Tierschicksale
Franz Marc, Paul Klee und Gustave Flaubert
Ausstellung vom 13. März bis 17. Juli 2022
Franz Marc Museum, Kochel am See
In einem der Skizzenbücher Franz Marcs, das der Maler in den Jahren 1912 und 1913 benutzte, finden sich Skizzen, Aquarelle und Tuschezeichnungen, die sich auf die Novelle Gustave Flauberts Die Legende von Sankt Julian dem Gastfreien (1877) beziehen. Nach der Auflösung des Skizzenbuchs durch Maria Marc gelangten einige dieser Skizzen ins Franz Marc Museum, andere über die Schenkung Sofie und Emanuel Fohn zu den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Marc schrieb handschriftlich kurze Sätze, Auszüge aus dem französischen Text unter seine Darstellungen, so dass sich einzelne Szenen der Erzählung Flauberts sehr konkret auf die Zeichnungen beziehen lassen. Offensichtlich wollte Marc die Novelle Flauberts illustrieren. Was interessierte ihn an dieser Erzählung?
Marc las Flauberts Text mehrmals – zum ersten Mal wahrscheinlich 1907, dann wieder 1912/13 - und er war nicht der Einzige, der sich mit ihm befasste. Auch Zeitgenossen wie Rainer Maria Rilke und Freunde wie Heinrich Campendonck waren von ihm fasziniert, denn mit einer mythischen Jagdszene zeichnete Flaubert ein Bild von Apokalypse und Katharsis, das viele Intellektuelle und Künstler vor dem Ersten Weltkrieg mit dieser erahnten, zum Teil ersehnten Katastrophe verbanden.
Für Marc führte die Auseinandersetzung mit dem literarischen Text zu einem seiner bedeutendsten Gemälde, Tierschicksale. Die Figur des Heiligen Julian, in der Novelle ein grausamer Jäger, der nach der Jagd und dem unbewussten Mord an seinen Eltern nach langer Buße zum Heiligen wird, überblendete Marc mit der des Kriegers. Dessen Mission war die Vernichtung einer unmoralischen, falschen Werten folgenden Welt, die nach dem Krieg neu und besser auferstehen sollte. Der Entwurf zu dem Gemälde Tierschicksale schließt auf einer Doppelseite des Skizzenbuches die Studien Marcs zu der Legende des heiligen Julian ab.
Nicht nur bei der Titelgebung des Gemäldes war Paul Klee ein wichtiger Gesprächspartner und Berater Marcs. Der Austausch zwischen den Freunden, durch Ihre briefliche Korrespondenz und durch die berühmten, illustrierten Postkarten der beiden Maler erhalten, zeigt die Entwicklung ihrer Freundschaft. Im Hinblick auf den Krieg hatten sie sehr unterschiedliche Einstellungen, was fast zum Bruch führte.
Dementsprechend stellte Franz Marc Paul Klee auf einem großen Aquarell, das er ihm schenkte, als Noah, der die Tiere in die rettende Arche führt, dar, während er sich selbst auf einem Aquarell gleicher Größe als Heiligen Julian kriegerisch zu Pferd zeigte.
In der Ausstellung werden die Zeichnungen, die Aquarelle und Gemälde präsentiert, die die Lektüre Flauberts durch Marc spiegeln. Daneben umfasst sie Werke aus der Sammlung des Franz Marc Museums, die in diesem Zusammenhang zu sehen sind. Dazu gehören nicht nur die illustrierten Postkarten Marcs und Klees, sondern auch die abstrakten Werke Franz Marcs, die das eigentlich von ihm erstrebte spirituelle Sein
spiegeln. Dies sind die „neuen Bilder“, die Franz Marc Paul Klee nach dem Krieg, den er nicht überlebte, versprochen hatte.
Franz Marc Museum – Kunst im 20. Jahrhundert
Franz Marc Park 8-10
82431 Kochel a. See
Abbildung:
Franz Marc, Rote Rehe II, 1912
Dauerleihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München