Recital mit der Pianistin Charlotte Hu beim „Fürstenfelder Klaviersommer“
Fürstenfeld. Der von Susanne und Dinis Schemann vor einigen Jahren initiierte Fürstenfelder Klaviersommer ist nicht nur zu einer festen Einrichtung im Jahreskalender des Stadtsaal geworden, sondern auch zu einem Geheimtipp, um neue Pianisten kennenzulernen. Auch in diesem Jahr gastieren an den drei Abenden Tastenkünstler, deren Namen wohl die meisten der Konzertbesucher noch nicht gehört haben. Sie können aber darauf vertrauen, dass sie nicht enttäuscht werden, wenn sie sich darauf einlassen. Das galt auch für den Abend am vergangenen Samstag, als die taiwanesisch-amerikanische Pianistin Charlotte Hu gastierte. Sie hatte ein Programm mitgebracht, das eher selten gespielte Werke des riesiegen Klavierrepertoires enthielt. Und sie wählte eine Reihenfolge, die chronologisch rückwärts angelegt war, was sich nachträglich als sehr gut tragfähig erwies.
Zu Beginn erklang „Clair de lune“ aus der „Suite bergamasque“ von Claude Debussy. Die impressionistische Klangsprache erwies sich später als logische Weiterentwicklung einer sich stärker öffnenden Tonalität. Hier legte sich quasi akustisch eine Mondstimmung über den Saal, der die Qualitäten eines vergrößerten Wohnzimmers hat. So samtweich der Klang auf verschiedenen dynamischen Ebenen war, so hatten die einzelnen Töne dennoch alle einen Kern, so dass kein Nebel entstand.
Enrique Granados ist ein spanischer Komponist, dessen Werke nicht nur dem frühen 20. Jahrhundert, sondern auch dem Lokalkolorit seiner Heimat verbunden sind. Aus der Sammlung seiner „Goyescas“, die von Gemälden des Malers Francisco de Goya inspiriert waren, erklangen drei Nummern. Allein der Titel „Liebe und Tod“ evoziert hohe Gefühle. Kraftvolle Akkorde zu Beginn symbolisierten die Macht der Liebe. Doch erst die Dialoge mit unendlich singenden Kantilenen deckten das Spektrum der Gefühle ab. Das spannungsvolle Musizieren fußte auf behaglichen Harmonien, die Charlotte Hu mit Eindringlichkeit offenlegte. Fahle Klänge und Generalpausen zum Schluss waren dem „Tod“ zuzuordnen. Die Harmonien in „Klagen, oder Die Maja und die Nachtigall“ waren impressionistisch in der Klangsprache angehaucht. Hörbar spanisch wurde es in „Die Schmeicheleien“ Viel Esprit begleitete das spanische Kolorit, wobei dessen Klänge in sich verschlungenen Wegen folgten. Gegen Ende gipfelten die einschmeichelnden Klänge in ekstatischer Steigerung.
Franz Liszt gehört zu den großen Virtuosen des 19. Jahrhunderts, doch wäre es zu kurz gegriffen, ihn als bloßen Tastenlöwen abzutun. Die drei Etüden, die Charlotte Hu von ihm spielte, bedienten sich zwar zahlreicher Mittel für einen brillanten Klangeindruck. Die perlenden Tongirlanden, die mit wunderbarer Leichtigkeit zu hören waren, standen jedoch nicht für sich, sondern umrahmten veritable Melodielinien, die wie aus einem Zauberreich erstanden. In größerem Zusammenhang waren solche Details in der berühmten „Rhapsodie espagnole“ zu hören. Auch hier gab es eine „hohe Tastendichte“, die mit viel Schwung und gegen Ende mit einer großen Steigerung hinein in einen fulminanten Schluss führte. Die verschiedenen Teile hatten unterschiedliche Charaktere, wurden jedoch alle mit höchst beeindruckender Energie und Intensität individuell ausgestaltet.
Am Ende wurde die Pianistin Charlotte Hu vom Publikum gefeiert. So rot ihr Kleid war, so feurig war auch ihr Spiel an diesem Abend. Mit zwei Liszt-Bearbeitungen von Schubert-Liedern als Zugabe bedankte sich die Künstlerin bei ihren Zuhörern.
Klaus Mohr