In INTERVIEW werden Persönlichkeiten vorgestellt, die auf unterschiedlichste Weise das kulturelle Leben gestalten und bereichern - dabei oftweit über die Landesgrenze hinaus wirkend. Hier eine kleine Auswahl der Vorgestellten: Henning Venske, Gisela Schneeberger, Inga Rumpf, Hauschka, Stoppok, Wellküren, Isabelle Faust, Fritz Egner, Willy Michl, Nik Bärtsch, Ewa Kupiec, Symin Samawatie, Axel Hacke u.v.a.m.
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Dienstag 21.10.2025
243. Joe Hertenstein - Mehr Jazz im Stadtbild!
Joe Hertenstein ist Schlagzeuger. Schon als Kind trommelte er, interessierte sich anfangs aber mehr für Rock und Klassik. Nachdem er den Jazz für sich entdeckte, studierte er Musik in München, Rotterdam, Berlin und Köln. 2007 ging er mit einem DAAD-Stipendium nach New York, studierte dort weiter und lernte das Who's Who der Szene kennen und spielte mit
Butch Morris, Karl Berger, Tim Hagans, Matthew Shipp, Daniel Carter u.v.m.. In einem Interview sagte der Schlagzeuger, der übrigens auch unter dem Pseudonym
Joe Stone als Countrysänger auftritt, „
Jazz ist die gelebte Utopie der Mitmenschlichkeit, die Musik das Ergebnis von Synergie.“. Joe Hertenstein rief am Hudson River etliche eigene Projekte ins Leben, bis er 2020 wieder nach Deutschland, nach Berlin zog.
Neben einer großen Anzahl an Bandkonstellationen und Aktivitäten existiert seit einiger Zeit ein außergewöhnliches Quartett von Hertenstein mit dem Posaunisten
Ray Anderson, dem Saxophonisten und Klarinettisten
Michael Moore und dem sturmerprobten Bassisten
Michael Formanek. Eine Band der Superlative, die dieser Tage bei dem Warschauer Label
Fundacja Sluchaj! Records das Album „The 7th Dinner – Live“ veröffentlichte. Fünf Titel des Albums stammen von Joe Hertenstein, eine Nummer aus der Feder von Michael Moore. Ein breites Spektrum an aufwühlenden Themen, die hier bearbeitet werden. Trotz aller Energie und Freiheiten outen sich alle vier Instrumentalisten als herausfordernde Feingeister. Man könnte die Musik auch als eine Art suggestives Underground Abenteuer einordnen. Es herrscht eine erfrischende Unvorhersehbarkeit, egal ob das Quartett wie der Teufel groovt („Alles Jutta for Jutta Hipp“), eine Ballade zu ehren
Paul Motians präsentiert „Ballad For Paul & Poo“, oder die einzelnen Mitglieder mit vollem Risiko ihre Emotionen ins Spiel bringen. Es ist stets eine kontrollierte Freiheit, die diese Aufnahmen bestimmen, ein gemeinschaftlicher, gruppendynamischer Prozess, dem die Hingabe und die Begeisterung der Musiker für ihr Tun anzuhören ist und die sich in ganzer Intensität auf den Hörer überträgt. So kann man im Grunde nur hoffen, dass diese Band bald wieder auf Tour ist und vielleicht ja ganz in der Nähe spielt …...
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?Joe Hertenstein: Als Erstgeborener meiner Eltern war mein Vater immer eifersüchtig auf mich und hat mich meine Kindheit durch sozusagen abgelehnt.
Entsprechend verunsichert war ich das "awkward kid" meiner Schulzeit (manche sagen heute noch). Kompensation gab mir das Musizieren, so habe ich mich schon früh komplett da reingeschmissen und quasi ein Doppelleben geführt: Joerg/Joe. Der Umlaut meines Vornamens war mir immer verhasst und vertrug sich nie mit meiner Liebe zu New York City.
KK: Wen bzw. was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?JH: Sie! Danach dich.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?JH: Unmusikalischen Entscheidungsträgern.
KK: Welche Erlebnisse haben Sie zuletzt stark beeindruckt?JH: Musiker im hohen Alter noch so aktiv zu sehen wie Berlins Synthesizer-Oma Rosi Förster, Gunter Hampel oder Alexander von Schlippenbach, mit denen ich ab und zu spielen darf, z.B. mit Hampel am 1.11. im Berliner Kühlspot. Oder morgens um Vier in NY mit dem Fackelträger Marshall Allen (heute 101) gefeiert zu haben. Letzten November sah ich Bob Dylan mit Jim Keltner in Berlin - schwer beeindruckend, schon alleine wegen des Reisens dieser Tourneen, Willie Nelson (91), Joni Mitchell treten noch auf. Oder eben Ray Anderson, mit dem ich letzten Oktober zwei Wochen lang durch fünf Länder tourte - lebensbejahend, entwaffnend.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?JH: Wenn die Snare gut klingt.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Art von Musik mögen Sie besonders?JH: Es gibt nur zwei Arten Musik.
KK: Hören Sie eher CD oder Vinyl?JH: Alle drei. Zur aktuellen CD "The 7th Dinner LIVE" werden weitere Aufnahmen der Tournee Ende des Jahres auf Vinyl erscheinen.
KK: Was lesen Sie momentan?JH: Immer wieder lese ich in „Problems of Art“ von
Susanne Langer. Als großer Fan der Band „The Band“ ganz aktuell „Richard Manuel: His Life and Music“ von Stephen T. Lewis. Außerdem schmökere ich in „Inside The Music: The Life Of Idris Muhammad“ von Britt Alexander -
einen Besuch New Orleans' kann ich nur jedem empfehlen - sowie jüngst in „Mark Rothko, The Artist's Reality“, unbedingt das Rothko Chapel in Houston besuchen!
KK: Was ärgert Sie maßlos?JH: Rassismus, Xenophobie und Ignoranz lauter Menschen. Ideologie. Snobismus. Nach-unten-Treter. Milliardäre. Die Gewaltigkeit der Propaganda. Afd-Wähler! Schlimm beeindruckt mich das deutschtypische Beschwichtigen und wie offen man den sogenannten Leitmedien mittlerweile die Agenda abliest. Wer rechts wählt, stinkt! Ansonsten bin ich recht ausgeglichen.
KK: Was freut Sie ungemein?JH: Wenn's swingt.
KK: Haben Sie jemals ein Kleidungs- bzw. Möbelstück selbst genäht oder getischlert?JH: Kleidung habe ich schon mal alteriert, sah vorher besser aus.
KK: Von welchem Schauspieler / welcher Schauspielerin sind sie in welchem Film beeindruckt?JH: Roberto Benigni in der Tragikomödie "Das Leben ist schön" von 1997. Unglaublich, dieses Thema so anzugehen!
KK: Was würden Sie gern erfinden, was es Ihrer Meinung bisher noch nicht gibt?JH: So einen Knopf, den man zweimal drückt, nach links dreht und die Rückenschmerzen sind weg.
KK: Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer oder Teamplayer?JH: Viele Aspekte meines Alltags muss ich (leider) alleine bewältigen, andere funktionieren zum Glück nur im Team.
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?JH: Ich hoffe, vor Publikum.
KK: Welche Websites oder Blogs lesen Sie?JH: Täglich immobilienscout24 auf der Suche nach einer größeren Wohnung in Berlin.
KK: Was würden Sie ändern, wenn Sie für einen Tag Staatsminister für Kultur wären?JH: Die Zwänge des Jobs würden mich wahrscheinlich den Tag nicht überleben lassen.
KK: Wenn Sie eine Autobiographie schreiben würden, wie wäre der Titel?JH: „...stein, not ...steen!“
KK: Wie stellen sie sich die Zukunft vor?JH: KI ist nicht intelligent, sie ist logisch, Künstliche Logik sollte man es nennen, also KL, das wäre viel weniger reißerisch und weniger beklemmend, und diese als Werkzeug wahrnehmen, die leider auch zur Überwachung missbraucht werden wird - sehr beklemmend. Dafür kann ich Ihnen bald schon meine CD per Drohne liefern lassen. Zum Beispiel mein Album „FUTURE DRONE“ von 2011.
Faire Kompensation von unabhängigen Künstlern wird wohl eine Utopie bleiben? „Geiz ist geil!“ hat in Dütschland soviel kaputt gemacht. Ich wünsche mir die Abkehr der Gesellschaft von Schleuderpreis-Streamingdiensten: SPOTIFY hat jüngst in Militär-Start-Ups investiert und jetzt laufen dort Rekrutierungswerbespots der US-ICE-Behörde - zum Himmel schreiend! Mit 10,- pro Monat finanzieren ignorante Hörer diese Entmenschlichungsplattform für das bisschen verseuchte Bequemlichkeit. Es gibt leider noch viel zu viele Titel mit meiner Mitwirkung dort zu streamen. Wenn Sie dies lesen, bitte kaufen Sie meine Musik als CD/LP und/oder Download, am besten via meiner Seite bei
Bandcamp.com, die natürlich auch über meine Webseite verlinkt ist:
joehertenstein.comUnd sollten Sie sich Musik wirklich nicht leisten wollen, schicke ich Ihnen gerne einen gratis Downloadcode, wenn Sie dafür Ihre SPOTIFY-App löschen - ich freue mich auf Ihre Nachricht.
In Irland z.B. gibt es ein Grundeinkommen für Künstler: Das BIA (Basic Income for the Arts) war ein testweise laufendes Projekt, das während der Coronakrise erdacht und im August 2022 umgesetzt wurde: 2000 irische Künstler:innen erhielten wöchentlich €325 (rd. €1.300 mtl.) von 2022 bis 2025. Das Pilotprojekt „Grundeinkommen für die Künste“ erwirtschaftete dann über 100 Millionen Euro - eine systemrelevante Wirtschaftsleistung, na sowas?! - und wurde jüngst verlängert, wie intelligent! Es soll Leute geben, die sich über so eine Idee lustig machen, während sie gratis Musik streamen: Hallo Umverteilung. Immerhin hat Deutschland die KSK, aber wäre das Grundeinkommen für Künstler nicht auch etwas für das Land der Dichter und Denker? Die Franzosen z.B. haben die Intermittents.?
Mehr Jazz im Stadtbild!
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Sonntag 05.10.2025
242. Marion & Sobo Band: Ich bin ein Teamplayer
Marion & Sobo Band, eine deutsch-französisch-polnische Band, bewegt sich musikalisch zwischen Gypsy-Jazz, Rumba, Balkan- und Chansonklängen. Im Zentrum der Bonner Quintett-Formation steht die mehrsprachige franko-amerikanische Sängerin Marion Lenfant-Preus und der polnische Gitarrist Alexander Sobocinski, genannt Sobo. „Absolut unwiderstehlich“, schreibt das Folker Magazine über die Auftritte der Band und die Frankfurter Allgemeine Zeitung meint: „Den Sound von Django Reinhardt ins 21. Jahrhundert zu holen, das gelingt Marion & Sobo Band auf deren drittem Album „Gomera“ nebenbei.“
Das besondere neben der stilistischen und folkloristischen Vielseitigkeit der Musiker ist ihre Kunst, historisches zeitgemäß klingen zu lassen und in eigenen Stücke die Tradition wach zu halten. Sie sind häufiger Gast bei Folk-, Welt- und Jazzfestivals, ihre Alben haben Kultstatus. Die Zeitschrift Jazzthetik beschreibt Marion & Sobo Band: „ … Musik, die im knapp hundert Jahre alten Jazz Manouche wurzelt, ihn aber mit neuen Einflüssen verändert und auffrischt.“
Marion & Sobo Band werden am 10. Oktober die diesjährige Gilchinger Kulturwoche im Rathaussaal der Stadt eröffnen. Beginn des Konzertes: 19.30 Uhr.
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?
Marion Lenfant-Preus: Durch sehr unterschiedliche Musik, die ich als Kind und Jugendliche gehört und gemocht habe – Klassik, Jazz, Bossa, Soul, Pop, Swing, Balkan. Musik von Bach, Ella Fitzgerald, Antonio Carlos Jobim, Lauryn Hill, Charles Trenet, Django Reinhardt & Stéphane Grappelli, Aretha Franklin, Sting, Maria Rita, Sansévérino, Soundtracks aus Filmen von Emir Kusturica …. .
KK: Wen bzw. was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
ML-P: Ich möchte Menschen mit Emotionen erreichen. Freude schenken! Etwas zum nachdenken präsentieren. Dabei Leichtigkeit vermitteln die nicht oberflächlich ist. Authentisches spielen. Unsere Konzerte sollen ein Ort der Begegnung sein. Ein Ort der Sinne. Menschen ein Erlebnis vermitteln, dass diese nach unseren Auftritten mit einem Lächeln wieder nach Hause gehen.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?
ML-P: Mit Zeitdruck. Die Welt dreht sich immer schneller. Die Konzerte planen wir zum größten Teil selbst, wir spielen sie, wir komponieren, wir sind online sehr aktiv, um Neues zu spielen und ein breites Publikum zu erreichen. Online und Offline aktiv zu sein braucht eine innere Balance – und der Tag hat nun einmal nicht mehr als 24 Stunden. Gleichzeitig ist Zeitdruck auch motivierend. Notwendige Reibungen entstehen. Ich brauche zum Beispiel eine Deadline um Songs und Alben fertig zu stellen. Man lernt, wie in der Schule, erst dann intensiv, wenn die Prüfungen vor der Tür stehen ….. .
KK: Welche Erlebnisse haben Sie zuletzt stark beeindruckt?
ML-P: Ich beantworte hier alle Fragen selbst, weil Sobo gerade auf Reisen ist. Er hätte vielleicht hier und da andere Antworten gewählt und andere Geschichten erzählt. Ich war jedenfalls vor einem Monat tief berührt, als eine Frau nach dem Konzert mir persönlich sagte, dass mein acapella gesungenes Intro zu dem Balkan Stück „Ederlezi“ sie zu Tränen berührt hat – obwohl der ganze Abend ansonsten leicht und beschwingt war. Da waren plötzlich andere Töne, war eine andere Stimmung. Ich habe gemerkt, dass die Musik am Anfang ihr erlaubte, etwas anderes zu fühlen was tiefer ging.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?
ML-P: Der Kontakt zum Publikum, zu den Veranstaltern, zu den Mitmusikern, zum Kellner-Team vor Ort - durch die Musik ganz allgemein. Es sind viele engagierte Leute an unserer Arbeit beteiligt, und mit ihnen ist es wunderbar derartige Abende zu gestalten.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Art von Musik mögen Sie besonders?
ML-P: Ich höre sehr vieles Unterschiedliches - und oft auch was ganz andere Musik, als ich auf der Bühne singe. Zum Beispiel die Newcomer-Pop-Soul-Sängerin Olivia Dean, oder die bekannte Funkband Vulfpeck.
KK: Hören Sie eher CD oder Vinyl?
ML-P: Im Auto CD. Ich streame ansonsten Musik, da es immer weniger Alternativen gibt. Für Künstler ist dies finanziell natürlich problematisch. Deshalb kaufe ich ab und zu CDs bei Live-Konzerten, möchte die Musik eben auch physisch in der Hand haben und zudem möchte ich, dass der Musiker so fair bezahlt wird.
KK: Was lesen Sie momentan?
ML-P: Diese Fragen…! ;) Sonst die Zeitungen und momentan einen Liebesroman auf Englisch – meiner zweiten Muttersprache. Meine Familie kommt zur einen Hälfte aus Frankreich, die andere Hälfte stammt aus den USA. Ich habe beide Staatsangehörigkeiten und bin bilingual in Frankreich aufgewachsen.
KK: Was ärgert Sie maßlos?
ML-P: Trump und alle Diktatoren und Faschisten dieser Welt, und dass wir ihnen scheinbar immer mehr Macht geben und sie machen lassen, ohne sie zu stoppen, ohne sie zu unterbrechen, ihnen das Mikro und die Macht wegzunehmen. Es ist zum Kotzen, dass wir nichts aus den Weltkriegen gelernt haben. Und dabei ist die Mehrheit der Gesellschaft für Frieden, mehr Gemeinschaftsgefühle, gegen Rassismus - würde ich behaupten. Wir schauen zu, wie die Welt durch solche Menschen hässlich wird...
KK: Was freut Sie ungemein?
ML-P: Heute war ich im Siebengebirge wandern! Herrlich. Die Sonne und die Farben ändern sich zu Gold, rote Töne, braune Paletten, ganz unterschiedlich, wie kleine Gemälde.
KK: Haben Sie jemals ein Kleidungs- bzw. Möbelstück selbst genäht oder getischlert?
ML-P: Nein und ich bewundere tatsächlich Menschen, die solches mit ihren Händen einfach so kreieren können!
KK: Von welchem Schauspieler / welcher Schauspielerin sind sie in welchem Film beeindruckt?
ML-P: Roberto Begnini in „Das Leben ist Schön“ (La vita è bella) von 1997.
KK: Was würden Sie gern erfinden, was es Ihrer Meinung bisher noch nicht gibt?
ML-P: Mir fällt nichts ein was direkt mit Musik zu tun hat. Aber ich fände es langsam an der Zeit, dass irgendjemand eine endgültige Therapie für alle Krebserkrankungen findet. Zwei sehr sehr enge Familienmitglieder von mir sind letztes Jahr plötzlich an Krebs zu früh gestorben und ich verstehe nicht, warum wir das immer noch nicht im Griff haben, mit allen Technologien, die wir sonst erfinden. Krebs zu heilen wäre für mich die Priorität, und nicht, dass wir ein paar Milliardäre ins All schicken …. .
KK: Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer, oder Teamplayer?
ML-P: Ich bin ein Teamplayer. Ich bin ein Zwillingskind, also glaube ich seit meiner Geburt an die Stärke eines Teams! Man kann von seinen Mitmenschen nur lernen, und selber wachsen. Ich glaube außerdem, dass Erfolg Teamsache ist. Niemand wird allein erfolgreich.
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?
ML-P: Ich bekomme oft Ideen für Texte und Melodien im Zug, im Bus, im Auto, beim Wandern, eben wenn ich in Bewegung bin! Und öfters auch, nachdem ich Konzerte von anderen Bands gehört habe.
KK: Welche Websites oder Blogs lesen Sie?
ML-P: Ich bin oft auf Webseiten mit Synonymen. Wenn ich Songtexte schreibe und andere Ideen brauche und nach Wörtern suche gehe ich auf solche Portale.
KK: Was würden Sie ändern, wenn Sie für einen Tag Staatsminister für Kultur wären?
ML-P: Ein größeres Budget für alle die in der Kulturbranche arbeiten. Es sagt viel über die Szene, in der ich arbeite, dass viele Konzerte u.a im Jazz und globaler Musik von Ehrenamtlichen organisiert werden. Viele Jazzclubs und Kleinkunstbühnen würden nicht existieren und würden nicht veranstalten können, wenn Ehrenamtliche sich nicht engagieren würden, obwohl sie tagsüber auch schon in einem anderen Job gearbeitet haben. Die Kultur braucht mehr finanzielle Mittel, denn Kultur ist essenzieller für jede Gesellschaft als irgendwelche Luxusartikel.
KK: Wenn Sie eine Autobiographie schreiben würden, wie wäre der Titel?
ML-P: Not perfect, but human.
KK: Wie stellen sie sich die Zukunft vor?
ML-P: Ich versuche meinen Optimismus und meine Naivität zu schützen, und hoffe, dass es in der Welt friedlicher wird und Menschen viel mehr im Konzertsaal, im Theater, im Museum - überhaupt mehr Kunst genießen. Außerdem freue ich mich für meine Band, die sonst vor allem im deutschsprachigen Raum spielt, dass sie zum ersten Mal zu einem Konzert in Griechenland im Sommer 2026 eingeladen ist. Ich versuche auch, dass wir nächstes Jahr in Dänemark spielen können. Hoffentlich klappt das!
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Fotos: Verena Sala, Claude Dussez
Mittwoch 24.09.2025
241. Lea Gasser: Musik öffnet Räume
Vor Jahren schrieb ein Jazz-Autor unter der Überschrift „Der multikulturelle Wechselbalg“, dass das Akkordeon endlich im Jazz angekommen sei. Ein immerhin transportables Ein-Mann-Orchester von annehmbarer Komplexität, was seine Handhabung betrifft. Argentinien, Italien, Frankreich, der Balkan – alles Zentren dieses Instruments. Und die Schweiz sollte an dieser Stelle nicht zu vergessen werden. Von hier stammt der avantgardistische Virtuose Hans Hassler, die klassisch ausgerichtete Ina Callejas und natürlich Lea Gasser, die stilübergreifend zwischen Jazz, zeitgenössischer Musik und kammermusikalischen Klangwelten changiert. 2020 gründete sie das Lea Gasser 5tet, mit dem sie das Album „L'Heure Bleue“ einspielte. Vor einem Jahr erhielt die den renommierten ZKB Jazzpreis.
Ihr neuster Streich „Circles“, ein Album mit zehn neuen Kompositionen, die allesamt während einer Kompositionsresidenz in Island entstanden sind. Hier hat sich Lea Grasser „ … von der rauen Natur, der Weite des Nordens und den Geschichten über Elfen, Trolle und Zwischenwelten inspirieren ...“ lassen. Erscheinen wird „Circles“ bei Neuklang Records am 31. Oktober 2025.
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?
Lea Gasser: Ich bin in meinem Leben oft auf tolle Menschen gestoßen, welche mich und mein Wesen gesehen und unterstützt haben. Angefangen bei meinen Eltern, meiner Schwester und meinen Freund*innen, welche mich auf meinem musikalischen Weg sehr unterstützend begleitet haben und dies immer noch tun. Auch von den meisten meiner Lehrpersonen wurde ich toll gefördert. Ich durfte und darf in verschiedenen Projekten mit spannenden Menschen Musik machen, welche mir immer mit viel Vertrauen begegnen und mich inspirieren.
KK: Wen bzw. was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
LG: Für mich hat Musik die besondere Fähigkeit, einen Raum zu eröffnen, in dem wir träumen können – fernab vom Alltag – und uns tief berühren lassen. Dieses Erlebnis gemeinsam mit anderen zu erfahren und zu teilen, empfinde ich als etwas sehr Wertvolles.
Wenn ich während eines Konzerts spüre, wie zwischen uns auf der Bühne und dem Publikum eine echte Verbindung entsteht, eine Art Wechselwirkung, dann ist für mich bereits sehr viel erreicht. Besonders schön finde ich es auch, wenn ich nach einem Konzert Rückmeldungen erhalte und wir im Gespräch Eindrücke und Empfindungen teilen können. Solche Momente sind für mich ein wunderbarer Teil meiner Arbeit.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?
LG: Oft arbeite ich parallel an mehreren Projekten und es ist eine Herausforderung, all die unterschiedlichen Aufgaben im Blick zu behalten: komponieren, üben, administrative Arbeiten erledigen, Dossiers verfassen, Konzerte organisieren oder eine neue CD promoten. Musikerin zu sein bedeutet, viele Rollen gleichzeitig auszufüllen – und dafür ist eine gute Organisation unabdingbar.
Am meisten zu schaffen macht mir jedoch nicht die Vielfalt der Aufgaben, sondern die Phasen, in denen Müdigkeit und selbstkritische Zweifel auftauchen. Diese inneren Hürden können das Arbeiten manchmal besonders anstrengend machen.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?
LG: Wenn Menschen von meiner Musik berührt und dadurch inspiriert werden. Wenn ich in Konzerten voll dabei bin und jeden Moment genießen kann. Wenn ich mit meinen Mitmusiker*innen tolle Momente auf der Bühne erlebe. Wenn ich durch die Musik und das Reisen neue Menschen, Orte und Kulturen kennenlernen darf.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Art von Musik mögen Sie besonders?
LG: Ja, aber wenn ich selber oft Konzert spiele, kann ich nicht zu viel Musik hören, da meine Ohren schnell ermüden. Ich höre gerne Jazz, gerne auch aktuelle CDs aus meiner Region, weil es mich immer sehr interessiert, was die Menschen um mich kreieren. Es kann aber auch anderes sein: Singer Songwriting, Folk, Neoklassik, ...
KK: Hören Sie eher CD oder Vinyl?
LG: Eher CD. Wobei ich diese auf meinen Computer rüberspiele und die Musik dann auf meinem iPod Classic landet, mit welchem ich unterwegs sehr gerne Musik höre.
KK: Was lesen Sie momentan?
LG: „Revolution der Verbundenheit“ von Franziska Schutzbach und „Meine Familie, die AfD und Ich“ von Leonie Plaar. Zwei tolle Schriftstellerinnen, die gesellschaftspolitische Themen ausleuchten.
KK: Was ärgert Sie maßlos?
LG: Die Ungerechtigkeit in dieser Welt und dass machtgierige Menschen obendrin sitzen und so viel kapput machen.
KK: Was freut Sie ungemein?
LG: Wenn sich Menschen zuhören, über den eigenen Tellerrand hinausdenken, sich gegenseitig unterstüzen und an sich selber arbeiten. Ich bin zudem sehr dankbar, dass ich wunderbare Menschen um mich habe und ich in meinem Leben bereits so viele Tolles erleben durfte.
KK: Haben Sie jemals ein Kleidungs- bzw. Möbelstück selbst genäht oder getischlert?
LG: Genäht habe ich, ja. Leider aber noch nie ein Möbelstück getischlert.
KK: Von welchem Schauspieler / welcher Schauspielerin sind sie in welchem Film beeindruckt?
LG: Ouu...ich muss zugeben, dass ich nicht oft Filme schaue. Früher war ich natürlich von Audrey Tatou in „Die fabelhafte Welt der Amélie Poulain“ total begeistert.
KK: Was würden Sie gern erfinden, was es Ihrer Meinung bisher noch nicht gibt?
LG: Ich fände es schön, wenn wir Menschen besser mit dem bereits existierenden Material auf dieser Welt umgehen könnten. Ich glaube nicht, dass wir mehr brauchen.
KK: Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer, oder Teamplayer?
LG: Hm. Ich bin gerne alleine unterwegs und es macht mir nichts aus, Dinge alleine zu organisieren. Ich bin dann aber auch immer sehr gerne von einem guten Team umgeben, welches mich unterstützen kann. Und wenn ich die Gelegenheit habe, in einem Kollektiv mitzuwirken, finde ich dies immer sehr inspirierend.
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?
LG: Wenn ich draußen in der Natur bin und laufe und/oder ganz bei mir, in Ruhe.
KK: Welche Websites oder Blogs lesen Sie?
LG: Ich lese nie viel auf Websites. Die Zeitung WOZ lese ich, und das Magazin Reportagen. Ich lese gerne längere und ausführliche Artikel, auf Papier.
KK: Was würden Sie ändern, wenn Sie für einen Tag Staatsminister für Kultur wären?
LG: Uh, zum Glück bin ich das nicht. Ich denke, dafür wären andere geeigneter. Aber wichtig wäre es sicherlich, Musik und Kultur bereits in der Schule einen hohen Stellenwert zu geben. Gut fände ich auch, dass es mehr finanzielle Mittel für freischaffende Musiker*innen gibt, v.a. im Bereich Jazz, aktuelle und experimentelle Musik.
KK: Wie stellen sie sich die Zukunft vor?
LG: Das ist eine große und tiefgehende Frage. Für mich persönlich wünsche ich mir, mich selbst immer besser zu verstehen, meinen eigenen Weg zu gehen und mich als Mensch stetig weiterzuentwickeln. Ein wichtiger Teil davon ist natürlich auch meine Musik, mit der ich mich kontinuierlich entfalten und wachsen möchte.
Wenn ich jedoch an die Zukunft der Welt denke, bin ich im Moment eher pessimistisch. Ich befürchte, dass in den kommenden Jahren viele Menschen stärker unter schwierigen Lebensbedingungen leiden werden und dass der Klimawandel zahlreiche Orte immer weniger lebenswert machen wird.
Autor: Siehe Artikel
Dienstag 12.08.2025
240. Al Jones: Der Hardcore-Bluesfan
Geboren wurde Al Jones 1951 in Weiden in der Oberpfalz, als Sohn eines amerikanischen GI. Schon als Kind fühlte er sich vom Blues angezogen, wollte Musiker werden. 1969 gastierte die (heute noch bestehende) Weltformation Embryo in Weiden und Al Jones war Teil der Vorband. Der junge Gitarrist fiel den beiden Embryos Ralph Fischer und Christian Burchard sofort auf und sie holten ihn nach München, wo Al Jones ein Jahr Mitglied der Band wurde.
Seine Unnachgiebigkeit und Leidenschaft brachte ihn anschließend als Opening Act mit B. B. King und Johnny Winter zusammen. Er tourte mit Champion Jack Dupree, Tommy Tucker und Louisiana Red. Sein unverwechselbarer Gesangs- und Gitarrenstil machte ihn zu einem der bekanntesten Vertreter des Chicago-Blues in Deutschland. Das amerikanische Magazin Livin Blues ging noch einen Schritt weiter und bestätigte, das es außerhalb der Vereinigten Staaten musikalisch nichts Vergleichbares gäbe, als Al Jones und seine Band. Sein Credo bis heute: „Ich bin ein Hardcore-Bluesfan“.
Am 11. September eröffnet Al Jones und seine Band die neue BluesFirst-Saison in Fürstenfeld. Das Konzert beginnt um 20 Uhr.
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?
Al Jones: Musikalisches Schlüsselerlebnis (die Musik … der Gesang und das Gitarrenspiel von Otis Rush beim American Folk Blues Festival 1966).
KK: Wen bzw. was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
AJ: Die Zuhörer, auch heute noch, für den amerikanischen Blues, Jazz und Soul, für afroamerikanische Musik zu begeistern.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?
AJ: Mit unzureichender Kommunikation und der Zusammenarbeit mit Tontechnikern.
KK: Welche Erlebnisse haben Sie zuletzt stark beeindruckt?
AJ: Musikalisch … die Studiosession der letzten Al Jones-CD „Still In Charge“.
Menschlich: Die nationalistische Politik vieler Staaten.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?
AJ: Ein harmonischer (grooviger, dynamischer) Klang meiner Band.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Art von Musik mögen Sie besonders?
AJ: Von echter Volksmusik (Weltmusik) über Klassik, Blues, Jazz und Popmusik mit ansprechender Lyrik.
KK: Hören Sie eher CD oder Vinyl?
AJ: Überwiegend CDs und meine alten LPs.
KK: Was lesen Sie momentan?
AJ: „Zwischen mir und der Welt“ von Ta-Nehisi Coates.
KK: Was ärgert Sie maßlos?
AJ: Unfreundlichkeit.
KK: Was freut Sie ungemein?
AJ: Echte Freundlichkeit und Respekt.
KK: Haben Sie jemals ein Kleidungs- bzw. Möbelstück selbst genäht oder getischlert?
AJ: Ja, Weihnachtskrippen :-)
KK: Von welchem Schauspieler / welcher Schauspielerin sind sie in welchem Film beeindruckt?
AJ: Besonders von Rooney Mara in dem Film „Verblendung“.
KK: Was würden Sie gern erfinden, was es Ihrer Meinung bisher noch nicht gibt?
AJ: Die moderne Technik lässt keine Wünsche übrig …. die Waschmaschine, der Kühlschrank, alles was für ein bequemes Leben wichtig erscheint ist schon erfunden worden :-)
KK: Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer, oder Teamplayer?
AJ: In einem guten Team macht's Spaß und Freude.
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?
AJ: Oft unter Druck (musikalisch).
KK: Welche Websites oder Blogs lesen Sie?
AJ: Ich finde vieles was mich interessiert in Mediatheken (ARD, ZDF, YouTube).
KK: Wenn Sie eine Autobiographie schreiben würden, wie wäre der Titel?
AJ: Give Up Your Heart, But Don't Lose Your Head.
KK: Wie stellen sie sich die Zukunft vor?
AJ: Politik: Wahrscheinlich düsterer. Technisch, wissenschaftlich: Hoffentlich erkenntnisreicher.
Autor: Siehe Artikel
Mittwoch 18.06.2025
239. Maxine Troglauer: Nachfragen - Nachlesen - Nachhören
Maxine Troglauer hat sich früh für die Bassposaune entschieden. Das bedeutet einerseits wenig vorhandene Literatur und auch Ensembles müssen erst einmal gefunden werden, die diesen dunklen und warmen Instrumentalklang bevorzugen. Andererseits bedeutet die Bassposaune genau aus diesem Grund Freiheit. Von dieser Seite betrachtet es die in Wiesbaden geborene und heute in Berlin lebende Maxine Troglaurer. Auf ihrem Debüt „Hymn“ (Fun In The Church) mäandert sie durch die unterschiedlichsten Stilistiken und Jahrhunderte. Einiges auf diesem Album steht deutlich in der Nähe der Klassik, anderes wiederum scheint auf direktem Wege aus der Moderne zu kommen, manches klingt deutlich notiert und dann schwingen auch immer wieder freie Improvisationen durch Raum und Zeit. Maxine konnte für dieses Album neben dem Pianisten Julius Windisch, dem Bassisten Robert Lucaciu und dem Schlagzeuger Wouter Kühne zusätzlich den New Yorker Trompeter Peter Evans gewinnen. Evans gehört zu den großen Solisten an der Schnittstelle von Jazz, Klassik und Neuer Musik.
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?
Maxine Troglauer: Eine offene, unterstützende Familie, die mich frei entscheiden ließ, was ich wann machen möchte. Die Entscheidung, Posaune zu spielen, durfte ich alleine im Alter von 6 Jahren nach einem Tag der offenen Tür an der lokalen Musikschule fällen, und seit dem gab es keinen Tag, an dem meine Familie diesen Weg angezweifelt oder nicht unterstützt hätte. Erst später, als ich andere Musiker:innen und ihre genaueren Lebenswege kennengelernt habe, habe ich verstanden, dass so ein Umfeld ohne stereotype Vorstellungen und Ambitionen für die Kinder, nicht unbedingt Norm ist.
Danach kamen selbstverständlich Lehrer:innen und Mentor:innen, die mich auf jeweils einem Lebensabschnitt begleitet und inspiriert haben, aber ich würde behaupten, dass ohne die Familie, die Kuriere zu allen Unterrichten und Wettbewerben, die größten Fans im Publikum, es nicht geht.
KK: Wen bzw. was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
MT: Das ist eine schwierige Frage, denn wenn ich wirklich viele Menschen erreichen wollte, müsste ich Schlager oder Pop-Musik machen – das liegt mir aber aus irgendwelchen Gründen offensichtlich nicht so…
Dementsprechend muss uns Jazz- und/oder zeitgenössischen Musiker:innen immer klar sein, dass wir eine kleine Randgruppe von Connaisseur:innen ansprechen, die allerdings auch entsprechend eher die ausgefuchsten Details einer Komposition oder eines besonders sorgfältig produzierten Vinyls zu schätzen wissen. Derzeit fühle ich mich in dieser Gruppe wohl und freue mich, wenn diese Menschen auf meine Musik aufmerksam werden.
Es gibt allerdings andere Projekte von mir, zum Beispiel im Rahmen des diesjährigen Beethovenfest Bonn, bei dem ich eher ein größeres klassisches Konzertpublikum anspreche und dort durch mein Instrument, meine musikalische Ausrichtung und thematische Schwerpunkte für Horizonterweiterung sorge.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?
MT: Die eigenen Ansprüche mit der Realität in Einklang zu bringen, zu akzeptieren, dass ich nicht 8 Stunden am Tag kreativ sein kann und dementsprechend meine Tage anders strukturieren muss, als in einem 9-5 Job. Außerdem akzeptieren zu können, dass es auch Tage gibt, wo einfach gar nichts fließt und das eben auch Teil des Jobs ist.
Und na klar, würde man sich freuen, wenn es mehr strukturelle, dauerhafte Förderung und Unterstützung auf allen Ebenen gäbe, aber da gibt es bereits jede Menge Verbände, die sich lautstark und wesentlich eloquenter als ich dafür einsetzen – deswegen jetzt gleich schnell Mitglied in der Deutschen Jazzunion werden !
KK: Welche Erlebnisse haben Sie zuletzt stark beeindruckt?
MT: Die Wahl von Trump, das Absetzen von Roe v. Wade, die Wahl von Friedrich Merz, der Tod eines Bandkollegen, ein Konzert von Bill Frisell beim XJazz Festival 2024, jedes Jahr, wenn es Frühling wird – das Schöne, Glückliche und das Hässliche, Traurige sind jeden Tag so nah beieinander und ich möchte für beides gleich durchlässig und aufmerksam bleiben, um aus allem Inspiration und Kraft zu tanken.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?
MT: Auf der Bühne zu stehen und diesen flüchtigen Moment eines Konzerts voll genießen zu können – wenn all die Vorbereitung, Sorgen, Nervosität von einem abfällt und man nur im Moment ist. Klingt kitschig, fühlt sich manchmal auch so an, aber ist wirklich so!
Diesen Zustand musste ich mir aber hart erarbeiten, die ersten 15 Jahre Konzertieren waren eher geprägt von starker Nervosität, überhöhten Ansprüchen, Stress, Blackouts und Unerfahrenheit.
Ansonsten bin ich täglich dankbar für die Selbstständigkeit meiner Arbeit im Denken, Handeln, Interessieren, Recherchieren, Komponieren, Spielen – alles, was ich tue, ist intrinsisch motiviert und hat das Potential, mir ganz nah zu gehen, im Positiven wie im Negativen.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Art von Musik mögen Sie besonders?
MT: Ich höre viel Jazz, versuche up to date zu bleiben mit der Entwicklung sowohl im deutschsprachigen, als auch amerikanischen Raum. Ein paar meiner zeitlosen Favorit:innen sind z.B. Cécile McLorin Salvant, Sullivan Fortner, Ambrose Akinmusire, Florian Weber, Chet Baker.
Häufig bewege ich mich aber auch komplett aus der Szene heraus, in der ich selbst aktiv bin und höre westafrikanische Musik von Fela Kuti, RnB à la Queen B, Indie Pop wie Tune-Yards und Bobby Cohn oder ganz selten auch mal klassische Musik.
KK: Was lesen Sie momentan?
MT: Die Biographie von Virginia Woolf, „Liebe in Zeiten der Cholera“ (dieser Klassiker war mir bisher entgangen, muss dementsprechend nachgeholt werden) und Alex Ross „Die Welt nach Wagner“ (mich interessiert Geschichte sehr und die Verknüpfung von Musik, Macht, Despotismus, Propaganda und die Verherrlichung von Wagners antiken Thematiken ist schon spannend..)
KK: Was ärgert Sie maßlos?
MT: Ignoranz gegenüber allem, was den eigenen Horizont überschreitet, zu denken, dass die eigenen Gedanken Fakten seien.
Wenn man das tut, lässt sich aber dadurch natürlich vieles rechtfertigen, das uns global, national und im Privaten gerade passiert.
Außerdem Vandalismus, Egozentrismus, Umweltverschmutzung, Lebensmittelverschwendung, Rassismus, Homophobie, Misogynie.
KK: Was freut Sie ungemein?
MT: Vögel, die morgens vor meinem Fenster zwitschern und einem das Gefühl geben, dass es sich auch an diesem Tag wieder lohnen wird, aufzustehen, egal wie trist es in einem ist.
Außerdem Freund:innen, Familie, gutes Essen, meine Posaune, Musik erleben, Sport, das Leben eben, wie wir es hier leben dürfen.
KK: Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer, oder Teamplayer?
MT: Ich glaube eher Einzelkämpferin, wünsche mir aber häufig ein Team und wenn ich eines habe, bin ich auch gute Teamplayerin (würde ich behaupten – zweite Meinungen müssten hierzu noch eingeholt werden)
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?
MT: Leider sehr unvorhersehbar, deswegen funktioniert das mit dem 9-5 Kreativjob auch so schlecht. Deshalb ist meine Devise: immer wachsam & aufmerksam sein, ganz viel rausgehen und Dinge erleben, neue Einflüsse zulassen, ganz viele Gespräche, nachfragen, nachlesen, nachhören.
KK: Was würden Sie ändern, wenn Sie für einen Tag Staatsminister für Kultur wären?
MT: Oha, ich bin eigentlich sehr froh, dass ich das nicht tun muss. Ich würde hier auch wieder auf die tollen Verbände verweisen, die wir in Deutschland haben, und die sicherlich nicht nur einen Vorschlag hätten.
KK: Wenn Sie eine Autobiographie schreiben würden, wie wäre der Titel?
MT: Da würde ich erstmal noch die nächsten 30 Jahre abwarten, bevor ich mich festlege, da tut sich ja hoffentlich noch mehr ;)
KK: Wie stellen sie sich die Zukunft vor?
MT: Hoffentlich mehr Miteinander, weniger Gedanken-sind-Fakten und allgemeingültige Rechte & Freiheiten für alle.
Weniger ich und mehr wir.
Weniger Autos und mehr Pflanzen.
Ich bin aber leider Pessimistin, was das alles angeht und befürchte, wir nehmen erstmal einen anderen Abzweig.
Autor: Siehe Artikel
Mittwoch 21.05.2025
238. Peter Gall – Alles kann mich beeinflussen und inspirieren
Vor nicht allzu langer Zeit ist Peter Galls zweites Album unter eigenem Namen erschienen. „Love Avatar“ (Compost/Groove Attack) verarbeitet Einflüsse des Jazz ab den späten 1960er Jahren, Musik von Joe Henderson, Wayne Shorter, aber auch Messiaens, 12-Ton-Musik, Kendrick Lamar, Hermeto Pascoal und Flying Lotus sind ideeler Teil der Musik. Zudem hat er eine Band zusammengestellt, die ihm aufgrund der Individualität ihrer Einzelstimmen und ihrer Dynamik ebenfalls etliche Inspirationen geben konnte.
Der in Bad Aibling geborene Schlagzeuger hat an der Hochschule der Künste Berlin studiert und machte seinen Master an der Manhattan School of Music. Er war Mitglied des Landesjugendjazzorchester Bayerns und von 2004 bis 2006 des Bundesjazzorchester unter Peter Herbolzheimer. Anschließend gehörte er fest zur Band Subtone und war Teil des Quartetts Web Web, zudem spielte er mit den New York Voices, mit Take 6, Nils Landgren, der NDR Big Band, Seamus Blake, dem Kurt Rosenwinkel Trio, Thomas Quasthoff und vielen anderen.
Am 6. Juni wird Peter Gall mit Wanja Slavin (Saxephon), Reinier Baas (Gitarre), Rainer Böhm (Klavier) und Matthias Pichler (Bass) in der Reihe Jazz It! in der Germeringer Stadthalle auftreten. Beginn des Konzertes ist 19.30 Uhr.
KultKomplott: Welche Faktoren waren ausschlaggebend, dass Sie wurden, was Sie heute sind?
Peter Gall: Das musikalische Umfeld in meiner Familie (einer der älteren Brüder ist der Pianist Chris Gall) seit frühester Kindheit hat den Weg geebnet, die Musik zum Beruf zu machen.
KK: Wen bzw. was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
PG: Mir ist es sehr wichtig, dass die Leute, die auf die Konzerte kommen oder das neue Album kaufen, erreicht und irgendwie berührt werden, auch wenn die Musik vielleicht nicht jedermanns Lieblingsmusik ist. Die Musik soll definitiv musikalisch aufgeschlossene Menschen
bereichern - egal in welcher Form und egal wie gut sie sich in der Musik auskennen. Eine gewisse Stimmung oder einen Vibe kann man immer wahrnehmen. Und letztendlich geht's mir darum, die Menschen an meiner Leidenschaft und an meiner Musik teilhaben zu lassen. Dabei ist jedes Konzert letztendlich ein Dialog zwischen allen Anwesenden … Publikum und MusikerInnen.
KK: Mit welchen Widrigkeiten müssen Sie sich bei Ihrer Arbeit am häufigsten auseinandersetzen?
PG: Der Beruf des Musikers ist kein einfacher und auch nicht voller Selbstverständlichkeiten. Aber die Leidenschaft hat mich meist dann doch immer zum Glück geführt. Ich würde niemals tauschen wollen...
KK: Welche Erlebnisse haben Sie zuletzt stark beeindruckt?
PG: Wenn's ein musikalisches Erlebnis sein soll, denke ich spontan an ein Konzert der Sängerin Feist im Jahr 2023 in Berlin … die Dramaturgie ihres Konzerts war unglaublich.
KK: Welches sind die schönsten Momente in Ihrer Arbeit?
PG: Nicht nur auf der Bühne stehen, auch Studioarbeit, Momente alleine im Proberaum, am Klavier, Proben, gemeinsam mit den KollegInnen reisen - auch das Unterrichten im Rahmen meiner Professur an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim gehört dazu und gibt mir wahnsinnig viel.
KK: Hören Sie Musik und wenn ja, welche Art von Musik mögen Sie besonders?
PG: Ich liebe alle Formen von guter Musik und ich kenne eigentlich beim Hören keine Grenzen …. egal ob Jazz, Hip Hop, Klassik, Avantgarde, Pop oder Weltmusik … alles kann mich inspirieren und beeinflussen.
KK: Hören Sie eher CD oder Vinyl?
PG: Wenn ich Zeit dafür finde, Vinyl zu Hause auf der Couch … für mich klingt das immer noch einen Tick musikalischer und lebendiger.
KK: Was lesen Sie momentan?
PG: Im Moment: „The Inner Game Of Tennis“. Ich spiel selbst Tennis, lese es aber vor allem aus Drummer-Perspektive. Davor: Die Autobiographie von John JR Robinson (legendärer Studio-Schlagzeuger)
KK: Was ärgert Sie maßlos?
PG: Ungerechtigkeit in der Welt, sinnlose Aggressivität und dummer Populismus.
KK: Was freut Sie ungemein?
PG: Ich kann bei 'nem sensationellem Kaffee, 'ner unglaublichen Pizza, 'nem guten Abend mit FreundInnen oder bei inspirierender Musik schon sehr glücklich sein. Das Glück liegt wohl grade eher in den kleinen Dingen als im aktuellen Weltgeschehen.
KK: Haben Sie jemals ein Kleidungs- bzw. Möbelstück selbst genäht oder getischlert?
PG: Nein.
KK: Von welchem Schauspieler / welcher Schauspielerin sind sie in welchem Film beeindruckt?
PG: Von vielen … aber spontan denke ich an: Loriot in eigentlich jeder Szene. Bryan Cranston in „Breaking Bad“ oder Kyle MacLachlan in „Twin Peaks“.
KK: Was würden Sie gern erfinden, was es Ihrer Meinung nach bisher noch nicht gibt?
PG: Vermutlich gibt es schon alles. Und davon zu viel.
KK: Fühlen Sie sich eher als Einzelkämpfer, oder Teamplayer?
PG: Teamplayer, definitiv.
KK: In welcher Situation haben Sie die besten Einfälle?
PG: Selten vor dem Abendessen, und dann eher spät am Abend...
KK: Welche Websites oder Blogs lesen Sie?
PG: Ich freue mich jedes Mal, ein frisches Exemplar der Süddeutschen in Printform in die Hände zu bekommen.
KK: Was würden Sie ändern, wenn Sie für einen Tag Staatsminister für Kultur wären?
PG: Mit allen Mitteln gegen den Kulturabbau an allen Ecken und Enden ankämpfen.
KK: Wenn Sie eine Autobiographie schreiben würden, wie wäre der Titel?
PG: Ich mag diese reißerischen oder pathetischen Titel von vielen Autobiographien meist nicht. Insofern: „P.G.’s Autobiographie“.
KK: Wie stellen sie sich die Zukunft vor?
PG: Musik wird für die Menschheit immer bereichernd, hoffnungsspendend und verbindend bleiben.
Autor: Siehe Artikel
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