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Donnerstag 13.02.2025
HUNDREDS OF BEAVERS
Ab 13. Februar 2025 im Kino
19. Jahrhundert, im Mittleren Westen der USA. Als seine Farm explodiert, beschließt der erfolgreiche Apfelschnaps-Händler Jean Kayak, es als Pelzjäger zu versuchen! Mit seinen raffinierten Fallen nimmt er den Kampf gegen bösartige Waschbären und intelligente, mannshohe Biber auf. Als er sich jedoch in die Tochter eines Pelzhändlers verliebt, fordert sein Schwiegervater in spe einen hohen Brautpreis: Jean soll ihm Biber liefern, Hunderte sogar! Dumm nur, dass die Biber deutlich schlauer sind als der unerfahrene Pelzjäger…
Ein Film von Mike Cheslik
Mit Ryland Brickson Cole Tews, Olivia Graves, Wes Tank, Doug Mancheski, Luis Rico
HUNDREDS OF BEAVERS ist eine Regiearbeit von Mike Cheslik, die bereits auf diversen, international renommierten Festivals das Publikum begeisterte und mit einer Vielzahl an Preisen ausgezeichnet wurde, darunter bspw.:
- Fantasia Film Festival Montréal: Best International Feature – Audience Award Bronze
- Phoenix Film Festival: Best Director
- Oxford Film Festival: Best Narrative Feature
- Kansas City Film Fest International: Best Narrative Feature
- Jim Thorpe Independent Film Festival: Best Comedy, Audience Award
- Fantaspoa International Fantastic Film Festival: Best Special Effects u.a.
In der Hauptrolle brilliert Ryland Brickson Cole Tews, der gemeinsam mit Regisseur Mike Cheslik auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. Olivia Graves, Wes Tank, Doug Mancheski, Luis Rico und jede Menge tierische Weggefährten ergänzen das fröhliche Leinwand-Ensemble.
Hierzulande wird HUNDREDS OF BEAVERS am 13. Februar 2025 von Lighthouse Entertainment in die Kinos gebracht, den Vertrieb hat 24 Bilder übernommen.
„Als hätten sich Buster Keaton, Monty-Python-Trickfilmgenie Terry Gilliam, die Chaostruppe der Looney Tunes und Wes Anderson, der Großmeister des verschrobenen Witzes, zusammengetan, um sich in einen wahren Rausch an brillant-absurden Gags hineinzusteigern.“
(Fantasy Filmfest White Nights 2024)
Autor: Siehe Artikel
Donnerstag 06.02.2025
SOUNDTRACK TO A COUP d'ETAT
Ab 06. Februar 2025 im Kino
In den 1960er Jahren erkämpfen viele afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialmächten. Während die Sowjetunion und andere sozialistische Länder, die Dekolonialisierung unterstützen, sehen die USA und ihre westlichen Verbündeten diese skeptisch. Ihr Interesse gilt vor allem den Bodenschätzen, über die sie die Kontrolle behalten möchten.
Die USA versuchen sich unkonventionell und schicken Jazzgrößen wie Louis Armstrong und Nina Simone als Werbeträger*innen in afrikanische Staaten, um den Westen positiv darzustellen, während sich zeitgleich Figuren wie Malcolm X und andere Jazzkünstler mit der Unabhängigkeitsbewegung solidarisieren.
Regisseur Johan Grimonprez verwebt in dieser historischen Achterbahnfahrt auf beeindruckende Weise globale Machtstrukturen, antikoloniale Kämpfe und ganz viel Jazz. Ein informativer, mitreißender, emotional bewegender Film über den dekolonialen Kampf.
Ein Film von Johan Grimonprez
Pressestimmen:
„Ein spannender, aufrüttelnder Essayfilm … umfassend, informativ und gründlich recherchiert, aber auch voller Energie, Ideen und formalem Wagemut… Nie hat sich politische Geschichte so energiegeladen und dynamisch lebendig angefühlt wie hier.“
(Screen International)
„Ein lebendiger Filmessay, der Jazz und Politik miteinander vermählt.“
(IndieWire)
„SOUNDTRACK TO A COUP D’ETAT ist ein wütender und elliptischer Film, ein Stück wahrer Geschichte, das wie ein Spinngewebe strukturiert und von echter Dringlichkeit erfüllt ist.“
(The New York Times)
„Isn‘t just about Jazz, it is Jazz.“
(Business Doc Europe)
„Ein fazinierender Dokumentarfi lm, augenöffnend, atemberaubend und voller Ideen.“
(The Guardian)
„Ein fesselndes, gründlich recherchiertes Archiv-Mixtape mit dem Umfang eines historischen Epos, der Seele eines Aktivistenmarsches und der pulsierenden Energie eines Mantel-und-Degen-Thrillers.“
(Los Angeles Times)
„Die aufregendste und aufschlussreichste Geschichtsstunde, die sie je erleben werden.“
(Little White Lies)
Zu Beginn der 1960er Jahre wagen immer mehr afrikanische Staaten den Aufstand gegen die europäischen Kolonialmächte und kämpfen für ihre Unabhängigkeit. Während die Sowjetunion und andere sozialistische Staaten sie unterstützen, blicken die USA und viele westliche Verbündete skeptisch auf die Dekolonialisierung. Ihr Interesse gilt vor allem den Bodenschätzen, über die sie die Kontrolle behalten möchten.
Die USA intervenieren in dieser Phase der kolonialen Befreiung auf unkonventionelle Weise: Jazzgrößen wie Louis Armstrong, Nina Simone oder Dizzy Gillespie werden als Werbeträger*innen in afrikanische Länder gesandt, um dort mit ihrer Musik für ein positives Bild des Westens zu sorgen. Zeitgleich solidarisieren sich wichtige Figuren der Bürgerrechtsbewegung in den USA wie Malcolm X oder die Jazzmusiker*innen Abbey Lincoln und Max Roach mit den afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen.
Regisseur Johan Grimonprez durchleuchtet diese von Dekolonialisierung und Kaltem Krieg geprägte Zeit und fokussiert sich auf die Geschehnisse im Kongo. Dort gerät Patrice Lumumba, erster Premierminister nach der Unabhängigkeit, ins Visier der CIA und der ehemaligen Kolonialmacht Belgien, die das gerade erst selbständig gewordene Land politisch gezielt destabilisieren. Spannend wie ein Thriller, mit atemberaubend montiertem Archivmaterial und unterlegt von den Jazzsongs dieser Zeit, orientiert sich der Film an überraschenden historischen Quellen wie den Audiotagebüchern von Nikita Chruschtschow, den Memoiren der Lumumba-Vertrauten Andrée Blouin und den Essays des Schriftstellers In Koli Jean Bofane.
Mit:
Louis Armstrong, Jazz-Musiker
Dizzy Gillespie, Jazz-Musiker
Abbey Lincoln, Jazz-Musiker
Max Roach, Jazz-Musiker
Nina Simone, Jazz-Musikerin
Miriam Makeba, Jazz-Musikerin
John Coltrane, Jazz-Musiker
Duke Ellington, Jazz-Musiker
Melba Liston, Jazz-Musikerin
Eric Dolphy, Jazz-Musiker
Charles Mingus, Jazz-Musiker
Ornette Coleman, Jazz-Musiker
Le Grand Kallé, afrikanischer Rumba-Musiker
Rock-a-Mambo, afrikanisches Rumba-Orchester
Dr. Nico, afrikanischer Rumba-Musiker
Marie Daulne / Zap Mama, belgisch-kongolesische Musikerin
Eddy Wally, belgischer Musiker
Willis Conover, amerikanischer Radiomoderator „Voice of America“
René Magritte, belgischer Maler
Andrée Blouin, panafrikanische Aktivistin
Nikita Khrushchev, Ministerpräsident Sowjetunion (1958 - 1964)
In Koli Jean Bofane, Schriftsteller
Malcolm X, Menschenrechtsaktivist
Conor Cruise O’Brien, irischer Politiker / Journalist
Allen Dulles, Leiter der CIA (1953 -1961)
John F. Dulles, Außenminister der USA (1953 - 1959)
und vielen weiteren
Johan Grimonprez / Regisseur
Wem gehört unsere Vorstellungskraft in einer Welt des existenziellen Schwindels, in der die Wahrheit zu einem schiffbrüchigen Flüchtling geworden ist? Ist es der Geschichtenerzähler, der Widersprüche enthalten kann, der zwischen den uns gegebenen Sprachen schlüpfen kann, um ein Zeitreisender der Phantasie zu werden? Johan Grimonprez‘ von der Kritik gefeierte Arbeit tanzt an den Grenzen von Theorie und Praxis, zwischen Kunst und Kino, und überschreitet die Dualismen von Dokumentarfi lm und Fiktion, Anderem und Selbst, Geist und Gehirn, um neue Wege zu finden, wie wir unsere Realitäten wahrnehmen.
Auf der Grundlage einer Archäologie der heutigen Medien schildert sein Werk intime Geschichten, die sich mit dem Gesamtbild der Globalisierung messen lassen. Sie hinterfragen unsere kollektive Vorstellungskraft, die von einer Angstindustrie geprägt ist, die den politischen und sozialen Dialog infiziert hat. Indem er neue Erzählweisen vorschlägt, durch die eine Geschichte erzählt werden kann, unterstreicht seine Arbeit eine Vielzahl von Realitäten. Unsere Geschichten und Erinnerungen sind nicht nur ein Mittel, um unsere umstrittene Vergangenheit neu zu denken, sondern auch Werkzeuge, um unsere gemeinsame Gegenwart zu verhandeln. Im Wunderland sagt die Königin zu Alice: „Es ist eine schlechte Art von Erinnerung, die nur rückwärts funktioniert“.
Zu Grimonprez‘ Spielfilmen gehören Dial H-I-S-T-O-R-Y (1997, in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Don DeLillo, vom Guardian als eines der „30 großartigsten Werke in der Geschichte der Videokunst“ ausgewählt), Double Take (2009, in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Tom McCarthy) und Shadow World (2016, in Zusammenarbeit mit dem Enthüllungsjournalisten Andrew Feinstein), der beim Tribeca Festival uraufgeführt wurde und beim Edinburgh International Film Festival 2016 den Preis für den besten Dokumentarfilm gewann. Grimonprez‘ Filme, die auf Festivals wie der Berlinale, Sundance und Tribeca gezeigt wurden, haben mehrere Preise für die beste Regie, den ZKM International Media Award 2005, einen Independent Spirit Award und den Black Pearl Award 2009 auf dem Abu Dhabi Film Festival erhalten. Sie wurden von PBS, NBC Universal, ARTE und BBC/FILM 4 erworben. Grimonprez‘ kuratorische Projekte wurden in Museen auf der ganzen Welt ausgestellt, darunter das Hammer Museum, Los Angeles, die Pinakothek der Moderne, München und das MoMA. Seine Werke befi nden sich in den Sammlungen des Centre Georges Pompidou, Paris, des 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa und der Tate Modern, London.
Grimonprez wird von der Sean Kelly Gallery (New York) und der Kamel Mennour Galerie (Paris) vertreten und wird von Hatje Cantz, Stuttgart, verlegt.
Autor: Siehe Artikel
Mittwoch 29.01.2025
THE VILLAGE NEXT TO PARADISE
Ab 30. Januar 2025 im Kino
In einem abgelegenen Dorf in Somalia kämpft Mamargade, ein alleinerziehender Vater mit den
Herausforderungen des täglichen Lebens. Seine Schwester Araweelo sucht nach ihrer Scheidung bei ihm ein neues Zuhause. Cigaal, sein Sohn, wird in den Turbulenzen dieser zerbrechlichen Familie manchmal übersehen. Trotz unterschiedlicher Ziele in einer komplexen Welt findet die Familie durch Liebe, Vertrauen und Zuversicht, ihren eigenen Weg.
THE VILLAGE NEXT TO PARADISE ist dern erste somalische Film, der jemals in der prestigeträchtigen Sektion "Un Certain Regard" in Cannes gezeigt wurde.
Der somalisch-österreichische Drehbuchautor und Regisseur Mo Harawe liefert mit seinem Debütfilm THE VILLAGE NEXT TO PARADISE eine kraftvolle Geschichte über Liebe, Widerstandskraft und Hoffnung – und einen seltenen Einblick in ein Land, das kaum je auf der
großen Leinwand zu sehen ist.
Ein Film von Mo Harawe
Mit Ahmed Ali Farah, Anab Ahmed Ibrahim, Ahmed Mohamud Saleban u.a.
INTERNATIONALE PRESSESTIMMEN
„Mo Harawes egreifendes Debüt. Ein Film, der sich leise in das Bewusstsein des Zuschauers
einschleicht und dort verweilt.“
Variety Review
„Ein Zeugnis für Liebe, Familie und Widerstandskraft.“
Variety Preview
„In jeder Szene, in jeder Entscheidung ist ein starkes Gefühl der Autorenschaft zu spüren. Der
Film zeichnet sich durch seine visuelle Kompetenz aus.“
Screen Daily
„Ein beeindruckend meisterhafter Debütfilm.“
Les Inrocks
„Visuell beeindruckend und meisterhaft erzählt.“
The Film Verdict
„Ein eindringliches Werk.“
The Hollywood Reporter
„Der erste Spielfilm des in Wien lebenden somalischen Filmemachers Mo Harawe ist beeindruckend.“
Libération
„Mo Harawe schreibt in Cannes mit seinem Debütfilm „The Village Next To Paradise“ Geschichte.“
deadline.com
„Ein intimer Blick auf das Leben einer somalischen Patchworkfamilie.“
Indiewire
„Eine Welt, die Mo Harawe mit einfachen und präzisen Details und wunderschön komponierten Bildern von Mostafa El Kashef zeigt.“
Cineuropa
Autor: Siehe Artikel
Donnerstag 23.01.2025
RABIA
Ab 23. Januar 2025 im Kino
Von dem Versprechen eines besseren Lebens gelockt verlassen die 19-jährige Französin Jessica (Megan Northam) und ihre beste Freundin Laïla (Natacha Krief) ihre Heimat, um sich in Syrien dem Islamischen Staat anzuschließen. In Raqqa angekommen, werden Pässe, Handys, Schmuck und Kleidung konfisziert und die Frauen in eine „Madafa“ geführt, ein Haus, das für zukünftige Ehefrauen von IS-Kämpfern bestimmt ist. Gemeinsam mit Frauen aus verschiedenen Ländern unterwerfen sie sich strengen Regeln, beten, und huldigen den Kämpfern sowie deren vermeintliche Siege. Doch als der Mann, dem Jessica und Laïla als Ehefrauen versprochen waren, im Kampf fällt, ändert sich ihr Schicksal abrupt. Die charismatische Madame (Lubna Azabal), die das Haus mit eiserner Hand leitet, hat Jessica, die inzwischen den Namen Rabia trägt, ins Visier als ihre mögliche Nachfolgerin genommen. Während der Druck auf sie wächst, muss Rabia sich entscheiden, welches Leben sie führen will.
Ein Film von Mareike Engelhardt
Mit Megan Northam, Lubna Azabal, Natacha Krief, Maria Wördemann, Klara Wördemann, Lena Lauzemis, Lena Urzendowsky u.a.
„Ergreifend… Ein unerbittlich meisterhafter Film… Lubna Azabal ist meisterhaft”
Premiere
„Ein Film, der unter die Haut geht…. So schonungslos wie unerbittlich.“
Le Point
„Die Regisseurin verblüfft… Die Leistung der Schauspielerinnen ist beeindruckend.“
Allociné
Das berührende Schicksal der beiden jungen Frauen in RABIA – DER VERLORENE TRAUM steht exemplarisch für viele, die vom westlichen Alltag frustriert auf die islamistische Propaganda mit viril-charmanten Kämpfern im Netz hereinfielen. Bilder von Blumen, Kochrezepte und romantische Herzchen kaschierten die menschenverachtende Ideologie der Terrororganisation und vermittelten den Mädchen ein positives Selbstwertgefühl. Vor Ort mussten sie dann als Gebärmaschinen und Sexobjekte dienen.
Dieses aufrüttelnde Drama greift ein brisantes Thema unserer Zeit auf: Die UN schätzt, dass sich seit 2013 mehr als 42.000 Personen aus 110 Ländern dem Islamischen Staat in der irakisch-syrischen Zone angeschlossen haben. Fast 25.000 Kinder wurden dort geboren. Rückholversuche scheitern an der Politik der Regierungen ihrer Herkunftsländer oder an der Weigerung der Mütter, Syrien zu verlassen. Der IS profitiert davon. Eine neue Dschihadisten-Generation wächst heran.
Regie führte Mareike Engelhardt, die über Jahre unzählige Interviews mit jungen Frauen geführt hat, die aus Syrien zurückgekehrt sind. Das zugehörige Drehbuch wurde beim Les Arcs Co-Production Village 2019 mit dem Arte KINO-Preis ausgezeichnet. 2022 arbeitete sie als Co-Autorin der französisch- deutschen Serie PARLAMENT, die den Grimme-Preis erhielt und 2023 zur besten Serie im Fernsehfestival von La Rochelle gewählt wurde. Die Kameraarbeit hat die hoch angesehene französische Bildgestalterin Agnès Godard und den Schnitt die preisgekrönte Editorin Mathilde van de Moortel (MUSTANG, CELEBRITES) übernommen. RABIA – DER VERLORENE TRAUM hat bereits eine beachtliche Festivalkarriere hinter sich und wurde u.a. mit dem Prix D’Ornano-Valenti 2024 auf dem Filmfestival Deauville als „Bester französischer Debutfilm“ sowie mit dem Preis der Jury auf dem Festival Cinema Valenciennes 2024 ausgezeichnet.
Der Film wurde in Frankreich und Jordanien gedreht. RABIA – DER VERLORENE TRAUM ist eine Produktion von FILMS GRAND HUIT in Koproduktion mit STARHAUS FILMPRODUKTION, KWASSA FILMS und ARTE France Cinéma. Weitere Partner sind Canal +, Ciné +, die Förderungen CNC und FFA (Deutsch-Französisches Mini-Traité), TAX SHELTER BELGIEN, EURIMAGES, die Regionalförderungen NOUVELLE-AQUITAINE, DORDOGNE, WALLONIE- BRUXELLES, FILMFERNSEHFONDS BAYERN sowie die SOFICA Investmentfonds.
REGIENOTIZEN
DIE SEELENFÄNGER
Der Ausgangspunkt meines Filmes ist das Unbegreifliche. Als ich im März 2016 in einer McDonald's-Filiale in Saint-Etienne Sonia kennen lernte, war ich zutiefst erschüttert. Mir gegenüber saß eine junge Frau, die vor kurzem aus Syrien zurückgekehrt war, wo sie mehrere Monate als Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat verbracht hatte. Sie erzählt mir von ihrer Weltanschauung, die auf Hass und Ausgrenzung, Rache und Angst beruht. Ich hatte dieses Treffen veranlasst, um herauszufinden, warum eine junge Frau, die in einer demokratischen Gesellschaft lebt, in der sie größte Freiheiten genießt, sich einem totalitären System anschließt, das eine mörderische Ideologie vertritt, die ihr alle Freiheiten nimmt. Ich treffe mich regelmäßig mit dieser jungen Frau und anderen aus verschiedenen sozialen Schichten stammenden Rückkehrerinnen unterschiedlichster Nationalitäten. Ihre Berichte bilden die Grundlage meines Drehbuchs. Sie stammen meist aus europäischen Ländern, sprechen wenig oder gar kein Arabisch und wissen kaum etwas über den Islam noch über das Land, in das sie reisten. Sie versuchen, die Dysfunktionalität in ihrem Leben und den grundlegenden emotionalen Mangel zu beheben, indem sie sich einem System anschließen, das ihnen in seiner Strenge Sicherheit gibt, und vor allem einen echten Wert als Individuum. Ihre Motivation ist weniger religiös oder politisch als psychologischer Natur. Hier im Intimen beginnt der Radikalisierungsprozess und genau an dieser Stelle setzt mein Film an. Bei der Anhörung der Prozesse dieser Mädchen vor dem Pariser Gericht wird mir auch die Verbindung zu meiner eigenen Geschichte endlich lesbar. Im Grunde geht es um die Frage, die mich und alle Deutschen meiner Generation beschäftigt: Wie kann es passieren, dass man im Laufe seines Lebens auf die falsche Seite gerät? Wie ist es möglich, von einem System absorbiert zu werden, dass einem die Menschlichkeit raubt? Und vor allem: Warum bleiben die Menschen dort und brechen nicht aus?
EINE PERSÖNLICHE GESCHICHTE
Sonia war 17 Jahre alt, als sie sich radikalisierte, im gleichen Alter wie meine Großeltern, als sie sich der Hitlerjugend und später der SS anschlossen, verblendet von einer Ideologie, die sich auf ähnliche Denksysteme stützt wie die von Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat. Ich gehöre zur letzten Generation, die diejenigen persönlich gekannt hat, die an einem der schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt waren. Begraben unter dem Gefühl der Schande und sorgfältig von meinen Eltern versteckt, um „mich zu verschonen“, wurde nie darüber gesprochen. Dieser Familienschatten verfolgt mich seitdem und die Frage nach der Faszination des Bösen wurde zum roten Faden meiner Arbeit. Mein Ansatz ist es nicht, Vergleiche zwischen dem islamistischen Terrorismus und dem Nationalsozialismus zu ziehen, sondern mein Film soll daran erinnern, dass diese Frauen unsere Kinder, Töchter, Nachbarinnen sind und ihr Handeln nichts mit einer Religion zu tun hat, sondern eine klare Dysfunktionalität unserer Gesellschaft aufzeigt. Gemeinsam müssen wir uns dieser stellen, statt davor zu fliehen. RABIA ist weder ein Film über den Islam noch den Dschihad, sondern über Massenmanipulation, die Mechanismen der Entmenschlichung und die Frustration einer Jugend ohne Orientierung. Rabia, die von Megan Northam gespielte Figur, wird vom Opfer zum Täter, wodurch sie den Zuschauer dazu zwingt, seine eigenen Entscheidungen zu hinterfragen. Der Film erinnert daran, wozu der Mensch fähig ist, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert, egal unter welcher Religion oder Ideologie.
DIE MADAFA - DIE WELT DER FRAUEN
Die Bilder von Krieg und Gewalt im Nahen Osten, der vom Islamischen Staat ausgeübte Terror in den Straßen von Raqqa sind mittlerweile leider Teil unserer kollektiven Vorstellungswelt geworden. Doch ohne zu vereinfachen und die Realität zu beschönigen, möchte ich zeigen, welchen Platz Frauen in dieser Terroristenorganisation einnehmen. Denn es existiert ein System der Unterdrückung von Frauen durch Frauen, über das wenig gesprochen wird und in dessen Zentrum die „Madafas“ stehen. In diese Häuser wurden unverheiratete Frauen oder Witwen eingesperrt, um sie durch Speeddating Sessions zu verheiraten. Hier prallten auf engstem Raum nicht nur Orient und Okzident aufeinander, sondern auch alle großen Themen des Lebens einer jungen Frau, wie die unterschiedlichen Vorstellungen von Jungfräulichkeit, Mutterschaft, Liebe und Tod. Diese Orte wurden zumeist von Frauen geleitet, die bekannteste und gefürchtetste von ihnen, die Marokkanerin Fatiha Mejjati (auch Umm Adam genannt), diente als Inspiration für die Figur der Madame (Lubna Azabal). Diese Häuser sind eine seltsame Mischung aus Gefängnis, Bordell und Jugendherberge und erinnerten mich sofort an die „Lebensborn“, die Häuser der Nazis, in die sie Frauen sperrten, die zur Fortpflanzung der arischen Rasse dienen sollten. Tausende von Kilometern entfernt und siebzig Jahre später eine so ähnliche Einrichtung zu finden, hat mich zutiefst schockiert. Für mich war es entscheidend, dass sich die Handlung des gesamten Filmes in diesem geschlossenen Raum abspielt. So wird der politische Kontext zu einem dramaturgischen Rahmen, innerhalb dessen ich die menschlichen Beziehungen auslote.
VOM DOKUMENTARISCHEN SCHREIBEN ZUM SPIELFILM
Das Thema machte eine mehrere Jahre andauernde umfangreiche Recherchearbeit notwendig, bei der ich die kostbare Hilfe von den beiden französischen Expertinnen für weiblichen Dschihadismus, Céline Martelet und Edith Bouvier bekam, die mir mehrere Mädchen vorstellten, die in den Madafas von Umm Adam gelebt hatten. Diesen jungen Frauen beschrieben mir detailliert ihr Leben (von einigen Tagen bis zu mehreren Monaten) in diesen von der Außenwelt abgeschnittenen Häusern. Zusammen mit meinem Co-Autor Samuel Doux haben wir die romanfüllenden Geschichten dieser Frauen verknüpft und an einem Ort zusammengeführt. Dabei ist nichts ist erfunden, im Gegenteil: Viele Details waren so unglaublich und brutal, dass ich oftmals die Realität "abschwächen" musste, um sie für den Zuschauer glaubwürdig zu machen und ihm zu ermöglichen den Film überhaupt anschauen zu können.
Was mich an den Erzählungen erstaunte, war die Tatsache, dass sich die Mädchen keineswegs als Opfer sahen. Obwohl diese Positionierung die Grundlage ihrer Verteidigung vor den europäischen Gerichten darstellt, wurde in unseren Gesprächen deutlich, dass sie genau wie die Männer, fast alle wussten, wohin sie gingen und warum. Statt naiver, etwas dummer Mädchen, die dem Märchenprinzen nachreisen, können sie genauso engagierte, fanatische Verteidigerinnen dieser mörderischen Ideologie sein wie die Männer. Es ist mir ein feministisches Anliegen in RABIA – DER VERLORENE TRAUM zu zeigen, dass Frauen genauso schuldig sein können wie Männer, da ich es für sehr wichtig halte komplexe Frauenfiguren in ihrer ganzen Ambivalenz zu zeigen. Diese Darstellungen fehlen mir aktuell noch zu häufig in der cinematographischen Landschaft:
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Donnerstag 16.01.2025
JUROR #2
Ab 16. Januar 2025 im Kino
Vom legendären Filmemacher Clint Eastwood kommt „Juror #2“, ein Film von Warner Bros. Pictures.
In den Hauptrollen spielen Nicholas Hoult (demnächst „Superman“, „The Menu“), die für den Oscar® nominierte Toni Collette (demnächst „Mickey 17“, „The Sixth Sense“), Oscar®-Preisträger J.K. Simmons („Whiplash“), Kiefer Sutherland („Designated Survivor“, „24: Redemption“); in dem Film spielen außerdem Chris Messina („Air – Der große Wurf“, „Based on a True Story“), Gabriel Basso („The Night Agent“), Zoey Deutch („The Politician“, „Zombieland: Doppelt hält besser“), Cedric Yarbrough („Unfrosted“), Leslie Bibb („Palm Royale“, „Catch Me!“) Amy Aquino („Bosch“) und Adrienne C. Moore („Orange Is the New Black“).
„Juror #2“ folgt dem Familienvater Justin Kemp (Hoult), der als Geschworener in einem aufsehenerregenden Mordprozess mit einem ernsten moralischen Dilemma zu kämpfen hat … einem Dilemma, das er nutzen könnte, um das Urteil der Geschworenen zu beeinflussen und den angeklagten Mörder möglicherweise zu verurteilen – oder freizulassen.
Oscar®-Preisträger Eastwood führt Regie nach einem Drehbuch von Jonathan Abrams („Escape Plan“). Produziert wird der Film von Eastwood, Tim Moore, Jessica Meier, Adam Goodman und Matt Skiena, ausführende Produzenten sind David M. Bernstein, Ellen Goldsmith-Vein und Jeremy Bell.
Zu Eastwoods kreativem Team gehören bewährte Mitarbeiter wie Kameramann Yves Bélanger, Produktionsdesigner Ronald R. Reiss, Oscar®-Preisträger Joel Cox („Erbarmungslos“) und Cutter David Cox, die BAFTA-nominierte Kostümbildnerin Deborah Hopper („Der fremde Sohn“); Mark Mancina schuf die Originalmusik.
Warner Bros. Pictures präsentiert eine Produktion von Dichotomy und Malpaso: „Juror #2“. Den weltweiten Vertrieb übernimmt Warner Bros. Pictures. Der Filmstart in Deutschland ist am 16. Januar 2025.
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Donnerstag 09.01.2025
SEPTEMBER 5
Ab 09. Januar 2025 im Kino
Kurzinhalt: München, 5. September 1972, zehnter Wettkampftag der Olympischen Sommerspiele. Erstmals seit 1936 wieder in Deutschland, sollten es die „heiteren Spiele“ werden und der Welt das Bild eines neuen, liberalen Deutschlands vermitteln. Doch um 4.40 Uhr hört die Frühschicht des amerikanischen Senders ABC Schüsse aus dem nahe gelegenen Olympischen Dorf. Eine Gruppe palästinensischer Terroristen hat elf Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln genommen. Gegen den Widerstand der eigenen Nachrichtenabteilung berichtet das ABC-Sports-Team live über die 21-stündige Geiselnahme.
Erzählt wird die Geschichte von Geoff (John Magaro), einem jungen, ehrgeizigen Producer, der sich bei seinem Chef, dem legendären Roone Arledge (Peter Sarsgaard), beweisen will. Mit Hilfe der deutschen Dolmetscherin Marianne (Leonie Benesch) übernimmt Geoff unerwartet die Leitung der Live-Sendung. Während die Zeit drängt, widersprüchliche Gerüchte die Runde machen und das Leben der Geiseln auf dem Spiel steht, muss Geoff schwierige Entscheidungen treffen und sich mit seinem eigenen moralischen Kompass auseinandersetzen. Wie soll man über eine solche Situation berichten, wenn die Täter die mediale Aufmerksamkeit für ihre Zwecke nutzen?
Mit SEPTEMBER 5 erzählt der mehrfach preisgekrönte Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum die Geschichte des Olympia-Attentats von 1972 aus einer ungewöhnlichen Perspektive. Nie zuvor wurde dieses historische Ereignis, das zugleich die Stunde Null des transnationalen Terrorismus markiert, aus Deutschland heraus filmisch fürs Kino aufgearbeitet. Was als einfache Sportberichterstattung begann, entwickelte sich an diesem Tag zu einer Live-Übertragung, die die Welt für immer verändern sollte. Zum ersten Mal sieht sich ein Fernsehteam mit der Herausforderung der Terrorberichterstattung konfrontiert und muss sich fragen, inwieweit seine Arbeit die Ereignisse beeinflusst. Ein Film über die Verantwortung der Medien – nicht nur in den siebziger Jahren.
In den Hauptrollen: Peter Sarsgaard (MEMORY, „Aus Mangel an Beweisen“), John Magaro (THE BIG SHORT, PAST LIVES), Ben Chaplin (MORD NACH PLAN, „The Nevers“) sowie Leonie Benesch (DAS LEHRERZIMMER, „Babylon Berlin“). Teil des internationalen Ensembles sind außerdem die Darsteller*innen Zinedine Soualem, Georgina Rich, Corey Johnson, Marcus Rutherford, Daniel Adeosun sowie Benjamin Walker.
SEPTEMBER 5 ist eine Produktion von BerghausWöbke Filmproduktion (Thomas Wöbke, Philipp Trauer) und Projected Picture Works (Sean Penn, John Ira Palmer, John Wildermuth) in Co-Produktion mit Constantin Film (Constanze Guttmann, Rüdiger Böss) und ERF (Christian Reitz). Der Thriller, nach einem Drehbuch von Moritz Binder und Tim Fehlbaum, wurde größtenteils in den Bavaria Studios und an Originalschauplätzen in München gedreht.
Für das Szenenbild verantwortlich ist Julian R. Wagner, die Bildgestaltung übernahm Markus.
Förderer und Editor des Films ist Hansjörg Weißbrich.
Ein Film von Tim Fehlbaum
Mit Peter Sarsgaard, John Magaro, Ben Chaplin, Leonie Benesch
Director’s Statement von Tim Fehlbaum
Das Münchner Olympia-Attentat von 1972 gilt als die Geburtsstunde des medienwirksamen Terrorismus. Die Kameras der Welt, versammelt anlässlich der Olympiade, werden zur Verlängerung der Kalashnikov: Zum ersten Mal wird eine Geiselnahme live im Fernsehen übertragen. Den Tätern geht es nicht nur um das gewaltvolle Durchsetzen von Forderungen, sondern um das Kreieren von Bildern.
SEPTEMBER 5 sollte ursprünglich anlässlich des 50. Jahrestages der Geiselnahme von München in die Kinos gebracht werden. Ganz im Stile von Bernd Eichingers DER BAADER MEINHOF KOMPLEX, aus multiplen Perspektiven erzählt: Die Opfer. Die Täter. Die Polizei. Die Politik. Und: Die Medien.
Im Zuge unserer Recherche trafen wir auf Geoffrey Mason, der damals als 28-jähriger Coordinating Producer für den amerikanischen Fernsehsender ABC Sports in München vor Ort war. Mason erzählte uns lebhaft und detailliert von seinen Erfahrungen an dem Tag, an dem sein Sender als Einziger eine Live-Kamera auf das Geschehen hatte. Von den 21 Stunden, die er in der Sende-Regie der Live-Berichterstattung verbrachte, und an die er sich noch genau erinnert. Bereits im ersten Gespräch mit ihm dämmerte es uns plötzlich: Warum erzählen wir unseren Film nicht rein aus dieser Perspektive, aus der Sicht der Berichterstattung? Fast schon wie bei einem Kammerspiel sind wir ständig im TV-Studio, mit den Kameras als einziges Auge auf die tragischen Ereignisse in unmittelbarer Nähe.
Als Bewunderer von Filmen, die ihre Kraft aus einer räumlichen Begrenzung ziehen, war ich sofort überzeugt von dem filmischen Konzept. Aber wichtiger noch realisierte ich, dass eine Beschränkung der Perspektive auf die Berichterstattung der ABC gleichzeitig auch eine Fokussierung auf die Komplexität des medialen Apparatus ermöglichen würde.
Durch die räumliche Begrenzung der Erzählwelt von SEPTEMBER 5 auf das TV-Studio der ABC Sports werden wir mit den moralischen, ethischen, professionellen und schlussendlich psychologischen Dilemmata von Journalist*innen konfrontiert, die sich im Wechsel von Berichterstattung über Sportereignisse hin zu Geopolitischem ihrer Verantwortung erst bewusst werden: Können wir Informationen veröffentlichen, bevor diese bestätigt sind? Können wir in der Live-Übertragung zeigen, wie jemand erschossen wird? Und: Wird ein Fernsehsender nicht zum Komplizen der Täter, wenn ihnen mit unseren Kameras eine Bühne geboten wird?
Neben Geoffrey Mason konnten wir zwei weitere Augenzeugen ausfindig machen: Jimmy Schaeffler war 1972 als Runner für die ABC tätig und schmuggelte, verkleidet als Athlet, Filmmaterial an den Polizeiabsperrungen vorbei. Und Sean McManus, heutiger CEO der CBS Sports, der damals als Jugendlicher im Control Room saß, während sein Vater Jim McKay nebenan im Studio moderierte. Zudem lieferten die Biografien von Roone Arledge, damaliger Präsident der ABC Sports, und Jim McKay weitere aufschlussreiche Einblicke in die Ereignisse dieser 21 Stunden am 5. September 1972.
Auf die Frage hin, ob sie denn während der Sendung über die größeren Implikationen und Konsequenzen nachgedacht haben, meinte Geoffrey Mason schlichtweg: „There was simply no time.“ In dem Moment wurde dem Autoren Moritz Binder und mir bewusst, dass sich der Film genauso anfühlen sollte: Das Publikum soll mit den Figuren den Rausch der Live-Berichterstattung miterleben, soll dabei sein, wenn moralische Entscheidungen immer gegen eine tickende Uhr getroffen werden müssen. Soll live miterleben, wie Fehlentscheidungen nicht die Folge von Absichtlichkeiten sind, sondern am Ende einer komplexen Maschinerie stehen. Wie im Leben kommt die Reflexion erst danach.
Für die Arbeit am Drehbuch standen uns die Originalbänder der ABC zur Verfügung. Das Sichten des gesamten Sendematerials ermöglichte eine fast schon minutiöse Rekonstruktion der Ereignisse innerhalb des Control Rooms und entsprechend strukturierten wir das Drehbuch. Ich war fasziniert von der Arbeit des Moderators Jim McKay. In seiner Berichterstattung gab sich McKay professionell und förmlich und konnte trotz allem zu jedem Zeitpunkt Empathie mit den Betroffenen ausstrahlen. Es schien mir unmöglich, diese Performance mit einem Schauspieler zu reproduzieren. Zur Vermittlung der Dringlichkeit des Momentes würden wir das Originalmaterial in unseren Film einbinden müssen.
Und tatsächlich entstand daraus eine visuelle Strategie, die den Film prägen würde. Die Produzenten Philipp Trauer und Thomas Wöbke gewannen das Vertrauen der ABC und klärten die komplexe rechtliche Lage um das Material. Gleichzeitig planten wir das Set so, dass das Originalmaterial von 1972 tatsächlich auf den Monitoren laufen kann und somit mit unseren inszenierten Szenen verschmelzen würde.
Die ABC Sports von 1972 war der eigenen eher sachlichen Nachrichtendivision, aber auch den anderen Sendern weit voraus. Roone Arledge, der Präsident von ABC Sports, war ein Visionär des Geschichtenerzählens: Die persönliche Geschichte der Sportler*innen wurden Teil der Erzählung, deren Biografien, Wünsche, Begierden. Aber auch auf technischer Ebene lief ABC Sports den anderen den Rang ab: Innovative Technologien wie die Verwendung von Zeitlupe und involvierter Handkamera, gepaart mit reißerischer Titelgestaltung gehörten zum Repertoire der von Arledge geführten Truppe. In seinen Memoiren von 2013 beschreibt der Broadcasting Engineer Joe Maltz den enormen technischen Aufwand, der für die erste Live-Übertragung der Olympischen Spiele notwendig war – und wie die ABC Crew am Tag der Geiselnahme improvisierte, um das Publikum so nahe wie möglich an das Geschehen zu bringen. Gepaart mit Arledges innovativen Ansätzen des Geschichtenerzählens ergab sich daraus ein Paradox, das die nächsten Dekaden prägen würde: News wurde zu Entertainment.
Als Filmemacher empfand ich eine Affinität zu der Komplexität der Situation. Einerseits stand ich der Entwicklung, dass tragische Ereignisse zu Sensationen aufbereitet werden, kritisch gegenüber. Anderseits faszinierten mich die Ambitionen und Dilemmata der Journalist*innen, die Geschichte akkurat zu erzählen. Denn dies sind Probleme, die mich auch täglich beschäftigen. Für mich lebt SEPTEMBER 5 genau in diesem Zwiespalt.
Für die Olympiade kamen Menschen aus aller Welt nach München. Geoffrey Mason hatte uns von einer einzigartigen Dynamik und des Zusammenhalts innerhalb der ABC Crew erzählt. Dieses Gefühl sollte sich im Casting widerspiegeln.
Auf den Hauptdarsteller John Magaro bin ich über den Kelly Reichardts FIRST COW sowie seinen Auftritt in THE BIG SHORT aufmerksam geworden. Sein minimalistisch und absolut authentisches Spiel war genau das, was ich für die Rolle von Geoffrey Mason suchte. Besonders glücklich war ich darüber, dass wir für die Rolle von Marianne Gebhardt Leonie Benesch gewinnen konnten. In einer Geschichte, in der es viel um Kommunikation geht, spielt sie als Übersetzerin eine zentrale Rolle. Gleichzeitig repräsentiert die Nachkriegsgeneration, die für das neue, liberale Deutschland steht.
Der Hauptdreh erstreckte sich über 32 Tage vorwiegend in den Bavaria Filmstudios in München. Szenenbildner Julian R. Wagner hat aufgrund von Originalbauplänen das Studio der ABC Sports von 1972 reproduziert. Dabei haben wir uns bewusst gegen eine in der Industrie übliche Vergrößerung oder den Einsatz von Sprungwänden entschieden. Es sollte sich genauso klaustrophobisch wie das Original anfühlen – mit den Monitoren als einzige Fenster zur Außenwelt.
Dieses Studio statteten wir mit Originalgeräten aus den Sechziger- und Siebzigerjahren aus, die aus Abstellkammern von Fernsehstudios, Museen und den Sammlungen passionierter Hobbyisten stammten. Uns war es ein wichtiges Anliegen, dem Publikum von heute ein Gefühl für die analoge Technik von damals zu geben. Teilweise wurden diese Geräte für den Dreh sogar wieder funktionstüchtig gemacht, so dass die Darsteller*innen tatsächlich mit ihnen interagieren konnten.
In den Vorbereitungen hatte ich gemeinsam mit Hauptdarsteller John Magaro in echten Kontrollräumen von Sport-Übertragungen die spezifischen Bewegungen und Gesten, sowie die Dynamik und Stimmung studiert. Und nun konnte wir diese in unser Set versetzen. Eine Ansage im Kontrollraum würde tatsächliche Auswirkungen auf die Crew haben und die entsprechende Technik zum Laufen bringen. So ist es dem Ensemble möglich, sich wirklich in ihre Vorbilder und deren Extremlage hineinzuversetzen.
Das Münchner Olympia-Attentat vom 5. September 1972 ist bis heute relevant. Es in seiner gesamten Komplexität filmisch zu erfassen, ist wahrscheinlich unmöglich. Durch unsere Fokussierung auf die mediale Perspektive wollten wir einen bestimmten Aspekt beleuchten, der uns – in einer Zeit, in der das Live-Streamen öffentlicher Ereignisse immer selbstverständlicher geworden ist – relevant schien: die Macht der Bilder.
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