIN ENIS MACI

Herr Qurbani, was war die Initialzündung für diesen Film?
Ich war nach der Premiere meines letzten Films, Berlin Alexanderplatz, auf dem Weg in ein tiefes Loch. Das wurde zusätzlich dadurch verstärkt, dass auf den Premierenapplaus im Berlinale-Palast keinen Monat später die erdrückende Stille des ersten Corona-Lockdowns folgte. Wie so viele von uns habe ich in dieser Zeit nicht viel tun können. Erst war ich dankbar für diese erzwungene Auszeit, aber dann wurde die innere Dunkelheit richtig schlimm, die Wände der eigenen Wohnung unerträglich eng. In dieser Zeit bin ich auf Instagram über ein Foto gestolpert, das in mir ganz viel ausgelöst hat: ein Bild der Fotojournalistin Tanya Habjouqa. Darauf waren mehrere Mädchen zu sehen, die sich auf ein Theaterstück vorbereiteten: Eine wüste Berglandschaft. Ein Mädchen hat sich schon geschminkt, mit Lippenstift ein großes rotes Herz auf der Wange – wie eine Ansage.

Ein anderes Mädchen drapiert eine goldene Krone auf ihrem Kopftuch und checkt im Spiegel, ob der königliche Kopfschmuck richtig sitzt. Das geschminkte Mädchen schaut grimmig, als gehöre die Krone eigentlich ihr…
BQ: Das hat mich total berührt und eine Fantasie aufgemacht. Ich dachte: Das muss Shakespeare sein, was die Mädchen da proben, oder? Nein – sie machen Richard III. Am Ende dieser Assoziationskette stand der Gedanke: Wie wäre es, wenn ich diesen Richard III. hier in Berlin, aber mit einer arabischen Frau als Hauptfigur umsetze? Das war im Frühjahr 2020.

Frau Maci, wie haben Sie reagiert, als Burhan Qurbani Sie ansprach?
EM: Ich habe zuerst noch einmal Richard III. gelesen. Das Stück ist zum einen ein Propagandastück, das nachträglich den Sieg des Hauses Lancaster über das Haus York gleichsam moralisch legitimieren soll. Aus den Lancasters werden später die Tudors, zu denen auch Elisabeth I. gehörte.
Zum anderen ist es ein Stück über die Verformung, die aus der Macht kommt. Bei Heiner Müller heißt es über die DDR-Nomenklatura: „Die ersten Gefangenen des Systems sind die Führer, die herrschende Schicht ist die unterdrückte.“ Und das gilt für meine Begriffe nicht nur für Richard,
sondern für alle Figuren des Stücks. Was Richard von den anderen aber unterscheidet: Seine Verformung kommt nicht aus dem Bürgerkrieg. Sie geht ihm voraus. Im Krieg aber spielt sie keine Rolle. Seine Hässlichkeit ist in dieser Zeit sozusagen unsichtbar gewesen. Er will keinen Frieden,
sondern dass die Gewalt immer weiter geht, weil er ihr nichts anderes entgegensetzen kann. Die Intrigen und Lügen, die Morde und die Verzweiflung: Er genießt das alles sogar. Er ist ein absolut schamloser Bösewicht. Ich fand es sofort einleuchtend, Richard als Frauenfigur zu erzählen, eine Welt zu zeichnen, in der das Frausein selbst eine Deformation ist, ein unüberwindlicher Makel.
Was ich auch wichtig finde: Der Adel in Richard III. IST der Staat. Er trägt die absolute Macht, die reine Staatsgewalt, gleichsam im Körper. Sie wird legitimiert durch Gottes Gnaden. Die Religion ist eine Funktion der Macht. Auch dafür wollten wir eine Entsprechung finden, für diese Konzentration von Herrschaft ohne kontrollierende Institutionen. Natürlich sind die Lancasters und die Yorks nichts anderes als Gangster, die mit dem Leben anderer Leute hantieren als wär‘s nix. Und das in dem ständigen Wissen, jederzeit selbst dran sein zu können.

Sie kannten einander nicht. Wie haben Sie sich angenähert? Und wie genau sah Ihre Zusammenarbeit aus?
BQ: Ich wusste, dass ich mit den Dialogen von Shakespeare arbeiten wollte, aber alle Übersetzungen, die ich kannte, waren schon älter und alle von Männern aus einer anderen Zeit gemacht worden. Ich hatte im Jahr davor einen Text für das Theater in Dortmund geschrieben und den dortigen Chefdramaturgen, Michael Eickhof, gefragt, ob er jemand kennt, der oder die mit mir Richard III. übersetzen könnte. Enis war ganz oben auf seiner Liste. Ich habe mir Enis’ Essayband „Eiscafé Europa“ gekauft – und verschlungen. Enis’ Sprache und der Pfad ihrer Gedanken haben
mich total gepackt. Und obwohl das ein wenig crazy war, habe ich sie angeschrieben. Wir haben uns getroffen… und naja, nun feiert der Film Premiere auf der Berlinale.
EM: Ich würde sagen, wir haben uns über den Text angenähert. Wir haben gelesen, gesprochen, versucht zu verstehen, was das alles für uns heute bedeutet. Das Stück ist kein psychologischer Stoff. Shakespeare versucht nicht, Richards Handeln als plausibel darzustellen. Richard ist böse zur Welt gekommen. Er hat eine Lust an der Vernichtung. Er will, dass die Welt leer und nichtig wird, wie sein Inneres. Aber was bedeutet das? Will er Rache? Wofür? WARUM handelt Richard so? Das Stück lässt da eine Leerstelle, die eigentlich ein Abgrund ist. Und da liegt sie verborgen, die Verletzung, die nicht zu heilen ist. Die aus einem Vorher kommt, vor den Zuschreibungen, vor der Gewalt. WOHER also kommt sie? Um diese Frage kreist der Film.
BQ: Gerade diese Gespräche haben mir als Regisseur sehr geholfen, dem Stoff und vor allem der Hauptfigur näher zu kommen. Lesen, reden und sich am Text abarbeiten. Motivation und Psychologie durchkauen. Den historischen Kontext verstehen, denselben einordnen und Parallelen finden. Das klingt sehr verkopft, aber das hat in dieser Anfangszeit so eine Art Grundstein für die weitere Entwicklung gelegt. Bald hat Enis angefangen, einzelne Szenen in ihrer Sprache ins Deutsche zu übersetzen. Das war meist der nackte Dialog. Den hab ich genommen und ein Drehbuch drumherum gebaut: Plot, Atmosphere, Mis en Scéne.

Was genau hat Sie an Shakespeare interessiert? Warum „Richard III.“?
BQ: Ich bin mit Shakespeare aufgewachsen. Geht ja gar nicht anders, wenn du hier zur Schule gehst. Richard III. war schon immer mein Lieblingsstück von Shakespeare. Es ist nicht sein bestes Stück, aber Richard ist meine Lieblingsfigur im William Shakespeare cinematic universe,
sozusagen. Es ist im Grunde das dritte Mal, dass diese Figur in meinen Filmen auftaucht: Joel Basman als Robbie in Wir sind jung. Wir sind stark., Albrecht Schuch als Reinhold in Berlin Alexanderplatz. Und nun Kenda Hmeidan als Rashida in KEIN TIER. SO WILD.… drei komplett
unterschiedliche Kontexte, aber immer wieder Richard … Also kein moderner Stoff, sondern eine zeitlose Figur.
EM: Die Frage nach der Freiheit der Einzelnen und ihren Grenzen, nach der Gewalt, die sich als Gegengewalt legitimiert oder nicht legitimiert, je nachdem, die Frage nach den Verletzungen, die man nicht loswird, auf die schwer den Finger zu legen ist, als juckte es, und man müsste kratzen,
wüsste aber nicht wo – auch in meinen Augen ist das eben genau das: zeitlos.
BQ: Wenn ich noch was hinzufügen darf: Das Ding mit der Kunstsprache, der theatralen Sprache von Shakespeare, hat auch etwas seltsam Befreiendes. Die Überschreibung eines klassischen Stoffes macht ein anderes Spiel mit Position und Gegenposition möglich. Bekannte Orte neu
besetzen. Abgenutzte Bilder umdeuten. Den Basston des Subtexts zum Refrain erklären. Die vierte Wand aufbrechen und die ZuschauerInnen zu KomplizInnen machen im Spiel der Hauptfigur.

Können Sie formulieren, was für einen Film Sie sich vorgestellt haben?
BQ: Ich glaube, dass ich am Anfang an eine recht konventionelle, texttreue Adaption des Stoffes dachte. Neuinterpretiert, aber darin recht stringent. Was auch heißt, mit denselben Wegbegleitern zu arbeiten, eine gewisse Ahnung zu haben, wie das Endprodukt aussehen wird. Das war mir nicht ganz geheuer. Da habe ich mich innerlich schon angefangen zu fragen, ob ich mich jetzt wiederhole. Dann, zu Weihnachten ’22, war ich bei einer Show von Florentina Holzinger an der Volksbühne in Berlin. Das war eine wilde, anarchische, furchtlose und sehr persönliche Arbeit. Da kam die Idee dazu, den konventionellen Erzählrahmen zu sprengen und eine zweite, eine innere Welt für Rashida aufzumachen. Nicht als Rückblende, sondern als einen eigenständigen Raum.
Meine Szenenbildnerin, Jagna Dobesz, hat mir kurz darauf, das Bild einer Kunstinstallation gezeigt: Ein Zelt, dessen Inneres völlig verschlammt war. Der Kadaver einer Couchgarnitur im Vordergrund. Kisten, wie Hilfspakte im Hintergrund. Da hat es bei mir Klick gemacht. Ich musste da an die Ölkriege meiner Jugend denken: Kuwait, Irak, Iran, später die Ölfelder in Syrien… Und Rashidas innere Welt als einen lebendigen, von Zerstörung gezeichneten, immer weiter verschlammenden Ort zu bauen. Beim Drehen hieß der Ort dann auch immer nur: THE CLICK.

Wie war Ihre Herangehensweise an den Originaltext? Wie sehr haben Sie sich an den Originalstoff gehalten, wie originalgetreu ist Ihre Adaption – wo haben Sie sich Freiheiten gelassen? Welche Themen waren Ihnen wichtig?
EM: Was ich behalten wollte, war das Rhythmische, der Sog, den die Sprache entwickelt, auf der die Dialoge surfen. Dass das, was zu sagen ist, nur auf eine bestimmte, eine musikalische Art überhaupt sagbar wird. Irgendwann war es, als käme die Handlung durch die Verwandlung von
Richard in Rashida gewissermaßen erst zu sich: Dass sie an den anderen vorbeispricht. Monologe hält, die niemand anderes hört. Dass ihre Wut nun etwas zu tun hat mit der Wut der Frau, die sie verführt, dass sie beide Frauen sind, in einer Situation, in der man das besser nicht wäre, dass ihre Abscheu davor sie einander annähert. Wenn Ghanima sich verstrickt in Rashidas Gewaltsystem, dann nützt ihr das auch. Das ist neu. Und so entfernt sich die Handlung vom Original, je weiter die Geschichte voranschreitet, auch wenn die Sprache das nicht tut.
BQ: Ich bin auf Recherche gegangen und habe Richard III.-Vorstellungen in Köln, in Hamburg und natürlich auch die bekannte Schaubühnen-Fassung in Berlin angesehen. Besonders interessant war der Beginn der Hamburger Inszenierung von Karin Henkel. Dort arbeitet die Regisseurin die ersten 30 Minuten, oder so, mit Versatzstücken aus anderen Shakespeare Texten, um die Vorgeschichte der Figuren zu erzählen. Eine ähnliche Freiheit haben wir uns auch genommen und beginnen mit einem Prolog, der von der Kindheit Rashidas erzählt, um dann im Hier und Jetzt in einem Gerichtssaal zu landen und den äußerlichen Grundkonflikt des Stückes zu setzen. Die Grundbeats des Stücks sind ab dann aber da, wo sie im Original stehen. Doch wir haben zum Beispiel die Figur der Lady Anne – bei uns heißt sie Ghanima – und die Liebesgeschichte zwischen ihr und Rashida in den Fokus gerückt, die Lady Anne-Figur aufgewertet und sie, anders als bei Shakespeare, bis zum Ende überleben und aktiv am Drama teilnehmen lassen.
Ein anderes Beispiel sind die drei ErzählerInnenstimmen zu Beginn des Filmes. Diese tauchen in Form dreier geheimnisvoller Frauen immer wieder im Film auf. Haben so eine Art Chorfunktion und ähneln den drei Schicksalsschwestern aus Shakespeares Stück McBeth.

Was sind die Hintergründe Rashidas – warum ist sie, wie sie ist?
BQ: Das Buch ist zu einer bestimmten Zeit entstanden. Die Zeiten haben sich geändert. In allen meinen Filmen spielen Menschen mit Flucht- oder Kriegserfahrung eine Rolle. Anders: Ihre Erfahrung mit Krieg oder Migration prägen die Figuren und sind Teil ihrer Storys. Genauso ist es mit Rashida. Am Anfang des Films erfahren wir, dass sie Krieg erlebt hat. Auf der Bildebene sind das Bomben. Auf der Sprachebene wird aber auch vom Graben zwischen Männern und Frauen erzählt. „Die Steine, die Berge“, und daneben gibt es aber auch, wie es im Film heißt, „die Flüsse
und die Seen“. Das spiegelt sich in Rashidas Geschichte als Erwachsene wider. Ja, da ist ein Bandenkrieg. Der ist aber eingebettet in einem Konflikt zwischen Männern und Frauen in Rashidas Welt. In ihren Worten: „Betrogen von Geburt um jeden Vorteil, verformt, unfertig…“. Es geht aber um noch mehr: Es geht für mich auch um Eltern und ihre Kinder, die Erwartungen und die Enttäuschungen. Es geht, wie Enis meinte, um Freiheit – aber damit auch um die Wut, die aus dem Unfrei-Sein kommt. Es geht um verschiedene Formen der Gewalt und von Trauma und wie hier die durch Gewalt Traumatisierte mit Gewalt an anderen ihr Trauma weitergibt.

Der Film spielt in einem stilisierten Milieu arabischer Familien in Berlin. Was war der Gedanke dahinter?
BQ: Gangstergeschichten, also Storys von einer Parallellgesellschaft oder der sogenannnten Unterwelt, sind im Kino oft Geschichten von Zuwanderung und Migration. Der Pate, Scarface, Ein Prophet und auch mein Film Berlin Alexanderplatz arbeiten sich an diesem Topos ab. Fassbinder mochte Gangsterfilme, weil es da um die „wichtigsten Dinge“ geht: um Geld und Liebe. Familie spielt eine Rolle. Das Gefühl Ausgestoßene zu sein und ganz nach oben zu wollen… Ein Genre also, das wir kennen, das zu etwas allzu Vertrautem geronnen ist. Wir bieten in KEIN TIER. SO WILD. eine neue Auslegung dieser Storys an. Dabei hijacken die Figuren nicht nur die Titel der Adeligen und sind Lords und Ladies, Prinzen und Könige, sondern auch deren Sprache. Rashida benutzt keinen Slang – wenn, dann nur als gesetzte Spitze –, sondern die Worte der Aristokratie, der Gelehrten und Mächtigen. Schon in meinem letzten Film war das Beherrschen einer bestimmten Sprache ein Weg zur Mündigkeit. Bei Berlin Alexanderplatz beginnt es mit dem scheuen Lernen der Vokabeln „Haut“ und „Himmel“, „schwarz“ und „weiß“ und manifestiert sich schließlich in dem Satz der Hauptfigur: „Ich bin Deutschland!“.
EM: Was interessant ist: In Richard III. ist Elisabeth von York eine Fremde im britischen Hochadel. Sie ist eine Einheimische, während das britische Adelshaus seinen Ursprung in Frankreich hat, seine Bräute von dort importiert. Damit wollten wir spielen. Was, wenn die Yorks im Grunde Fremde sind dort, wo sie leben? Und was ist, wenn die Einheimische eine Fremde unter ihnen ist, egal wie sehr sie sich anpasst? Was bedeutet das, sich aus Liebe zu verändern? Die letzte Frage weicht natürlich ab von Shakespeares Richard, wo Liebe kaum vorkommt, und wenn, dann als Schwäche, als die Schwäche nämlich, mit der Richard Lady Ann verführt. Das drehen wir um: Ghanima ist in Rashida verliebt, vor allem aber in das Ticket zur Freiheit, für das sie steht. Insofern ist die Frage der Herkunft in diesem Film Chiffre. Sie schillert, je nachdem, wer sie stellt.

Frau Maci, Sie haben bei KEIN TIER. SO WILD. erstmals an einem Drehbuch mitgewirkt. Wie haben Sie das erlebt?
Wie ein Theatertext ist auch ein Drehbuch partiturenhaft, lückenreich: Erst durch die Arbeit anderer, der SpielerInnen, des Kameramanns etc., wird es erfahrbar. Darauf konnte ich mich sehr leicht einlassen. Was für mich neu war: Eingeladen sein zu schreiben, wovon ein anderer, Burhan
nämlich, erzählen will. Die eigene Autorschaft hintanzustellen. Teil eines Apparats werden. Alles eigentlich unvereinbar mit dem Schreiben, wie ich es betreibe. Ich habe einiges Neues gelernt.

Herr Qurbani, wie würden Sie Enis Macis Beitrag zu KEIN TIER. SO WILD. beschreiben? Wie hat ihre Beteiligung den Film geformt – den Stoff, wie Sie ihn sich ursprünglich ausgemalt hatten, beeinflusst?
Enis ist eine Poetin. Enis ist eine Gelehrte. Enis hat einen riesigen Hochkultur- und Trash-Culture-Wissensschatz. Sie weiß um die Tücken des Rabbit Holes und findet in dessen Tiefen wunderbare Schätze. Und das alles kombiniert mit einer messerscharfen Analysefähigkeit. Enis’ Übersetzung war Metronom, Arbeitsvorlage und Steinbruch. Im hyper-dynamischen Drehprozess geht es oft nicht anders und ich musste immer wieder schnell reagieren, habe Szenen in sich gekürzt, Dialoge umgeschrieben oder an die Situation am Drehtag angepasst. Im Schnitt und der Post-Produktion findet wieder eine Art Kondensierungsprozess statt. Die erste Schnittfassung, der sogenannte Assembly, war über 4 Stunden lang. Philipp Thomas, der Schnittmeister des Films, und ich haben Dialoge gekürzt, Szenen zu Sequenzen collagiert und in neue Zusammenhänge gebracht. Der Boden des Schnittraums ist ein Gräberfeld…

Welchen Anspruch stellte das Drehbuch an Sie als Regisseur? Worauf haben Sie bei der Inszenierung Wert gelegt?
Das kann ich nicht so einfach beantworten. Aber in aller Kürze: Filmtexte, also gute Drehbücher, sind sehr präzise und leiten mich als Regisseur in eine klare Richtung. Die Dialoge geben mir ein, zwei, vielleicht drei Möglichkeiten, die Szene zu denken. Doch mit Enis‘ und Williams Dialogen
eröffnet sich eine gewaltige Bandbreite an Möglichkeiten. Drehbücher sind wie Morsecodes: Punkt Strich Punkt Punkt Strich. Enis‘ und Williams Dialoge sind, wie sie sagte, wie eine Opernpartitur. Der Anspruch an die SpielerInnen und mich war ein ganz anderer, als ich je erlebt habe. Sehr, sehr erfüllend, aber nicht einfach.

Wie sind Sie bei der Besetzung vorgegangen: Viele der Hauptfiguren werden von SchauspielerInnen gespielt, die man (noch) nicht kennt?
Meine Castingdirektorin Suse Marquardt hat – wie auch in meinem letzten Film – mit ihrem Team den Anspruch gehabt, zu überraschen, gegenzubesetzen und vor allem Talent zu entdecken. Doch leider spiegelt sich strukturelle Diskriminierung und Marginalisierung auch in der Auswahl von Bipoc-SpielerInnnen wider. Suse und ich wollten SpielerInnen besetzen, die über den Typcast hinaus auch Bühnenerfahrung hatten und mit der sehr theatralen Sprache unseres Buches etwas anfangen konnten. Suse hat Kenda am Gorki Theater entdeckt, Mona war zum Zeitpunkt des Castings noch an der Schauspielschule. Doch Meryam Abbas hat schon in Andreas Dresens Nachtgestalten gespielt, Mehdi Nebbou hat mit Ridley Scott gedreht, und Hiam Abbas ist ja eh ein Weltstar.

Frau Maci, wie eng blieben Sie der Produktion nach Abschluss der Arbeit am Drehbuch verbunden? Wie eng waren Sie beim Dreh selbst involviert?
Ich hatte die Gelegenheit, das Set zu besuchen, was natürlich magisch war. Davon abgesehen: Der Film gehört denen, die ihn machen. Ich war nur ein Stück des Weges dabei.

Jeder Film ist eine Entdeckungsreise. Was haben Sie bei KEIN TIER. SO WILD. entdeckt, was gelernt?
BQ: Um beide Fragen zu beantworten: Natürlich hat Enis recht – in der Buchentwicklung ist der Austausch zwischen AutorIn und Regie sehr intensiv. Und ich war so froh, dass Enis auch immer wieder am Set war. Doch irgendwann findet eine Ablöse statt. Ab der eigentlichen Drehvorbereitung übernehmen Kameraperson, Szenenbild, Kostüm, SpielerInnen und ProduzentInnen den Staffelstab der inhaltlichen und formalen Entscheidungen. Ein wenig später kommt der Schnitt dazu. Und in jeder Phase wird der Film noch einmal neu erfunden. Letztlich kann ich sagen, dass diese Geschichte mein persönlichster Film geworden ist. Rashida, das bin ich. Oder anders: Sie ist, was sie ist, damit ich es nicht werden muss. In all ihren Facetten, in ihrer Wut und ihrer Poesie, in ihrer Weichheit und in ihrer Erbarmungslosigkeit. Das bin ich. Und doch nicht… Enis hat Worte gefunden, die ich nicht hatte, und Kenda hat sie gesagt mit einer Stimme, die mir fehlt. Ich kann nicht immer sagen, wer die guten Entscheidungen in diesem Drehbuch getroffen hat. Doch die schlechten kommen sicher alle von mir. Nicht, weil ich es nicht besser wusste, sondern weil ich nicht anders konnte.
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Donnerstag 01.05.2025
EIN STUMMER HUND WILL ICH NICHT SEIN
Ab 24. April 2025 im Kino
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Der Film folgt dem Schicksal des Priesters Korbinian Aigner. Mutig stellte er sich gegen die Nazis, kam ins KZ Dachau und wurde Zwangsarbeiter im „Kräutergarten“. Zwischen den Baracken des Lagers züchtete er neue Apfelsorten. Seine Züchtung "KZ3" hat bis heute überlebt. Als Korbinians-Apfel wird sie heute weltweit gepflanzt – als Erinnerungsbaum für alle Opfer des Nationalsozialismus und zur Mahnung für die Meinungsfreiheit und die Demokratie.

Ein Film von Walter Steffen
Dokumentarfilm

Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz von der russischen Armee befreit. Einige Monate später, Ende April 1945, waren es Soldaten der US Army und der anderen alliierten Truppen, die das KZ Dachau und die vielen anderen Konzentrationslager der Nationalsozialisten befreiten.
80 Jahre danach gedenken wir 2025 all der Menschen, die dort gequält, geschunden und ermordet wurden – weit über sechs Millionen Juden, politisch Verfolgte, Sozialisten, Kommunisten, Andersdenkende, Behinderte, Sinti und Roma, Homosexuelle und den vielen andere Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passten.
Und trotzdem wissen Schüler und Jugendliche 80 Jahre danach laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung immer weniger über den Holocaust und die Vernichtungsmaschinerie der Nazis, die in dem Konzentrationslager Dachau 1933 ihren Anfang nahm. Gleichzeitig haben zwölf Prozent der befragten 18- bis 34-Jährigen ein manifestes rechtsextremes Weltbild und Taten mit rechtsextremen und antisemitischen Motiven nehmen Jahr für Jahr zu – allein von 2022 bis 2023 um mehr als 25 Prozent.
Der bundesweite Zuspruch der Wähler für die in großen Teilen rechtsextreme Partei AFD hat sich in den vergangenen drei Jahren auf über 20 Prozent verdoppelt und sie wird zweitstärkste Fraktion im neuen Deutschen Bundestag. Ihr erklärtes Ziel: Die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres Landes zu destabilisieren und abzuschaffen.
Vergleichen wir die heutige Situation in unserem Land mit der vor hundert Jahren müssten eigentlich alle Alarmglocken laut schrillen. Die zwei Worte „Nie wieder!“, die fast 80 Jahre Bestand hatten, mussten im vergangenen Jahr geändert werden in „Nie wieder ist jetzt!“
Wie konnte es dazu kommen? Haben wir uns zu sicher gefühlt mit unserer zum Teil ritualisierten Erinnerungskultur? Haben wir zu viel weggehört und weggesehen, wenn Menschen anderen Glaubens oder anderer Nationalität, wenn Menschen mit Migrationshintergrund von anderen diskriminiert wurden? Sind wir zu oft stumm gewesen? Haben wir zu wenig gesprochen mit denen, die andere diskriminiert haben oder mit denen, die ausgegrenzt wurden? Haben wir zu oft unsere Augen verschlossen? Haben wir uns zu wenig ausgetauscht, zu wenig gemeinsam gelebt mit unseren jüdischen, unseren muslimischen und all den anderen Nachbarn und Mitmenschen?

Wir müssen uns daran erinnern, was in der Geschichte passiert ist, um daraus zu lernen, um nicht die gleichen Fehler zu begehen, und vor allem, um es heute besser zu machen. Deshalb müssen wir unsere Erinnerungen, auch die an den Holocaust, das größte Verbrechen der Menschheit, immer wieder erneuern, müssen sie mit neuen Inhalten erfüllen, müssen die Geschichte und die Geschichten direkt mit unserer Gegenwart verbinden. Das sind wir all den Menschen schuldig, die in der Vergangenheit leiden und sterben mussten; das sind wir uns und unseren Kindern und Kindeskindern schuldig, damit sie diese leidvollen Erfahrungen nicht mehr machen müssen.

Aus diesem Grund erzählen wir mit diesem Film zwei Kapitel aus dieser dunklen Zeit unserer deutschen Geschichte, die bisher noch weitgehend unbekannt sind: Die des Arbeitskommandos „Kräutergarten“ des KZ Dachau und die des mutigen und aufrechten Pfarrers Korbinian Aigner, der uns heute dazu inspirieren kann, nicht stumm zu bleiben oder wegzuschauen. Er zeigt uns, wie wichtig es ist zu sprechen, wenn es sein muss auch laut, und zu handeln, wenn es unser Mitgefühl fordert, wenn sich Ungerechtigkeit, Unmenschlichkeit, Hass und Ausgrenzung ihren Weg bahnen.
Wie Korbinian Aigner setzt unser Film den dunklen, mörderischen Abgründen das Beste entgegen, was wir als Menschen tun können – einander zu vergeben und zu verzeihen und das Leben und die Schöpfung zu bewahren und zu schützen.


Dieser Kinofilm folgt dem Schicksal des katholischen Priesters Korbinian Aigner, der wegen seines Widerstandes gegen die Nazis 1941 ins KZ Dachau kam und dort im gefürchteten „Kräutergarten“ zur Arbeit gezwungen wurde. Unter unmenschlichen Bedingungen wurden in diesem wichtigsten Arbeitskommando des Konzentrationslagers Dachau nach biologisch-dynamischen Methoden Kräuter und Gewürze angebaut – zur „Gesundung des deutschen Volkskörpers“, mit der gleichzeitigen Zielsetzung von „Vernichtung durch Arbeit“.
Trotz der schweren Zwangsarbeit gelang es Korbinian Aigner, zwischen den Baracken des KZ unter Lebensgefahr neue Apfelsorten zu züchten und die Setzlinge aus dem Lager zu schmuggeln – für ihn eine Möglichkeit, dem tödlichen Abgrund neues Leben entgegenzusetzen.
Dem geistigen Prinzip von Korbinian Aigner folgend, lassen wir in dem Film weitere Menschen zu Wort kommen, die im übertragenen Sinne Bäume des Lebens pflanzen – überlebende Zeitzeugen wie Aigners ehemaliger Ministrant Helmut Hörger, der 100-jährige Holocaust-Überlebende Nick Hope, Nachfahren wie der bekannte österreichische Musiker Harri Stojka, dessen Großvater im „Kräutergarten“ zu Tode geschunden wurde, deutsche und israelische Jugendliche und andere Mitmenschen, die aktive Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit leisten.

Zielsetzung des Films ist es, die nahezu unbekannte Geschichte eines unbeugsamen Priesters und die des „Kräutergartens“ des KZ Dachau zu erzählen und an all die Menschen zu erinnern, die hier und in den andren Konzentrationslagern der Nationalsozialisten gequält und ermordet wurden.
Gleichzeitig zeigen wir mit dem Film beispielhaft auf, wie es heute möglich ist, sich für Versöhnung, Mitmenschlichkeit und für ein friedvolles, zukünftiges Miteinander einzusetzen – und damit gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus, Antiislamismus und alle anderen Formen menschlicher Ausgrenzung.


Personen der Handlung

KORBINIAN AIGNER erblickte im Mai 1885 das Licht der Welt. Er stammte von einem großen Bauernhof in Hohenpolding bei Freising und entdeckte dort bereits als Kind seine Liebe zu Apfelbäumen. Nach dem Studium der Theologie, der Priesterweihe und seiner ersten Pfarrei wurde er wegen Äußerungen gegen das Nazi-Regime in das kleine oberbayerische Dorf Hohenbercha strafversetzt. Im Herbst 1939, einen Tag nach dem fehlgeschlagenen Attentat Georg Elsers auf Adolf Hitler, sagte Aigner im Religionsunterricht, dass er nicht wisse, ob es eine Sünde sei, was der Attentäter im Sinn hatte: „Dann wären halt vielleicht eine Million Menschen gerettet worden“. Von einer jungen Lehrerin denunziert, wurde er wenig später verhaftet. Nach einem Prozess vor dem Sondergericht in München und Gefängnisaufenthalten wurde er 1941 ins KZ Dachau überführt. Dort musste er im „Kräutergarten“ Zwangsarbeit leisten.
Trotz dieser schweren Arbeit brachte Aigner die Kraft und den Mut auf, zwischen den Baracken neue Apfelsorten zu züchten. Diese Sorten nannte er „KZ1", „KZ2“, „KZ3“ und „KZ4“. Auf dem berüchtigten Todesmarsch der Dachauer Häftlinge in Richtung Alpen konnte der Priester in Aufkirchen fliehen und wurde von den Schwestern des dortigen Karmel-Klosters gerettet. Nach Kriegsende kehrte in seine Pfarrei Hohenbercha zurück und kümmerte sich wieder um seine Gemeinde. In seiner freien Zeit zeichnete er vermehrt naturgetreue Apfelbilder, die 2012 – fast 50 Jahre nach seinem Tod – auf der Documenta in Kassel in einem eigenen Saal ausgestellt wurden.
Die von Aigner in Dachau gezüchtete Apfelsorte „KZ3“ hat bis heute überlebt und wird weltweit als Erinnerungsbaum gepflanzt.


Director’s Statement – Walter Steffen

„Nie wieder!“ Das war der Leitsatz für die Erinnerungsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten in unserem Land. Es war auch der Satz, mit dem ich aufgewachsen bin. Mein Vater, Jahrgang 1908, war seit den 1920er Jahren überzeugter Sozialdemokrat, Antifaschist und Pazifist. Er war stolz darauf, Anfang 1945 als Soldat der Wehrmacht desertiert zu sein. Das Land der Nazis war nicht sein Vaterland, deshalb konnte er es nicht verraten. Das Land hatte sich selbst verraten, so sagte er, außerdem wollte er lieber sterben, als andere töten.
Meine Mutter, Jahrgang 1924, wurde von klein auf indoktriniert von den Nationalsozialisten, in der Volksschule, beim BDM, im Arbeitsdienst. Nach dem Krieg brach ihre innere Welt zusammen, aber mit der Unterstützung meines Vaters entfaltete sich vor ihr eine neue. Eine Welt und eine Zukunft, die bestimmt sein sollte von Freiheit, Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit.
Seit ich denken kann, also seit Ende der 1950er Jahre, wurde in unserer Familie viel über die Schreckensherrschaft der Nazis gesprochen, über die Millionen Menschen, die in den Konzentrationslagern ermordet wurden, über das Grauen, das über die Welt kam.

Unser Vater und unsere Mutter machten in den Gesprächen über diese dunkle Zeit immer deutlich, was sie von uns erwarteten. Sie erzogen meinen Bruder und mich mit viel Liebe und Zuwendung zu selbstverantworteten, politischen Menschen und übergaben uns damit ihr Vermächtnis: Auch wir sollten uns dafür einsetzen, dass sich solch eine Schreckensherrschaft nie wieder ausbreiten könnte. Nie wieder!
Dieses Vermächtnis meiner Eltern hat mein Leben immer bestimmt, in meiner aktiven, politischen Zeit seit den 1970er Jahren, bei meiner künstlerischen Arbeit als Autor und Filmemacher, im täglichen Umgang mit meinen Mitmenschen, bei der Erziehung unserer drei Söhne. Sie tragen heute dieses Vermächtnis weiter.
Seit etlichen Jahren bin ich immer wieder in der Erinnerungsarbeit tätig, habe unter anderem dafür gesorgt, dass am Bahnhof unseres Heimatortes Seeshaupt eine Gedenktafel angebracht wurde, die auf Deutsch, Hebräisch und Englisch daran erinnert, dass hier Ende April 1945 der Todeszug gestrandet ist, mit mehr als 2000 Häftlingen aus dem Dachauer Außenlager Mühldorf-Mettenheim.
Die Geschichte dieses Todeszuges habe ich in dem Film „ENDSTATION SEESHAUPT“ erzählt, der 2010 bundesweit erfolgreich in den Kinos lief, danach mehrfach im Fernsehen ausgestrahlt wurde, der in vielen Schulen zum Pflichtprogramm wurde, international auf vielen Festivals lief und weltweit in namhaften Universitäten für Studienzwecke und Bildung zur Verfügung steht.
„ENDSTATION SEESHAUPT“ wurde 2011 in das Archiv von Yad Vashem aufgenommen und wird dort bis heute gezeigt.
Als mein Kollege und Freund Gerd Holzheimer vor drei Jahren auf mich zukam und mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, einen Film über den Apfelpfarrer Korbinian Aigner und den für viele noch unbekannten „Kräutergarten“ des KZ Dachau zu machen, fiel dieser Vorschlag auf fruchtbaren Boden.
Allerdings hatte ich mir mit Ende 60 vorgenommen, keinen großen Dokumentarfilm mehr zu realisieren, wohl wissend um den Aufwand solch einer Unternehmung. Diese bedeutet nicht nur viel Arbeit für sehr wenig Geld, es bedeutet auch, dass man in diesem Kontext immer genau darauf achten muss, die mentale Gesundheit zu bewahren. Dennoch sagte ich Gerd Holzheimer zu, mich dieses Projektes anzunehmen – auch und vor allem angesichts des Vermächtnisses meiner Eltern und ihres „Nie wieder!“

Doch seit dem 7. Oktober 2023, seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und seinen Folgen weltweit aber auch bei uns in Deutschland ist dieser der Leitsatz „Nie wieder!“ nicht mehr gültig. Das „Nie“ ist zum „Jetzt“ geworden.
Jetzt breitet sich der Antisemitismus rasant aus. Jetzt können jüdische Familien bei uns nicht mehr ohne Polizeischutz in die Synagoge gehen; jetzt wagen es junge Männer nicht mehr, öffentlich ihre Kippa zu tragen; jetzt untersagen jüdische Eltern ihren Kindern, in der Schule die Konfession anzugeben; jetzt werden Sportveranstaltungen von Makkabi-Vereinen überall abgesagt; jetzt werden jüdische Geschäfte wieder mit Hakenkreuzen beschmiert; jetzt fürchten junge und ältere jüdische Mitbürger um ihre Sicherheit und um ihr Leben; jetzt denken Menschen laut und öffentlich im Bundestag über Remigration, also über Deportationen, nach und schämen sich nicht einmal dafür; jetzt fordern sie die Schließung der Grenzen; jetzt macht sich neben dem Antisemitismus ein radikaler Antiislamismus breit; jetzt steht unsere Mitmenschlichkeit auf dem Spiel, jetzt gerät das Wort Barmherzigkeit in Vergessenheit; jetzt werden unsere Sprache und die Menschen härter und gewaltbereiter; jetzt nehmen Gewalttaten mit einem rechtsradikalen Hintergrund rasant zu.

Jetzt müssen wir alle aktiv werden – alle demokratischen Kräfte, alle freiheitlich gesinnten Mitbürgerinnen und Mitbürger, alle Kunst-und Kulturschaffenden, im privaten und im öffentlichen Raum, jede und jeder Einzelne am besten dort, wo sie und er sich am besten dafür einsetzen kann, dass unsere Gesellschaft nicht erneut von populistischen Parolen und rechten Kräften eingenommen wird. Jetzt müssen wir alle aktiv werden für Versöhnung, für ein freies und friedvolles, zukünftiges Miteinander – für unsere Demokratie.
Ich bin fest davon überzeugt, dass der Film EIN STUMMER HUND WILL ICH NICHT SEIN mit seinem stillen und mutigen Helden Korbinian Aigner, der immer Haltung gezeigt hat, einen wichtigen Beitrag leisten kann. Wenn der Film im Frühjahr 2025 in die Kinos kommt, wird er eine neue Geschichte aus dieser Zeit, die des „Kräutergartens“, in einer zeitgemäßen Form erzählen.

Meine große Hoffnung ist, dass der Film neben den ohnehin interessierten Kinobesuchern auch viele Schülerinnen und Schüler in Sondervorstellungen in den bundesweiten Kinos erreichen und inspirieren wird – so wie dies damals auch unser Film ENDSTATION SEESHAUPT geschafft hat.
Der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Dr. Felix Klein, hat die Schirmherrschaft für dieses Filmprojekt übernommen, auch Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Roma und Sinti, unterstützt unseren Film sowie viele andere Institutionen und Menschen. Vom Bayerischen Kultusministerium erwarten wir für diesen Film eine Empfehlung für den Einsatz in den Schulen. Dort soll er dann nach der Kinoauswertung im Geschichtsunterricht gezeigt werden und die jungen Menschen aufklären und inspirieren. Damit können wir einen Beitrag leisten, um unser Vermächtnis an eine junge Generation weiterzugeben, damit sie sich bewusst und aktiv einsetzen für unsere freiheitlich, demokratischen Werte und gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus, Antiislamismus und alle anderen Formen menschlicher Ausgrenzung und Diskriminierung.
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Donnerstag 24.04.2025
QUIET LIFE
Ab 24. April 2024 im Kino
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Sergei (Grigory Dobrygin) und Natalia (Chulpan Khamatova) sind mit ihren beiden Töchtern Katja (Miroslava Pashutina) und Alina (Naomi Lamp) wegen politischer Verfolgung aus Russland nach Schweden geflohen – in der Hoffnung auf ein neues Leben, nachdem ein Angriff Sergei fast das Leben gekostet hätte. Allerdings wird der Asylantrag der Familie abgelehnt und die Ausweisung angeordnet. Katja, die jüngere der beiden Töchter, traumatisiert von der Ablehnung, bricht zusammen und fällt ins Koma; ein Zustand, der als Resignationssyndrom oder auch als Apathie bekannt ist. Ihre Eltern versuchen alles, um eine Atmosphäre der Sicherheit, Stabilität und Hoffnung zu schaffen, die ihre Tochter braucht, um wieder aufzuwachen.

Ein Film von Alexandros Avranas
Mit Chulpan KHAMATOVA, Grigory DOBRYGIN , Naomi LAMP, Miroslava PASHUTINA, Eleni ROUSSINOU

Schweden 2018: Ein unbekanntes Syndrom, das Flüchtlingskinder betrifft, löst bei Ärzten und Politikern Besorgnis aus.
Sergei (Grigory Dobrygin) und Natalia (Chulpan Khamatova) sind mit ihren beiden Töchtern Katja (Miroslava Pashutina) und Alina (Naomi Lamp) wegen politischer Verfolgung aus Russland nach Schweden geflohen – in der Hoffnung auf ein neues Leben, nachdem ein Angriff Sergei fast das Leben gekostet hätte. Allerdings wird der Asylantrag der Familie abgelehnt und die Ausweisung angeordnet. Katja, die jüngere der beiden Töchter, traumatisiert von der Ablehnung, bricht zusammen und fällt ins Koma; ein Zustand, der als Resignationssyndrom oder auch als Apathie bekannt ist. Ihre Eltern versuchen alles, um eine Atmosphäre der Sicherheit, Stabilität und Hoffnung zu schaffen, die ihre Tochter braucht, um wieder aufzuwachen.

QUIET LIFE ist ein zutiefst berührender und packender Film über ein reales Apathie-Syndrom, das Kinder auf der Flucht in hoffnungslosen Situationen befallen kann. Da Geflüchtete in Schweden unmittelbar nach Antragstellung sofort gut integriert werden und sich sicher vor Verfolgung fühlen können, reagieren manche Kinder dort umso dramatischer, wenn der Antrag abgelehnt wird, die Hoffnung auf Asyl erlischt und die Angst vor einer ungewissen Zukunft sie überwältigt. Unter der Regie von Alexandros Avranas („Miss Violence“) spielen Chulpan Khamatova („Good Bye Lenin“, „Luna Papa“) und Grigory Dobrygin („A Most Wanted Man“, „Verräter wie wir“) die Hauptrollen. QUIET LIFE ist eine Koproduktion von Senator Film Produktion, als deutsche Koproduzenten fungieren Reik Möller und Ulf Israel (Senator Film Produktion), die Redaktion verantworten Carlos Gerstenhauer (BR), Bettina Ricklefs (BR) und Claudia Tronnier (ARTE).

QUIET LIFE feierte Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Venedig 2024, die Deutschlandpremiere fand beim Filmfest Hamburg 2024 statt. QUIET LIFE wurde bei den Nordischen Filmtagen 2024 mit dem Publikumspreis und bei dem Geneva Internationales Filmfestival 2024 mit dem Future Is Sensible Award ausgezeichnet.


Anmerkung des Regisseurs Alexandros Avranas

Seitdem ich vor einigen Jahren vom Child Resignation Syndrome gehört habe, bin ich besessen von dem Phänomen und dem Bedürfnis, es auf die Leinwand zu bringen. Millionen von Kindern sind auf der Flucht, vertrieben aus ihrer Heimat durch Krieg, Armut oder politische Unterdrückung, in der Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben.
Doch wie können Eltern ihren Kindern Schutz und Stabilität bieten, wenn die Realität alles andere als Grund zu Optimismus bietet? Das ist es, was Sergei und Natalia erleben, als ihr Asyl-Antrag abgelehnt wird und ihre jüngste Tochter in den Zustand des Resignationssyndroms fällt, einem Zustand kompletter Verzweiflung, in den allein in Schweden Hunderte von Kindern gefallen sind.
Ist es möglich, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, nur indem man sich genug anstrengt? Ist Glück am Ende etwas, das wir erschaffen können?
QUIET LIFE handelt von ihrem Kampf, die Hoffnung und Stabilität um jeden Preis wiederherzustellen, darum, wieder Licht zu finden in einer menschenverachtenden Situation.


Informationen über das Resignationssyndrom

«Psychogene Massenerkrankungen werden auch als soziogene Massenerkrankungen bezeichnet. Es scheint ein passenderer Name zu sein, weil er darauf hindeutet, dass es sich um eine soziale Störung handelt, mehr als um eine psychologische oder biologische. Manchmal sind Ärzte so sehr damit beschäftigt, in die Köpfe der Menschen zu schauen, dass sie die sozialen Faktoren vergessen, die Krankheiten verursachen.»
Neurologin Suzanne O’Sullivan - THE GUARDIAN, 2021



Interview mit Regisseur Alexandros Avranas

Das Resignationssyndrom ist ein weitgehend unbekanntes Phänomen, das vor allem Kinder betrifft. Warum haben Sie sich entschieden, einen Film darüber machen?
AA: Im Jahr 2018 las ich im New Yorker einen Artikel über dieses "Resignationssyndrom", und es hat mich gefesselt, denn es erinnerte mich an ein Märchen und gleichzeitig an eine Art Dystopie. Was mich am meisten beeindruckt hat, war, dass es über zwanzig Jahre lang unter Verschluss gehalten wurde, obwohl seit Anfang der 2000er Jahre Hunderte von Kindern in Schweden betroffen waren. Ich sah sofort eine Gelegenheit, über umfassendere Themen wie die Macht des Staates über den Einzelnen zu sprechen und wichtige Fragen wie "Welche Art von Gesellschaft hinterlassen wir unseren Kindern?" und "Was bedeutet es, für ein besseres Leben zu kämpfen?" Aber sobald ich anfing zu schreiben, war es mein primäres Ziel, die Menschlichkeit und Liebe in diesen größeren Themen zu finden und die Geschichte von der Schwere und der Verantwortung der Handlungen jedes Einzelnen zu erzählen.

Wie haben Sie dieses Syndrom erforscht?
AA: Ich fing an, alles zu lesen, was ich finden konnte, und Dokumentarfilme zu schauen. Dann lernte ich die beiden für das Syndrom weltweit führenden Spezialisten kennen: Dr. Elisabeth Hultcrantz, die dafür gekämpft hat, dass dieses Syndrom von der wissenschaftlichen und politischen Gemeinschaft anerkannt wird, und Dr. Karl Sallin vom Karolinska Institutet, der vom schwedischen Staat beauftragt wurde, um das Syndrom von seinen Ursprüngen im Jahr 1998 bis heute zu erforschen. Ich habe auch einen Artikel über Arash Javanbakht gelesen, einen Amerikanischen Arzt, der 2018 an einer großen Studie zu diesem Thema teilgenommen hat, die von Schweden initiiert wurde. Ihm zufolge kommen diese Kinder in der Regel aus Ländern, in denen sie verfolgt werden oder traumatische Erfahrungen machen, die zu intensiv sind für ihren jungen Verstand.
Einige leugneten zunächst die Existenz des Syndroms und deuteten an, dass die Familien die Situation manipulierten, um das Recht auf Asyl zu erlangen. Erst im Jahr 2014 wurde es in Schweden offiziell als Pathologie anerkannt. Heute werden die Ursachen besser verstanden, und es ist bekannt, dass es sich um einen posttraumatischen Schutzmechanismus handelt, eine Reaktion auf die Angst, in ihr Herkunftsland zurückkehren zu müssen. Tatsächlich wachen Kinder in der Regel auf, sobald ihre Familien die Erlaubnis dazu erhalten haben, im Land zu bleiben.
Natürlich habe ich mich dann von bestimmten Fakten entfernt, um meine Charaktere und die Geschichte von QUIET LIFE aufzubauen.

Der Film erinnert an die visuellen Codes von Genrefilmen, bevor es sich zu etwas Menschlicherem entwickelt. Wie haben Sie die visuelle Identität des Films entwickelt? War sie von Anfang an Teil des Projekts?
AA: Von Anfang an wollte ich eine kafkaeske Atmosphäre, eine Art administrativer Dystopie, die an Science-Fiction grenzt. Ich wollte diese seltsame Märchenwelt-Dimension auf die Leinwand bringen, die ich spürte, als ich das Syndrom zum ersten Mal entdeckte. In meiner Vorstellung sahen die beiden Mädchen aus wie schlafende Schönheiten.
Im ersten Teil des Films wollten wir sowohl der Realität als auch den Fakten treu bleiben, was das nüchterne Erscheinungsbild zu Beginn erklärt. Es gibt tatsächlich eine Klinik, wie im Film gezeigt, in der man glaubt, dass Kinder schneller heilen, wenn sie von ihren Eltern getrennt werden. Im zweiten Teil des Films zerbricht jedoch die anfängliche Kälte und macht Platz für den Wiederaufbau der Familie. Die Eltern erschaffen eine schützende Blase und eine imaginäre Welt, um ihren Töchtern ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Hoffnung entsteht, und das Leben kehrt zurück.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, eine russische Familie in den Mittelpunkt des Films zu stellen? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine?
AA: Der Film spielt im Jahr 2018, also lange bevor der Krieg in der Ukraine begann. Zu diesem Zeitpunkt war Russland bereits eine Diktatur, nur nicht dem Namen nach. Die ersten Fälle betrafen Flüchtlingskinder aus der ehemaligen UdSSR und Jugoslawien. Der Artikel im New Yorker aus dem Jahr 2018 erzählte die Geschichte eines kleinen Jungen, dessen Familie aus politischen Gründen aus Russland geflohen war. Warum Kinder aus diesen Ländern anfangs stärker betroffen waren, weiß ich nicht, aber es schien auf jeden Fall einen kulturellen Hintergrund zu geben.
Ich glaube jedoch nicht, dass dies die zentrale Frage des Films ist. Natalia, Sergei und ihre Töchter sind Russen, aber sie hätten genauso gut Afghanen, Iranerinnen oder Palästinenserinnen sein können ...

Können wir sagen, dass Ihr Film die traumatischen Folgen der Politik thematisiert?
AA: Natürlich. Von Anfang an waren mein Co-Autor Stavros Pamballis und ich uns einig, dass dies ein wichtiger Kontext für uns war; ein Zugang zur Geschichte und zu den Charakteren. Wir sind beide geboren und aufgewachsen in Ländern, in denen es noch frische Erinnerungen an Putsche, Kriege und Vertreibungen gibt. Das gelebte oder ererbte Trauma der politischen Unruhen liegt uns im Blut. Die Entwicklung dieser Geschichte inmitten der jüngsten Weltereignisse hat diesen Kontext für uns noch stärker gemacht. Krieg scheint überall um uns herum zu sein und schafft Flüchtlinge, die von der westlichen Gesellschaft zunehmend als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Währenddessen scheint unsere Welt in eine Klimakrise zu geraten, die uns alle betrifft und bereits neue Wellen schlägt im Hinblick auf Klimaflüchtlingen und Wirtschaftsmigration.
Als politisches System war die Antwort auf all dies eine zunehmende Kälte, politische Korrektheit, das Bedürfnis, Mauern zu errichten; apathisch zu werden, anstatt empathisch zu werden. Im Film haben wir versucht, durch Menschlichkeit und Liebe ein Gegengewicht zu all dem zu finden.

Warum spielt der Film in Schweden?
AA: Das Syndrom wurde zuerst in Schweden beobachtet. Es ist sehr mysteriös, vor allem, weil es eine gewisse Idealisierung der schwedischen Gesellschaft gibt. Es schien daher naheliegend, die Geschichte in diesem Land anzusiedeln. Auch wenn es oft als Beispiel angeführt wird, ist das schwedische Modell nicht ohne Probleme. Aber das ist offensichtlich nicht nur in Schweden so. Viele Länder verlieren sich in den Systemen, die sie geschaffen haben, in der politischen Korrektheit und der Unterdrückung von Gefühlen.
Allerdings bin ich nicht an Kritik interessiert. Im Film empfinde ich eine gewisse Zärtlichkeit, sogar für die Figuren, die für diese dystopische Verwaltung verantwortlich sind. Sie sind Gefangene des Systems, wie alle anderen auch.

Wie sind Sie auf Chulpan Khamatova, einen großen Star des russischen Theaters und Kinos, zugegangen, um an dem Film mitzuwirken?
AA: Ich habe Chulpan in „Goodbye, Lenin!“ entdeckt und habe seitdem ihre Karriere verfolgt, von „Paper Soldier“ bis zum neueren „Petrov's Flu“. Als ich ihr das Drehbuch schickte, identifizierte sie sich sofort mit der Figur der Natalia, weil sie zu dieser Zeit eine ähnliche Situation im wirklichen Leben erlebte. Sie hatte gerade ihr Land verlassen und war selbst im Exil. Sie konnte die Umwälzungen, die es mit sich bringt, das Leben von heute auf morgen zu verändern, und die Dilemmata, mit denen Sergej und Natalia konfrontiert sind, wenn es darum geht, ihre Familie zu schützen, sehr gut verstehen. Sie war von der Geschichte gerührt und erklärte sich bereit, uns auf diesem Abenteuer zu begleiten, sehr zu meiner Freude.

Und wie sind Sie bei der Besetzung von Sergei vorgegangen?
AA: Ich habe viele Schauspieler für diese Rolle interviewt, aber als ich Grigori zum ersten Mal traf und wir über die Rolle sprachen, hatte ich sofort das Gefühl, dass er das Gewicht verkörpern könnte, das Sergei von Anfang an trägt: diese Kombination aus Wut und Angst, die damit einhergeht, Opfer einer Mord-Attacke im eigenen Land zu werden. Gemischt mit dem Trotz eines stolzen und verwundeten Mannes, der für das kämpfen will, woran er glaubt, und der Schuld eines Vaters, der weiß, dass seine Familie genau unter diesen Überzeugungen und Überzeugungen leidet. Diese Mischung kann lähmend sein. Nach außen hin mag Sergei passiv, ja sogar gleichgültig wirken, als wir ihn zum ersten Mal treffen, aber Grigori hat dazu beigetragen, die Reise dieser Figur zurück zu persönlicher Handlungsfähigkeit und emotionalem Ausdruck zum Leben zu erwecken.

Die beiden jungen Schauspielerinnen spielen beeindruckend treffsicher. Wie haben Sie konkret mit den Kindern gearbeitet?
AA: Wir haben fast eineinhalb Jahre lang in mehreren Ländern nach ihnen gesucht: in Estland, Litauen, Polen und sogar Berlin. Ich wollte, dass diese kleinen Mädchen so authentisch wie möglich sind, mit einer natürlichen schauspielerischen Stärke. Im Film sollen sie nicht in die Probleme ihrer Eltern verwickelt werden, aber sie leiden unter den Konsequenzen und sind die Opfer. Sie spielen eine entscheidende Rolle in der Geschichte. Mehrere Monate lang schickte mir Hauptcasting-Direktor Piret Toomvap-Schönberg Videos und Fotos, damit ich eine erste Auswahl treffen konnte. Im Anschluss organisierten wir einen Workshop in Estland mit 70 Kindern, der vier Tage dauerte und an dessen Ende ich meine endgültige Entscheidung traf.
Während der Dreharbeiten war es für mich wichtig, mit ihnen klar zu sein und ihnen alles zu erklären, im Vertrauen auf ihre Intelligenz und Fähigkeiten, auch wenn sie diese Erfahrung nicht selbst hatten und ihre eigene Vorstellungskraft einsetzen mussten. Sie sprachen kein Englisch, so dass Chulpan und Grigory mir sehr bei der Übersetzung geholfen haben. Diese Interaktionen schufen eine starke Bindung zwischen den Vieren. Auf ganz natürliche Weise wurden sie wirklich zu einer Familie. Für mich war es wichtig, dass die Schauspieler spüren, was ihre Figuren fühlen. Deswegen mache ich immer viele Proben.

In diesem Film geht es auch um Elternschaft, Familie und die Suche nach einem Zuhause, um die Sicherheit der eigenen Kinder zu gewährleisten. Ist das nicht die zentrale Frage des Films?
AA: Von dem Moment an, als ich mit dem Schreiben anfing, war es mein primäres Ziel, durch die großen Fragen, die der Film aufwirft, Menschlichkeit und Liebe zu finden. Mit meinem Co-Autor war es unser Ziel, eine Balance zwischen den Auswirkungen der staatlichen Politik und dem Wiederaufbau der Familie zu finden. Dem haben wir viel Zeit gewidmet. Natalia und Sergei, die Eltern im Film, sind Emigranten, die zunächst versuchen, sich anzupassen. Diese Familie hält sich an die Regeln des Systems, tut, was von ihnen verlangt wird, aber es spaltet sie und lässt sie aus den Augen verlieren, wer sie wirklich sind.
Die Liebe und Menschlichkeit, die sie wieder in ihr Leben bringen, sind jedoch für ihre Töchter von Vorteil. Indem sie sich von dieser kalten und entmenschlichenden Bürokratie befreien, entdecken sie sich als Paar neu und bauen ihre Familie wieder auf. Was mit ihren Kindern passiert, treibt sie an, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen. Ich glaube, dass die jüngeren Generationen uns retten werden und dass Kinder, um die herum der Film beginnt und schließt, die Macht haben, ihre Eltern von ihren Fehlern freizusprechen.


Interview mit Chulpan Khamatova

Wie hast du reagiert, als du das Drehbuch zu "Quiet Life" zum ersten Mal gelesen hast?
CK: In der Vergangenheit habe ich mit Verbänden zusammengearbeitet, die sich mit Kinderkrankheiten beschäftigen, daher war ich von dem Thema dieses Films tief berührt und schockiert. Ich habe sogar mit meinen befreundeten Ärzten über dieses "Resignationssyndrom" gesprochen, das exilierte Kinder betrifft und keiner von ihnen hatte davon gehört. Für mich sieht dieses Drehbuch aus wie eine griechische Tragödie.
Als Schauspielerin war ich sehr glücklich dieses Drehbuch zu lesen, weil es mir sehr viel Spaß gemacht hat, und als ich mich entschied, Teil dieses Projekts zu sein, war ich sehr froh, in der Lage sein, diesen Charakter zu spielen. Ich glaube, dass wir nicht nur über die Themen sprechen sollten, die im Film dargestellt werden, sondern dass wir sehr laut darüber sprechen sollten.

Wie nimmst du deine Figur Natalia wahr?
CK: Ich denke, dass Natalia im Herzen eine Kämpferin ist, die versucht, gegen die Gleichgültigkeit der Welt anzukämpfen. Sie ist bereit, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um ihre Kinder zu retten, sei es in Russland, in Schweden oder anderswo. Sie ist bereit, gegen ein System zu kämpfen. Sie ist voller Liebe und glaubt, dass Liebe eine Kraft ist, die ihre Kinder und vielleicht sogar die Welt retten kann. Für sie ist die Liebe die mächtigste Waffe.

Wie siehst du Sergei und seine Beziehung zu Natalia und ihrer Tochter Alina?
CK: Sie alle stehen vor einer schrecklichen Situation. Als Ehemann und Vater versucht Sergei sein Bestes, um seine Familie zu schützen, aber er ist nur ein Mensch und hat seine eigenen Schwächen. Sowohl Sergej als auch Natalia stehen unter extremem Druck und reagieren manchmal instinktiv, wie Tiere. Sie waren gezwungen, wegen der Drohungen der russischen Polizei und der Regierung aus Russland zu fliehen, aber in Schweden, wo sie bleiben wollen, werden sie mit neuen Herausforderungen konfrontiert sein. Sergej träumt davon, ein guter Vater zu sein, aber er befindet sich in einer Situation der Schwäche. In Wahrheit braucht jedes Mitglied dieser Familie, sowohl die Kinder als auch die Eltern, dringend Hilfe.

Sergej ist sehr hart zu seiner Tochter. Glaubst du, dass er zu hart ist, oder versucht er, sie darauf vorzubereiten, eine Kämpferin für ihr eigenes Wohl zu sein?
CK: Ja, er ist hart, aber es ist zum Wohle seiner Familie. Es ist ein Paradoxon. Es gibt eine andere Szene, in der Natalia Adriana besucht, eine Krankenschwester mit einem Kind aus Montenegro, und nach diesem Besuch verliert auch Natalia die Kontrolle und schubst ihre Tochter zu sehr. Unter solchen Umständen und immensem Druck kann sich leider keiner von ihnen wie typische, fürsorgliche Eltern verhalten. Davon abgesehen ist es für einen Schauspieler faszinierend, all die verschiedenen Seiten einer Figur zu erforschen und die Dualität zu zeigen, sowohl stark als auch schwach, freundlich und böse zu sein.

In dem Film flieht die Familie aus Russland, weil es dort keine Freiheit gibt, und riskiert dabei ihr Leben. Sie lassen sich in Schweden nieder, einem Land, das den Ruf hat, sehr liberal und demokratisch zu sein. Der Film porträtiert jedoch ein kaltes und dystopisches Schweden. Was halten Sie davon, wie Schweden dargestellt wird?
CK: Für mich ist es eher eine Metapher als eine realistische Darstellung Schwedens. Alexandros und sein Drehbuchautor haben vor den Dreharbeiten gründlich recherchiert und Schweden und alle im Film gezeigten Orte besucht. Der Film basiert zwar auf der Realität, dient aber auch als breitere Metapher. Er spielt in Schweden, hätte aber auch in England, Frankreich oder Russland spielen können, denn die Botschaft ist universell. Für mich repräsentiert das Schweden, das wir in QUIET LIFE sehen, ein allgemeines System, das dem Individuum, seinen Problemen und seinen Gefühlen gleichgültig gegenübersteht. Ich glaube, dass QUIET LIFE eine kraftvolle Metapher dafür ist, wie Institutionen gegen Menschen arbeiten können. Eine Metapher für ihre Kälte gegenüber den spezifischen menschlichen Bedürfnissen des Einzelnen.

Hatten Sie als russischer Flüchtling eine persönliche Verbindung zu Natalia?
CK: Absolut. Ich spüre es in meinen Knochen – wie es ist, sein Land zu verlassen, um in einem fremden Land zu sein, nicht dazuzugehören und zu sehen, wie die Kinder die neue Sprache besser beherrschen als man selbst. Ich lebe in Lettland, und obwohl ich jetzt Lettisch sprechen kann, haben meine Kinder es viel schneller und flüssiger gelernt als ich.

Hat Ihre eigene Exilerfahrung Ihre Darstellung von Natalia beeinflusst?
CK: Das hat sie definitiv. Wenn man bereits durchlebt hat, was seine Figur erlebt, ist es viel einfacher, die Rolle zu spielen und ihr Authentizität zu verleihen. All die persönlichen Sorgen, mit denen ich konfrontiert war, fanden ihren Weg in meine Darstellung von Natalia. Ich musste nicht recherchieren, um diese Figur zu spielen, sie ist bereits in meinem Blut, in meiner DNA. Ich meine, ich kannte die Angst, auf eine Kommission zu warten, die entscheidet, ob ich mit meiner Familie in einem neuen Land bleiben darf, und es hat mir sehr geholfen, Natalia zu spielen.

QUIET LIFE spielt im Jahr 2018. Im Jahr 2022 marschierte Russland in die Ukraine ein (obwohl das Thema 2014 mit der Annexion der Krim durch Russland begann). Glauben Sie, dass der Film angesichts der aktuellen Kriegssituation eine noch tiefere Bedeutung bekommen hat?
CK: Ja, ich denke schon. Die Wurzeln der Probleme, mit denen exilierte Kinder konfrontiert sind, waren bereits 2018 vorhanden, aber heute gibt es in Europa Tausende von ukrainischen Flüchtlingen. Alle diese Familien sind aus der Ukraine geflohen, um ihr Leben zu retten, und versuchen nun, in einer neuen Kultur, mit einer neuen Sprache, neuen Schulen, neuen Freunden, ihr Leben von Grund auf neu aufzubauen... Für Kinder ist das nicht einfach. Es gibt auch eine Million Russen, die unser Land verlassen haben und bei Null anfangen müssen. Das ist vor allem für Kinder ein riesiges Problem. Das macht mir große Sorgen. Als Erwachsene sind wir für unsere Kinder verantwortlich, und das ist der Kern dieses Films. Die Arbeit mit dem Kinderbetreuungsverein hat mir auch sehr geholfen, Natalia zu spielen. Diesen Film zu machen, war für mich ein bisschen wie eine Psychoanalyse. Wir haben ihn vor einem Jahr gedreht, und alles, was mit dem Exil zu tun hatte, war für mich noch so frisch, vor allem mit den täglichen Nachrichten über den Krieg in den Medien. Ich erhielt schreckliche Nachrichten aus Russland und fragte mich immer, was mit meinen Freunden geschehen war. Während der Dreharbeiten wurde eine enge Freundin von mir, die junge Theaterregisseurin Evgenia Berkovich, ohne Grund zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt: Sie hat einfach ein paar Gedichte gegen den Krieg geschrieben. Ich denke, es ist wichtig, dass sich die Welt darüber im Klaren ist, was in Russland passiert: Unschuldige und talentierte Menschen wie Evgenia sind im Gefängnis. Die russische Regierung hat ihr Leben und das ihrer Adoptivkinder zerstört.

QUIET LIFE ist visuell packend, mit einem sorgfältig gestalteten Stil. Wie war Ihre Arbeitsbeziehung mit Alexandros Avranas?
CK: Die Zusammenarbeit mit ihm war wirklich interessant. Sein Stil ist so kalt und raffiniert, aber in seinem Inneren hat er ein sehr warmes Herz und kann sehr emotional sein. Diese Mischung aus Emotion und Stil schuf einen sehr interessanten Cocktail. Alexandros verwendet nur sehr wenige Worte und nur wenige Dialoge. Als Künstler versucht er nicht, alles zu erklären, was großartig ist. Stattdessen hält er gerne Dinge fest, die hinter den Worten oder hinter den Bewegungen des Körpers liegen. Für mich war es eine fantastische Erfahrung. Alexandros ist ein sehr talentierter Regisseur und ein sehr mutiger Mensch. Er rief mich an, als niemand sonst mit einem russischen Künstler zusammenarbeiten wollte. Aber es war ihm sehr wichtig, dass die russische Figur von einem russischen Schauspieler oder einer russischen Schauspielerin gespielt wird. Er folgte seinen Überzeugungen, und wir machten den Film. Ich bewundere seinen Mut sehr. In gewisser Weise kämpft er auch gegen das System.

Gegen Ende von QUIET LIFE gibt es eine schöne und kraftvolle Szene, in der die ganze Familie gemeinsam in einem Pool schwimmt, was sich symbolisch für die Wiedergeburt anfühlt. Wie interpretieren Sie diese Szene?
CK: Diese Szene lässt uns die Verbundenheit mit der Natur spüren; Es erinnert uns daran, dass wir von Grund auf Menschen sind, die zu Liebe und gegenseitiger Unterstützung fähig sind. Diese Szene zeigt uns, dass wir Teil der Natur sind und dass alle Konflikte und Probleme durch Liebe und Gnade gelöst werden können.
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Donnerstag 17.04.2025
WARFARE
Ab 17. April 2024 im Kino
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19. November 2006, Irak – Ein Platoon junger Navy Seals soll das Haus einer irakischen Familie besetzen, um ein aufständisches Gebiet abzusichern. Zuerst läuft alles nach Plan. Sie halten die Bewohner in Schach und verteilen sich in dem zweistöckigen Gebäude, um die Umgebung zu beobachten. Als sie eine bewaffnete Gruppe Männer bemerken, ist es schon zu spät: Eine Granate explodiert im Haus, kurz darauf detoniert eine Bombe und zwei Soldaten werden schwer verletzt. Gefangen in dem Haus geht es für die jungen Männer nur noch ums blanke Überleben. Der Druck der Angreifer lässt nicht nach und Unterstützung dringt nur mühsam zu ihnen vor. Verzweifelt versuchen sie, die beiden Verletzten am Leben zu halten. Ein erbarmungsloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt.


Ein Film von Alex Garland, Ray Mendoza
Mit D'Pharaoh Woon-A-Tai, Will Poulter, Cosmo Jarvis, Kit Connor, Finn Bennett, Taylor John Smith, Michael Gandolfini, Charles Melton

WARFARE erzählt die wahre Geschichte des Kriegsveteranen Ray Mendoza, der zusammen mit Ausnahmeregisseur Alex Garland („Civil War“, „28 Days Later“) für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet. Garland und Mendoza schaffen ein beklemmendes Bild moderner Kriegsführung, wie man es noch nie vorher gesehen hat: in Echtzeit und basierend auf den Erinnerungen der Menschen, die dabei waren.
Ein junges Ensemble aufstrebender Hollywood-Schauspieler verkörpert die Soldaten: D’Pharaoh Woon-A-Tai („Reservation Dogs“), Will Poulter („The Bear“), Cosmo Jarvis („Sh?gun“), Kit Connor („Heartstopper“), Finn Bennett („True Detective“), Taylor John Smith („Der Gesang der Flusskrebse“), Michael Gandolfini („Beau is Afraid“), Joseph Quinn („Gladiator II“) und Charles Melton („May December“). Produziert wurde WARFARE von dem Erfolgsstudio A24 („Everything Everywhere All At Once“, „Civil War“).
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Donnerstag 10.04.2025
PARTHENOPE
Ab 10. April 2025 im Kino
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Der Oscar © prämierte Filmemacher Paolo Sorrentino hat eine monumentale und zutiefst romantische Geschichte eines ganzen Lebens geschrieben. Wie ihre Namensgeberin, die mythische Sirene, strahlt Parthenope einen Zauber aus, dem sich niemand entziehen kann. Mit kraftvollem Verstand und unbändiger Sinnlichkeit stellt sie sich den Höhenflügen und Abgründen, dem Sommer und dem Herbst des Lebens. Doch ihre größte Leidenschaft gilt der Freiheit – und ihrer Heimatstadt Neapel. Ein sonnendurchtränktes und bildgewaltiges Denkmal.

Ein Film von Paolo Sorrentino
Mit Celeste Dalla Porta, Stefania Sandrelli, Gary Oldman, Silvio Orlando u.a.

Eine der schönsten Städte der Welt bekommt mit „Parthenope“ ein nicht minder spannendes Gesicht: In Neapel zieht die gleichnamige Heldin mit ihrer Ausstrahlung zahllose Männer in ihren Sog und bringt sie nicht selten um den Verstand. Doch mit melancholischer Leichtigkeit widmet sich die junge Anthropologin Parthenope (Neuentdeckung Celeste Dalla Porta) vor allem den philosophischen Fragen der Existenz: Was bedeutet Wissen, wie sehr lohnt sich Liebe, wie trifft uns die Vergänglichkeit?
Auf ihrem Lebensweg von der lebenshungrigen Bohemienne zur angesehenen Wissenschaftlerin hat Parthenope romantische, groteske und immer inspirierende Begegnungen - und bleibt dabei unabhängig. Die traumhaften Orte und Menschen reflektieren alle Facetten Neapels. So entsteht ein farbenprächtiges Panoptikum aus Sehnsucht, Verlangen, Einsamkeit und tiefen Brüchen.
„Neapel ist eine Stadt, die zu meinen Gefühlen passt. Jeden Tag erfinden die Neapolitaner ihr Leben neu, sie beschließen, dass das Leben sie überraschen soll,“ so Paolo Sorrentino über die Hommage an seine Heimatstadt.
Durch Daria D‘Antonios Kamera, seit „LA GRANDE BELLEZZA“ arbeitet Sorrentino bereits mit ihr zusammen, widmet sich der oscarprämierte Filmemacher („LA GRANDE BELLEZZA“, „DIE HAND GOTTES“, „EWIGE JUGEND“) erneut seinem Lieblingsthema – der Schönheit, die erst unter der Oberfläche interessant wird. Dabei ist „Parthenope“ weit mehr als eine Projektionsfläche. So wie sich Neapel als opulent, aber nicht pittoresk, sondern abgründig und surreal präsentiert, ergründet Parthenope die vielen Aspekte des Menschseins. Hinter dem unwirklich tiefen Blau des Meeres stehen die grellen Farben – eine Feier des Lebens, aber auch ein Meer an Traurigkeit.
Neben Hauptdarstellerin Celeste Dalla Porta, die als „Parthenope“ ihr Langfilmdebüt gibt, spielen unter anderem Stefania Sandrelli, Silvio Orlando und Luisa Ranieri. Einen besonderen Auftritt hat Hollywoodstar Gary Oldman als desillusionierter Schriftsteller John Cheever.


DIRECTOR‘S NOTE

„Für mich ist „Parthenope“ in erster Linie ein Film über das Heilige.“
(Paolo Sorrentino)

Als mir in einem Interview einmal eine dieser schwierigen Fragen gestellt wurde - in etwa lautete sie „Was ist für Sie das Heilige?“ - antwortete ich instinktiv: „Das Heilige ist das, was wir von unserer eigenen Lebensgeschichte nie vergessen werden.“ Aus dieser Annahme ist dieser Film geboren.
Für mich ist „Parthenope“ in erster Linie ein Film über das Heilige. Über all die Dinge, die eine Frau in dreiundsiebzig Lebensjahren nicht vergessen konnte: die Bucht von Neapel, ihre Eltern, ihre ersten Lieben - die eine rein und leuchtend, die andere unaussprechlich, vulgär. Der sorglose und damit perfekte Sommer auf Capri, durchdrungen von mit seinen von Salzluft getränkten Sonnenaufgängen, stillen Momenten des Morgens und lauen Nächten. Die flüchtigen, schicksalhaften Begegnungen, die Entdeckung der Verführung und der Schwindel der Freiheit; das Gefühl, so lebendig zu sein, dass der Übermut der Existenz die junge Frau seufzen lässt; die intensive Suche nach ihrem wahren Ich; verlorene oder kaum gekostete Lieben; die Umbrüche, die sie ins Erwachsenenalter schleudern; das unaufhaltsame Vergehen der Zeit; der einzige Liebhaber, der sie nie verlässt. In all dem flimmert Neapel mit seiner erdrückenden Vitalität, mit Wundern an jeder Ecke. Alle scheinen immer bereit, als ob sie unaufhörlich hinter einem unsichtbaren Vorhang darauf warten, die Bühne zu betreten und Chaos, Überraschung, Hinterhältigkeit, Promiskuität und alles Verwandte darzubieten.
Neapel ist frei, Neapel ist gefährlich, Neapel urteilt nie. Die Stadt ist wie Parthenope. Ihre Freiheit ist ein ewiger Wert, etwas, das sie niemals aufgeben wird. Selbst wenn es letztlich bedeutet, das Alleinsein zu akzeptieren. Denn Einsamkeit und Freiheit gehen nur allzu oft Hand in Hand. Neapel ist der ideale Ort, um uns vorzumachen, dass wir ein wunderbares, unvorhersehbares Leben führen. Der Ort, an dem unsere Lebensgeschichte wie die Unterseite eines Teppichs erscheint: Wir können das Design erahnen, obwohl wir es nicht ganz sehen können. Unser Leben ist nie geordnet, nie logisch.
Es ist leicht, sich in den Weiten des Lebens zu verirren. Wir versuchen, unser Leben zu verstehen. Wir versuchen, seine Gesetzmäßigkeit zu begreifen, ihm einen Sinn zu geben.
Aber das Leben sieht uns nicht. Das Leben ist immer wo- anders. Das ist anstrengend, und es macht uns unsicher. Mysteriös.
Auch Parthenope ist, wie wir alle, unsicher und geheimnisvoll. „Liebst du zu viel oder zu wenig?“, fragt sie ein als Heiliger verkleideter Dämon in einer Szene. Er fragt uns alle. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Wir auch nicht. Denn alle Fragen wurden bereits gestellt, und alle Antworten haben sich als zweideutig, ausweichend und widersprüchlich erwiesen. Es ist dieser Mangel an Selbsterkenntnis, der uns in den Augen anderer zu einem Rätsel macht. Auch Parthenope ist ein Rätsel.
Erst lassen wir uns gehen, dann übernehmen wir Verantwortung, dann geben wir sie wieder ab. Auf diese Weise nimmt die Zeit ihren Lauf. Das ist das ehrgeizige Thema dieses Films: die Entfaltung des Lebens in all seiner Euphorie und Enttäuschung, das Aufblühen und Vergehen der Liebe, das Ende der Melancholie und der Beginn der Sehnsucht. Kurzum, das gesamte Repertoire des Lebens, oder das, was sich davon in einem Film vermitteln lässt.
Und so wird sogar das Leben in Neapel, so erstaunlich und unberechenbar es auch sein mag, mit der Zeit langweilig. Die Jugend mit ihren aufgeladenen Blicken und emotionalen Ablösungen hat Abschied genommen. Der Golf von Neapel ist nur noch Wasser. Sein Wunder ist verblasst. Die große Täuschung trügt nicht mehr. Parthenope findet sich allein wieder. Man wird zu dem, was man ist, wie Nietzsche sagt. Also verlässt Parthenope Neapel, um an einen anonymeren Ort zu gehen. Sie ist jetzt erwachsen und hat einen Beruf. Vierzig Jahre lang geht sie früh zu Bett, wie Proust und De Niro sagten. Sie liebt zu wenig. Wenn sie mit dreiundsiebzig in Rente geht, muss sie sich wieder ändern. Sie muss lernen, ihre Vergangenheit neu zu sehen, das Heilige in ihr zu erkennen. Zu sehr zu lieben. Oder sich zumindest vorstellen, dies zu tun. Also kehrt sie nach Neapel zurück, dieser unnahbaren, wilden Stadt, die sich nie verändert. Neapel, das noch immer zu täuschen weiß und uns das einzige Gefühl bietet, das uns bis zum Ende am Leben erhält: die Fähigkeit zu staunen. Am Schluss seufzt Parthenope. So wie sie es als junges Mädchen getan hat.
Paolo Sorrentino
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Autor: Siehe Artikel
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