AGENT OF HAPPINESS (plus ausführliches Interview mit Glücksforscher Prof. Dr. Tobias Esch)
Ab 03. Juli 2025 im Kino
Das dokumentarische Roadmovie AGENT OF HAPPINESS – UNTERWEGS IM AUFTRAG DES GLÜCKS, das auf dem Sundance Film Festival seine Weltpremiere feierte, begleitet den Bhutaner Amber Gurung auf seinen Reisen durch die abgelegenen Täler des Himalayas. Dort befragen
Beauftragte wie er die Bevölkerung Bhutans nach ihrem ganz persönlichen Glücksempfinden – und liefern damit die Grundlage für die Politik des „Bruttonationalglücks“, nach dem die bhutanische Regierung die Entwicklung des Landes ausrichtet. So folgt AGENT OF HAPPINESS Amber und
einem Kollegen, wie sie mit ihrem Kleinwagen von Tür zu Tür fahren und auf die unterschiedlichsten Menschen treffen, ob im Dorf oder auf dem Land, ob beim Beackern der Felder, beim Gebet oder bei der Meditation. Ganz verschieden reagieren sie auf Ambers standardisierten
Fragebogen: ob sie eine Kuh oder einen Esel besitzen, einen Traktor oder einen Laptop – sie alle erzählen mit unerschrockener Ehrlichkeit und stiller Weisheit aus ihrem Leben und davon, was sie glücklich macht und was vielleicht nicht. Und Amber selbst, der mit seinen knapp 40 Jahren allein mit seiner betagten Mutter lebt, spielt auf seinen Reisen Luftgitarre, er singt und tanzt – träumt letztlich aber nur davon, endlich die richtige Frau zu finden. Unterwegs im Auftrag des Glücks und auf der Suche nach dem eigenen Glück…
Mit AGENT OF HAPPINESS öffnen Arun Bhattarai und Dorottya Zurbó den Blick in andere Leben und in eine andere, faszinierende Welt. Ausgehend von der heute weltweit bekannten Glückspolitik Bhutans geht der Film der Frage nach, was Glück sein kann. Wenn die Menschen von sich erzählen, lässt er erahnen, dass Glück zu empfinden nicht nur eine Frage der äußeren Umstände ist. Und wie zerbrechlich das Glück ist – ganz egal, wo man lebt. Unweigerlich zieht man Parallelen zum eigenen Leben und stellt sich die Frage nach dem eigenen Glück. Und ein Film über das Glück anderer macht einen so vielleicht selbst ein bisschen glücklicher.
Ein Film von Arun Bhattarai & Dorottya Zurbó
DIRECTORS‘ STATEMENT
Arun: Dorottya (aus Ungarn) und ich (aus Bhutan) führen seit 11 Jahren gemeinsam Regie, seit der Zeit, als wir uns beim Docnomads Joint Masters Programm kennengelernt haben. Wir haben gemeinsam unseren ersten abendfüllenden Dokumentarfilm The Next Guardian inszeniert, eine intime Familiengeschichte, die in Bhutan spielt und die 2017 auf dem Internationalen Dokumentarfilm Festival Amsterdam uraufgeführt wurde. Dieser Film, Agent of Happiness, ist nun das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit und unseres gemeinsamen Lebens in den letzten zehn Jahren in Bhutan. Unsere Gespräche und Diskussionen, die auch immer vor dem Hintergrund unserer verschiedenen Kulturen stattgefunden haben, haben uns nicht nur in unserem Interesse für den Dokumentarfilm bestärkt. Sie haben uns auch darin bestärkt, verstehen zu wollen, woher
wir kommen und wie wir jeweils von den unterschiedlichen Perspektiven unserer künstlerischen Arbeit profitieren können.
Bhutan war von der Außenwelt abgeschottet, bis es 2008 eine konstitutionelle Monarchie wurde.
Es war das letzte Land der Erde, in dem man kein Fernsehen empfangen konnte – bis sich das 1998 änderte. Wegen dieser isolierten Lage wird Bhutan oft von westlichen Medien als das „letzte Shangri-La“ bezeichnet, als verborgenes buddhistisches Königreich. In den vergangenen Jahren wurde Bhutan dann durch seine Philosophie und abstrakte Wissenschaft des „Bruttonationalglücks" bekannt, das vom König Bhutans in den 1990er Jahren erdacht wurde. In Bhutan wird das Glück seiner Bürger von Glücksgutachtern gemessen, die im ganzen Land unterwegs sind. Auf Basis der Ergebnisse ihrer Umfragen entstehen dann Fünfjahrespläne. Diese Philosophie ist heute auf der ganzen Welt das bekannteste „Markenzeichen“ Bhutans.
Dorottya: Ich stamme aus Ungarn und damit aus einem der pessimistischsten Länder der Welt. Ich war von der Idee beeindruckt, dass eine Nation Glück zur Grundlage ihrer nationalen Identität macht. Als Osteuropäerin mit einer entsprechend belasteten Vergangenheit habe ich ein instinktives Misstrauen gegenüber Kommunikation und Propaganda, die von der Regierung gesteuert wird. Aber in Bhutan funktioniert das anders, als wir uns das gemeinhin vorstellen. Ich war neugierig darauf, wie es sich auf Menschen auswirkt, wenn Glück ihnen sozusagen als offizielle Vorgabe auferlegt wird. Können wir wirklich glücklicher werden, wenn Glück zum Bestandteil unseres kollektiven Bewusstseins gemacht wird – wissend, dass unser Land weltweit in der Statistik des Glücksindex führend ist? Arun und ich wollten mehr darüber wissen, wie man Gefühle und Lebenserfahrungen mit Formeln messen kann. Und wir wollten diesen Akt des Messens in ein filmisches Erlebnis übersetzen, das mehr aussagt als ein Diagramm. Wir wollten Geist und Seele des bhutanischen Volkes näherkommen, der Zerbrechlichkeit ihres Glücks. Lernen, wie man Glück finden kann, sei es im tiefsten Schmerz oder auch darin, nicht nach mehr zu streben, loszulassen. Das ist etwas, das ich auch für mein eigenes Leben lernen muss.
Arun: Als Bhutaner, der in der Zeit aufwuchs, als das „Bruttonationalglück“ entwickelt wurde, war es unmöglich, dieser Idee zu entkommen. Wir lernten darüber in der Schule, man sah es, wenn man das Fernsehen anmachte, und man feierte es sogar am „Nationalen Glückstag“. Ich persönlich hatte aber immer das Gefühl, selbst in Konflikt mit den Idealen des „Bruttonationalglücks“ zu stehen, da ich der ethnischen nepalesischen Minderheit Bhutans entstamme. Das „Bruttonationalglück“ stellt das menschliche Wohlergehen über den materiellen Wohlstand, aber die Rechte der nepalesischen Minderheit wurden oft nicht geachtet. Dies war Anlass für uns, etwas tiefer zu graben und einen eigenen Einblick vor Ort zu bekommen. Persönliche Geschichten zu erzählen, die einen komplexeren Eindruck vermitteln, als es die reine Umfragestatistik tut.
Dorottya und Arun: Das brachte uns zum „Happiness Center“, wo wir auf unseren Protagonisten Amber Gurung trafen, der als Glücksagent von Tür zu Tür zieht, um bhutanische Bürger nach ihrem persönlichen Glücksgefühl zu befragen. Seine Offenheit und sein selbstironischer Humor haben uns sofort für ihn eingenommen. Als wir ihn dann nach und nach besser kennen lernten, haben wir gemerkt, dass er selbst tief in seinem Inneren unglücklich war, weil er auf der Suche nach der großen Liebe war. Er bereist das Land, um das Glück der Menschen zu messen, ist selbst aber sehr einsam. Wir hatten das Gefühl, dass diese Dynamik für einen Film interessant sein könnte: ein Glücksagent auf der Suche nach seinem eigenen Glück. Wobei diese Suche nach Liebe dadurch erschwert wird, dass er nicht die bhutanische Staatsbürgerschaft besitzt, obwohl er in Bhutan geboren wurde. Amber ist der Erste überhaupt, der aus der nepalesischen Minderheit Bhutans stammt und eine Hauptrolle in einem bhutanischen Film spielt.
Sein zu Herzen gehender Charakter und seine Fähigkeit, Freude und Leichtigkeit auch in den hoffnungslosesten Situationen zu empfinden, ermöglicht Empathie für ihn und damit auch für andere Menschen in Bhutan, die mit dem gleichen Problem zu kämpfen haben wie er. Durch Amber treffen wir auch auf Menschen wie Yangka, ein Mädchen im Teenager-Alter, das in einem abgelegenen Dorf lebt und mit der liebevollen Erziehung ihrer jüngeren Schwester die Rolle des Familienoberhaupts übernimmt. Oder Dechen, eine Transgender-Performerin, die Kraft und
Akzeptanz durch ihre Mutter findet. Oder Tshering, der den Tod seiner Frau betrauert und Hoffnung aus seinem buddhistischen Glauben schöpft. Und Tashi, die ihrem patriarchalischen Ehemann zu entfliehen versucht und ihr Glück in einer unerwarteten, schwesterlichen Freundschaft findet. Die Art, wie sie ihr Leben annehmen, ihre Liebe und Kraft hält unserer eigenen Suche nach Glück den Spiegel vor. Der Film lässt den Zuschauer an sein eigenes Leben und die eigenen Kämpfe denken, und ermutigt insbesondere auch das bhutanische Volk, über die im Film gezeigten Themen zu sprechen.
Als Dokumentarfilmer suchen wir nach authentischen, menschlichen Geschichten. Wir halten es für wichtig, die menschlichen Dramen hinter den ganz alltäglichen Ereignissen zu zeigen, die Dynamik von Beziehungen, die verborgenen, unsichtbaren Seiten der Wünsche, Träume und Ängste. In unseren Filmen beschäftigen wir uns oft mit dem Aufeinandertreffen von Kulturen, Identitäten, Werten und Mustern. Diese Geschichten ziehen uns an, die intimen Situationen des Lebens, die unsere kulturellen Unterschiede egalisieren und mit denen wir das Vertraute im Anderen zeigen können – die universellen Werte und die Gefühle, die uns alle verbinden, wo auch immer auf der Welt wir leben. Agent of Happiness ist eine bittersüße Geschichte, die in einer Welt spielt, die noch unberührt ist, und die sich vor den Augen unserer eigenen, größeren Welt noch verbirgt. Wir glauben auch, dass es wichtig und unsere Aufgabe als Künstler ist, in schwierigen Zeiten positive Geschichten zu erzählen.
INTERVIEW MIT GLÜCKSFORSCHER PROF. DR. TOBIAS ESCH
Herr Prof. Dr. Esch, wie würden Sie Glück definieren?Zunächst einmal unterscheiden wir verschiedene Betrachtungsweisen des Glücks. Wenn sich Menschen z.B. mit der Frage nach ihrem persönlichen Glück durch Nachdenken auseinandersetzen – wir nennen das die kognitive Definition –, dann ist es interessant, dass ein Teil von ihnen alles, was in der Vergangenheit war, tendenziell negativ bewertet, so dass sie in der Gegenwart tendenziell besser dastehen als zuvor – das nennt man dann Optimismus; und ein anderer Teil das Gegenteilige sagt, also ,früher war alles besser‘ – das wären dann, etwas vereinfacht, die Pessimisten. Unsere Definition von Glück, mit der wir arbeiten, ist wiederum, dass Glück weniger ein Nachdenken, Reflektieren oder Abgleichen ist, sondern zuallererst ein Gefühl. D.h. wenn ich Sie nachts wecken würde mit dem Fragebogen aus Bhutan oder einer Skala 0-100, dann ist das, was Sie mir dann spontan und ungefiltert sagen, das, worum es geht. Weil Glück im Belohnungssystem des Gehirns erzeugt wird, es ist ein Gefühl, das uns sagt: Das, was wir gerade erleben, ist lohnenswert – oder eben nicht. Diese Komponenten des Belohnungssystems und damit die unterscheidbaren Glückszustände finden wir vom Menschen abwärts bis hin zu ganz einfachen Lebewesen, von Schnecken über Muscheln, Pflanzen oder Bakterien. Das ist in der Evolution immer weiter verfeinert worden, es ist aber immer das gleiche Grundprinzip: Wir sollen durch ein Gefühl, hier: ein Glücks- bzw. Belohnungsimpuls, zu einem bestimmten Verhalten verleitet werden. D.h. wir sollen einen Beweggrund haben, ein „Motiv“, etwas Bestimmtes zu tun, was dann nicht nur für mich selbst gut ist, sondern vor allem für meine Spezies. Bzw. umgekehrt: Was für das Überleben und Vorankommen meiner Spezies hilft, soll mir gut vorkommen und sich lohnenswert anfühlen.
Glück also als etwas biologisch Gesteuertes und nicht individuell Wahrnehmbares?Wenn wir sagen: Glück ist ein Gefühl und eine Motivation, dann steckt dahinter tatsächlich eine biologisch extrem harte Währung: Fortpflanzung und Entwicklung. Oder man könnte auch sagen die wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen, frei nach Clayton Alderfer: Wachstum, Überleben und Beziehung. Glück ist gewissermaßen das unsichtbare Werkzeug, das uns all das erreichen lässt. Wobei es unterschiedliche Formen des Glücks gibt, unterschiedliche Dinge, die wir zu unterschiedlichen Lebensphasen als Glück empfinden – zu denen wir also motiviert werden sollen.
Und wie sehen diese aus?Wir unterscheiden hier drei zentrale Formen – Motivationen und Lebensphasen –, mit denen unterschiedliche soziale Funktionen einhergehen. Die erste ist die Phase der Jugend – hier: das Glück des Wollens: Ich will etwas tun und erreichen, habe Vorfreude, bin kreativ, risikobereit, ich
wachse, lerne und überwinde Hindernisse. Das ist eine sehr Ich-bezogene Phase, in der wir von der Gesellschaft geschützt werden und denken, dass wir uns die Welt untertan machen. Auch wenn es biologisch genau andersherum ist und es die Welt ist, die uns in dieser Phase formt.
Wie geht es dann weiter?Mit der mittleren Lebensphase, in der sich unser Gehirn immer besser in die Welt einpasst. Wir werden integraler Teil von ihr. Dadurch nimmt die Vorfreude ab, weil wir alles schon einmal erlebt haben. Unser Gehirn findet jetzt Abkürzungen, damit uns intuitiv Lösungen ad hoc zur Verfügung
stehen. Das Glück zeigt sich nun auch anders, nämlich in Form des „Nicht-Haben-Wollens“ und Vermeidens. Wir haben gelernt, Lebenszeit investiert, und jetzt haben wir etwas zu verteidigen und müssen die Schutzschilder hochfahren. Stress ist jetzt das zentrale Motiv, wir haben Konflikte und Konkurrenten – ob am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder Partnerschaft –, hinzu kommen Schmerz und Krankheiten. Alles, was unangenehm ist, soll jetzt vermieden werden. Und Glück hat nun eine ganz andere Färbung, mehr in Richtung: „Wenn der Stress Pause macht“.
Das klingt aber nicht gerade nach Glück.Jetzt kommt das Spannende, und das führt direkt nach Bhutan: Lange dachte man, zumindest in der Neurowissenschaft, dass es nur diese beiden Zustände gibt. Heute wissen wir aber, dass das Glück in unserem Leben eher einer U-Kurve gleicht, denn danach kommt noch ein dritter Zustand: Das Gefühl anzukommen, zur richtigen Zeit genau am richtigen Ort zu sein – das Ego kommt zur Ruhe, ganz so wie es in Hermann Hesses Gedicht „Glück“ heißt: „Die Seele ruht“. Ich muss weder Abenteuer suchen noch kämpfen und verteidigen, sondern habe das Gefühl, ganz im Hier und Jetzt sein zu können. Viktor Frankl nennt das die Selbsttranszendenz – das Ich tritt zur Seite, und plötzlich erlebe ich mich als Teil von etwas Größerem, einem Wir. Diese Form des Glücks bezeichnen wir gern als „Glückseligkeit“ oder einfach „Zufriedenheit“. Fragen wir Menschen in dieser Phase – und das sind nun die Älteren –, wofür sie morgens aufstehen, dann ist das zentrale Motiv das Erleben von innerem Frieden und Dankbarkeit.
Das heißt Glück ist auch eine Frage des Alters?Diesen Glückszustand der Zufriedenheit oder Glückseligkeit finden wir – daher auch der Titel unseres Bestsellers „Die bessere Hälfte“ – erstaunlicherweise, in der Tat, vor allem in der zweiten Lebenshälfte. Man nennt es auch das „Zufriedenheits-Paradoxon“: Unsere Idee vom Alter ist ja gemeinhin, dass man nicht mehr laufen kann, alleine ist, kein Geld hat – aber paradoxerweise sind es gerade die Älteren, die sich von der Idee emanzipieren, dass Glück unbedingt Wachsen und Konsum bedeuten muss. Wir können so im Laufe unseres Lebens drei parallele Bewegungen beobachten: von Jung zu Alt, vom Ich zum Wir und vom Außen zum Innen. Glück ist dann etwas, das nicht mehr von außen kommen muss, sondern zu etwas Innerem wird, schließlich zu Zufriedenheit. Das Spannende ist nun, dass man diese Zufriedenheit sogar noch bei den allermeisten 100-jährigen findet – nicht alle, aber 90% der 100-jährigen sind zufrieden, so etwa die aktuelle Hundertjährigen-Studie aus der Schweiz. Im Zweifelsfall können sie nicht mehr sehen oder laufen, aber sie sind zufrieden. Wobei man sicher dazusagen muss, dass das der Idealfall ist. Wenn ich schwer krank bin und Schmerzen habe, Verluste erleide oder arm bin, nicht genug zu essen habe oder schmerzhaft einsam bin, sieht das sicherlich ganz anders aus.
Was heißt dies in Bezug auf Bhutan?Was wir aus Verschriftlichungen wissen, ist, dass das Glück der Bhutaner, diese Zufriedenheit, geprägt ist von dem Gefühl des Wir – von einer Verbundenheit als zentralem Motiv. Verbundenheit über die verschiedenen Generationen hinweg, mit Menschen, Ahnen und auch deren „Geistern“, mit Orten, Kultur und Heimat, vor allem aber auch mit der Natur. Mit etwas Größerem also, deswegen nennen wir diese Dimension auch die spiritokulturelle.
Welche Rolle spielt dabei der Glaube?Auch wenn es unterschiedliche Ausprägungen des Buddhismus gibt, bietet er insgesamt sicherlich die Dekonstruktion des Ichs und des Egos hin zum Wir und der Verbundenheit an. Das Ich ist nur als Teil der Natur zu sehen, wir alle sind miteinander verbunden, alles entsteht in Bedingung und in Beziehung zueinander. Der Buddhismus ist da sehr strikt und unverhandelbar: Was ich heute mache, wird in einer anderen Form anderswo eine Wirkung haben. Der Auftrag, der daraus entsteht, ist, sich über seine Taten, Nichttaten, Gedanken und seine Verbundenheit mit der Natur zu definieren. Wenn wir in dieser Hinsicht auf die drei Formen des Glücks zurückkommen, kommt das der dritten Phase des fortgeschrittenen Alters nahe, in der wir uns vom Ich zum Wir bewegen und im Idealfall Zufriedenheit und Glücksseligkeit finden.
Kann man Glück lernen?Wenn wir der Logik der drei Ausprägungen des Glücks folgen, kann man nicht einfach zuhause sitzen und sagen: Phase 1 ist toll, Phase 2 überhaupt nicht, da bleibe ich lieber zu Hause und warte auf Phase 3. Nein, wir müssen da durch, sonst erreichen wir Phase 3 nicht. Aristoteles nennt das Eudaimonie – quasi den „Lebenslohn“. Dieser wird nur gezahlt, wenn man sein Leben gelebt hat.
Das ist nicht immer einfach, aber es gehört eben dazu. Insofern heißt Glück zu lernen: Leben aushalten, Zutrauen haben – und daran glauben, dass es schon wird. Dass die bessere Hälfte auf uns wartet. Wie die Forschung zeigt, kann man aber schon ein paar Dinge unterstützend tun, um das Glück zu fördern: seinen Körper spüren, z.B. durch regelmäßige Bewegung; Altruismus – bewusst etwas geben können; eine Aufgabe haben und Erfüllung finden, generell in dem, was man tut und hat; aber auch loslassen können – also Dinge mit Haut und Haaren tun, wenn sie ihre Zeit haben, sie aber gehen lassen, wenn die Zeit vorüber ist, ob Gesundheit, Partnerschaft, Ehe oder Job; an etwas glauben; und schließlich die Königsdisziplin: Liebe – sich selbst als liebenswert erachten und etwas haben, das man wirklich liebt.
Bhutan ist heute auf der ganzen Welt für das „Bruttonationalglück“ und seine darauf ausgerichtete Politik bekannt, die die Bevölkerung glücklich bzw. glücklicher machen soll. Kann so eine Politik funktionieren?Die pure Form des Glücks, dieses Habenwollen der ersten Phase, das können wir hier alle gut. Die zweite Form, also das Älterwerden und Dinge aushalten zu müssen, wenn sie schwierig werden, ist die Phase, mit der viele von uns zu kämpfen haben. Und die dritte Phase, die Zufriedenheit mit dem, was ist, Verbundenheit, Transzendenz: Hierin sind wir in unseren westlichen Gesellschaften eher nicht gut. Das spüren wir auch. Und weil wir merken, dass uns etwas ganz Zentrales fehlt, ist die Suche nach Achtsamkeit und „spirituellem Atheismus“ bei uns so auf dem Vormarsch. Länder wie Bhutan haben hier – zumindest nach dem, was wir hören – einen Riesenvorteil. Weil sie genau da hinein investieren: Sie machen eine Perspektive auf, zeigen einen Weg, leben intergenerativen Zusammenhalt. Die Älteren sind nicht einfach nur alt und „Ausschussware“, sondern werden auch als ,senior advisors‘ wertgeschätzt. Sie haben Erfahrung und sind die Bewahrer des kollektiven
Wissens einer Gesellschaft. Wenn ich diesen Aspekt also pflege und über die Politik unterstütze und nähre, dann hilft das der Gesellschaft. Gesellschaften, die es schaffen, diesen Bogen zu spannen, werden voraussichtlich weniger Ressourcen verbrauchen und insgesamt zufriedener sein.