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138. Andromeda und ein Galaxien-Sixpack
137. Die vier Geschwister der Sonnenforschung
136. 12 Gramm Treibstoff pro Woche
135. Tornados im All oder Im Kielwasser junger Sterne
134. Auf dem Mars ticken die Uhren anders
133. Vom Funkeln der Glühwürmchen
Montag 30.06.2025
138. Andromeda und ein Galaxien-Sixpack
Bilder
EsWa, Galaxien 331, Digital, 165 x 115, 2025
Nach wie vor können wir den Sternhimmel nur wenige Nachtstunden genießen. Zwar erhöht sich die Beobachtungszeit bis Ende des Monats August auf rund acht Stunden, doch die abendliche Dämmerung setzt noch immer recht spät ein. Sollte dann der Himmel klar sein, haben wir einen ausgezeichneten Blick auf das Sommerdreieck. Mit viel Glück kann man die Planeten Mars am Abendhimmel kurz nach Sonnenuntergang und Jupiter am Morgenhimmel kurz vor Sonnenaufgang sehen.
Der recht helle Saturn ist der Planet der zweiten Nachthälfte. Venus hingegen wird zum prachtvollen Morgenstern und ist aufgrund seiner relativ großen Höhe bereits gegen 4 Uhr früh gut in östlicher Richtung zu beobachten.

Noch vor 100 Jahren glaubten die Astronomen, dass Galaxien kosmische Gebilde sind, die zu unserer eigenen Milchstraße gehören. Für sie standen diese Objekte knapp außerhalb der galaktischen Ebene im umgebenden Halo unserer Milchstraße. Somit galten sie gewissermaßen als lose Anhängsel. Der Hauptgrund für diese Fehlinterpretation war, dass sie hinsichtlich ihrer Entfernung nicht zu vermessen waren. Dann aber konnte der Astronom Edwin Paul Hubble (1889-1953) und seine Assistentin Henrietta Leavitt mithilfe einer neuen Methode die Entfernung von Andromeda genauer zu bestimmen. Es gelang ihnen durch das Auffinden von so genannten Delta Cepheiden, die aus unserer eigenen Heimatgalaxis schon längst bekannt waren. Es sind veränderliche Sterne, die zu genau sich wiederholenden Zeiten hell aufleuchten. Nach mehreren Jahren der Beobachtung am damals größten Teleskop der Welt auf dem Mount Palomar konnten sie die ersten Sterne dieser Klasse in der Andromeda-Galaxie ausfindig machen.
Dadurch gelang erstmalig der Nachweis, dass unsere Nachbargalaxie mit der Bezeichnung M 31 mindestens 1 Milliarde Lichtjahre von uns entfernt sein muss und somit kein Teil unseres Milchstraßensystems ist. Da die geltende Lehrmeinung dadurch mit einem Schlag ad absurdum geführt wurde, war der Aufschrei unter den alteingesessenen Gelehrten unüberhörbar. Doch nachdem im Laufe der Jahre weitere Beweise für die Richtigkeit der Methode der neuen Entfernungsbestimmungen vorlagen, änderte sich die Sichtweise nach und nach grundlegend.
Heute gilt Andromeda als unsere direkte Nachtbargalaxie. Sie ist nach neusten Messungen mit 2,25 Mrd. Lichtjahren mehr als doppelt so weit entfernt wie einst von Hubble und Leavitt angenommen und beheimatet mit 400 Milliarden Sternen doppelt so viele Sonnen wie unsere Galaxie.
Durch diese grundlegende Entfernungsbestimmung wurde aber auch schnell klar, dass alle anderen Sterneninseln dieser Art noch wesentlich weiter von uns entfernt sein müssen. Hubble schuf mit seinen Forschungen gleichzeitig die Grundlage für die von ihm vorgenommene Klassifizierung der Galaxien. Noch heute unterscheiden wir dadurch vier verschiedene Arten: Neben den Spiralgalaxien kennen wir noch elliptische, linsenförmige und irreguläre Galaxien.
Das Team des James Webb Space Telescopes hat seit Beginn seiner wissenschaftlichen Arbeit viele spektakuläre Aufnahmen von diesen verschiedenen Galaxienarten machen können. Dabei traten zum Teil höchst interessante Eigenschaften der fernen Sternenassoziationen zu Tage: Eines der wohl aufregendsten Bilder stellt dabei die Aufnahme der Galaxie NGC 628 dar. Hier schauen wir direkt von oben (Head on) auf einen weitgefächerten Wirbel. Deutlich sieht man wie sich vom galaktischen Zentrum die einzelnen Spiralarme weit nach außen hin ausdehnen.
Eine völlig gegensätzliche Ansicht stellt das Foto der berühmten Sombrero-Galaxie dar: Bei einem Winkel von nur 6° sehen wir hier fast genau auf die Kante (Edge on) der gigantischen Formation mit fast 800 Milliarden Sternen. In der zweigeteilten Aufnahme der 300 Millionen Lichtjahre entfernten Sterneninsel sieht man deutlich die Unterschiede zwischen dem nahen Infrarot im linken Bildbereich und dem mittleren Infrarot auf der rechten Seite, die jeweils mit den Kamerasystemen NIRCam und MIRI des Webb Space Telescopes gewonnen wurden.
Auf der Website „Galaxies over time“ sind noch weitere interessante Vertreter der riesigen Sternansammlungen vertreten: So schauen wir zum Beispiel auf die irreguläre Galaxie I Zwicky 18. Es ist eine Galaxie ohne Spiralarme und man erkennt sie als Vorstufe eines künftigen Spiralsystems.
Bei der mit dem Spitznamen Egg-Galaxy (Eiergalaxie) versehenen Struktur von NGC 2937 schauen wir auf eine Sternansammlung, die nach der Hubble-Klassifikation als elliptisch eingeschätzt werden muss.
Im vierten Bild des Galaxien-Sixpacks ist eine Ansammlung von Galaxien sichtbar, die als Stephan’s Quintet schon seit längerem bekannt ist. In der extremen räumlichen Auflösung erkennt man eine Region der Sternentstehung mit ausufernden Schweifen aus Gas und Staub, die durch die Wechselwirkungen der Gravitation zwischen den Galaxien herausgezogen.
Abschließend sei noch auf zwei neue Entdeckungen des Webb-Teams verwiesen, die ebenso geheimnisvoll wie bedeutend sind: Die jüngsten Galaxien, die schon kurz nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden sind, stellen die Forscher vor ein Problem. Gleich fünf Aufnahmen sind in der Sammlung „Galaxies over time“ kombiniert. Die jungen Welteninseln, die 650 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind und als kleine rote Punkte auszumachen sind, zeigen uns einen neuen Typ von „Urgalaxien“, die interessanterweise bereits eine Milliarde Jahre später wieder verschwunden sind.
Die sechste Bildveröffentlichung offenbart uns die jüngste jemals entdeckte Galaxie mit dem Namen JADES-GS-z14-0. Bei dem in der Bezeichnung vorkommenden Wert von z=14,0 handelt es sich um die so genannte Rotverschiebung, die der österreichische Physiker Johann Christian Doppler entdeckte. Dieser enorme Wert des Dopplereffekts bedeutet, dass sich diese Galaxie mit ungefähr 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit von uns fortbewegt. Sie ist damit ein eindeutiger Beweis für die ebenfalls von Hubble postulierte Theorie der Galaxienflucht, die wiederum ein Beweis für ein expandierendes Universum darstellt. Sie entstand tatsächlich sogar nur 300 Millionen Jahre nach dem Big Bang. Allerdings sollten sich nach der gängigen Theorie zu diesem Zeitpunkt noch keine Galaxien gebildet haben: Ein neues Rätsel aus den Anfangszeiten unseres Universums, das es zu lösen gilt. Man sieht, die Astronomie war, ist und bleibt eine äußerst dynamische Wissenschaft und wir stehen - um mit den Worten von Carl Sagan zu sprechen - vor den größten aller Geheimnisse.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Sonntag 01.06.2025
137. Die vier Geschwister der Sonnenforschung
Bilder
EsWa, Galaxien 325, Digital, 170 x 130, 2025
Der Monat Juni hält für die Betrachter des Sternhimmels nur wenig Beobachtungszeit bereit. Gerade einmal sechs Stunden ist es so dunkel, dass man den Sommersternhimmel ausgiebig betrachten kann. Dabei ist das Frühlingssternbild Löwe gegen 23 Uhr im Westen das bestimmende Objekt, denn sein Hauptstern Regulus bildet gemeinsam mit dem Planeten Mars ein auffälliges Zwillingspaar. Betrachtet man das Duo länger, so wird deutlich, dass der Regulus etwas heller zu sein scheint.
In der zweiten Nachthälfte übernehmen die Sommersternbilder Adler, Leier und Schwan das Kommando. Besonders der Stern Wega aus der Leier fällt durch seine große Helligkeit hoch über uns in Zenitnähe auf. Hellstes Objekt ist nach wie vor die Venus, die gegen 4 Uhr im Osten vor der Sonne als Morgenstern aufgeht. Eine Stunde zuvor erscheint Saturn ebenfalls in östlicher Richtung. Die Planeten Jupiter und Merkur gehen unmittelbar nach der Sonne unter und sind nahezu unsichtbar.

SDO, SOHO, SOLAR ORBITER und PARKER SOLAR PROBE: Das äußerst erfolgreiche Quartett der Sonnenforschung wird aller Voraussicht nach am Ende dieses Jahres nicht mehr bestehen.
Für SOHO (Solar Dynamics and Heliospheric Orbiter) als ältesten Raumflugkörper ist dabei die Zeit gekommen, denn nach über 25 Jahren ist die maximale Lebensdauer dieser solaren Sonde, die aus wissenschaftlicher Sicht als Vorreiter für alle zukünftigen Missionen außerordentlich erfolgreich war, einfach erreicht. Tausende von aufregenden Bildern wurden in dieser Zeit zur Erde gesendet und erstmals in der Geschichte konnten sich die Freunde der Sonnenastronomie per App in nahezu Echtzeit über die neusten Erkenntnisse einer Raumsonde informieren, die das gesamte Spektrum der elektromagnetischen Strahlung detektieren konnte. Die Umsetzung in entsprechende Bilder realisierte dann das Team im Goddard Space Flight Center in Greenbelt (Maryland) in bisher nie gekannter Qualität. Die besondere Flugbahn von SOHO ermöglichte es zudem, bisher völlig unbekannte Kometen aufzunehmen. Da die meisten von ihnen erst kurz vor der Passage der Sonne Aktivitäten entwickeln und somit auch erst dann sichtbar werden, gelang es mit Hilfe der spektroskopischen Weitwinkelkamera LASCO erstmals sogenannte Sungrazer zu fotografieren. Bis heute hat SOHO fast 5000 Kometen entdeckt, die oftmals ihre nahen Vorbeiflüge an der Sonne nicht überstehen und aufgrund der sehr hohen Gravitationskräfte beginnen, sich auflösen. Damit hat SOHO viele kometare Himmelskörper nach einer Lebensdauer von mehreren Milliarden Jahren quasi im letzten Moment ihrer Existenz noch erfassen können. Gleichzeitig ist die Mission aber auch ein Musterbeispiel dafür, wie gut und erfolgreich amerikanische und europäische Forschungszentren über Jahrzehnte hinweg miteinander arbeiten können.
Ganz anders sind die Missionsziele bei der Parker Solar Probe gelagert, denn sie kam unserem Zentralgestirn so nah, wie noch kein anderes Raumschiff. Der letzte Vorbeiflug am Heiligabend 2024 war mit einer Entfernung von 7,5 Millionen Kilometern ein absoluter Extremmoment. Die Sonde war zu diesem Zeitpunkt mit 190 Kilometern pro Sekunde das schnellste jemals von Menschenhand konstruierte Fluggerät. Mit umgerechnet 690.000 Stundenkilometern (dies entspricht ca. 0,063% der Lichtgeschwindigkeit) raste die Sonde an der Sonnenoberfläche vorbei, so dass aufgrund der hohen Relativgeschwindigkeiten (die Erde und die dort wartenden Empfangsantennen bewegen sich ebenfalls mit 30 Kilometern pro Sekunde sehr schnell durch den Raum) keine Datenübertragungen möglich waren. Erst in einigen Jahren werden alle Auswertungen erledigt sein und die wissenschaftlichen Resultate werden die Fachwelt mit Sicherheit in Atem halten. Die Raumsonde war übrigens die erste ihrer Art, bei dem der Namensgeber den Start noch erleben durfte. Mit knapp 91 Jahren konnte der leider inzwischen verstorbene Solarforscher Eugene N. Parker den Start am 12.August 2018 noch miterleben. Mit knapp 91 Jahren konnte der leider inzwischen verstorbene Solarforscher und Astrophysiker Eugene N. Parker den Start am 12.August 2018 noch miterleben.
Das SDO (Solar Dynamics Observatory) der NASA erlebte hingegen seine Feuertaufe bereits im Jahr 2010 während seiner Positionierung in einer geostationären Bahn. Dies hat den Vorteil, dass die Daten immer fortwährend an die gleiche Bodenantenne geschickt werden können, über der der Satellit stillzustehen scheint. Der Nachteil dieser Position ist allerdings, dass die Bordsysteme unsere Sonne nur aus dem „Sicherheitsabstand“ von 150 Millionen Kilometern beobachten können. Trotzdem sind die Langzeitbeobachtungen der Kamerasysteme eindrucksvoll.
Für deutsche Forscher ist natürlich der Solar Orbiter von größter Wichtigkeit, ist doch das Potsdamer Leibniz-Institut für Astrophysik wissenschaftlich federführend bei der von der ESA geleiteten und von der NASA gestarteten Mission. Dem sogenannten EUI-Team unter Emil Kraaikamp vom Royal Belgium Observatory (ROB) gelang dabei erstmals in der Geschichte der Sonnenforschung bei einem Abstand von nur 77 Million Kilometern ein 12,5 K Bild der Sonne zu erstellen, was im Vergleich einen dreifach höheren Wert als die UHD-Norm darstellt. Bei der Aufnahme im extremen Ultraviolett-Bereich von 17,6 Nanometern entstand ein Mosaik aus insgesamt 12.544 x 12.544 Pixeln in bisher nie erreichter Qualität. Es ist die Zusammenfügung von insgesamt 200 Einzelbildern unseres Heimatsterns.
Das Bild von Solar Orbiter enthüllt Strukturen in der Sonnenatmosphäre oberhalb der sichtbaren Sonnenoberfläche. Es zeigt Strukturen von lokalen Magnetfeldern als lange Bögen, die von aktiven Regionen der Sonne ausgehen. Dunkle Gebiete weisen auf Gegenden mit geringer magnetischer Aktivität hin. Auf dem Bild ist auch die Corona als innerster Bereich der äußeren Sonnenatmosphäre sichtbar, die sich weit in den umgebenden Weltraum erstreckt“ erläutert Tilman Althaus von spektrum.de. Da der Solar Orbiter neben dem Hitzeschild und zwei insgesamt 1100 Watt erzeugenden Solarpanelen auch noch über eine 3-Achsen-Lageregelung verfügt und darüber hinaus noch über 18 Steuerdüsen mit relativ großen Treibstoffreserven zur Verfügung stehen, hofft man die Sonde weit über das eigentliche Ende der Mission im Jahr 2030 erhalten zu können. Voraussetzung dafür wird allerdings sein, dass alle vier zur Stabilisierung der Flugbahn notwendigen Vorbeiflüge an der Venus problemlos verlaufen. Über sogenannte Swing-By-Manöver holt sich der Solar Orbiter zusätzlichen Schwung für die permanente Sonnenumlaufbahn. Dies ist unbedingt notwendig, wenn die Mission in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts verlängert werden soll, um so den Geheimnissen des Sterns vor unserer Haustür auf die Spur zu kommen.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Mittwoch 07.05.2025
136. 12 Gramm Treibstoff pro Woche
Bilder
EsWa, Galaxien 319, Digital, 165 x 123, 2025
Das Sternbild Löwe dominiert als Frühlingssternbild den abendlichen Himmel. Mit Regulus steht der hellste Stern dieser Konstellation Mitte des Monats gegen 23 Uhr bereits im Südwesten. Mit der Jungfrau und ihrem Hauptstern Spica befindet sich nun gegen Mitternacht ein weiteres Frühlingssternbild genau im Süden. Noch immer halten sich die Planeten Mars und Jupiter in den Wintersternbildern Zwillinge und Stier auf. Deren Sichtbarkeit wird sich aber in den kommenden Wochen durch die immer später einsetzende Dämmerung verschlechtern. Venus bleibt unser „Morgenstern“ und ist als strahlend helles Objekt vor dem Sonnenaufgang in östlicher Richtung deutlich erkennbar. Saturn hingegen ist schwer aufzufinden, da er in der Morgendämmerung erst kurz vor der Sonne aufgeht.

Eines der erfolgreichsten Raumflugunternehmen aller Zeiten ging vor wenigen Tagen eher geräuschlos und unspektakulär zu Ende. Es war die Mission Gaia der europäischen Weltraumagentur ESA, die über viele Jahre hinweg riesige Datenmengen der uns umgebenden Sterne und Galaxien geliefert hatte.
Wie fast immer in der Raumfahrttechnik war der Treibstoff der Ausgangspunkt für die Beendigung des wissenschaftlich so erfolgreichen Projektes. Trotz der Tatsache, dass gerade einmal 12 Gramm Treibstoff pro Woche für die Steuerdüsen des Lagekorrektursystems zur Verfügung gestellt werden mussten, war der Tank Anfang des Jahres bereits so gut wie leer. Zwar arbeiteten alle wissenschaftlichen Experimente noch ohne Probleme und auch die Stromversorgung hätte ein noch längeres Arbeiten von Gaia ermöglicht, doch die letzten Treibstoffreserven mussten für ein abschließendes Versetzen der Bahn aufgespart werden. Ähnlich wie das wesentlich bekanntere James Webb Space Telescope hielt sich Gaia in unmittelbarer Nähe des Lagrange Punkt L2 auf. Hier in 1,5 Millionen Kilometer Abstand zu unserem Planeten heben sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde nahezu auf. Dort konnte aber aus Sicherheitsgründen der ausgemusterte Satellit nicht verbleiben und wurde mit den buchstäblich letzten Tropfen Treibstoff durch das Zünden des Bordtriebwerks in eine „Rentenbahn“ geschickt, wie es die Spezialisten leicht ironisch formulierten. Gaias Parkbahn gilt als absolut ungefährlich und somit besteht für die Bewohner auf der Erde zumindest durch die Gaia-Sonde keine Gefahr.
Was allerdings passiert, wenn eine Mission völlig aus dem Ruder läuft, wird sich schon in wenigen Tagen zeigen, wenn die schon seit Jahrzehnten ausgemusterte sowjetische Raumsonde Kosmos 482 auf der Erde einschlagen wird. Eigentlich war vor über 50 Jahren eine Landung auf der Venus geplant, doch schon zu Beginn der Mission 1972 verloren die Techniker im kasachischen Baikonur den Kontakt zu der Raumsonde. Nun wird sie mehr als ein halbes Jahrhundert später ungebremst in die Atmosphäre eintreten. Wie viel Metall der fast 500 kg schweren Sonde den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre überstehen wird, steht noch nicht fest, doch kann es durchaus sein, dass einige sogar größere Teile die Erdoberfläche mit der Geschwindigkeit von 242 Stundenkilometern treffen. Nicht wie sonst üblich bei absichtlich geplanten Abstürzen gibt es beim Eintauchen in die oberen Atmosphärenschichten kein vorausberechnetes Aufschlaggebiet in unbewohnten Zonen der Weltmeere. So wird man um den 10. Mai herum tatsächlich eine nicht zu leugnende und durchaus ernst zu nehmende Gefahr aus dem All haben.
Doch zurück zu Gaia: Ihre Mission verlief eher im Hintergrund des sonst so umtriebigen Wissenschaftszirkus, denn Datensätze sind zwar für Astronomen von großer Wichtigkeit, doch die bekanntermaßen aufwendig bearbeiteten Fotos der Kameras der Teleskope Webb, Hubble oder Euclid (siehe Kosmos 135,133 und 118) erregen eine ganz andere Aufmerksamkeit. Während der elfjährigen Tätigkeit gelang es Gaia mit Hilfe seiner Instrumente die Astronomie zu revolutionieren, denn die Datenflut stellt alle bisherigen Rekorde in den Schatten. Fast jede Sekunde nahm die Raumsonde Tausende kosmische Objekte auf, insgesamt drei Billionen Beobachtungen kamen so zusammen. Die Astronomen haben die Daten von Gaia in einer riesigen Datenbank gesammelt und daraus eine Art Himmelskarte der Milchstraße und des umgebenden Kosmos erstellt. Was unsere eigene Galaxis betrifft, hat die Mission so etwas wie eine Volkszählung durchgeführt und Milliarden von Sternen präzise vermessen (siehe Kosmos 93). Welche Dimensionen sich hinter diesem Sternenzensus verbergen, zeigt ein Bild dieser Durchmusterung eines Bereiches des Nachthimmels im Sternbild Sagittarius (Schütze) in atemberaubender Art und Weise, wenn man das nachfolgende Bild per Download vergrößert.
Sergei Klioner, Astronom an der TU Dresden, geht davon aus, dass bisher erst weniger als ein Drittel der Daten veröffentlicht sind. Trotzdem sind schon jetzt mehr als 13.000 wissenschaftliche Arbeiten publiziert worden und das Bild unserer Milchstraße hat sich weitestgehend geändert. Wie unsere Heimatgalaxis seitlich und von oben aussehen könnte, zeigen zwei künstlerische Darstellungen, die an Hand der Gaia-Daten angefertigt wurden, sehr eindrucksvoll.
Außerdem wartet ein weiterer „Gaia“-Datenschatz mit Informationen über 1,3 Millionen Quasare auf seine Auswertung, denn diese hellen Zentren ferner Galaxien weit außerhalb der Milchstraße gehören noch zu den wenigen ungelösten Geheimnissen unseres Kosmos. Kurz bevor die Sonde am 27. März abgeschaltet wurde, funkte der Astronom Andreas Sahlmann vom ESA-Zentrum für Weltraumastronomie noch einen letzten Funkspruch zur Sonde: „Danke, dass du uns zu den Sternen geführt hast.“
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Samstag 29.03.2025
135. Tornados im All oder Im Kielwasser junger Sterne
Bilder
EsWa, Galaxien 315, Digital, 172 x 185, 2025
Bereits am 20.März erreichte unsere Sonne um 10.10 Uhr auf ihrer scheinbaren Bahn auf der Ekliptik den Frühlingspunkt. Gleichzeitig hatten wir an diesem Tag die erste Tagundnachtgleiche des Jahres. Schon am darauffolgenden 21.3. war der Tag etwas länger als die Nacht. Im April verändert sich bis zum Monatsende das Verhältnis zwischen Tag und Nacht rasant. Am 30. April beträgt die Tageslänge bereits 14 Stunden und 52 Minuten und die Nacht ist somit nur etwas mehr als 9 Stunden lang.
Auch bei den Sternbildern vollzieht sich ein Wechsel: Nach und nach verabschieden sich die Wintersternbilder tief im Südwesten stehend und das Sternbild Löwe ist bereits gegen 22 Uhr die dominierende Konstellation hoch im Süden.
Von der vielzitierten siebenfachen „Planetenparade“ ist nun auch nicht mehr viel geblieben. Fälschlicherweise wurden oft Uranus und Neptun mit in diese Reihe aufgenommen. Allerdings sind diese beiden Planeten nur mit Hilfe eines Fernrohrs sichtbar und waren dadurch bei der Parade für das sehende Auge erst gar nicht vertreten. Inzwischen haben sich Saturn, Merkur und auch die strahlend helle Venus vom abendlichen Himmel verabschiedet, da sie nach der Sonne ebenfalls recht schnell untergehen. Somit sind der Mars, der sich noch immer in der Nähe der beiden Zwillingssterne Kastor und Pollux aufhält, und der helle Jupiter, welcher in der Nähe des Himmelsstiers Taurus auffindbar ist, die einzigen Planeten am Abendhimmel. Die Venus hingegen wechselt an den Morgenhimmel. Ihre beste Sichtbarkeit erreicht sie in der Dämmerung des 27.April in östlicher Richtung.

Derzeit erfahren auch amerikanische Universitäten, dass Forschung von teilweise dubiosen politischen Entscheidungen oder Statements abhängt. Momentan ist also kaum vorstellbar, dass ein amerikanischer und ein mexikanischer Astronom in einem gemeinsamen Forschungsauftrag zusammenarbeiten.
Vor gut 70 Jahren war dies noch völlig normal, denn der aus West Virginia stammende George Herbig und der in Mexico City beheimatete Guillermo Haro bildeten ein Forscher-Duo, das sich mit der Entschlüsselung von rätselhaften Nebeln im Kosmos beschäftigte. Am Ende ihrer Forschungsarbeiten fanden sie teilweise unabhängig voneinander heraus, dass die Geburt eines Sterns mit zum Teil extrem energiereichen Vorgängen einhergeht. Die nach ihnen benannten Herbig-Haro-Objekte sind nun unlängst in den Fokus der Kameras der Astronomen geraten.
Das James Webb-Weltraumteleskop, ein Gemeinschaftsprojekt der europäischen ESA, der amerikanischen NASA und der kanadischen CSA, hat dabei ein atemberaubendes Bild der Herbig-Haro Objekte 49 und 50 aufgenommen. Diese HHO´s sind bekannt für ihre spektakulären Auswürfe, die entstehen, wenn Material von jungen Sternen ausgestoßen wird und auf die Gase der unmittelbaren Umgebung trifft. Die imposanten Bilder zeigen deutlich, wie der stellare Tornado die mit einer Millionen Jahren noch blutjungen Protosterne regelrecht ummantelt.
Das Weltraumteleskop beobachtete bei Herbig-Haro 49/50 einen sogenannten Jet. Dieser strömungsartige Auswurf von nahen, sich noch bildenden Sternen konnte im hochauflösenden Nah- und Mittelinfrarotlicht identifiziert werden. Die komplizierten Merkmale des Jets, die in rötlich-oranger Farbe dargestellt sind, geben detaillierte Hinweise darauf, wie sich junge Sterne bilden und wie ihre Strahlungsaktivität die Umgebung beeinflusst.
Protosterne sind junge Sterne in der Entstehungsphase, die im Allgemeinen schmale Materiestrahlen ausstoßen. In diesem Fall treibt ein Protostern mit der Bezeichnung „Cederblad 110 IRS4“ den Jet an. Diese Strahlen bewegen sich durch die Umgebung und können sich in manchen Fällen über große Entfernungen vom Protostern entfernen.
Wie das Kielwasser eines rasenden Schiffes entstehen die Bögen auf diesem Bild durch den schnellen Aufprall des Strahls auf Staub und Gas in der Umgebung. Das umgebende Material wird komprimiert und erhitzt sich, dann wird es kühler und strahlt Licht im sichtbaren und infraroten Bereich ab. Das hier von Webb-Space-Telescope eingefangene Infrarotlicht hebt insbesondere molekularen Wasserstoff und Kohlenmonoxid hervor.
Vergrößert man das vorliegende Bild, wird erneut schnell klar, dass die hervorragende Optik des Weltraumteleskops noch etliche Galaxien in weiter Entfernung im umgebenden Hintergrund abgebildet hat, darunter auch einige, die durch das diffuse Infrarotlicht des nahen Herbig-Haro-Objekts 49/50 hindurchscheinen.
Eine zufällige Ausrichtung in dieser Himmelsrichtung bietet eine schöne Gegenüberstellung dieses mit 625 Lichtjahren recht nahen Herbig-Haro-Objekts, welches sich im Sternbild Chameleon mitten in unserer Milchstraße befindet, mit einer frontalen Spiralgalaxie im fernen Hintergrund des Kosmos. Dies wird besonders deutlich, wenn man das nachfolgende Video eingehend betrachtet. Man erkennt deutlich, dass die Hintergrund-Galaxie zufällig genau von oben her betrachtet werden kann und ähnlich wie bei unserer Milchstraße ein ausgeprägtes galaktisches Zentrum besitzt, das in diesem Fall weißlich erscheint. Die rötlichen Spiralarme sind etwas verzerrt, was ein Anzeichen dafür sein könnte, dass es sich um eine Balken-Spiral-Galaxis handeln könnte. Der durch die Aufhängung der Optik „zackig“ erscheinende Doppelstern auf acht Uhr gehört nicht zu dieser Milliarden von Lichtjahren entfernten Sterneninsel.
Mit dieser Aufnahme hat das James-Webb-Space-Telescope erneut zeigen können, welche großartige Leistungsfähigkeit es im Abbildungsbereich hat, auch wenn man zugeben muss, dass die Bilder ein wenig nachbearbeitet sind.
Insgesamt kennt man heute mehr als 400 Herbig-Haro-Objekte in unserer Heimatgalaxis. Eine kleine Galerie zeigt ihre Vielfältigkeit: Bild 1; Bild 2; Bild 3. Sie zeugen davon, dass noch heute in den verschiedensten Regionen unserer kosmischen Heimat immer wieder neues, stellares Leben im wahrsten Sinne des Wortes aufblüht.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Samstag 01.02.2025
134. Auf dem Mars ticken die Uhren anders
Bilder
EsWa, Galaxien 308, Digital, 122 x 182, 2024
Mitte des Monats erreicht unser unmittelbarer Nachbarplanet Venus seinen größten östlichen Abstand zur Sonne und ist für mehr als drei Stunden in südwestlicher Richtung als hellstes Objekt am abendlichen Himmel sichtbar. Die durch die hohe Reflektion des Sonnenlichts hervorgerufene Leuchtkraft der Venus hat in der Vergangenheit zu den am häufigsten vermeldeten Anrufen bei astronomischen Einrichtungen geführt, wenn aufgeregte Bürger meinen, ein UFO gesichtet zu haben.
Diese Aufmerksamkeit wird der Planet Saturn nicht erreichen, denn unterhalb neben der Venus stehend, erscheint er eher wie ein blasser Stern. Im Verlaufe der Nacht sind Mars und Jupiter gemeinsam mit dem Wintersechseck zu sehen. Diese riesige Formation - bestehend aus den Sternbildern Fuhrmann, Stier, Orion, Zwillinge, Großer und Kleiner Hund - kann nun bereits bequem ab 19 Uhr betrachtet werden. Jupiter steht dabei unmittelbar in der Nähe des Stiers, währenddessen der rötliche Mars die Zwillingssterne Kastor und Pollux flankiert.

Um das neue Jahr zu feiern, denken sich die Erdbewohner die verschiedenartigsten Dinge aus: Von kulturell geprägten Abenden über ein gemeinsames gemütliches Zusammensein bis hin zu lautstarken und leider nicht mehr ungefährlichen Böllertreffen. Auf dem Mars, einem unserer beiden Nachbarplaneten, geschah der Jahreswechsel allerdings wesentlich ruhiger und auch früher, denn der 12. November 2024 markierte das neue Jahr für den Mars. Wären zu jener Zeit Astronauten auf dem Mars gelandet, dann hätten sie entsprechend dem Mars-Kalender den Wechsel vom Jahr 37 zum Jahr 38 erlebt.
Doch warum sollte man den 12. November als Neujahrstag für den Mars wählen? Und warum befindet sich der uralte Rote Planet nach unserer offiziellen Zeitrechnung erst im Jahr 38? Die Antwort liegt in dem Bedürfnis des Menschen, Ordnung in die Zeitmessung zu bringen, auch wenn dabei neben natürlichen Zyklen ein wenig Willkür die Grundlage ist. Hier auf unserem Heimatplaneten wird größtenteils der Gregorianische Kalender verwendet, um das Jahr zu bestimmen. Mit seiner Einführung durch Papst Gregor XIII erfolgte eine unbedingt notwendige Korrektur, denn auf Donnerstag, den 4.Oktober 1582, folgte sofort Freitag, der 15.10., denn zum Zeitpunkt der Kalenderreform war der zuvor verwendete Julianische Kalender des Römischen Reiches inzwischen so unpräzise geworden, dass er um genau diese 10 Tage korrigiert werden musste.
Es blieben zwar die 365 Tage pro Jahr, doch mit einem zusätzlichen Tag in jedem durch die Zahl 4 teilbaren Jahr wurde das „Schaltjahr“ eingefügt. Im neuen Gregorianischen Kalender finden sich jedoch einige unveränderte Altdaten. So beginnt das Jahr am 1. Januar mit der Huldigung des Gottes Janus.
Auch die Kaiser Julius Cäsar (Monat Juli) und Augustus (Monat August) verewigten sich einst im Kalendarium. Da letzterer einst nicht hinter seinem Vorgänger Cäsar zurückstehen wollte, hatte er „seinen“ Monat August von 30 Tagen ebenfalls auf 31 Tage hochgesetzt. Der daraufhin auf 28 Tage geschrumpfte Februar wurde 1582 als „Schaltmonat“ ausgewählt und wird alle vier Jahre mit dem 29.Februar um den „Schalttag“ verlängert.
Naheliegend wäre eigentlich, dass die Astronomen als ersten Tag des Jahres ein Datum mit großer astronomischer Bedeutung wählen. Der Tag, an dem unser Planet der Sonne am nächsten kommt (Perihel) wäre prädestiniert. Noch heute ziehen es die Astronomen vor, alles am Himmel in Bezug auf die Tagundnachtgleiche im März zu messen und auch das in Greenwich verankerte Überbleibsel der auf die Nordhalbkugel fokussierten Zeitmessung ist scheinbar unumstößlich. Was hat das alles nun mit dem Mars zu tun?
Mit den ersten Sonden, die zum Roten Planeten flogen, wurde schnell klar, dass wir eine Art Marskalender brauchen. Doch ein solcher Kalender müsste sich stark von unserem unterscheiden. Die offensichtlichen Gründe dafür sind zum einen, dass der Mars weiter von der Sonne entfernt ist und wesentlich länger braucht, um einen einzigen Umlauf um unseren Stern zu vollenden und dass zum anderen der Tag auf dem Mars ebenfalls länger dauert als auf unserer Erde. Genauer gesagt: Das Marsjahr hat 687 Erdtage und der Marstag - von den Astronomen Sol genannt, um ihn von einem Erdentag zu unterscheiden - ist mit 24 Stunden, 39 Minuten und 35 Sekunden ein wenig länger als unser irdischer Tag. Damit hat ein Marsjahr etwa 668Sols.
Für die Planetenforscher war es naheliegend, das Jahr auf dem Mars ebenfalls zum Zeitpunkt der Frühlings-Tagundnachtgleiche des Planeten zu beginnen. Wie die Erde ist auch die Drehachse des Mars relativ zu seiner Umlaufbahn gekippt. Mit einer Achsneigung von 25,19 Grad hat der Mars eine relativ ähnliche Neigung wie die 23,44 Grad auf der Erde. Das bedeutet, dass auf dem Mars ebenso Jahreszeiten herrschen wie auf der Erde, nur dass diese auch fast doppelt so lang sein müssten. Außerdem hat der Mars eine ausgeprägte Ellipse, die ihn in seinem sonnennahen Punkt auf 206,7 Mill. km Entfernung zur Sonne bringt, währenddessen er sich im sonnenfernsten Punkt auf 249,1 Mill. km entfernt. Dies hat wiederum aufgrund der Kepler-Gesetze weitere Auswirkungen: Wenn der Planet Mars der Sonne am nächsten ist (im Winter auf der nördlichen Hemisphäre), ist seine Umlaufgeschwindigkeit höher als wenn er am weitesten entfernt ist (im nördlichen Sommer). In Verbindung mit dieser ovalen Form der Umlaufbahn bedeutet das, dass die Jahreszeiten eine unterschiedliche Länge haben. Der nördliche Frühling ist 194 Sols lang, während der Sommer 178, der Herbst 142 und der Winter 154 Sols aufweisen.
Das führt übrigens auch zu starken Veränderungen auf seiner Oberfläche: So zum Beispiel die ausgeprägten Staubstürme, die Astronomen bereits seit der ersten Benutzung der Teleskope beobachten konnten. Wenn die Temperaturen im Marsfrühling steigen, entstehen zum Teil riesige Stürme, die mit ihrem rötlichen Staub große Teile des Planeten bedecken können und für die Solarzellen der verschiedenen Marsrover schon immer die größte Gefahr darstellten.
Aber auch andere Unbilden würden das Leben auf dem Mars schwierig machen: Die erdrückend dünne und hochgiftige Kohlendioxid-Atmosphäre, die hohe Strahlungsintensität aufgrund des fehlenden Magnetfeldes, der aufwendige Zugang zu Vorräten von der Erde und die im Durchschnitt bei Minus 65 Grad liegenden Außentemperaturen. Was die Zeitrechnung betrifft, wäre es aber recht einfach, denn der Marskalender ist bisher nur bis zum Jahr 38 fortgeschritten. Dies liegt in einer recht bizarren Tatsache begründet: Wissenschaftler beschlossen, das Jahr 1 als den Zeitpunkt zu markieren, an dem 1956 ein riesiger Staubsturm über die Oberfläche des Planeten tobte – eines der bemerkenswertesten Ereignisse auf einem anderen Planeten während der frühen Erforschungsphase des Weltraumzeitalters.
Die Frühlings-Tagundnachtgleiche fand am 11. April 1955 statt, sodass dieser Tag heute als das erste Neujahr auf dem Planeten gilt. Die in ferner Zukunft trotz aller äußeren Unbilden auf dem Mars lebenden Menschen könnten vielleicht durch diesen Kalender eine gewisse Entschleunigung erfahren: Zum einen könnten die ausgedehnten Jahreszeiten dazu beitragen und zum anderen bietet der Marstag Sol täglich eine fast 40 minütige Verlängerung der Tageslänge gegenüber unseren Erdgewohnheiten. Menschen, denen die 24 Stunden auf unserem Heimatplaneten oft nicht ausreichen, käme dies entgegen und wie oft haben wir uns vielleicht auch selbst schon gewünscht, dass ein besonders schöner Tag ein klein wenig länger andauern könnte.
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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Mittwoch 01.01.2025
133. Vom Funkeln der Glühwürmchen
Bilder
EsWa, Galaxien 304, Digital, 162 x 185, 2024
Im Januar dominieren sowohl die hellen Sterne des Wintersechsecks (siehe Kosmos 131) als auch die zum Teil noch helleren Planeten. Dabei stehen die strahlende Venus und der gelbliche Saturn als abendliche Himmelskörper relativ hoch im Südwesten. Vier Stunden nach Sonnenuntergang gehen beide Planeten unter. Dafür sind der rötliche Mars, der die Zwillingssterne Castor und Polux flankiert und Riesenplanet Jupiter, der seinerseits nahe des Siebengestirns der Plejaden steht, fast die gesamte Nacht sichtbar.

Vor mehr als drei Jahren startete am ersten Weihnachtsfeiertag 2021 das James Webb Weltraumteleskops auf seine Reise zu seinem Stationierungspunkt in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung zur Erde. Unmittelbar vor dem Jubiläum wurden die neuesten Aufnahmen veröffentlicht und es scheint fast so, als wollten die Wissenschaftler der am Projekt beteiligten Forschungszentren, dass man jetzt in der kalten Jahreszeit durch das Funkeln der unfassbar weit entfernten kosmischen Glühwürmchen an warme Sommernächte erinnert wird.
In der Realität ist es allerdings so, dass wir die als „Firefly Sparkle Galaxy“ bezeichnete Welteninsel direkt gar nicht sehen können. Wie konnte man sie trotzdem entdecken? Die Lösung des Rätsels ist der Gravitationslinseneffekt, den Albert Einstein bereits 1936 im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seiner allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt hatte. Dabei ist es so, dass extrem weit entfernte Objekte trotz der Tatsache, dass sie nicht direkt sichtbar sind, durch gravitative Umlenkung ihres Lichts für uns in einer ganz besonderen Form in Erscheinung treten. Grund dafür sind oftmals die Cluster von Galaxien, die in der direkten Blickrichtung auf das ferne Objekt stehen. Eigentlich versperren sie den Blick auf die dahinter liegenden Objekte, doch ihre unglaublich hohe Anziehungskraft schafft es tatsächlich, das Licht der in der Ferne verborgenen Galaxie quasi um die Kurve zu leiten.
Der Effekt der Umlenkung des Lichts geschieht in diesem Fall durch den Galaxienhaufen mit der Bezeichnung MACS J1423. Dieser erzeugt mit seiner gigantischen Masse eine so ungeheure Gravitation, dass das eigentlich in weiter Ferne verborgene Glühwürmchen für uns sichtbar wird.
Für die Wissenschaftler sind solche Aufnahmen von ganz besonderer Bedeutung, da sie uns praktisch in die frühste Phase der Galaxien-Bildung zurückführen, die 600 Millionen Jahren nach der kosmischen Singularität, dem so genannten Urknall, geschah. In dieser frühen Zeit des Universums bildete sich die jetzt entdeckte Firefly Sparkle Galaxy.
Ein Forscherteam um Lamiya Mowla vom US amerikanischen Wesley College veröffentlichte hierzu eine Analyse der eher massearmen Galaxie, die in der jungen Epoche des Universums entstanden ist. Da das Alter des heutigen Universums auf 13,8 Milliarden Jahre geschätzt wird, bedeutet dies, dass die Firefly Sparkle Galaxy mit 13,2 Milliarden Jahre die jüngste ihrer Art ist. Somit stellt sie gewissermaßen das Licht aus der Morgendämmerung des Universums dar. Gerade solch junge Galaxien zu beobachten ist für die Darstellung der ersten Strukturen unseres Universums ungeheuer wichtig.
Das galaktische Glühwürmchen hat auch noch einen anderen Rekord zu bieten. Es ist die so genannte Rotverschiebung. Dies ist ein Maß dafür, wie weit ein Objekt von der Erde entfernt ist, denn je weiter sich ein Objekt von uns entfernt befindet, desto mehr verschiebt sich sein Spektrum in den Bereich des roten Lichts. Man spricht auch von der Rotverschiebung, die auf den vom österreichischen Physiker Johann Christian Doppler entdeckten Dopplereffekt zurückgeht. Der „Redshift“-Wert für das Objekt Firefly Sparkle Galaxy beträgt z = 8,3, was wiederum bedeutet, dass die Galaxie zu einem Zeitpunkt entstand, als das Universum gerade einmal 4 Prozent seines heutigen Alters erreicht hatte. Damit gehört sie zu den weit entfernten Objekten, die sich mit enorm hoher Geschwindigkeit von uns wegbewegen.
Die Galaxie hat sogar noch zwei Begleiter. Das ist nicht ungewöhnlich, denn unsere heimatliche Galaxis wird ebenfalls von zwei Begleitern, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke, umsäumt. Es sind die beiden diffusen Zwerggalaxien am Südhimmel, die vom portugiesischen Seefahrer Magellan entdeckt wurden.
Die beiden Objekte, die unsere Milchstraße im galaktischen Halo begleiten, umfassen jeweils ca. 100.000-150.000 Sterne. Ähnliches Begleitpersonal scheint es bei der Fireflye Sparkle Galaxy zu geben, die man deutlich jeweils seitlich der Hauptgalaxie erkennt.
Die zunächst nur Companion 1 und 2 benannten Minigalaxien haben inzwischen liebevolle Spitznamen bekommen, indem sie „Fireflye Best Friend“ und „Fireflye Next Best Friend“ getauft wurden. Vielleicht ist die Benennung mit diesen auffälligen „Nicknames“ auch eine kleine Referenz an das junge Publikum, das sich vor allen Dingen in amerikanischen Schulen mit aktuellen astronomischen Aufnahmen der beiden Weltraumteleskope beschäftigt. Auf speziell für „Astro-Kids“ gestalteten Websites werden dort schon seit mehr als 30 Jahren astronomische Wissensinhalte in einfacher, aber gut verständlicher Weise vermittelt. Dieser populärwissenschaftliche Ansatz zieht sich bis in die heutige Zeit und hat sich seit der Inbetriebnahme des Webb Space Telescopes noch vergrößert.
Hierzulande diskutiert man derweil aufgrund des Lehrermangels darüber, die Fachkräfte in ihren angestammten und permanent unterbesetzten Fächern Mathematik und Physik unterrichten zu lassen, bevor sie sich dem „Luxus“ astronomischer Inhalte widmen.
Es gibt sogar Forderungen, Astronomie als Unterrichtfach selbst aus dem Schulkanon zu verbannen. Dies ist eine kurzsichtige Variante, denn Bildungspolitik kann nicht den Anspruch haben, den Mangel an Lehrkräften nur zu verwalten. Sie sollte vielmehr darauf gerichtet sein, der ältesten Wissenschaft der Menschheit endlich einen breiteren Raum in der Wissensvermittlung zu geben.
Doch zurück zur eigentlichen Aufnahme des Webteleskops. Die Dimensionen dieser tief ins All reichenden Aufnahme sind nur schwer nachvollziehbar, denn mit 2,3 x 2,3 Bogenminuten, was umgerechnet weniger als 0,05 x 0,05 Grad entspricht, ist hier nur ein winziger Ausschnitt des Kosmos zu sehen. Wir erkennen eine ungeheure Vielfalt an Galaxien aller Art im Hintergrund, währenddessen Sterne unserer eigenen Milchstraße gerade einmal an einer Hand abzuzählen sind. Es scheint sich damit immer mehr zu bestätigen, dass die Gesamtzahl der Galaxien im Universum die Zahl von 2 Billion erreichen könnte, wie der weltbekannte englische Astronom Prof. Brian Cox unlängst bestätigte. Wenn sich dann noch in jeder dieser 2.000.000.000.000 Spiralnebel durchschnittlich 2.000.000.000 Sterne befinden, kommt man auf die unfassbare astronomische Zahl von 4.000.000.000.000.000.000.000 Sonnen im Universum. Legt man dann noch die durchschnittliche Anzahl der Planeten bei diesen fernen Sonnen auf 2,5 pro Stern fest, wäre die Gesamtzahl aller Planeten im Weltall eine 1 mit 22 Nullen!
Wie formulierte Carl Sagan einst in seinem Buch „Unser Kosmos“ so passend: „Das Alter und die Ausdehnung des Kosmos überschreiten die gewohnten menschlichen Begriffe. Wir spüren, dass wir vor dem größten aller Geheimnisse stehen.“
Klaus Huch, Planetarium Halberstadt
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